geb. am 30.6.1873 in Czernowitz (Cernivtsi, ukr., Cernauti, rumän.) – gest. am 23.2.1943 im KZ Theresienstadt; Librettist, Schriftsteller, (Theater-)Kritiker, Drehbuchautor, Übersetzer
Bereits
in jungen Jahren kam J. nach Wien, besuchte dort das Gymnasium und trat
1896 „aus dem mosaischen Glauben“ aus. 1891 wird J. erstmals
journalistisch im Wiener Residenz-Kalender tätig und seit 1896 firmiert
er als Redaktionsmitglied des Neuen Wiener Journals (NWJ). Ab 1900 erscheinen die ersten Feuilletons und (Theater)Kritiken, 1901 wird J. als Berlin-Korrespondent des NWJ
geführt, worauf vermutl. die Bekanntschaft mit dem Komponisten Oscar
Strauss zurückging, der sich um 1900 wiederholt in Berlin aufhielt. 1905
erlebte er sein erstes Theaterstück, Die einsame Insel, die UA in Hannover; 1906 schrieb er gem. mit Felix Dörmanngeb. als Felix Biedermann am 29.5.1870 in Wien – gest. am 26.10.1928 in Wien; Schriftsteller, Librettist, Filmproduzen... das Libretto zu O. Strauss‘ Operette Ein Walzertraum nach einer Erz. von Hans Müller, die 1907 im Carltheater die UA
hatte u. dabei auch verfilmt wurde. Am 13.6.1907 wurde sie bereits zum
100. Mal aufgeführt und noch im selben Jahr in den Theatern von
Czernowitz, Prag, Pilsen und Teschen gespielt, 1910 auch in Paris. Im
Nov. 1908 folgte das Libretto zur Operette Der tapfere Soldat, eine Bearbeitung von G.B. Shaws Arms and the Man, wobei S. Trebitschgeb. am 21.12.1868 (nach anderen Quellen 1869) in Wien – gest. am 3 6.1956 in Zürich; Schriftsteller, Übersetzer,&nb... die Vermittlerrolle einnahm. 1910 legte J. in Zusammenarb. mit R. Bernauer u. O. Nedball mit Die keusche Barbara
eine weitere erfolgr. Operette vor, die ab 1911 in Wien, Graz, Prag
u.a. Orten sowie nach 1918 ebf. von zahlr. österr. Bühnen
aufgeführt wird.
Ab 1912 schrieb J. regelmäßig (Theater)Feuilletons für das Neue Wiener Journal (NWJ), dessen Theaterredakteur er wurde. 1914 verf.er u.a. eine einfühlsame Bespr. von Schnitzlers Der einsame Weg sowie, im Zuge der Erstauff. von Kleists Hermannschlacht,
ein programmat. Feuilleton, in dem er gegen nationalist. Vereinnahmung
des Theaters plädierte. Auch seine Bespr. von Schönherrs Volk in Not-Drama
weist auf die Gefahr einer zu „großen Pauke“ hin, obwohl sich J. dem
Faszinosum des Tiroler Freiheitskampfes gegen Napoleon nicht ganz
verschließen kann. Die knapp vor Kriegsende im Okt. 1918 uraufgef.
Operette Ballnacht (Musik O. Straus) übertraf von der Resonanz
u. den Einnahmen her alle Erwartungen. Der Zerfall der k.k. Monarchie,
die Schrecken des Weltkrieges waren ihm ebenso wenig Thema wie die neue
Republik. Auf die Frage, Woran arbeiten Sie? (25.12.1918, NWJ)
antwortete J. lapidar: „an einer Komödie“, versehen mit dem ergänzenden
Hinweis, er habe im Lauf des Krieges weitere drei Operetten vollendet,
die nun „probereif“ wären. Diese Ausrichtung setzte sich auch 1919-20
fort u. fand Niederschlag in Operetten wie Dorfmusikanten, Was Mädchen träumen, oder Juschi tanzt,
in denen die Mizzi Günther (1879-1961) oft die Hauptrolle übernahm.
Zugleich setzte sich J. kritisch mit dem zeitgenöss., auch als innovativ
geltenden großen Theater auseinander, z.B. mit Werfels Die Troerinnen, die er als „höchste Theater- und Kulturübung“ begrüßte, ebenso wie Beer-Hofmanns Der Graf von Charolais,
mit Claudel, dem er dagegen reserviert gegenüberstand oder mit Stücken
von F. Molnar. 1924 begrüßte J. geradezu enthusiastisch die drei
Gastregien von M. Reinhardts in der Josefstadt, die „Wien zum
Mittelpunkt einer hochwertigen Theaterkunst“ machten (anhand von
Goldoni-, Schiller- u. Hofmannsthal-Inszenierungen, bei letzterer auch
die Leistung von O. Strnad als Bühnenbildner würdigend). Kritisch
dagegen kommentiert J. mehrere Burgtheaterauff., z.B. Shakespeares Sommernachtstraum (den er wieder mit einer von Reinhardt kurz darauf in der Josefstadt vergleicht) oder Hebbels Judith, aber auch die erste Auff. eines Pirandello-Stücks (Wollust der Anständigkeit) im März 1925. Im Sept. dess. Jahres erlebt J. Walzertraum, seine
wohl erfolgreichste Operette, ihr erste Radioausstrahlung, im Feb. 1927
ihre 1000. Auff. auf dem Strauß-Theater. Interessant 1927 auch seine
Bespr. des R. Rolland-Stücks Der Diktator, in die J. zeitaktuelle Bezüge einflicht.
Die 1928 gem. R. Stolz u. R. Oesterreicher vorgelegte Operette Eine einzige Nacht
zeigte musikal.-themat. insofern neue Wege an, als sie neben
Walzermotiven Blues u. Foxtrott-Stücke gleichberechtigt einbaute u. so
an der zeitgenöss. Jazz-Operetten-Debatte partizipierte. Im selben Jahr
wurde J. auch in den Vorstand des Österr. P.E.N.
gewählt. Hat J. in seinen Opernlibretti gesellschaftspolit. Aspekte
auch systemat. ausgeklammert, so positionierte er sich in seiner
Theaterkritik viel deutlicher, insbes. gegen habsburgmythische
Reminiszenzen, wie diese z.B. aus E. A. Rutras Schauspiel Der Kronprinz (1928) herauszuhören waren. Auch für K. Corrinths umstrittenes u. kritisches „Gegenwartsspiel“ Ein freies Leben führen wir (unter dem Titel Trojaner ein
Skandal auf dt. Bühnen) zeigte J. 1929 Verständnis. Jacobson gehörte
mit A. Rundtgeb. am 14.8.1881 in Kattowitz/Polen – gest. im April (?) 1939 in New York; Autor, Journalist, Regisseur, Theaterdire... auch zu den wenigen, die um die vielumrätselte Identität F.
Bruckners wusste. 1930 folgte das mit F. Grünbaumgeb. am 7.4. 1880 in Brünn/Brno - gest./ermordet am 14.1.1941 im KZ Dachau; (Drehbuch)Autor, Conferencier, Kabaret... für das Wr.
Schauspielhaus übersetzte Stück Tschun-Tschi, das W. Clifford
für den chines.-amerikan. Filmstar Anna May Wong geschrieben hatte. Dies
war zugleich seine letzte Arbeit; in den Folgejahren wurden seine
Operetten wohl noch, auch im Radio, häufig gespielt, doch J. zog sich
aus der aktiven Operettenproduktion sowie aus der Redaktionsarbeit im NWJ
schrittweise zurück. 1938 konnte sich J. nicht zur Flucht entschließen,
blieb in Wien, von wo er im Aug. 1942 mit einem Sammeltransport ins KZ Theresienstadt verbracht wurde.
Weitere Werke (Operettenlibretti)
Fräulein Pompadour (1911, gem. mit R. Bernauer); Die schöne
Unbekannte (1914, gem. mit W. Stern, O. Straus); Auf Befehl der Herzogin
(1915, gem. mit R. Bodanzky, B. GranichstaedtenGeb. 1.9.1879 in Wien, gest. 30.5.1944 in New York. Komponist (Operetten), Librettist, Exilant (in preparation)); Warum geht’s denn
jetzt? (1916, gem. mit R. Bodanzky, E. Eysler); Nachtfalter (1917, gem.
mit R. Bodanzky u. O. Straus); Der Liebesnteufel (1919, gem. mit R.
Bodanzky u. J. Bistron); Die Tanzgräfin (1921, gem. mit R. Bonatzky u.
R. Stolz); Katja, die Tänzerin (1922, gem. mit R. Oesterreicher u. J.
Gilbert); Das Weib in Purpur (1923, gem. mit R. Oesterreicher u. J.
Gilbert); Der Tanz um die Liebe (1924, gem. mit O. Straus, UA
Deutsches Künstlertheater Berlin); Die Abenteuer des Herrn Meiermax
(1926, gem. mit R. Oesterreicher u. H. Hirsch); Lady Hamilton (1926,
gem. mit R. Bars u. E. Künnecke); Eine einzige Nacht (1927, gem. mit R.
Oesterreicher u. R. Stolz); Hochzeit in Hollywood (1928, gem. mit B.
Hardt u. O. Straus); Eine Nacht in Kairo (1929, gem. mit J. Gilbert u.
B. Hardt)
Quellen und Dokumente
Hermann Bahrgeb. am 19.7.1863 in Linz – gest. am 15.1.1934 in München; Schriftsteller, Kritiker, Redakteur Der Sohn eines No.... In: Neues Wiener Journal, 19.7.1913, S. 1, „Der einsame Weg“, Schauspiel in fünf Akten von Artur Schnitzler. In: Neues Wiener Journal, 20.2.1914, S. 1, Zum erstenmal: „Die Hermannsschlacht“ von Heinrich v. Kleist. In: Neuer Wiener Journal, 11.12.1914, S. 7, Zum erstenmal: „Könige“, ein Schauspiel in drei Aufzügen von Hans Müller. In: Neues Wiener Journal, 27.10.1916, S. 3, Zum erstenmal: „Volk in No“. Ein deutsches Heldenlied in drei Akten von Karl Schönherrgeb. am 24.2. 1867 in Axams/Tirol – gest. am 15.3. 1943 in Wien; Schriftsteller, Arzt Das Porträtmodul von Johann Ho.... In: Neues Wiener Journal, 5.1.1917, S. 3f., Zum erstenmal „Fasching“, ein Spiel in drei Aufzügen von Franz Molnar. In: Neues Wiener Journal, 16.3.1917, S. 3f., Deutsches Volkstheater. Zum erstenmal: „Fink und Fliederbusch“, Komödie in drei Akten von Artur Schnitzler. In: Neues Wiener Journal, 15.11.1917, S. 3f., Zum erstenmal: „Die Troerinnen“, ein dramatisches Gedicht nach Euripides von Franz Wefel. In: Neues Wiener Journal, 21.5.1920, S. 3, Zum erstenmal: „Theater“, zwei Einakter von Franz Molnar. In: Neues Wiener Journal, 17.2.1922, S. 3, Reinhardt und Burgtheater. Zwwei Theaterabende. In: Neues Wiener Journal, 3.4.1924, S. 3, Pirandello: „Die Wollust der Anständigkeit.“ Deutsches Volkstheater. In: Neues Wiener Journal, 26.3.1925, S. 10, „Judith“. Burgtheater. In: Neues Wiener Journal, 10.10.1925, S. 11, „Der Diktator“ von Jules Romains. In: Neues Wiener Journal, 4.2.1927, S. 3, „Der Kronprinz“, Schauspiel von Ernst Artur Rutra. In: Neues Wiener Journal, 7.12.1928, S. 3, Wer ist Ferdinand Brucknereigentlich Theodor Tagger, geb. am 26.8.1891 in Sofia - gest. am 5.12.1958 in Berlin/West; Schriftsteller, Dramatiker, K...? Die erste entscheidende Andeutung zur Lösung eines Rätsels. In: Neues Wiener Journal, 14.4.1929, S. 7, „Ein freies Leben führen wir!“ Ein Gegenwartsspiel in sechsd Bildern von Kurt Corrinth. In: Neues Wiener Journal, 19.6.1929, S. 10.
-rp-: Carl-TheaterBegründet 1781 als Leopoldstädter Theater (2. Bezirk, Praterstraße), 1838 an Carl Carl verkauft, geschlossen 1929 (Di... [Rez. zu Ein Walzertraum]. In: Neues Wiener Tagblatt, 3.3.1907, S. 13, Otto Stoesslgeb. am 2.5.1875 in Wien – gest. am 15.9.1936 in Wien; Schriftsteller, Kritiker, Beamter Der älteste Sohn eines ...: Raimund-Theater [Rez. zu Die keusche Barbara]. In: Wiener Zeitung, 9.10.1911, S. 6, Ankündigung zu Ein Walzertraum. In: Neue Kino-Rundschau, 2.11.1918, S. 18, Ankündigung zu Die Memoiren eines Mönchs. In: Der Filmbote, 23.12.1922, S. 42, Ankündigung zu Eine einzige Nacht. In: Oesterreichische Buchhändler-Correspondenz, 6.1.1928, S. 7.
Todesfallanzeige, digitalisiert auf holocaust.cz.
Literatur
K. Weniger: Zwischen Bühne und Baracke. Lexikon verfolgter Theater-, Film- und Musikkritiker 1933-1945. Berlin 2008, 393-394.
Eintrag bei filmportal.de.
(PHK)