geb. am 12.3.1892 in Wien – gest. am 14.11.1973 in Wien; Journalist, Redakteur, Kritiker, Schriftsteller, Schachexperte, politischer Aktivist

H., Sohn aus einer assimilierten jüd. Familie, wuchs im 7. Wiener Bezirk auf und studierte nach abgelegter Matura an der Univ. Wien Rechtswissenschaft. Schon früh interessierte er sich für den Sport sowie für das Schachspiel, verf. Fußball-Berichte für die Grazer Volkszeitung (1912f.) u. publiz. in der Wiener Schachzeitung. 1914 rückte er als Einjährig Freiwilliger ein u. nahm in einer Telegraphen-Abt. an den Kämpfen im Osten teil. Nach 1918 näherte er sich der sozialdemokrat. Partei an u. arbeitete nach seiner Promotion ab 1920 in der Redaktion der AZ sowie für die Zs. Der Kampf. Seine Themenfelder waren breit gestreut: neben Fragen der sozialen u. gesellschaftlichen Relevanz des Sports befasste sich H. auch mit sozialpolit. Agenda, mit heiklen Fragen der Positionierung der Sozialdemokratie zu den neu entstehenden nationaljüdischen Parteien, zu Otto Weininger, zum Militarismus oder zu Mutterschaftsdebatten. 1921 wird er Chefredakteur der Gewerkschaftszeitung Arbeit und Wirtschaft; 1924 legt er einen die zeitgenöss. Debatte über Oswald Spengler und sein Werk Untergang des Abendlandes resümierenden Beitrag im Kampf vor. 1927 griff H. mit Bezug auf den 15. Zionistenkongresses von Basel, auf dem die schwierige Lage der Palästina-Kolonisierung diskutiert wurde, nochmals die Frage des seiner Ansicht nach zum Scheitern verurteilten zionistischen Traums auf u. kommentierte ihn aus austromarxist. Perspektive plakativ als „Nationalismus der Abwehr“, als Konsequenz zugespitzter kapitalist. Verhältnisse. Im selben Jahr entspann sich auch eine polemische Debatte über die politische Ausrichtung im Dachverband der sozialdemokr. Sportvereine (Askö), u.a. mit der Roten Fahne. In der anlässl. des Internat. Sozialistischen Jugendtreffens 1929 in Wien erschienenen Festschrift über das Politische Kabarett war H. u.a. neben E. Fischer als Beiträger vertreten. 1928 veröffentl. H. mit Kameradschaft und Geschlecht seinen letzten Beitrag im Kampf u. schied danach aus der Red. aus. Aufgrund seiner pointierten programmat. Essays trat H. oft bei Parteifortbildungsveranstaltungen auf, u.a. in der Vereinigung Sozialist. Mittelschüler oder in versch. Sektionen. Zwischen K. Renner, mit dem er persönlich befreundet war u. O. Bauer, dem er ideologisch näherstand, positioniert, wird er nach seiner Rückkehr aus dem US-Exil zu einem der ersten u. wichtigsten Parteihistorikern nach 1945. Prägend, u.a. für N. Leser, seine Einschätzung über die Sozialdemokratie u. ihre Politik in der Ersten Republik: „Eine revolutionäre Partei, ‚reformistischen‘ Mitregierens und Mitverantwortens, – das war ein peinvolles Dilemma“ (Leser, 71).

Nach dem Februaraufstand von 1934 wirkte H. am Aufbau der illegalen Revolutionären Sozialisten mit, war Mitglied des von Brünn aus gebildeten Schattenkomitees, u. schlug sich bis 1938 als Redakteur der Neuen Wiener Schachzeitung durch. 1938 wurde er gem. mit anderen prominenten Sozialdemokraten in die KZ Dachau u. Buchenwald verbracht, von wo er 1939 freikam u. zuerst nach Belgien, 1940 nach Frankreich emigrierte. Ab Juni 1940 bis Anfang 1941 war er im Lager Le Vernet, wo auch Bruno Frei, Arthur Koestler u.v.a. die nach Frankreich geflüchteten Überreste der republikan. Truppen des Spanischen Bürgerkriegs interniert waren. 1941 konnte er in die USA emigrieren und zwar nach Philadelphia. Dort wurde er Mitarbeiter des ›Office of War Information‹ und gehörte von 1942-45 dem ALC (Austrian Labor Comittee) unter dem Vorsitz von Friedrich Adler an. 1946 remigrierte H. nach Wien, wo er wieder bei der AZ u.a. Einrichtungen der SPÖ publizistisch bzw. als Redner u. Fortbildner tätig wurde. In dritter Ehe war er seit 1945 mit der Publizistin u. Widerstandskämpferin Hilde Schiller (zuvor verh. mit Schiller Marmorek) verheiratet.


Weitere Werke

Geschlechtlichkeit. Eine Paraphrase Weiningerscher Ideen (Wien 1918); Sport und Geschäft. (Wien 1925); Der Fürst, der sein Land verkaufte. Aus den Erinnerungen Ernst Rüdiger Starhembergs (Wien 1949); Emanuel Lasker. Biographie eines Schachweltmeisters. Mit einem Geleitwort von Albert Einstein (Berlin 1952); Im Sturm eines Jahrhunderts. Eine volkstümliche Geschichte der Sozialistischen Partei Österreichs (Wien 1952); Karl Renner und seine Zeit. Versuch einer Biographie (Wien 1965).

Quellen und Dokumente

Das Judentum am Scheideweg. In: Der Kampf 12 (1919), H. 27, S. 649ff, „Mutterschaftszwang“. In: Der Kampf 12 (1919), H. 39, S. 843ff, Karl Marx‘ Leben und Wirken [Redekonzept]. In: Bildungsarbeit X (1923), Nr. 2/3, S. 9-11, Oswald Spengler, der letzte Ordensritter. In: Der Kampf 17 (1923), H. 3, S. 113ff, Das Fest der Arbeiterkultur. In: Arbeiter-Zeitung, 7.2.1926, S. 13, Die Krise des Zionismus. In: Der Kampf 21 (1927), S. 454ff, Kameradschaft und Geschlecht. In: Der Kampf 22 (1928), S. 129ff, In:

Die Oesterreicher in Amerika. In: London Information of the Austrian Socialists in Great Britain (1942), H. 10, S. 3.

Literatur

Norbert Leser: Grenzgänger. Österreichische Geschichte in Totenbeschwörungen II (Wien 1982), 64-85.

Eintrag bei wien.gv.at.

(PHK)

Geb. 6.9. 1900 in Wien, gest. 3.2. 1975 in New York (USA). Autorin, Journalistin, Herausgeberin, politische Aktivistin, Widerstandskämpferin, Exilantin.

Materialien und Quellen:

Aufruf zur Gründung des Weltverband gegen Rassenhass. In: Gerechtigkeit, 6.9.1933, S. 3.

Eintrag bei orf1.at: hier.

Eintrag auf biografiA: hier.

Christian Klösch: Irene Harand. Die Frau, die Hitler den Kampf ansagte. In: Zwischenwelt. Zs. für Kultur des Exils und des Widerstands. 1-2/2023, 22-23. Dazu auch die Marathonlesung auf Youtube anlässlich der Neuausgabe ihrer Schrift Sein Kampf. Antwort auf Hitler (2005).

(PHK, in preparation)

Geb. 16.3.1898 in Dresden (als: Johann Franz Albert , gest. 3.4.1948 in Zürich. Schriftsteller, Vagabund, Exilant.

Haringer wuchs teilweise in Salzburg bzw. im Salzburger Land auf, wohin er nach dem Ersten Weltkrieg und seiner Teilnahme an der Münchener Räterevolution 1919 immer wieder zurückkehrte. Ab 1920 folgten im kurzen Abstand eine Reihe von Veröffentlichungen, vorwiegend Lyrik wie z.B. Abendbergwerk (1920) oder Die Kammer (1921), aber erst gegen 1925, nach wieder aufgenommenem Wanderleben als Taglöhner durch Deutschland, gelang ihm ein erster Durchbruch, der u.a. durch Fürsprache seitens Döblins oder Mühsams mitermöglicht wurde. So kam es 1925 zu einer ersten Werkausgabe Die Dichtungen bei Kiepenheuer. 1926 wurde H. wegen Teppichschmuggels, Urkundenfälschung und Gotteslästerung polizeilich belangt, es gelang ihm aber trotz mehrfacher Zwangseinweisung in psychiatrische Anstalten, u.a. aufgrund verschiedener Fürsprachen, wieder Fuß zu fassen und bei Zsolnay ab 1928 mehrere Gedichtbände zu veröffentlichen, so z.B. Heimweh (1928) oder Abschied (1930). 1929 nahm er am Int. Vagabundenkongress in Stuttgart teil; 1931 bis 1933 lebte er in Ebenau bei Salzburg mit der Schauspielerin Hertha Grigat zusammen, mit der er zwei Kinder hatte und trat 1933 der Vereinigung sozialistischer Schriftsteller bei. 1936 wurde ihm die deutsche Staatsbürgerschaft aberkannt, 1938 flüchtete Haringer aus Österreich in die Schweiz.

Materialien und Quellen:

Eintrag in: Künste im Exil; Theodor Kramer-Gesellschaft; Manfred Orlick: Biographie und Werk zwischen Realität und Fiktion. In: https://literaturkritik.de/haringer-poesiealbum-373,29555.html (2023)

(PHK, work in progress)

geb. Zakucka, 26.05.1873 in Mank (NÖ) – gest. 19.09.1954 in Wien; Malerin, Grafikerin, Kunstgewerblerin

Die als Fanny Zakucka geborene spätere Ehefrau des Malers Richard Harlfinger – von 1917-19 Präsident der Wiener Sezession – absolvierte von 1899 bis 1903 bei Adolf Böhm und Ludwig Michalek ein Studium an der Kunstschule für Frauen und Mädchen sowie anschließend die Wiener Kunstgewerbeschule. Nach Abschluss ihrer Ausbildung konnte sie sich rasch als Malerin etablieren (so ist sie 1906 auf dem Pariser Salon vertreten), entwarf aber auch erfolgreich Innendekorationen, Textilien (u. a. Kindermode) sowie Illustrationen für die Zeitschriften Ver SacrumDer liebe Augustin (1904) und Die Fläche (1909) sowie für Kinderbücher. Im Zuge ihrer kunstgewerblichen Arbeiten kooperierte sie mit den Wiener Werkstätten. Zeitlebens stand sie mit ihrem künstlerischen Schaffen jedoch im Schatten ihres Mannes.

1914 trat Harlfinger der Vereinigung der bildenden Künstlerinnen Österreichs (VBKÖ) bei, in deren Räumlichkeiten sie immer wieder ihre Werke ausstellte. Als in dieser ein Richtungsstreit zwischen einem konservativen und einem modernistischem Flügel ausbrach, war es Harlfinger, unter deren Führung sich progressiv gesinnte Künstlerinnen wie Louise Fraenkel-Hahn und Helene Funke 1919 unter der Bezeichnung Freie Vereinigung von der VBKÖ lossagten. Bereits im Juni desselben Jahres zeigten sie ihre Werke in der Sezession, die konservative Kritiker als “Exzentritäten von Frauen” bezeichneten und bedauerten, “ein Talent wie das von Harlfinger-Zakucka auf Wegen zu sehen, die […] weit von gesundem Kunstschaffen entfernt sind.” (Der Bund 5 (1919), S. 10).

Harlfinger gehörte zu den Mitunterzeichnerinnen einer im Zentralblatt des Bundes österreichischer Frauenvereine veröffentlichten Dankesnote an Otto Graf Czernin, als dieser im April 1918 im Gefolge der Sixtus-Affäre sein Amt als Minister des Äußeren Österreich-Ungarns niederlegte.

Aus der im Herbst 1925 im Wiener Künstlerhaus veranstalteten Schau Deutsche Frauenkunst ging unter Harlfingers maßgeblichem Einfluss die freie Arbeitsgemeinschaft Wiener Frauenkunst hervor. Mit Mitgliedern wie den Malerinnen Helene Funke und Broncia Koller oder der Architektin Elisabeth Niessen verstand sie sich als eine radikale Abspaltung der VBKÖ und sah ihre Aufgabe in der Förderung einer spezifisch weiblichen Ästhetik im Stil der Neuen Sachlichkeit. Die unter Harlfingers Präsidentschaft organisierten Ausstellungen – „Die Frau von heute“ (1926), „Die Frau von gestern, heute und morgen“ (1927), „Das Bild im Raum“ (1929), „Wie sieht die Frau?“ (1930), „Die schaffende Österreicherin“ (1931) – zielten darauf ab, Innenarchitektur, Malerei und Kunstgewerbe miteinander in Beziehung zu setzen und so eine „enge Verbundenheit mit dem Leben“ und eine Durchdringung des Alltags zu erreichen, „wie es die Kunst früherer Zeiten tat.“ (Die moderne Frau 1, (1926)). Gemeinsam mit der Genossenschaft der Maler gestaltete die Freie Vereinigung unter Harlfingers Ägyde 1933 die Ausstellung Die schöne Wand im Österreichischen Museum für Kunst und Industrie. Neben ihrer künstlerischen Tätigkeit und der Arbeit als Vereinsfunktionärin hielt sie zudem eine Reihe von Vorträgen im Rundfunk.

Die 1938 „gleichgeschaltete“ Wiener Frauenkunst“ wurde nach dem Zweiten Weltkrieg neu organisiert, mit dem Tod Harlfingers im September 1954 allerdings endgültig aufgelöst.


Literatur

Megan Marie Brandow-Faller, An Art of their own. Reinventing Frauenkunst in the female Academies and Artist Leagues of late-imperial and First Republic Austria, 1900-1930, Diss., Universität Washington 2010.[Online verfügbar]; Nina Verheyen, „[…] mein Eheweib und nicht mein College“? Liebe und Beruf(ung) in Paarkorrespondenzen vor dem Hintergrund der Frauenbewegung/en um 1900. In: Ingrid Bauer, Christa Hämmerle (Hg.), Liebe schreiben: Paarkorrespondenzen im Kontext des 19. und 20. Jahrhunderts, Göttingen 2017; Heinrich Fuchs, Die österreichischen Maler des 19. Jahrhunderts, Wien 1973; Sabine Plakolm-Forsthuber, Künstlerinnen in Österreich 1897-1938: Malerei – Plastik – Architektur, Wien 1994; Die schaffende Österreicherin: 90 Jahre Wiener Frauenkunst. Begleitband zur Ausstellung im Museum Zinkenbacher Malerkolonie, 25. Juni bis 9. Oktober 2016, St. Gilgen, Museumsverein Zinkenbacher Malerkolonie, 2016; Eintrag bei Frauen in Bewegung: 1848-1938; Almuth Spiegler, Wiener Frauenkunst. In: morgen 5 (2016), S. 22f; Gudrun Weinzierl, „Wiener Frauenkunst“ im Museum der Zinkenbacher Malerkolonie. Sommer-Ausstellung 2016 „Die schaffende Österreicherin“. In: Kunstmagazin Parnass, 20.7.2016.

Quellen und Dokumente

VII. Ausstellung der Vereinigung bildender Künstlerinnen in Österreich. In: Der Bund. Zentralblatt des Bundes österreichischer Frauenvereine, Hft. 2 (1917), S. 16; Eugenie Palitschek, Kunstschau: Freie Vereinigung. In: Der Bund. Zentralblatt des Bundes österreichischer Frauenvereine, Hft. 5 (1919), S. 8-10; Fanny Harlfinger, Die Wiener Frauenkunst und ihre Ziele. In: Die moderne Frau 1 (1926), S. 10-11; Richard Harlfinger, Die Ausstellung „Wiener Frauenkunst“. In: Die Österreicherin, Nr. 2 (1928), S. 4-5; Karl Maria Grimme, Das Bild im Raum. Zur Ausstellung der „Wiener Frauenkunst“ im Österreichischen Museum. In: Die Österreicherin, Nr. 4 (1929), S. 4-5; Richard Harlfinger, Ausstellung „Wiener Frauenkunst“ im Museum für Kunst und Industrie. In: Radio Wien, 16.1.1928, S. 28; Frauenstreben und Frauenwirken. In: Die Österreicherin, Nr. 6 (1929), S. 9; Fanny Harlfinger, Vereinfachung unserer Lebensführung. In: Die Frau und ihre Interessen 22 (1929), 2f; Pionierinnen der Kunst. In: Das Wort der Frau, 25.10.1931, S. 1; Ausstellung „Die schöne Wand“. In: Die Österreicherin, Nr. 4 (1933), S. 2.

 (MK)

Geb. 18.1. 1892 in Szécsány, k.k. Österreich-Ungarn (heute: Serbische Republik), gest. (vermutlich) 1974 in der BRD.

Essayist (für die Zeitschriften Renaissance, Revolution, Ver), Journalist (Pester Lloyd, Schriftsteller, Übersetzer, der anarachistischen Bewegung im Umfeld von K. F. Kocmata nahestehend. Der Komponist Rudolf Bella vertonte fünf Gedichte von Hartenstein 1922 vertont, die einige Aufmerksamkeit erregten (NWJ, 18.4. 1922, S.2) und 1935 auch im Radioprogramm zu hören waren.

Materialien und Quellen:

Kurzeintrag bei Reinhard Müller: Der abenteuerliche Anarchist Karl F. Kocmata. Kommentiertes Personenverzeichnis. Wien 2022

St. Hartenstein: Ein Audienztag bei Bela Kun. In: Pester Lloyd, 12.8. 1919, S. 4-5; Marias letztes Opfer (Kurzprosa). In: NWJ, 21.9. 1919, S. 4-5; Die Romantik der Geschwindigkeit. In: Moderne Welt, H. 7/1927, S. 18.

(PHK, in preparation)

verh. Spira, geb. am 10.10.1893 in Wien – gest. am 24.4.1967 in London; Schauspielerin, Schriftstellerin, Malerin

Geboren und aufgewachsen in Wien, strebte die Tochter des Soziologen und kulturpolitischen Schriftstellers Theodor Hartwig zunächst eine Schauspielkarriere an. Nach der Matura wechselte H. vom Pädagogikstudium aufs Konservatorium, um zwischen 1917 und 1921 eine Gesangs- und Schauspiel-Ausbildung zu absolvieren. Bevor sich H. 1921 aufgrund ihrer Eheschließung mit dem Grazer Rechtsanwalt Robert Spira von der Bühne zurückzog, spielte sie u.a. Ibsens Hedda Gabler, Wedekinds Lulu sowie in Grillparzers Die Jüdin von Toledo die Rolle der Rahel. Literarisch bekannt wurde H. 1927, als sie bei einem von der Literarischen Welt ausgeschriebenen Wettbewerb teilnahm und für ihre Novelle Das Verbrechen – Preisrichter war Alfred Döblin – ausgezeichnet wurde. 1928 erschien H.s Novelle Das Kind als Fortsetzungsreihe in der Neuen Freien Presse. Im selben Jahr erschien der Novellenband Ekstasen, 1929 veröffentlichte sie ihren ersten von der zeitgenössischen Kritik durchwegs positiv aufgenommenen Roman Das Weib ist ein Nichts, der 1931 ins Italienische übersetzt wurde. Für diese Bücher – beide sind stark von psychoanalytischen Thesen und Erkenntnissen geprägt – erhielt H. im selben Jahr den Julius-Reich-Dichterpreis der Stadt Wien. Als jüdische Schriftstellerin vom heraufziehenden Faschismus der frühen 1930er Jahre betroffen, konnte ihr zweiter Roman Bin ich ein überflüssiger Mensch? nicht mehr erscheinen. Mit der Veröffentlichung ihrer historischen Novelle Das Wunder von Ulm ­– einer politischen Streitschrift, in der sich H. mit Deutschland und dem Judentum auseinandersetzt, indem sie von der Liebe einer Jüdin zu einem Christen erzählt – im Pariser Emigranten Verlag Editions du Phénix im Jahr 1936 war ihre Exil-Laufbahn vorbestimmt. 1938 emigrierte sie gemeinsam mit ihrem Mann nach England, wo sie als Übersetzerin – H. übersetzte u.a. William Blake – und Lehrerin arbeitete und u.a. Bekanntschaft mit Virginia Woolf schloss. Während dieser Zeit beteiligte sich H. auch an der Schriftenreihe des Free Austrian Movement. Aus Mangel an literarischen Publikationsmöglichkeiten suchte H. „ein der deutschen Sprache unabhängiges Ventil“, das sie ab 1953 unter dem Namen Mela Spira in der Malerei entdeckte. Literarisch blieb sie aber weiterhin bis zu ihrem Tod 1967 aktiv, so erschien 1953 der Lyrikband Spiegelungen; aus ihrem Nachlass gehen zwei Romanmanuskripte, ein Romanfragment sowie einige Erzählungen hervor.


Werke

Ekstasen. Berlin u.a. 1928 (Neuausgabe hg. H. Vollmer, Frankfurt a. M. u.a. 1992); Das Weib ist ein Nichts. Berlin u.a. 1929 (Neuausgabe Graz 2002); Das Wunder von Ulm. Paris 1936; Spiegelungen. Wien u.a. 1953; Bin ich ein überflüssiger Mensch? Graz 2001; Das Verbrechen. Graz 2004;

Quellen und Dokumente

Kleinstadt. In: Arbeiter-Zeitung, 14.8.1927, S. 19; Das Kind. 1. Fortsetzung. In: Neue Freue Presse, 19.6.1928, S.17; Das Kind. 2. Fortsetzung. In: Neue Freie Presse, 20.6.1928, S. 11; Das Kind. 3. Fortsetzung. In: Neue Freie Presse, 21.8.1928, S. 12;  Das Kind. Schluß. In: Neue Freie Presse, 22.6.1928, S. 13.

R.: „Das Weib ist ein Nichts“. In: Wiener Zeitung, 28.6.1929, S. 4, Österreichische Buchhändler-Correspondenz: Leset österreichische Dichter! In: Österreichische Buchhändler-Correspondenz, 28.11.1930, S. 6.

Literatur

Boxberger, Vivien: Emanzipation der ‚Neuen Tochter‘ in Mela Hartwigs Das Verbrechen. In: P.-H. Kucher (Hg.): Verdrängte Moderne – vergessene Avantgarde (2016), S.237-250; Fraisl, Bettina: Körper und Text. (De-)Konstruktionen von Weiblichkeit und Leiblichkeit bei Mela Hartwig (2002), S. 139-152; Radio-Literaturbeitrag Rezension „Bin ich ein überflüssiger Mensch“ von Mela Hartwig, [online verfügbar]; Rabinowich, Julya: In zerbrochenen Spiegeln. Julya Rabinowich über Mela Hartwig. Wien 2017; Schlaffer Hannelore: Mein Herz ist ein Knebel. In: FAZ, 10.3.2005; Schönwiese, Ernst: Literatur in Wien zwischen 1930 und 1980 (1980), S. 97-102; Vollmer, Hartmut: H., M. In: Metzler Lexikon der deutsch-jüdischen Literatur, Bd. 10 (2012), S. 191f.

(MP)

geb. als Paul Hirsch am 16.8.1892 in Wien – gest. am 9.11.1975 in Kew bei Melbourne; Schriftsteller, Kritiker, Literaturtheoretiker, Übersetzer

Den in Budapest aufgewachsenen Berufschemiker Paul Hatvani zog es bereits im Alter von 19 Jahren in die literarische Öffentlichkeit. Erste Veröffentlichungen in Der Sturm und im Brenner, dessen Herausgeber Ludwig von Ficker durch seine Kritik an H.’s Denken und Stil eine Art Mentorfunktion einnahm, bildeten eine Grundlage für den Sammelband Salto Mortale. Aphorismen, Essays, Skizzen (1913). H. hatte neben Bekanntschaften mit Fritz Lampl und Albert Ehrenstein Kontakt zu Hermann Broch, der ebenso wie H. in der Textilindustrie tätig gewesen ist.

H.’s intensive Auseinandersetzungen mit der Epoche des Expressionismus, die er als Literatur- und Kunstrevolution gegen die Tradition auffasste, fanden ihren Höhepunkt in seinem Werk Versuch über den Expressionismus, das 1917 in der Aktion publiziert wurde. Ab diesem Zeitpunkt ist er mit seiner vielfältigen Arbeit, durchgängig von Bezügen zu Karl Kraus, Altenberg und Heinrich Mann geprägt, im Prager Tagblatt, im Aufschwung, in Der Friede oder der Weltbühne vertreten. Ab 1921 ist H. zeitweise als Redakteur der Zeitschriften Moderne Welt. Almanach der Dame und Die Zone tätig und veröffentlicht auch in Zeitungen wie Der Kampf oder Die Waage. Ab Mitte/Ende der 1920er Jahre publizierte er jedoch nur noch gelegentlich. Einen repräsentativen Text der zwischen 1924 und 1933 entstandenen Erzählungen stellt noch Der Gast dar – Haltlosigkeit, Verdrängung und Verlust der Identität lassen die Gedanken des Ich im Wahn auf der Suche nach Antworten verschwimmen. Die Beunruhigungen jener Jahre werden hierbei deutlich spürbar.

1965 trat der Autor nach seinem Exil in Australien erneut in die literarische Öffentlichkeit – überlegt und distanziert blickt er auf seine anfänglichen Reflexionen zurück. H. hielt Vorträge an der Monash University und vor der australischen Goethe Society. Er publizierte bis zu seinem Tod Prosa, Kritiken und Aufsätze in verschiedenen Zeitschriften, darunter in Literatur und Kritik, das Neue Forum oder Akzente – hier erschien 1973 der autobiographische Essay Nicht da, nicht dort: Australien, eine rückblickende Zusammenfassung der Situation H.‘s während seiner Flucht ins Exil im Jahr 1939.


Weitere Werke (Auswahl)

Klassisches Fragment. (In: Die Aktion 7, 1917); Von und über Karl Kraus (In: Die Weltbühne 14, 1918, H.17); Wir haben keine Zeit! [Manifest] (In: Das Flugblatt 1, 1918, H.3); Prosaisches Weltbild (In: Die Neue Schaubühne 2, 1920, H.2); Dostojewski, Russland, Europa (In: VER! 3, 1921, H.35); Der russische Mensch (In: Die Waage, 4/1923), Auf Alfred Polgars Werk. [Gedicht-Apologie] (In: Die Weltbühne 22, 1926, H.33)

Quellen und Dokumente

P. Hatvani: Kunst und Sammler. In: Österreichische Kunst, H. 1/1932, S. 29-31; P. Hatvani: Über den Expressionismus. Vorspruch des Autors. In: Bulletin des Leo-Baeck-Instituts (Tel Aviv) 8, H. 31, 1965, S.177-179, Nachruf: Harry Zohn: Paul Hatvani (Hirsch) gestorben. In: Aufbau 41 (1975), H. 49, 5.12.1975, S. 21.

Literatur

Siglinde Bolbecher/Konstantin Kaiser: Lexikon der Österreichischen Exilliteratur (1999), Ernst Fischer (Hg.): Hirnwelten funkeln. Literatur des Expressionismus in Wien (1988), Wilhelm Haefs: „Der Expressionismus ist tot… Es lebe der Expressionismus.“ Paul Hatvani als Literaturkritiker und Literaturtheoretiker des Expressionismus. In: Klaus Amann/Armin Wallas (Hg.): Expressionismus in Österreich (1994), 453-485, Silke Hesse (Hg.): Nachwort. In: Paul Hatvani: Die Ameisen (1994), Walter Ruprechter:  Hatvani, Paul. In: Walter Killy (Hg.): Literaturlexikon. Autoren und Werke deutscher Sprache. Bd. 5 (1990), Armin A. Wallas: Texte des Expressionismus. Der Beitrag jüdischer Autoren zur österreichischen Avantgarde (1988), ders.: Hatvani, Paul. In: ders. Zeitschriften und Anthologien des Expressionismus in Österreich: analytische Bibliographie und Register. Bd. 1 (1995), 583 [Online verfügbar], Zawodny, Angelika: „[…] erbau ich täglich euch den allerjüngsten Tag.“ Spuren der Apokalypse in expressionistischer Lyrik. Dissertation (1999) [Online verfügbar]

Nachlass: Department of German Studies, Monash University, Clayton (Australien)

(SK)

eigentlich Carl Maria Hauser, geb. am 16.2.1895 in Wien – gest. am 28.10.1985 in Rekawinkel bei Wien; Maler, Grafiker, Autor

Der Sohn eines Wiener Beamten studierte nach dem Besuch des Schottengymnasiums und der Graphischen Lehr- und Versuchsanstalt ab 1912 an der k.k. Kunstgewerbeschule u.a. bei Franz Cizek und Oskar Strnad. Im November 1914 verließ er die Schule für den freiwilligen Einsatz an der Ostfront. Bei der Regimentsausstellung in Troppau im September 1918 präsentierte er erste Werke. Dabei lernte er Franz Theodor Csokor kennen, dessen Werke er mehrmals illustrierte und für sie auch Bühnenbilder schuf, u.a. für Die rote Straße 1921 am Deutschen Theater in Brünn sowie für spätere Inszenierungen im Burg- und Raimundtheater.

Illustration Carry Hausers
beim Fortsetzungsabdruck von Der Leib der Mütter in der AZ | Dokumentationsstelle für österreichische Literatur

Zwischen 1918 und 1922 pendelte H. zwischen Wien und Hals bei Passau, wo er mit Georg Philipp Wörlen die Künstlergruppe Der Fels gründete. In Hals entstand eine Reihe von Kunstbüchern in der Tradition der „Blockbücher“ des 15. Jahrhunderts, in denen alle Elemente inklusive der Schrift händisch gefertigt sind. Aufenthalte in Berlin und München folgten. In Wien schloss H. 1919 Kontakt mit Arthur Roessler, der zu seinem maßgeblichen Förderer wurde und die Publikation der Mappe Die Insel in seinem Avalun-Verlag sowie eine erste selbständige Ausstellung C.s im Haus der jungen Künstlerschaft ermöglichte. 1922 heiratete C. seine Jugendfreundin Trude Herzog. In Wien war H. u.a. 1923 Gründungsmitglied der Gesellschaft zur Förderung moderner Kunst um Hans Tietze. 1923 wurde H. Teil des Künstlerbundes Hagen, zu dessen Vizepräsident er 1925 und 1927/28 zum Präsident aufstieg. Er gehörte bis 1938 dem Vorstand an.

H.s frühe Werke, inhaltlich von Kriegsgräueln geprägt, standen unter expressionistischen Einfluss, insbes. durch die in Berlin gesehenen Werke von George Grosz und Otto Dix sowie unter der Wirkung von Sigmund Freuds Traumdeutung (u.a. Nächtebuch 1920, Buch der Träume 1922). Im Verlauf der Zwanziger wirkten der Kubismus und der Futurismus stilprägend auf den sich zur Neuen Sachlichkeit hinwendenden H., der verstärkt soziale Fragen behandelte. Er illustrierte neben den Werken Csokors u.a. den Vorabdruck von Else Feldmanns Der Leib der Mutter in der Arbeiter-Zeitung 1924, ab 1926 mit O. R. Schatz die Titelblätter der von Roessler geleiteten Zs. Österreichs Bau- und Werkkunst, das Jahrbuch 25 Jahre Neue Musik sowie die Musikblätter des Anbruchs. Bühnenbilder entwarf H. u.a. auch für Pedro Calderón de la Barca und Carl Zuckmayer. Mit dem Buch von der Stadt, das Texte und Bilder H.s verschränkte und Csokor zur Ballade von der Stadt anregte, nahm 1921 eine intensive Auseinandersetzung mit der Großstadt ihren Ausgang. Mit dem Ölbild Jazz-Band schuf er 1927 etwa zeitgleich zu Dix‘ Großstadt-Tryptichon eine Ikone der österreichischen Moderne. Befreundet war H. u.a. mit Alfred Kubin und Otto Stoessl, dessen Bewunderung für Matthias Hauer er teilte, ebenso wie mit Axl Leskoschek und Otto Rudlf Schatz.

C. H.: Jazzband, Katalogcover
1989 | Dokumentationsstelle
für österreichische Literatur

Ab 1925 betrieb H. mit Robert Haas die Druckerwerkstatt Officina Vindobonensis, die illustrierte Werke im Handdruck herstellte, u.a. nach Texten des Priester-Dichters Heinrich Suso Waldeck. In diesem Kreis, dem auch Rudolf Henz, Paula von Preradovic, Erich Scheibelreiter oder Siegfried Freiberg angehörten, intensivierte sich H.s Hinwendung zu katholischen Themen. H. gestaltete später Plakate des Reichsbundes der katholisch-deutschen Jugend und porträtierte 1934 Theodor Innitzer.

Im Frühjahr 1932 initiierte u.a. H. die Einrichtung die Notgemeinschaft für Kunst und Schrifttum. Nach 1934 arrangierte er sich als Aktivist gegen den Nationalsozialismus mit der Vaterländischen Front (VF), wurde als Treuhänder des Referats Bildende Kunst im VF-Werk Neues Leben zu einem führenden Kulturfunktionär, unternahm 1936 eine Romreise mit Guido Zernatto und veröffentlichte noch 1938 das Buch Von Kunst und Künstlern in Österreich. Nach dem „Anschluss“ mit Ausstellungsverbot belegt, emigrierte H. in die Schweiz und widmete sich neben der Freskenmalerei verstärkt der Literatur.

1946 kehrte er mit seiner Familie, die über die Niederlande nach England emigrierte war, nach Wien zurück und konnte an seine Vorkriegskarriere anknüpfen. Er bemühte sich um den Wiederaufbau des Hagenbundes und wurde u.a. in der Präsidentschaft Csokors Generalsekretär des österreichischen PEN-Clubs, Vizepräsident des von ihm mitbegründeten Berufsverbandes Bildender Künstler Österreichs und der Föderation moderner bildender Künstler Österreichs. Mit Schatz widmete sich H. neben publizistischen und schriftstellerischen Tätigkeiten, etwa ab 1946 im Österreichischen Tagebuch, später auch in Neues Österreich, Die Furche und Die Presse, in der Phase des Wiederaufbaus vor allem der Kunst am Bau, etwa mit dem Mosaik Befreiung Österreichs (1956) an der Wand des Gemeindebaus Simonygasse in Wien-Währing. 1967 reiste H. erstmals nach Nordafrika und fand hier das zentrale Sujet seines Spätwerks.


Weitere Werke

Eine Geschichte vom verlorenen Sohn (1941, Privatdruck 1945), Zwischen gestern und morgen (1945), Maler, Tod und Jungfrau und andere Malermärchen (1946), Dalmatinisches Skizzenbuch (1962)

Quellen und Dokumente

Zeichnungen Carry Hausers: Der Kunstkritiker. In: Beiblatt der Muskete, 1.4.1923, S. 1. [Titelbild]. In: Die Muskete, 1.7.1923, S. 1Else Feldmann: Der Leib der Mütter. Mit Zeichungen von Carry Hauser. In: Arbeiter-Zeitung, 24.3.1924, S. 4, [Div. Entwürfe] In: Oesterreichs Bau- und Werkkunst 3 (1926), S. 68-71, Sechs Zeichnungen in: Musikblätter des Anbruch IX (1927), H. 1/2, Bühnenbilder aus Woyzek, Kasernenzimmer, Exl-Bühne, Wien. In: Oesterreichs Bau- und Werkkunst 4 (1927), S. 250.

Weitere ausgewählte Bilder auf Mumok.at.

N.N.: Einserausstellung in Troppau. In: Neue Freie Presse, 20.9.1918, S. 6f., Richard Guttmann: C. H. 4. Ausstellung im Haus der jungen Künstlerschaft. In: Der Morgen, 13.10.1919, S. 10, A(lfred) M(arkowitz): Aquarell- und Graphikausstellung Carry Hauser. In: Arbeiter-Zeitung, 27.2.1924, S. 10, L. v. H.: Ausstellung im Hagenbund. In: Wiener Salonblatt, 8.7.1928, S. 14f.

Umschläge für die Reihe Das österreichische Wort im Stiasny Verlag: Nr. 17: Rudolf Henz: Der Büßer (1957), Nr. 47: Hans Kaltneker: Gerichtet! Gerettet! (1959), Nr. 52: Alfons Petzold: Einmal werden sich die Tage ändern… (1959), Nr. 57: Theodor Kramer: Einer bezeugt es… (1960), Nr. 74: Max Brod: Die verbotene Frau (1960), Nr. 88: Carl Zuckmayer: … hinein ins volle Menschenleben (1961).

Literatur

Matthias Boeckl, Agnes Husslein-Arco, Harald Krejci (Hg.): Hagenbund. Ein europäisches Netzwerk der Moderne 1900 bis 1938 (2014), Cornelia Cabuk: C. H.. Monografie und Werkverzeichnis (2012), Dies.: Aspekte des Politischen. Engagierter Realismus bei C. H. In: Ralph Gleis (Hg.): O. R. Schatz & C. H. Im Zeitalter der Extreme (2016), 26-33, R. G.: Otto Rudolf Schatz und C. H. Versuch einer konstruktiven Konfrontation. In: Ders. (Hg.): O. R. Schatz & C. H. Im Zeitalter der Extreme (2016), 8-17, Lambert Haiböck: Der Maler C. H. Mit einem Geleitwort von Franz Theodor Csokor (1960), Oswald Oberhuber, Hochschule für Angewandte Kunst: C. H. zum 90. Geburtstag. Eine Rehabilitation (1985), Erika Patka (Hg.): C. H. 1895-1985 (1989).

Viktor Suchy: Interview mit C. H., 8.3.1968. Dokumentationsstelle für neuere österreichische Literatur, Wien, DST TB 179.A1/B1.

N.N.: Carry Hauser ist im 91. Lebensjahr gestorben: Er war ein großer Humanist. In: Arbeiter-Zeitung, 29.10.1985, S. 36.

Biographischer Abriss mit Angaben zum Nachlass der Österreichischen Nationalbibliothek.

Das Buch von der Stadt [1921]. Ausgabe Kunsthandel Widder/Bibliothek der Provinz (2016) inkl. Besprechung durch G. Auenhammer: hier:

(EPH/ME)

Geb. 12.7. 1886 in Wien, gest. 1.2. 1971 in Limoges, Frankreich. (dadaistischer) Künstler und Schriftsteller. Mitbegründer des (Berliner) Club Dada. Exilant.

Materialien und Quellen:

Teilnachlass (Korrespondenzen): Österr. Literaturarchiv (ÖLA), Wien: hier. Sammlung Hausmann in der Berlinischen Galerie;

Adelheid Koch: Ich bin immerhin der größte Experimentator Österreichs: Raoul Hausmann, Dada und Neodada. Haymon, Innsbruck 1994; Kurt Bartsch, Adelheid Koch: Raoul Hausmann. =Dossier 10, Graz-Wien: Droschl 1996; Hanne Bergius: Dada Triumphs! Dada Berlin, 1917-1923 (= Artistry of Polarities. Montages – Metamechanics – Manifestations. Übers.v. Brigitte Pichon.) Hg. von Stephen Foster: Crisis and the Arts. The History of Dada. New Haven: u. a.:Thomson-Gale 2003; Nikolaus Halmer: R. Hausmann: Grenzgänger zwischen den Künsten. In: Die Furche (Wien), 21. 1. 2021 (Zugriff 8.8.2024)

(in preparation)

ursprünglich Julius Hirschfeld, geb. am 8.5.1886 in Somogyszil – gest. am 21.8.1873 in Budapest; Jurist, Politiker, Schriftsteller

Der Sohn eines jüdischen Händlers studierte in Fünfkirchen/Pécs und Budapest Rechtswissenschaften und arbeitete in dieser Zeit u.a. für die Ztg. Pécsi Naplóba als Redakteur. H. betätigte sich bei den Freidenkern und trat 1907 der Ungarischen Sozialdemokratischen Partei bei. Nach dem Studienabschluss als Anwalt in Pécs tätig, wurde er Ende 1915 in die Armee eingezogen und diente im Winter 1916/17 an der Ostfront. Während der sogenannten ungarischen Asternrevolution Ende Oktober 1918 war H. als Sekretär des Nationalrats tätig. 1919 schloss er sich der ungarischen Räterepublik um Béla Kun an und emigrierte nach ihrem Zusammenbruch nach Italien, wo H. in Mailand, Turin Avanti und später in Rom als Journalist tätig war. Er kehrte jedoch bereits im Herbst 1920 als Aktivist nach Pécs zurück und organisierte einen Bergarbeiterstreik. Von der reaktionären Bewegung Miklós Horthys wegen seiner Bemühungen um radikale sozialistische Organisationen im Frühjahr 1921 aus Ungarn ausgewiesen, übersiedelte er nach Aufenthalten in Italien und Frankreich und einer Teilnahme am III. Weltkongress der Kommunistischen Internationale im Sommer 1921 nach Wien. Der KPÖ beigetreten, bemühte sich H. u.a. mit Ernst Fabri, Hans Maier, Peter Schnur und Hilde Wertheim um die Etablierung einer revolutionären Publizistik in Wien und gehörte 1930 zu den Gründungsmitgliedern des Bundes der proletarisch-revolutionären Schriftsteller Österreichs.

1928 veröffentlichte er den utopischen, von der Erfindung eines Sonnnemotors handelnden Roman der Sonne im Phaidon-Verlag, mit dessen Inhaber, dem gebürtigen Ungarn Béla Horovitz, H. 1929 den Strom-Verlag ins Leben rief. Dieser publizierte die Zs. Roman-Rundschau, die vollständige Erzählungen und Romane (u.a. von Upton Sinclair, H. G. Wells, Frank Heller, aber auch von Arthur Schnitzler, Stefan Zweig und Jakob Wassermann) sowie Rezensionen und Essays umfasste. Als verantwortlicher Redakteur fungierten erst Ludwig Goldscheider und später Oskar Maurus Fontana. Die von der Konkurrenz beargwöhnte Kolportage auf der Straße widerstrebte den Pressegesetzen, was letztlich zur Auflösung der Verlagsgesellschaft führte. H. selbst veröffentlichte weiterhin in Horovitz‘ Phaidon-Verlag. 1930 erschien der von Rezesent Edwin Rollett in der Wiener Zeitung als „großer Griff“ eingestufte, im vorchristlichen Ägypten angesiedelte Roman Jehovas Geburt, 1931 folgte der kapitalismuskritische Essay Ins Chaos? Tragödie der Bauern, der Arbeiter, des Kapitals. Das aus der durch die Gesellschaft für kulturelle Verbindung der UdSSR mit dem Ausland (VOKS) ermöglichten Russlandreise resultierende Werk Russland 1932 wurde, während Ernst Fischer in der Arbeiter-Zeitung durch H.s Interesse an den Ergebnissen des Fünfjahresplans den „Pathos der Zahlen“ hervorstrich, von Rollett als „stark tendenziös“ abgelehnt.

1933 zog H. nach Paris, wo er als Anwalt tätig war, 1935 der Kommunistischen Partei beitrat und sich für die ungarischen kommunistischen Exilbewegung ebenso wie für die ungarischen Unabhängigkeitsbewegung engagierte. Nach dem Zweiten Weltkrieg kehrte H. nach Ungarn zurück, wo er für die Kommunistische Partei bis 1953 im Parlament vertreten war und 1947 Staatssekretär im Industrieministerium wurde. Ab 1950 wirkte er als Professor für Jura in Budapest. 1966 erhielt er das Ehrendoktorat der Eötvös-Loránd-Universität Budapest, 1970 den Staatspreis der Volksrepublik Ungarn.


Quellen und Dokumente

R. (Edwin Rollett?): „Jehovas Geburt.“ Roman von J. H. In: Wiener Zeitung, 7.10.1930, S. 7, Rudolf Kindermann: „Ins Chaos?“ Tragödie der Bauern, der Arbeiter, des Kapitals. In: Wiener Zeitung, 17.11.1931, S. 5, Hilde Wertheim: Neue Bücher. Rußland 1932. In: Die Rote Fahne, 1.5.1932, S. 9, Edwin Rollett: Neue Bücher über Rußland. In: Wiener Zeitung, 16.7.1932, S. 8, Ernst Fischer: 5 Jahre, die die Welt verändern. In: Arbeiter-Zeitung, 6.11.1932, S. 14.

Literatur

Deutsches Literatur-Lexikon. Das 20. Jahrhundert. Bd. 15, Sp. 273. Eintrag im Magyar életrajzi lexikon (Ungarisch) [Onlinefassung] sowie in Történelmi (Ungarisch) [Onlinefassung].

Murray G. Hall: Strom-Verlag (Wien) [Online verfügbar].

(ME)