geb. am 8.2..1874 in Pottendorf (NÖ) – gest. am 23.7.1935 in Wien; sozialdemokratischer Politiker, Schulreformer

1874 im niederösterreichischen Pottendorf als Sohn eines Unterlehrers geboren, war Glöckel nach dem Besuch der Lehrerbildungsanstalt in Wiener Neustadt zunächst provisorischer Volksschullehrer im 14. Wiener Bezirk. 1894 trat er der sozialdemokratischen Partei bei und begann sich im von Karl Seitz initiierten sozialdemokratischen Lehrerverein zu engagieren. Gemeinsam mit ihm gründete Glöckel 1897 die Wiener Lehrerbewegung „Die Jungen“, die sich gegen die schlechte Bezahlung und Diskriminierung der Unterlehrer in einem stark klerikal geprägten Schulsystem auflehnte. Sein politisches Engagement hatte zur Folge, dass er – wie auch vier seiner Kollegen – im September 1897 von Bürgermeister Karl Lueger wegen „politischem Radikalismus“ fristlos entlassen wurde. Glöckel arbeitete in der Folge als Beamter in der Unfallkrankenkasse, widmete sich daneben aber weiterhin der Schulfrage: So arbeitete er am Schulprogramm der Jungen (1898) mit und übernahm 1905 die Leitung des von sozialdemokratischen und liberalen Kräften getragenen Vereins „Freie Schule“. 1906 wurde er in den Wiener Gemeinderat gewählt,  ein Jahr später auch in den Reichsrat, dessen Mitglied er bis zum Zusammenbruch der Habsburgermonarchie blieb. Glöckel arbeitete daneben unter dem Eindruck der Reformpädagogik an einem Schul- und Erziehungsreformprogramm, das er im Jänner 1917 unter dem Titel Das Tor der Zukunft im Rahmen einer Versammlung des Vereins „Freie Schule“ vorstellte. Wesentliche Eckpfeiler seines Programms waren die Freiheit der Schule, die Unentgeltlichkeit des Unterrichts und der Lehrmittel, die klare Trennung von Schule und Kirche sowie die Schaffung einer sog. „Einheitsschule“ im Anschluss an die gemeinsame Grundschule, um soziale Chancengleichheit herzustellen.

1918 wurde Glöckel zunächst Mitglied des neu eingesetzten Staatsrates sowie Unterstaatssekretär für Inneres; von März 1919 bis Oktober 1920 war er Unterstaatssekretär für Unterricht und regelte als solcher nicht nur den freien Zugang zu Universitäten für Frauen, sondern sorgte mittels des „Glöckel-Erlasses“ auch für die Abschaffung des verpflichtenden Religionsunterrichts und des täglichen Schulgebets, was zu einem zentralen ideologischen Konflikt in der Ersten Republik führte: die Frage der Entklerikalisierung des Schulwesens. Im März 1922 übernahm Glöckel die Position des Geschäftsführenden Präsidenten des Wiener Stadtschulrates. Diese Funktionen erlaubte ihm, trotz vehementen Widerstands im christlichsozial geführten Unterrichtsministerium mit der sukzessiven Umsetzung seiner Reformpläne zu beginnen: Im Rahmen der international vielbeachteten „Wiener Schulreform“ gelang die Modernisierung von Lehrplänen und Unterrichtsmethoden und die Ausweitung des Sonderschulwesens ebenso wie die durch die Stadt Wien unterstützte Gründung des Verlages Jugend & Volk, der zeitgemäße und kostenlose Lehrbücher für den modernen Unterricht zur Verfügung stellte. Darüber hinaus konnte Glöckel mit dem neugeschaffenen „Pädagogische Institut der Stadt Wien“ wesentliche Impulse für die Qualität der Lehreraus- und Fortbildung setzen. In der Planungsphase stecken blieben allerdings die Arbeiten zur Schaffung einer einheitlichen Schule für alle 10- bis 14-Jährigen, die von konservativen Kräften in der Regierung abgelehnt wurde. Erst nach den für die Sozialdemokratie erfolgreich verlaufenen Nationalratswahlen des Jahres 1927 wurde als Kompromiss zumindest die vierjährige Hauptschule mit zwei Klassenzügen eingeführt.

Vor dem Hintergrund des „Kulturkampfes“ der Ersten Republik sah Glöckel seine äußert umstrittene Schulreform wiederholt massiver Kritik ausgesetzt. So befürchteten politische Gegner mangelnde Disziplin, qualitative Einbußen beim Unterricht und sittlichen Verfall durch die Einführung von Sexualaufklärung. In Schriften wie Die österreichische Schulreform (1923), Die Wirksamkeit des Stadtschulrates (1925) und Drillschule, Lernschule, Arbeitsschule (1928) trat er diesen Vorwürfen entgegen und verwies u.a. auf Bedeutung wie Notwendigkeit gebildeter Staatsbürger für eine stabile Demokratie.

Als führendes Mitglied der Sozialdemokratie wurde Glöckel im Gefolge der Februarkämpfe am 13. Feburar 1934 in seinem Büro verhaftet und nach wochenlanger Einzelhaft in das Konzentrationslager Wöllersdorf überstellt, wo er trotz mehrerer persönlicher Bittgesuche an die Bundeskanzler Dollfuß und Schuschnigg zunächst ohne Anklage inhaftiert blieb. Erst auf internationalen Druck hin – so intervenierte etwa die Schweizer Bundesversammlung, aber auch der berühmte Entwicklungspsychologe Jean Piaget zu seinen Gunsten – erfolgte zunächst die Überstellung in Krankenhauspflege und schließlich Ende Oktober 1934 die Enthaftung des gesundheitlich schwer Angeschlagenen. Körperlich und seelisch gebrochen starb Glöckel am 23. Juli 1935.


Literatur

Ernst Hanisch, Der lange Schatten des Staates. Österreichische Gesellschaftsgeschichte im 20. Jahrhundert (Österreichische Geschichte 1890-1990), Wien 22005; Eintrag bei das rotewien.at; Otto Glöckel. Mythos und Wirklichkeit (=Schulheft 37/1985); Oskar Achs/Albert Krassnigg, Drillschule, Lernschule, Arbeitsschule. Otto Glöckel und die österreichische Schulreform in der Ersten Republik, Wien u.a. 1974; Gerald Mackenthun, Otto Glöckel – Organisator der Wiener Schulreform. In: Alfred Levy/Gerald Mackenthun (Hg.), Gestalten um Alfred Adler. Pioniere der Indvidualpsychologie, Würzburg 2002, S. 99-118; Ernst Mayer, Otto Glöckel. In: Norbert Leser (Hg.): Werk und Widerhall. Große Gestalten des österreichischen Sozialismus, Wien 1964, S. 168-177; Pia Schölnberger, Das Anhaltelager Wöllersdorf 1933-1938. Strukturen – Brüche – Erinnerungen, Wien 2015. 

Quellen und Dokumente

Otto Glöckel, Die christlichsoziale Schuldemagogie auf dem Lande. In: AZ, 5.4.1921, S. 5; Die Schulreformstadt. In: AZ, 29.6.1923, S. 1f; Neue Aufklärungsschriften. In: Arbeiterwille, 24.2.1928, S. 10; Der Schulsonntag in Wien. In: Reichspost, 6.10.1924, S. 4; Die Wiener Schulreform im Urteil des Auslandes. In: AZ, 31.1.1925, S. 13; Im Kampf um die christliche Schule. In: Reichspost, 25.9.1925, S. 4f; Das Attentat auf die Schulreform. In: AZ, 11.6.1926, S. 5; Otto Glöckel. Nachruf. In: AZ, 28.7.1935, S. 8; Ferdinand Heger, Am Grabe Otto Glöckels. In: Der Kampf 2/9 (1935), S. 404-411.

Werke

Das Tor der Zukunft (1917); Die österreichische Schulreform (1923); Drillschule – Lernschule – Arbeitsschule (1928); Otto Glöckel. Ausgesuchte Schriften und Reden, hg. v. Otto Achs, Wien 1985; Selbstbiographie. Sein Lebenswerk: die Wiener Schulreform (1939).

(MK)


Geb. 12.9.1899, Wien<, gest. 23.4.1981, Bad Vöslau. Kunst- und Literarhistoriker, Verlagsleiter, Museumsdirektor.

Materialien und Quellen:

Eintrag auf: Brenner-Archiv, Uni. Innsbruck: hier.  

(in Vorbereitung)

geb. am 16.3.1902 in Wien – gest. am 3.1.1991 in York, GB; Schriftstellerin, Drehbuchautorin, Übersetzerin und Exilantin

Pseud.: Anna Reiner; verh. Wiesner, Murdoch

Die aus einer jüdischen Familie kommende A. Gmeyner studierte zunächst an der Univ. Wien und ging bereits 1925 nach Berlin, wo sie ihren ersten Mann, den Psychologen Berthold Wiesner, ehelichte. Mit ihm übersiedelte sie 1926 nach Großbritannien, nachdem er eine Anstellung an der Univ. of Edinburgh erhalten hatte. Ab 1930 lebte sie, nach der Trennung von Wiesner, wieder in Berlin und fallweise in Wien. In diesen Jahren lernte sie Erwin Piscator kennen, für den sie zu arbeiten begann, sowie Hanns Eisler und Herbert Rapaport, die einzelne ihrer Balladen und Gedichte vertonte. Im ›Theater der Arbeiter‹ kam im Jänner 1930 ihr Bergarbeiterdrama Heer ohne Helden, ihr Bühnendebüt, zur Uraufführung, das im Pariser Exil die Vorlage für G.W. Papsts Filmversion La tragédie de la mine bildetet. Bereits früh begann G. als Übersetzerin zu arbeiten; u.a. von Gedichten des afroamerikanischen Lyrikers und zugleich der frühen Ikone der Bürgerrechtsbewegung Langston Hughes. Von ihm übertrug sie 1932 für das Tagebuch Lied einer schwarzen Frau. Im Zuge des Kleistpreises 1932 (zu gleichen Teilen an R. Billinger und E. Lasker-Schüler) erhielt Gmeyner eine „ehrenvolle Erwähnung“ für ihr Volksstück Automatenbüffet (Wr. Ztg. 12.11.1932,10). Es wurde 1933 am Zürcher Schauspielhaus aufgeführt. Im selben Jahr arbeitete sie mit G.W. Papst in Paris, für den sie u.a. das Drehbuch Du haut en bas (Von oben nach unten) verfasste und kehrte nicht mehr nach Deutschland zurück. In der Wiener Zeitschrift Moderne Welt konnte sie noch zwischen Oktober 1933 und Februar 1934 die im exotischen Seefahrer-Milieu angesiedelte Erzählung Mary-Ann wartet in sechs Folgen veröffentlichen.

Vermutlich 1935 übersiedelte sie von Paris nach London und heiratete dort den Religionsphilosophen Jascha Morduch. 1936 beendete sie ihren ersten Exilroman Manja. Ein Roman um fünf Kinder, zugleich ein Zeitroman über die Geschichte der Weimarer Republik bis hin zur Machtergreifung durch die Nationalsozialisten; er erschien 1938 im renommieren Querido-Verlag (Amsterdam) und bereits 1939 unter dem Titel The Wall auf Englisch. In der Folge wechselte sie auch ihre Arbeitssprache und legte 1941 nach der verloren gegangenen deutschen Fassung mit Café du Dome bzw. The Coward Heart einen weiteren Exil-Roman vor. Auch im englischen Exil fand sie Zugang zum Filmbereich und verfasste mehrere Drehbücher, zog sich aber Mitte der 1940er Jahre aus dem Schreiben vorübergehend zurück. Ihre erste Übersetzungsarbeit, der Roman Fanny herself der US-amerikanisch-jüdischen Schriftstellerin Edna Ferber, erschien 1930.

Im Februar 2019 verfasste die deutsch-jüdisch-russische Dramatikerin und Schriftstellerin Sasha M. Salzmann ein leidenschaftliches Plädoyer für die Wiederaufführung von Automatenbüffet in der FAZ.


Weitere Werke

Der große und der kleine Klaus. Kinderstück (1929); Zehn am Fließband. Drama (1931); The Death and Life of Julian (1960); A Jar Laden with Water. Six Stories (1960); No Screen for the Dying (um 1964); The Sovereign Adventure.

Quellen und Dokumente

Eintrag bei: Literaturepochen.at: Gmeyner; UA-Notiz zu: Heer ohne Helden; Der Tag, 26.1.1930, S. 10; Übersetzung von L. Hughes: Lied einer schwarzen Frau. In: Das Tagebuch, H. 7/1932, S. 258; Mary Ann wartet: In : Moderne Welt H. 9/1933, S. 53.

Literatur

A.Führich: Aufbrüche des Weiblichen im Drama der Weimarer Republik. Brecht – Fleisser – Horváth – Gmeyner (Diss 1989, veröfftl. 1992); E. Timms: Prinzipien der Hoffnung: Kindheitserlebnisse und Frauengestalten in den Romanen von Anna Gmeyner, in: Keine Klage über England? Deutsche und österreichische Exilerfahrungen in Großbritannien 1933–1945, hg. von Ch. Brinson, R. Dove, A. Grenville, M. Malet und J. Taylor. (München 1998); D. Pinfold: The Child’s View of the Third Reich in German Literature. „The Eye Among the Blind“. (Oxford 2001); B. Werner: Illusionslos – hoffnungsvoll. Die Zeitstücke und Exilromane Anna Gmeyners ( Göttingen 2006); H. Klapdor-Klops (u. a.): Script: Anna Gmeyner. Eine Wiener Drehbuchautorin im Exil. Synema, Wien 2009; S.M. Salzmann: Euer Trost kostet zu wenig. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 9.2. 2019.

(PHK)

Geb. 18.3.1884 in Mihaileni, Kreis Botoşami (Kgr. Rumänien), gest. 18.7. 1949 in Haifa, IL. Rechtsanwalt, Herausgeber, Zionistischer Aktivist. Ab 1939-40 nannte er sich: Arjeh Sahari.

L. Goldhammer stammte aus einer angesehenen jüdischen Familien, die wichtige Positionen schon unter den moldauischen Fürsten eingenommen hatte. Er wuchs jedoch vorwiegend in Czernowitz auf, studierte in Wien Rechtswissenschaften, in Berlin bei Georg Simmel Soziologie und in Frankfurt a.M. bei Franz Oppenheimer Wirtschaftswissenschaften. Er gilt als einer der Mitgründer der Studentenvereinigung Theodor Herzl und 1907 beim 8. Zionistenkongress in Den Haag der Poale Zion. In den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg wirkte er wieder in Rumänien, ab 1920 dann in Wien als Rechtsanwalt. Dort war er auch Präsident des Zionistischen Landesverbandes Österreichs, des Jüdischen Volksheims und der Jüdischen Volksbibliothek sowie 1926-1928 Leiter des Palästina-Amtes. Ab 1928 gab er die zionist. ZeitschriftDie Stimme heraus sowie, mit Adolf Böhm, Palästina. Zeitschrift für den Aufbau Palästinas.

1938 leitete er den Jüdischen Nationalfonds in Wien und die Wiener Sektion der Keren Hayesod, um die Auswanderung bzw. Flucht jüdischer Mitbürger und Mitbürgerinnen zu unterstützen. Er selbst wählte den Fluchtweg 1939, eine Alija Bet (illegale Alija, um der britischen Kontrolle der Palästina-Einwanderung zu umgehen). Seit 1944 war er gewähltes Mitglied der Repräsentantenversammlung Palästinas, der parlamentarischen Vertretung des Völkerbundmandats Palästinas, nach der Staatsgründung dann auch stv. Bürgermeister von Haifa.

Materialien und Quellen:

Eintrag auf: Geschichtewiki Wien; Eintrag im ÖBL (Stand 1957); Eintrag in: Holocaust Survivers and Victims Database.

Die Stimme. Jüdische Zeitung (1928-1938): In: Compact memory (UB Frankfurt a.M.)

L. Goldhammer: Die Juden Wiens. Wien 1927. Online verfügbar unter: https://sammlungen.ub.uni-frankfurt.de/freimann/content/titleinfo/424064; Ders.: Der Zerfall der jüdischen Familie. In: Menorah (Wien), H.7-8/1932, S. 346-349.

(PHK, work in progress)

Geb. 31.1. 1865 in Breslau (Preußen), gest. 25.9. 1935 in Wien. Feuilletonist, Kritiker, Redakteur, Schriftsteller.

(in Vorbereitung)

Geb. 12.8. 1870 in Wien, gest. 6.10. 1931 in Wien. Soziologe, Pazifist.

(in Vorbereitung)

Geb. am ? – gest. ? Kritiker, Feulletonist, Schriftsteller.

R. Götz ist als Theater- und Tanz-Kritiker seit etwa 1923 bei der Zeitung Der Tag engagiert gewesen; von ihm stammen programmatisch ausgerichtete Beiträge wie Tanz und Theater oder Tanzfestspiele, der sich mit der Persönlichkeit von M. Wigman befasst.

1933 legte er das Schauspiel Die Emigranten vor, das im Dez. jenes Jahres im Grazer Stadttheater uraufgeführt wurde.

Materialien und Quellen:

(PHK, in preparation)

geb. am 1.10.1873 in Wien – gest. am 24.6.1958 in Wien; Musikkritiker und -schriftsteller, Professor, Kolumnist, Exilant

Max Graf war ein Musikkritiker und -schriftsteller, dessen Interessensgebiet vor allem die Musik des 19. und 20. Jahrhunderts umfasste. Lebhaft, geistreich und subjektiv trat er hierbei für die Komponisten der Moderne (Berg, Mahler, Schönberg) ein und forderte – besonders in seinen Werken der 1940er Jahre – zur Pflege der klassisch-romantischen Tradition auf. Max Graf war nicht nur ein Bewunderer Wagners, sondern auch Gustav Mahlers, dennoch scheute er nicht davor,  manche seiner Leistungen auch kritisch zu würdigen. So bezeichnete er Mahlers Figaro-Interpretation des Mozart-Zyklus als “nervös überspitzt” (WO,1955, 82). Als Graf die Aufführung von Mahlers 1. Symphonie im November 1900 nicht, wie offenbar von Mahler erwartet, lobte, brach der Kontakt seitens Mahler vollständig ab. In seinen Glossen über Kunst und Kultur, die von 1920-1922 meistens sonntäglich im Neuen Wiener Journal erschienen sind, äußerte er sich pointiert zu Ereignissen aus Musik und Literatur, bezog aber auch Stellung zu politischen und gesellschaftlichen Themen.

Max Graf wurde am 1.10.1873 in Wien geboren. Sein Vater Josef Graf ­­­­– ein jüdischer Schriftsteller und Redakteur – stammte aus Böhmen und war einige Jahre als Pressechef des dortigen Stadthalters tätig. Die Familie besaß im 1. Wiener Gemeindebezirk eine Druckerei. Nach Besuch der Gymnasien in Prag und Wien, inskribierte sich Graf 1891 an der Juridischen Fakultät der Universität Wien und interessierte sich nebenbei für theoretische, praktische und historische Musikstudien. Er besuchte unter anderem Vorlesungen für Musikgeschichte und Musiktheorie bei Eduard Hanslick sowie bei Anton Bruckner. Nach seiner Promotion arbeitete er als Musikkritiker und -schriftsteller. Er veröffentlichte seine Kritiken unter anderem im Neuen Wiener Journal (1900-1938), im Musikalischen Kurier (1919-1922 Chefredakteur) und in der Weimarer Allgemeinen Zeitung (1903-1920). Außerdem schrieb er für die Tagesblätter und Zeitschriften Die Zukunft, Berliner Tageblatt, Vossische Zeitung, Prager Tagblatt, Der Tag, New York Times, Musical America, Musical Courier, Boston Transcript und die Weltpresse. 1909 war Max Graf als Korrespondent der Frankfurter Zeitung in Paris tätig und übersetzte Bücher der französischen Schriftsteller und Musikkritiker Romain Rolland und Alfred Bruneau ins Deutsche. Während dieser Zeit pflegte Graf Kontakt mit dem französischen Komponisten Claude Debussy. Immer wieder nahm er an den Treffen der Wiener Autorengruppe Jung-Wien teil, die im bekannten Künstlerlokal Café Griensteidl verkehrte. Außerdem war er Mitglied der Journal- und Schriftsteller-Vereinigung Concordia in Wien. 1904 kam Max Graf zur Psychologischen Mittwoch-Gesellschaft von Siegmund Freud. Grafs Sohn Herbert war ein Patient Freuds und wurde als „Kleiner Hans“ aus dessen dokumentierten Patientengeschichten bekannt. Zwischen 1902 und 1938 lehrte Max Graf an der Akademie für Musik und darstellende Kunst Wien Musikgeschichte und Ästhetik der Tonkunst, im Jahr 1909 wurde er Professor in diesen Fächern. 1928 war er Mitorganisator der Schubert-Zentenarfeiern im Rahmen der Wiener Festwochen; von 1928 bis 1936 leitete er die Wiener Mai-Musikfeste und von 1930 bis 1935 war er Vortragender am Austro-American Institute of Vienna. Im Ersten Weltkrieg diente Graf in der Österreichisch-Ungarischen Armee, 1938 emigrierte er – zu dieser Zeit Redakteur und Musikreferent der Wiener Allgemeinen Zeitung – in die Vereinigten Staaten. In New York lehrte er bis 1947 an der New School of Social Research und initiierte dort Seminare für Musikkritik. Als Gastprofessor war er zudem auch am Carnegie Institute of Technology in Pittsburgh sowie an der Temple University in Philadelphia tätig. 1947 remigrierte Graf nach Österreich und lehrte am Salzburger Mozarteum. 1952 war er noch einmal als Gastlektor an der New School of Social Research  tätig. Max Graf war dreimal verheiratet; 1898 mit Olga Hoenig – aus dieser Ehe stammten auch die beiden Kinder Grafs Herbert (*1903, Opernregisseur) und Hanna (*1906) – 1920 mit Rosa Zentner und 1929 mit Polly Bastic. Graf starb am 24. Juni 1958 in Wien.


Werke

Deutsche Musik im 19. Jahrhundert. Berlin 1898; Wagner-Probleme und andere Studien. Wien 1900; Die Musik im Zeitalter der Renaissance. Berlin 1905; Die innere Werkstatt des Musikers. Stuttgart 1910; Richard Wagner im ‚Fliegenden Holländer’. Ein Beitrag zur Psychologie des künstlerischen Schaffens. Schriften zur angewandten Seelenkunde. Bd. 9, Leipzig 1911; Vier Gespräche über deutsche Musik. Regensburg 1918; Frédéric Smetana vu par les étrangers. Prag 1924; Vater und Söhne. Die Fackel. Juni 1924; Legend of a Musical City. New York 1945; Modern Music. New York 1946; Composer and Critic. New York 1946. Two Hundred Years of Musical Criticism. New York 1947; From Beethoven to Shostakovich. New York 1947; Geschichte und Geist der modernen Musik. Wien 1953; Die Wiener Oper. Wien 1955 (WO,1955); Jede Stunde war erfüllt. Ein halbes Jahrhundert Musik- und Theaterleben. Wien 1957.

Quellen und Dokumente

Glossen über Kunst und Kultur – Maria Jeritza. Richard Strauß über das Geheimnis des guten Dirigenten. Das neue Publikum. In: Neues Wiener Journal, 13.6.1920, S. 6; Glossen über Kunst und Kultur – Gustav Mahlers jüdische Melodien. Die Verwaltung der Wiener Staatstheater. In: Neues Wiener Journal, 20.6.1920, S. 8; Erlebnisse mit Gustav Mahler. V. Glossen über Kunst und Kultur. In: Neues Wiener Journal, 7.8.1921, S. 5f; Glossen über Kunst und Kultur – Heinrich Heine und die soziale Revolution. In: Neues Wiener Journal, 11.7.1920, S. 8; Wiener Musikkritik. Glossen über Kunst und Kultur. In: Neues Wiener Journal, 10.4.1921, S. 7f; Wiener Heiterkeit. Glossen über Kunst und Kultur. In: Neues Wiener Journal, 18.9.1921, S. 5; Opernabende in Prag. Glossen über Kunst und Kultur. In: Neues Wiener Journal, 6.11.1921, S. 5f; Leidenschaft. Glossen über Kunst und Kultur. In: Neues Wiener Journal, 25.12.1921 S. 8f; Bühne und Kunst – Von 600 bis 7000 Kronen. In: Prager Tagblatt, 5.1.1922 S. 6; Bühne und Kunst – Kammermusik in Salzburg. Die Wiener Matinee – Paul Hindemith. In: Prager Tagblatt, 15.8.1922 S. 6; Bühne und Kunst – Maxim Kopf – Th. Th. Heine. Rudolphinum-Ausstellung. In: Prager Tagblatt, 29.4.1923 S. 9;
Bühne und Kunst – Die glückliche Hand. Drama mit Musik von Arnold Schönberg. Uraufführung in der Wiener Volksoper am 14. Oktober. In: Prager Tagblatt, 15.10.1924 S. 7.

Literatur

Helmut Brenner/Reinhold Kubik: Mahlers Menschen. Freunde und Weggefährten(2014); Jens Malte Fischer: Gustav Mahler. Der fremde Vertraute. München (2010); Max Graf: Die Wiener Oper (1955); Hermann Clemens Kosel: Deutsch-österreichisches Künstler- und Schriftsteller-Lexikon Bd. 1 (1902); Elke Mühlenleitner: Biographisches Lexikon der Psychoanalyse. Die Mitglieder der psychologischen Mittwoch-Gesellschaft und der Wiener Psychoanalytischen Vereinigung 1902-1938 (1992); Werner Röder / Herbert A. Strauss: Biographical Dictionary of Central European Emigrés 1933-1945 Vol. II/Part 1 A-K (1983).

Othmar Wessely: G., M. In: Neue Deutsche Biographie [Online verfügbar].

(MP)

Geb. 1.9.1879 in Wien, gest. 30.5.1944 in New York. Komponist (Operetten), Librettist, Exilant

(in preparation)