Fülöp-Miller, René

geb. als René Philipp Müller am  17.3.1891 in Caransebes (heute Rumänien; ehem. Österreich-Ungarn) – gest. am 7.5.1963 in Hanover (USA, New Hampshire); Journalist, Herausgeber, Schriftsteller, Dozent

Als ältester von drei Geschwistern wuchs Fülöp-Miller in einem multireligiösen und mehrsprachigen Umfeld in der historischen Region des Banats auf, die in den heutigen Staatsgebieten Rumäniens, Serbiens und Ungarns liegt. Obwohl er sich bereits als Jugendlicher zum Schriftsteller berufen sah, studierte er, um die väterliche Apotheke übernehmen zu können, bis 1912 zunächst Pharmazie. Mit seiner Ausbildung wurde er 1914 in den medizinischen Dienst des habsburgischen Militärs gestellt. Nach Kriegsende zog er schließlich nach Wien, um hier Anschluss an die Literaturkreise der Hauptstadt zu erlangen. Von dort aus gelang Fülöp-Miller ein beachtlicher Aufstieg. Zunächst verfasste er Zeitungsbeiträge, reiste und berichtete als Korrespondent für die Neue Freie Presse etwa zur Weltwirtschaftskonferenz in Genua. Schließlich bildeten zwei Aufenthalte in der Sowjetunion im Jahre 1922-23 und 1924, währenddessen er sich für zahlreiche Zeitungen wie z.B. die NFP oder das NWTBl. aber auch Zeitschriften (z.B. Die Mutter) journalistisch betätigte, die thematische Grundlage seiner anschließenden Bucherfolge. Zunächst gab er als Ergebnis der Reisen und in Zusammenarbeit mit Friedrich Eckstein acht Bände bis dato unbekannter Fragmente aus den Nachlässen Dostoevskijs sowie später Tolstojs heraus, die u.a. S. Morgenstern besprach. Für den Band Die Urgestalt der Brüder Karamasoff (1928) gewann er Sigmund Freud als Autor für den Beitrag Dostojewski und die Vatertötung. Ferner hatte Fülöp-Miller in Moskau und St. Petersburg zahlreiche Kontakte geknüpft sowie Bild- und Textmaterial gesammelt, die den Steinbruch seiner folgenden Arbeiten bildeten. Der persönliche Austausch mit dem Theaterregisseur Vsevolod Mejerchol’d sowie exklusive Fotografien von russischen Bühnenkonstruktionen fanden Eingang in den mit Joseph Gregor edierten Band Das russische Theater (1928) aber auch in seine Monographie Geist und Gesicht des Bolschewismus (1926). Beide Werke waren ebenso wie Lenin und Gandhi (1927) in aufwendiger Drucklegung im Wiener Amalthea-Verlag erschienen und begründeten trotz der Kritik an Fülöp-Millers zum Teil tendenziösen Ansichten zum Bolschewismus seinen Ruf als Kulturhistoriker und Russland-Kenner. Entscheidend trug hierzu außerdem die faktual-fiktional gestaltete Biographie Rasputin. Der heilige Teufel und die Frauen (1927) bei, die im Paul Zsolnay Verlag als – neben Amalthea – eines der produktivsten österreichischen Verlagsunternehmen seinerzeit erschien.

Aus: Die Mutter, 1.8.1925, S. 10

Im Laufe sowie als Ergebnis seiner Publikationen etablierte Fülöp-Miller eine zentrale Position im Literatur- und Kulturbetrieb der Wiener Zwischenkriegszeit, er war u.a. Mitglied in der Organisation der Wiener Presse sowie in der österreichischen Union der Korrespondenten der Auswärtigen Presse 1. Er tauschte sich aus mit Stefan Zweig, Gina Kaus, Leo Lania, Hermann Broch, Kurt Kersten, Johannes Urzidil, aber auch Friedrich Kiesler. Als arrivierter Schriftsteller wurde Fülöp-Miller im Mai 1930 schließlich in den Vorstand des österreichischen PEN-Clubs gewählt. In diesem Rahmen stand er in Kontakt mit dem Präsidenten des Klubs, Felix Salten, sowie dessen Gründerin Grete von Urbanitzky. Dieses Netzwerk nutzte Fülöp-Miller auch nach seiner Emigration an die US-amerikanische Ostküste im Jahr 1939. Friderike Zweig etwa verhalf ihm dort zu Kontakten in die Exilgemeinde, nachdem Fülöp-Miller dem englischsprachigen Lesepublikum zwar durch Übersetzungen einiger Russland-Werke sowie die Monographien Macht und Geheimnis der Jesuiten (1929) und Kampf gegen Schmerz und Tod. Kulturgeschichte der Heilkunde (1938) bekannt war, sich seine europäischen Verkaufserfolge aus den 1920er Jahren jedoch nicht wiederholten und auch Hollywood-Verfilmungen seiner Werke wenig Anklang fanden, so etwa The Great Moment (1944) oder The Great Sinner (1949). Neben dem Verfassen autobiographisch geprägter Romane war er ab den 1950er Jahren bis kurz vor seinem Tod ferner als Dozent u.a. für Russian Civilization an den US-Eliteuniversitäten Dartmouth und Hunter tätig.


Weitere Werke

Das amerikanische Theater und Kino (1931); Die Phantasiemaschine (1931); Führer, Schwärmer und Rebellen (1934); Leo XIII. und unsere Zeit (1935); Die die Welt bewegten (1952); The Silver Bacchanal (1960)

Quellen und Dokumente

Russische Kunst und russische Künstler. In: Neue Freie Presse, 25.3.1924, S. 13, Wie mein Jesuitenbuch entstand. In: Die Quelle. Sonntag-Beiblatt der „Reichspost“ für Literatur, Heimatkunde und Kultur. In: Reichspost 16.2.1930, S. 19f.

Max Brod: Geist und Gesicht des Bolschewismus [Rez.]. In: Prager Tagblatt, 6.6.1926, S. 3f.

Literatur

Rolf Bulang: René Fülöp-Miller. Eine biographische Skizze. In: Markus Bauer (Hg.): Zum Thema Mitteleuropa. Sprache und Literatur im Kontext, 189-219 (2000), Horst Fassel: Ein vergessener Banaler deutscher Autor: René Philipp Müller aus Karansebesch. In: Beiträge zur deutschen Kultur I, Nr. 3, S. 18-31 (1984), Murray G. Hall: Österreichische Verlagsgeschichte 1918-1938. Bd. 2: Belletristische Verlage der Ersten Republik (1985), Katja Plachov: Kulturakteur. Netzwerker. Stratege. René Fülöp-Miller als Vermittler russischer Kultur im 20. Jahrhundert. Paderborn: Fink/Brill 2022; Franz-Joseph Wehage: René Philipp Müller. In: John Spalek (Hg. u.a.): Deutschsprachige Exilliteratur seit 1933. T.1 Bd. 2, 202-216 (1989).

Anton Scherer: Müller, Philipp. In: Neue Deutsche Biographie 18 (1997), S. 467-468 (Online verfügbar).

(KP)


  1. Fülöp-Miller an Leopold Mandl am 29.12.1928 (BSB: Sig. ANA 373, Schachtel 14).