Rosenfeld, Fritz

geb. am 5.12.1902 in Wien – gest. am 27.12.1987 in Sussex (GB); Journalist, Film- und Literaturkritiker

Ps.: Friedrich Feld

Das Porträtmodul von Primus-Heinz Kucher finden Sie hier.

F. R. wurde als erster von drei Söhnen des ursprünglich aus dem slowak.- ungar. Gajary/Gajar gebürtigen Rabbiners Dr. Moritz Rosenfeld und der aus Berlin kommenden Margarete Casparius in Wien geboren und wuchs zunächst im 2. Bezirk (Leopoldstadt) auf. Nach erfolgreicher Matura im Juli 1921 begann er ein Studium der Deutschen Philologie an der Universität Wien, insbesondere bei Eduard Castle, das er aber 1926 aufgibt. Bereits 1922 verfasste Rosenfeld den Großteil der literaturkritischen Beiträge für die sozialdemokratische Monatszeitschrift Bildungsarbeit, meist Sammelbesprechungen quer durch die europäische Literatur, wobei er sich rasch auch als Kenner der französischen und russischen Literatur profilierte und seit 1924 Beiträge mit programmatischen Charakter, etwa Anleitungen Literatur-Vorträgen (z.B. zu Alfons Petzold in den Zss Die Bildungsarbeit (Nr.1/1924) sowie Der Kampf, H.1/1924), verfasste. 1923 trat R. in die Kulturredaktion der Arbeiter-Zeitung ein, wo er auf zwei prominente Förderer, Theoretiker und Praktiker der Kulturpolitik des Roten Wien zählen konnte: auf David Josef Bach sowie auf Otto Koenig. Neben der Literaturkritik begann Rosenfeld ab 1925 in der AZ sich mit dem Film auseinanderzusetzen und avancierte alsbald zum führenden Theoretiker und Kritiker einer proletarischen Filmkunst bzw. Filmpraxis mit seinen über 200 Beiträgen. Dies erfolgte vor dem Hintergrund, dass Wien Anfang der 1920er Jahre rund 170 Kinos mit über 70.000 Plätzen aufwies und das Kino zu einem Phänomen der Massen- und Unterhaltungskultur avanciert war, auf die es zu reagieren galt, insbesondere auf die Trivialisierungstendenz durch die Filmindustrie. Einen Verbündeten fand R. dabei auch in Béla Balázs , der seit 1922-1925 im linksliberalen Der Tag eine ständige Filmrubrik – Der Filmreporter – unterhielt und der wohl prominenteste Filmtheoretiker jener Jahre war, sowie in Leo Lania . R.s. Augenmerk galt dem künstlerisch anspruchsvollen und der sozialdemokrat. Kulturpolitik entgegenkommenden Film: Volksbildung und potentielle Adaption des neuen Mediums für den Klassenkampf an Stelle des Konsums industriell gefertigter Kitsch-Produktion, wobei sein Interessensfeld auch die internationalen Entwicklungen und Leistungen (Chaplin, Clair, Duvivier, Eisenstein, Iribe, Kinugasa, Lang, Pudowkin u.a.) einbezieht. 1926 beschließt der Parteivorstand die Zusammenfassung sozialdemokratisch geführter Kinos zu einer eigenen Gesellschaft: der Kiba, die ihrerseits seit 1928 rasch expandiert, kommerzielle Züge annimmt und deshalb von R. zunehmend und konsequent kritisiert wird. Parallel zur Filmkritik und programm. Filmessays wie z.B. Der Arbeiter und der Film (1929) in der AZ , in der Bildungsarbeit, im Kampf und in der Zs. Die Unzufriedene beteiligt sich R. auch an der einsetzenden Diskussion über den proletar. Sprechchor bzw. Formen des Agitprop-Theaters und verfasst Sprechchor-Texte, z.B. Kerker (1925) oder Die Stunde der Verbrüderung (1928). Zu Beginn der 1930er Jahre wendet sich R. verstärkt literarischen Arbeiten zu, einerseits zu Novellen und legendenartige Erzählungen, die u.a. chinesische (Märchen)Stoffe aufgreifen, wie z.B. der Bd. Aufruhr des Herzens (1932), andererseits Kinderbüchern wie Tirilin reist um die Welt (1929). Und er legt auch seinen wohl wichtigsten Roman Die goldene Galeere (1930) vor, einen „Roman aus der Filmindustrie“ (Untertitel), der die Mechanismen der kapitalistischen Unterhaltungsindustrie und ihrer Indoktrination insbes. junger Schauspieler zum Thema hat, aber auch eine alternative proletar.- künstlerische Vision entwirft, die an Walter Ruttmann und seine Filmarbeit erinnert und den aus Sicht R.s. „schönsten Tonfilm“ Das Lied vom Leben von Alexis Granowski vorweg denkt. Bereits im Februar 1932 verf. R. eine scharfe Kritik an der zunehmend im Geist des NS agierenden UFA am Beispiel des Historienfilms Flötenkonzert von Sansoucci, das den Revanchekrieg gegen Frankreich propagierte, im Oktober 1932 eine Kritik an der Entpolitisierung des Rundfunks unter dem Titel Der Rundfunk und das gute Gewissen.

Im Februar 1934, kurz nach Übernahme der Feuilletonredaktion in der AZ, sah sich R. als exponierter Intellektueller der Sozialdemokratie gezwungen, in die Tschechoslowakei zu flüchten, wo er in Prag als Korrespondent verschiedener Zeitungen bis zu seiner Emigration nach Großbritannien im August 1939 wirkte und nebenher Romane für Zeitungsabdrucke schrieb, z.B. Die Brücke nach Ypsilon (1935), der es sogar zu einer tschechischen Buchveröffentlichung brachte, oder Gelegenheitsarbeiten, u.a. für die Prager Paramount-Niederlassung, übernahm. R. tritt in London dem Austrian Labour Club bei und versucht nach seiner mehrmonatigen Internierung 1940 auf der Isle of Man wieder publizistisch in der Exilpresse Fuß zu fassen, muss sich aber auch mit Fabrikarbeit durchschlagen. Für die überparteil. ausgerichtete Die Zeitung verf. er zwischen 1942 und 1944 Porträts von Regisseuren und SchauspielerInnen, u.a. über G. Garbo, M. Dietrich, E. Stroheim, Lubitsch oder einen Nachruf auf C. Mayer, dem Drehbuchautor epochaler Filme wie Das Cabinet des Dr. Caligari oder Sunrise, für die BBC ist er 1944-46 im Abhördienst und für das Österreich-Programm tätig. Ende 1945 nimmt R. mit O, Koenig in Wien Kontakt auf und beginnt für die AZ wieder Beiträge zu schreiben, 1946 erhält er eine Redaktionsstelle bei Reuters; das verspätete Angebot durch Oscar Pollak, in die Redaktion der AZ zurückzukehren, nimmt R., seit 1947 britischer Staatsbürger, nicht an. Die Beziehung zur AZ verschlechtert sich in den Folgejahren und führt 1954 zum Bruch. Unter dem Pseudonym Friedrich Feld beginnt in den 1950er Jahren seine letzte große Karriere: die eines Kinder- und Jugendbuchautors mit über 200 Texten, von denen zahlreiche international erfolgreich waren wie z.B. 1414 geht auf Reisen (1948) oder Der Regenbogen fährt nach Madagaskar (1950) sowie als Hörspielautor mit über eintausend Sendungen quer durch die europäischen Radiostationen.


Werke

Mitanobu. Eine Legende (1929), Die Toten klagen an (Sprechchor, 1930), Der Goldfasan. DreiLegenden (1933), Chinesische Legenden (1934), Der fliegende Igel (1953), Der Papagei von Isfahan (1960), Der ungeduldige Ibrahim (1962), Ein großer Tag für Annabell (1979); Johanna.Roman (ED 1924, Salzburger Wacht; 2020 Buchausgabe)

Quellen und Dokumente

Kinokultur. In: AZ, 1.1.1925, S. 23f., Die Welt des Films. Dreißig Jahre Kino. In: AZ, 15.8.1926, S. 20, Der Arbeiter und der Film. Vortrag, gehalten am 30. Jänner 1929 im Wiener Radio (Arbeiterkammerstunde). In: Bildungsarbeit XVI (1929), H. 2, S. 17-21, Der Tonfilm. In: Bildungsarbeit XVI (1929), H. 10, S. 134-136.

Literatur

Brigitte Mayr/Michael Omasta (Hg.): Fritz Rosenfeld, Filmkritiker. Wien 2007; Richard Bamberger: Friedrich Feld. In: Ders.: Der österreichische Jugendschriftsteller und sein Werk. Wien 1995, S. 32-39, P.-H. Kucher: F. R./Friedrich Feld – ein Fallbeispiel von Literatur- und Filmkritik, von Kulturprogrammatik und schriftstellerischer Praxis im Roten Wien. In: Konstantin Kaiser et al. (Hg.):Rote Tränen. Die Zerstörung der Arbeiterkultur durch Faschismus und Nationalsozialismus, 83-100 (2017).

(PHK)