geb. als Sándor Lászlo Kellner am 16.9.1893 in Pusztatúrpászto, Ungarn – gest. am 23.1.1956 in London; Filmregisseur, Produzent

K. wurde in eine jüd. Familie geboren; sein Vater war Aufseher auf einem gräflichen Gut. Nach dessen Tod übersiedelte K. 1909 nach Budapest, von wo er seine Fam. durch journalist. Arbeiten unterstützte u. ab 1912 auch Filmscripts verfasste. Bereits 1914 drehte er seinen ersten Film, 1917 gründete er die Produktionsfirma Corvin und wirkte an versch. ungar. Filmmagazinen mit. Nach dem Ende des Ersten Weltkriegs wurde K. zum Beauftragten für Filmangelegenheiten in der Reg. Károly ernannt, eine Funktion, die er auch in der nachfolgenden Räteregierung unter Bela Kun weiter ausübte. 1919 noch emigrierte K. nach kurzer Inhaftierung im Zuge des Sturzes der Räteregierung nach Wien und fand dort bei der Sascha-Film von Sascha Kolowrat Krakowsky ein neues Betätigungsfeld. Es folgten die Filme Prinz und Bettelknabe nach der Vorlage von Mark Twain (1920), aufwändige Monumentalfilme wie Samson und Delila (1922), durch die auch seine Ehefrau Maria Korda ihre Schauspielkarriere begründete, oder Komödien wie z.B. die an G.B. Shaw angelehnte Jedermanns Weib (1924), letztere bereits in der eigenen Produktionsfirma Alexander Korda-Film Ges.m.b.H, die er 1923 von Berlin aus, wohin er übersiedelt war, gegründet hatte. 1924 kehrte er wieder nach Wien zurück u. drehte dort u.a. Tragödie im Hause Habsburg über den Mayerling-Fall nach einer Vorlage des damals erfolgreichen Novellisten u. Drehbuchautors Lajos Bíró (1880-1948). Finanzielle Turbulenzen bewogen ihn, im Dez. 1926 ein Angebot der US-Firma First National Pictures (1929 in Warner Broth. aufgegangen) anzunehmen u. nach Hollywood zu gehen. Dort erzielte er mit The Stolen Bridge und Her Private Life (1927) beachtliche Erfolge, näherte sich dem Tonfilm an, u.a. mit The Jazz-Singer (1927) und v.a. The Squall (1929). 1930 wurde die Ehe geschieden, Maria erhielt aufgrund ihres starken Akzents keine Filmangebote mehr, u. K. wechselte zu Fox Film Corp., für die er Women Everywhere u. The Princess and the Plumber (1930) realisierte, bevor er sich von Fox trennte, nach London ging u. dort seine eig. Produktionsfirma London Films gründete. Mit The Private Life of Henry VIII (1933), The Rise of Catherine The Great (Drehbuch Paul Czinner, 1934) Rembrandt (1936) oder Four Feathers (1939) schrieb K. britische Filmgeschichte mit, letzterer wurde durch seinen Bruder Zoltan Korda, inzwischen auch in London, produziert. Trotz großer Erfolge schlitterte K. aufgrund aufwändiger Lebenshaltung u. gewagter Spekulationen, etwa im Zuge des Erwerbs der Denham Film Studios wiederholt in finanzielle Schieflagen. 1940-43 hielt sich K. wieder in Hollywood auf, drehte u. produzierte dort den Historienfilm The Hamilton Lady (1940) sowie, gem. mit Zoltan K., The Jungle Book (1942), bevor er 1943 als Produktionschef für MGM mit einem großzügigen 10-Jahresvertrag wieder nach London zurückkehrte. Dort erwarb er nach Kriegsende Anteile an der British Lion Film, mit der er u.a. Anna Karenina (1948), The Angel with the Trumpet (nach der Romanvorlage von Ernst Lothar, 1948) u. v.a. den epochalen Agentenfilm The Third Man (1949) realisierte. In den 1950er Jahren arbeitete K. noch an zahlreichen Projekten, von denen aber viele unvollendet blieben bzw. einige von Emeric Pressburger (1902-1988) wie z.B. The Sand Barrier (1952) übernommen wurden.


Quellen und Dokumente

L-y K-y: Jedermanns Weib. In: Neue Freie Presse, 23.9.1924, S. 9.

Literatur

Karol Kulik: The Man Who Could Work Miracles. (1975, 2. Aufl. New York 1990); Charles Drazin: Korda. Britain’s Movie Mogul (N.Y. 2002, 2. Aufl. 2011). Eintrag zu A. K. bei encyclopedia.com.

Einträge zu The Jazz Singer, The Third Man, The Four Feathers.

(PHK)

geb. am 23.2.1892 in Wien – gest. am 9.6.1941 im KZ Auschwitz; Journalist, Politiker (KPÖ)

F. K. wurde in einer jüdischen Wiener Bürgerfamilie geboren, sein Großvater war Mitbegründer der Länderbank. Bereits ab 1909 in der Arbeiterbewegung als Funktionär im Verband Jugendlicher Arbeiter (VJA) in Ottakring aktiv, stand K. rasch in Opposition zur SDAP-Führung. 1911 traf er in Wien den späteren Bolschewiken Nikolai Bucharin. Nach 1914 war K. Teil des geheimen Aktionskomitees der „Linksradikalen“, die anders als die SDAP-Führung den Krieg entschieden ablehnten, und gehörte mit Max Adler, Robert Danneberg und Therese Schlesinger dem Verein Karl Marx um Friedrich Adler an. K. publizierte Anfang 1916 im Vorboten, der Zeitschrift der Zimmerwalder Linken um Karl Radek, Grigori Sinowjew und Lenin, den er in der Schweiz zwei Mal traf und der ihn nach Adlers Attentat brieflich kontaktierte. Nach dem Ausschluss des Aktionskomitees aus dem VJA führten die Gründung des Arbeiter- und Soldatenrats um K. und Leo Rothziegel und der Jännerstreik 1918 endgültig zur Spaltung der Linken. Wegen revolutionären Bestrebungen wurde K. bis Ende Oktober 1918 inhaftiert. Nachdem es mit Anna Strömer nicht gelungen war, Adler für die Spitze einer neuen Partei zu gewinnen, lehnte K. die Gründung der KPDÖ im November 1918 als übereilt ab, trat ihr aber Anfang Dezember bei, wurde mit Paul Friedländer Chefredakteur Parteiorgans Der Weckruf und später mit Karl Tomann bis Oktober 1919 Herausgeber der Nachfolgeblätter Die soziale Revolution bzw. Die Rote Fahne. Im Februar 1919 in den Parteivorstand gewählt, unterstützte K. 1919 Bela Kuns umstrittenen Emissär in Österreich, Ernst Bettelheim. 1921 nahm K. am dritten Weltkongress der Kommunistischen Internationale teil und wurde von Willi Münzenberg in einer Rede neben Rosa Luxemburg, Karl Liebknecht und Clara Zetkin in eine Reihe von Vorkämpfern gegen den imperialistischen Krieg gestellt. K. wurde wie Josef Frey Mitglied des Exekutivkomitees der Kommunistischen Internationale (bis 1923) und übersetzte mit Naida Surowzowa Werke Lenins.

Vor allem nach 1922 war K. als Repräsentant des linken Flügels in zahlreiche ideologisch oder auch persönlich motivierte Fraktionskämpfe mit variierenden Bündnissen verstrickt. Mit Tomann 1923 kurzzeitig Vorsitzender, schied er Ende des Jahres auf Weisung der Komintern aus dem Vorstand aus, ehe er vom Zentralkomitee 1926 von allen Ämtern enthoben wurde. K. blieb als Korrespondent und Gewerkschafter aktiv, 1929 übersiedelte er nach Moskau in die Rote Gewerkschaftsinternationale um Aleksandr Losowsky. 1934/35 Umzug nach Charkow und später Kiew, wo er in der Hauptverwaltung für Literatur des Volkskommissariats für Volksbildung beschäftigt war. Als Opfer des „Großen Terror“ Stalins 1936 wegen antisowjetischer Agitation inhaftiert, wurde K. nach erfolgreicher Berufung im Oktober 1940 des Landes verwiesen, den deutschen Behörden übergeben und am 9. Juni 1941 im KZ Auschwitz ermordet. 1955 erfolgte am 20. Parteitag der KPdSU K.s Rehabilitierung.


Quellen und Dokumente

Opportunistische und radikale Tendenzen in der Sozialdemokratie Österreichs. In: Vorbote. Internationale Marxistische Rundschau, Januar 1916, S. 58-64, Der Jännerstreik und seine Vorgeschichte. In: Die Wage, 23. Jänner 1920, o. S., Der Tag des Verrates. In: Die Rote Fahne, 20.1.1922, S. 1f., Lenin und Oesterreich. In: Die Rote Fahne, 21. Jänner 1925, S. 4, Zur Geschichte der Kommunistischen Partei Oesterreichs. In: Die Rote Fahne, 4.11.1928, S. 5, Maifeiern in der Kriegszeit in Oesterreich. In: Die Rote Fahne, 1.5.1929, S. 8.

Literatur

Hans Hautmann: Die Anfänge der linksradikalen Bewegung und der Kommunistischen Partei Deutschösterreichs 1916-1919. Wien: Europa-Verlag 1970 (= Veröffentlichungen der Arbeitsgemeinschaft für Geschichte der Arbeiterbewegung in Österreich, Bd. 7), Barry McLoughlin, Hannes Leidinger, Verena Moritz: Kommunismus in Österreich 1918-1938. Innsbruck [u.a.]: Studienverlag 2009, Hans Schafranek: Franz Koritschoner (1892–1941). In: Jahrbuch für Historische Kommunismusforschung [3] 1995, S. 239-261, Herbert Steiner: Franz Koritschoner. In: Gerhard Botz et al. (Hg.): Bewegung und Klasse. Studien zur österreichischen Arbeitergeschichte. Wien [u.a.]: Europa-Verlag 1978, S. 159-174, Emily Rosdolsky: Franz Koritschoner. In: Memorial Österreich (Hg.): Österreichische Stalin-Opfer. Wien: Junius 1990, S. 69-78.

o. A.: Koritschoner, Franz. Österreichische Stalin-Opfer (bis 1945); Hans Hautmann: Die Revolutionäre. Der Formierungsprozess der Linksradikalen. (Österreich im Epochenjahr 1917, Teil 4). In: Mitteilungen der Alfred-Klahr-Gesellschaft 14 (2007), H. 4, S. 1-6; Manfred Mugrauer: Franz Koritschoner (1892–1941). Zentralfigur der linksradikalen Bewegung zur Zeit des Ersten Weltkriegs – kommunistischer Parteiführer – Opfer des Stalin-Terrors.

(ME)

Geb. 11.12.1889 in Prag, Österreich-Ungarn; gest./umgekommen 25.4.1942 Ghetto Lodz/Litzmannstadt. Dramaturg, Schriftsteller.

(in Vorber.)

geb. 29.5.1897 in Brünn (heute Brno, Tschech. Republik), gest. 29.11.1957 in Hollywood (USA); Komponist, Pianist, Dirigent, Arrangeur

Gemeinsam mit seiner Familie übersiedelte K. 1901 nach Wien, wohin der Vater Julius Korngold (1860–1945) als Musikreferent in die Feuilletonredaktion der Neuen Freien Presse berufen wurde. Bereits 1904 versuchte sich K. an ersten Kompositionen und erhielt dann auch im Alter von neun Jahren Unterricht in Kontrapunkt und Harmonielehre. 1907-10 unterwies das mit Mozart verglichene musikalische „Wunderkind“ auf Empfehlung G. Mahlers hin Alexander v. Zemlinksky in Musiktheorie, Komposition u. Klavierspiel. 1910 gelangte erstmals ein Werk K.s, das Ballett Der Schneemann, zur Aufführung: Nicht nur die Urheberschaft der Komposition (eingedenk des Alters des Tonsetzers), sondern auch die vermutete Einflussnahme des zum maßgebenden Wr. Musikkritiker avancierten Vaters auf Hofopern-Direktor Felix v. Weingartner wurden öffentlich diskutiert (vgl. Rachold). 1911 debütierte K. als Pianist (Berlin), 1917 als Dirigent (Wien). 1917/18 Militärdienst bei der Kapelle des k.k. Landwehrinfanterieregiments. Nach dem Erfolg der bereits 1916 komponierten u. 1920 zugleich in Köln (unter Otto Klemperer) u. Hamburg uraufgeführten Oper Die tote Stadt 1921 u.a. kurze Kapellmeistertätigkeit am Hamburger Stadttheater. 1924 Verehelichung mit der Sängerin, Schauspielerin, Pianistin u. Schriftstellerin Luise „Luzi“ v. Sonnenthal (1900–1962; zwei gemeinsame Kinder: Ernst Werner (1925–1996) u. Georg Wolfgang (1928–1987) Korngold). 1927 wurde der im Jahr 1926 mit dem Kunstpreis der Stadt Wien ausgezeichnete K. zum Professor (Prof. h.c.) an der Wiener Musik-Akademie ernannt, an der er ab 1931 auch eine Opernklasse leitete. In das Jahr 1927 datiert zudem die u.a. mit Lotte Lehmann u. Jan Kiepura als Premierenstars bestrittene Uraufführung von Das Wunder der Heliane: Gemessen an der Toten Stadt, die mit insg. 55 Inszenierungen bis 1933 unter den meist aufgeführten Stücken der Zwischenkriegszeit rangiert, war K.s viertes Musiktheaterwerk ein eher mäßiger Erfolg. Dafür reüssierte K. als Bearbeiter und Arrangeur von Operetten, eine Tätigkeit, die er auch im Streben um finanzielle Unabhängigkeit bereits 1923 (Bearbeitungen von Strauß-Operetten im Auftrag Richard Taubers v. Theater a.d. Wien) aufgenommen hatte, die jedoch seiner Reputation als „seriöser“ Komponist wenig zuträglich sein sollte (vgl. Stollberg 2003): 1929 arbeitete K. erstmals mit Max Reinhardt für eine Inszenierung der Strauß-Operette Die Fledermaus am Dt. Theater Berlin zusammen. Diese Fledermaus sowie die Bearbeitung der Offenbach‘schen Die schöne Helena wurden von diversen europ. Bühnen übernommen, im Exil dann u.d.T. Rosalinda (1942) bzw. Helen Goes To Troy (1944) erneut von K. u. Reinhardt an New Yorker Bühnen herausgebracht. Z.Zt. der Machtübernahme der Nazis arbeitete K. an der Oper Die Kathrin (1930-37), und das entgegen der Warnungen seines Musikverlags Schott, darin die dt.-franz. Versöhnung zu thematisieren; tatsächlich sollte das Werk erst 1939 in Stockholm zur Uraufführung gelangen. Noch während der Arbeit an Kathrin hatte K. ein – nach Wegfall des (reichs-)dt. Musikmarktes für den jüd. Komponisten zudem attraktives – Angebot von Warner Brothers aus Hollywood erreicht: die Schauspielmusik v. Felix Mendelssohn Bartholdy für Reinhardts Verfilmung v. Shakespeares A Midsummer Night’s Dream zu bearbeiten. Nach seinem ersten Aufenthalt in den USA 1934 pendelte K. für Filmproduktionen zwischen Wien und Kalifornien, das nach dem „Anschluss“ Österreichs 1938, den er samt Familie schon in Hollywood erlebte, zu seinem Exilort wurde. „Im sogenannten ‚Klein-Weimar‘ in Los Angeles war er […] bei Alma Mahler und Franz Werfel, bei Thomas Mann und Wilhelm Dieterle ein gern gesehener Gast“ (Rachold), und als Komponist für die Filmgesellschaft Warner Bros. Compagny überaus erfolgreich. Bereits die Filmmusiken zu Anthony Adverse (1936) und The Adventures of Robin Hood (1938) waren mit dem „Oscar“ der Motion Picture Academy ausgezeichnet worden. Neben diesem „Brotberuf“ blieb K. aber bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs kompositorisch verstummt. Zwischen 1946-57 hielt K., nach Aberkennung der dt. (bis zum „Anschluss“ österr.) Staatsangehörigkeit (inkl. Beschlagnahmung seines Eigentums seitens der Gestapo Wien 1941) seit 1943 US-amerik. Staatsbürger, sich immer wieder in Europa auf. „In seiner österreichischen Heimat musste er allerdings erleben, dass er nicht mehr erwünscht war“, wovon u.a. die „Schwierigkeiten“ bei der Restitution des konfiszierten Eigentums zeugen (Rachold). 1957 erlag K. in Hollywood den Folgen einer Herzattacke.

Mit den nach 1945 entstandenen Opera (Symphonische Serenade für Streichorchester, Symphonie in Fis u.a.) blieb K. klangräumliche Präsenz auf den europ. Bühnen u. in den Konzertsälen verwehrt. Mit seinem scheinbar in den musikalischen Traditionen aufgehobenem Spätwerk wandte er sich einer in den 1950er Jahren als überkommen diffamierten Ton- und Formenwelt zu: K. galt als (zu) „konservativer Moderner“ (Vorzellner) – einmal mehr, denn ein Rückfall hinter die je neuesten musikalischen Entwicklungen war K. (spätestens) mit der während des Zeitopern-Booms der späten 1920er Jahre aufgeführten Mysterienoper Das Wunder der Heliane immer wieder angelastet worden (vgl. Stollberg 2003). Einer zw. Spätromantik u. Neuer Musik der 1920er Jahre vermittelnden „Übergangsgeneration“ (Pfannkuchen) zugehörig, war K. mit seinen Kompositionen von ästhet., stilist. Umwälzungen in der ersten Hälfte d. 20. Jh.s scheinbar unberührt geblieben: „Korngold composed in a late-Romantic idiom at a time when the world was gazing into the countenance of near annihilation. In the opinion of more sober colleagues, the Zeitgeist called for the abandonment of the comfort zone of tonality.“ (Haas o.D.) Den Erfolg der Toten Stadt im „Opernschaltjahr“ 1920, in dem auch F. Schrekers Der Schatzgräber zur Uraufführung gelangte, erklärt J.M. Fischer als Symptom der „Spätblüte“ einer durch den Ersten Weltkrieg „künstlich verlängert[en]“, indes überkommenen Musiktheaterepoche: Als lit. Vorlage diente K. mit dem Roman Das tote Brügge des Flamen Georges Rodenbach ein „Grundbuch der europäischen Dekadenz mit den entscheidenden Motiven des Fin de siècle“ (wie der „Aufhäufung der Vergänglichkeitsmotive“ etc.). Nach der unmittelbaren Nachkriegszeit, einer „Phase der absoluten Desorientierung“, sollte sich die (auch) musikal., szen. Orientierung an der Welt des Fin de siècle Mitte der 1920er dann aber sowohl für [no-lexicon]Schreker[/no-lexicon] als auch für den weitaus jüngeren K. als verhängnisvoll erweisen: Ihre Opern galten nunmehr als „nostalgisch-rückwärtsgewandt“ (Fischer, S. 250-255), was im Falle K.s etwa dessen produktive Auseinandersetzung mit dem neuen Medium Film bereits in Das Wunder der Heliane übersehen ließ (ebd. bzw. Haas o.D.). Und obgleich sich Die tote Stadt auf die Formel „Puccini seen through a lens of fin de siècle Vienna” bringen lässt, scheint das Werk „equally impossible to imagine […] without the shimmering harmonic curtains produced by Schreker, Zemlinsky, Strauss and indeed, Schoenberg” (Haas 2015), und somit von Vertretern der Avantgarde, die in dem Vater K.s einen ihrer erbittertsten Gegner gefunden hatten. Das Image (d.h. die musikkritischen Grabenkämpfe) des übermächtigen Kritiker-Vaters (Giger, S. 546 bzw. 557) und der K.s Karriere von Beginn an begleitende Vorwurf, der Vater nutze seinen Einfluss zugunsten des komponierenden Sohnes, haben die wechselvolle Rezeptionsgeschichte von K.s Oeuvre mitbestimmt. Tatsächlich war das Verhältnis der beiden spannungsgeladen: So missfielen J. Korngold z.B. K.s Ambitionen in Sachen Operetten- und Filmmusik (vgl. Stollberg 2007; Haas 2015). Mit letztgenanntem Betätigungsfeld nahm K. aber eine musikhistorische Vorreiterrolle ein: „Jene uns Nachgeborenen durchaus sinnvoll erscheinende Parallele zwischen Oper und Film ist nicht zuletzt auf Korngolds Wirken zurückzuführen. Bevor er in Hollywood tätig wurde, war die Filmmusik meist improvisiert oder collageartig zusammengestellt.“ (Vorzellner) Sein Mitwirken an rd. 20 Filmen in den Jahren 1934-46 hat K. den Ruf eines „father of the Hollywood Sound“ eingetragen; „he was the composer who made film music serious music“ (Haas 2015).


Werke (Auswahl)

Bühnenwerke: Der Schneemann. Ballettpantomime für Klavier (UA Hofoper Wien, 1910) – Der Ring des Polykrates. Heitere Oper in einem Akt op. 7. Text: Julius Korngold/Leo Feld (d.i. Leo Hirschfeld) nach Heinrich Teweles (UA Hofoper München, 1916) – Violanta. Oper in einem Akt op. 8. Text: Hans Müller (UA Hofoper München, 1916) – Die tote Stadt. Oper in drei Akten. Text: Paul Schott, d.i. Julius Korngold u. E.W.K., frei nach George Rodenbach (UA Stadttheater Hamburg u. Stadttheater Köln, 1920) – Das Wunder der Heliane. Oper in drei Akten op. 20. Text: Hans Müller nach Hans Kaltneker (UA Stadttheater Hamburg, 1927) – Die Kathrin. Oper in drei Akten op. 28. Text: Ernst Decsey (UA Königliche Oper Stockholm, 1939) – Die stumme Serenade. Komödie mit Musik in einer szenischen Ouvertüre und zwei Akten op. 36. Text: Raoul Auernheimer, Victor Clement, Rudolph Lothar, William Okie, Bert Reisfeld (UA konzertant Wien, 1951; szenisch Dortmund, 1954)

Bearbeitungen fremder Werke, u.a. von Joh. Strauß Sohn: Eine Nacht in Venedig (1923), Cagliostro in Wien (1927), Die Fledermaus (1929; engl. Rosalinda, 1942). Singspiele nach Werken v. Joh. Strauß Sohn: Walzer aus Wien (1930; engl. The Great Waltz, 1949), Das Lied der Liebe (1931)

Orchesterwerke, u.a. Sinfonietta in H-Dur op. 5 (1912), Sursum Corda. Symphonische Ouvertüre für großes Orchester op. 13 (1919), Baby-Serenade op. 24 (1929)

Konzerte, Kammermusik-, Klaviermusikwerke

Filmmusik: A Midsummer Night’s Dream. Regie: W. Dieterle/M. Reinhardt (USA 1935) – A Dream Comes True (1935) – Rose of Rancho (1935) – Captain Blood. Regie: Michael Curtiz, d.i. Mihály Kertész (USA 1935) – Give Us This Night. Regie: Alexander Hall. (USA 36) – Anthony Adverse. Regie: Mervyn LeRoy (USA 1936) – Hearts Divided. Regie: Frank Borzage. Musik: Al Dubin, Harry Warren, Bernhard Kaun, E.W.K., Heinz Roemheld (USA 1936) – The Green Pastures. Regie: Marc Conelly/William Keighley (USA 1936) – The Prince and the Pauper. Regie: William Keighley (USA 1937) – Another Dawn. Regie: Wilhelm Dieterle (USA 1937) – The Adventures of Robin Hood. Regie: Michael Curtiz/William Keighley (USA 1938) – Juarez. Regie: Wilhelm Dieterle (USA 1939) – The Private Lives of Elizabeth and Essex. Regie: Michael Curtiz (USA 1939) – The Sea Hawk. Regie: Michael Curtiz (USA 1940) – The Sea Wolf. Regie: Michael Curtiz. Musik: Joseph E. Howard/E.W.K. (USA 1941) – Kings Row. Regie: Sam Wood (USA 1942) – The Constant Nymph. Regie: Edmund Goulding (USA 1942) – Devotion. Regie: Curtis Bernhardt (d.i. Kurt Bernhardt) (USA 1943) – Between Two Worlds. Regie: Edward A. Blatt (USA 1944) – Of Human Bondage. Regie: Edmund Goulding (USA 1945) – Escape Me Never. Regie: Peter Godfrey. (USA 1946) – Deception. Regie: Irving Rapper (USA 1946) – Magic Fire. Regie: Wilhelm Dieterle/Rudolf Hartmann (USA 1955)

Quellen

Jens Malte Fischer: Richard Wagner und seine Wirkung. Wien: Paul Zsolnay 2013. – Andreas Giger: A Matter of Principle: The Consequences for Korngold’s Career. In: The Journal of Musicology 16 (1998), Nr. 4, S. 545-564. – Michael Haas: The False Myths and True Genius of Erich Wolfgang Korngold 1. Online auf: A BLOG BY FORBIDDEN MUSIC AUTHOR MICHAEL HAAS (Stand: Dez. 2015). – Ders.: Why Korngold? [o.D.] Online auf:  INTERNATIONAL ERICH W. KORNGOLD SOCIETY (Stand: Dez. 2015). – Holloway: The Beautiful and the Banned. What is decadence in music? And when is it simply degenerate? Robin Holloway explores operas by Korngold and Krenek. In: The Musical Times 134 (1993), Nr. 1805, S. 402-405. – N.N.: Korngold, Erich Wolfgang [Biogramm], online unter: http://austria-forum.org (Stand: Dez. 2015). – Wilhelm Pfannkuch: Korngold, Erich Wolfgang. In: Neue Deutsche Biographie 12 (1979), S. 592-593 [Onlinefassung] (Stand: Dez. 2015). – Bernd O. Rachold: Korngold, Erich Wolfgang [2007, aktualisiert am 11.11.2014], online unter: http://www.lexm.uni-hamburg.de (Stand: Dez. 2015). – Arne Stollberg: Korngold, Erich Wolfgang. In: Ludwig Finscher (Hg.): Die Musik in Geschichte und Gegenwart. Allgemeine Enzyklopädie der Musik, begründet von Friedrich Blume. Zweite, neubearbeitete Ausgabe. 26 Bde. in zwei Teilen. Personenteil 10: Kem-Ler. Kassel, Stuttgart u.a.: Bärenreiter/Metzler 2003, Sp. 539-544. – Ders.: Erich Wolfgang Korngold und der „Musikkrieg“ des 20. Jahrhunderts. Im Pulverdampf. In: Österreichische Musikzeitspecial
7/2007 [Onlinefassung]. – Markus Vorzellner: Ein konservativer Moderner. In: Wiener Zeitung (24.11.2007) [Onlinefassung].

Auf der Homepage des Erich Wolfgang Korngold-Zentrum Brünn finden
sich detaillierte Angaben zu Literatur über K.s Leben und Werk,
zeitgenössischen Korrespondenzdokumenten, Kritiken, Studien, Artikeln
und Fotografien sowie eine K.-Diskografie. Der Webauftritt der International Erich Wolfgang Korngold Society unter
der Leitung von Gerold Gruber (Wien) bietet u.a. ein vollständiges
Werkverzeichnis und eine umfassende Fotogalerie. Der Blog von M. Haas
enthält ein eigenes K.-Panel (Text samt Bild- und Audiodateien), eine
laut Urheber “virtual exhibition”, basierend auf der Ausstellung Die Korngolds (Jüdisches Museum Wien, 28.11.2007-18.5.2008).

(RU)

  1. 7.2015

Geb. 24.12.1860 in Brünn/Brno (Österreich), gest. 25.9. 1945 in Hollywood/Los Angeles. Musikkritiker, Komponist, Exilant.

Materialien und Quellen:

Eintrag auf LexM: hier.

(in preparation)

Geb. 12.5.1892 in Wien, gest. 22.7.1970 in München. Schauspieler, Film- und Theaterregisseur, Drehbuchautor, Exilant.

Kortner begann um 1910 mit seiner schauspielerischen Laufbahn unter Max Reinhardt in Wien und Berlin und erlebte seinen Durchbruch in Tollers expressionistischem Drama Die Wandlung unter der Regie von Karlheinz Martin am Berliner Theater Die Tribüne. Daraufhin verpflichtete ihn L. Jessner ans Schauspielhaus, wo er unter seiner Regie in eigenwilligen Klassiker-Interpretationen seinen eigenen Stil entwickelte und Triumphe feierte, so z.B. in der Rolle des Richard III. oder insbesondere des Shylock in Shakespeare-Aufführungen oder des Geßner u.a. Rollen in Schiller-Dramen. Seit 1915 spielte Kortner zugleich verschiedenste Rollen in zahlreichen Stumm-, später auch Tonfilmen unter den wichtigsten Filmregisseuren der Weimarer Republik (C. Froehlich, K. Grune, L. Jessner, W.G.Papst, R. Wiene u.a.).

Materialien und Quellen:

Eintrag bei: Künste im Exil: hier.

Literatur (Auswahl):

Matthias Brand: Fritz Kortner in der Weimarer Republik. Annäherungsversuche an die Entwicklung eines jüdischen Schauspielers in Deutschland. Rheinfelden 1981; Ivan Nagel: Kortner, Zadek, Stein. München 1989; Peter Schütze: Fritz Kortner. Reinbek bei Hamburg 1994; Klaus Völker: Fritz Kortner: Jude und Rebell gegen das privilegierte Konventionelle. Stiftung Neue Synagoge Berlin 2007, Evelyn Adunka: Meine jüdischen Autobiographien. Wien 2021, 135-138.

(in preparation)

geb. am 1.10.1852 in Eleonorenhain (Böhmerwald) – gest. am 4.2.1934 in Wien; Schriftsteller, Historiker, Publizist, Philosoph

Nach seinem 1876 abgeschlossenen Jurastudium in Wien bewogen die Eindrücke eines Studienaufenthaltes in Bonn, bei dem er bedeutende Gelehrte, wie Mommsen, Lepsius und Grimm kennenlernte, sowie eine Italienreise 1877/78 K. dazu, die Laufbahn eines freien Schriftstellers und Privatgelehrten einzuschlagen, wozu ein gut dotiertes Legat seines Vaters die materiellen Voraussetzungen schuf. Mit Ausnahme einer längeren Griechenlandreise war K. fortan in Wien ansässig, wo er sich ab den 1880er Jahren intensiv mit der Konzeption eines „christlich-germanischen Kulturideals“ auseinandersetzte. Neben Antike, Klassik und Romantik bildeten germanische Folklore und das Christentum katholischer Prägung die Gravitationspunkte seines dichterischen Schaffens. 1906 gründete er die katholische Schriftstellervereinigung Gralbund, deren Zeitschrift Der Gral bis 1937 erschien. Diese Gründung, die sich innerkatholisch gegen den prominenten, reformorientierten Hochland-Kreis positionierte, ist im Kontext des kathol. Literaturstreits zwischen Carl Muth (Hochland) und stärker Rom-orientierten konservativen Vertretern angesiedelt zu sehen.

K.s produktivste Schaffensphase fiel mit der Zeit zusammen, als der Katholizismus nach einer Phase der Defensive in der Ära des polit. Liberalismus (in Ö bis 1879) einen Aufschwung nahm, der sich in Österreich vor allem in der Gründung der Leo-Gesellschaft 1892 und der Christlichsozialen Partei 1893 sowie konservativ-klerikaler Regierungen niederschlug. Zu K.s bekanntesten Werken zählen sein Deutsches Götter- und Heldenbuch (6 Bände, 1900-04), die Heimaterzählungen (1909 f.), sowie die Allgemeinen Geschichte der Neuesten Zeit von 1815 bis zur Gegenwart (6 Bände, 1915–23), wobei die kompilatorische Arbeitsweise, die sich bereits in den Titeln andeutet, kennzeichnend ist.

In den weltanschaulich bewegten Jahren, die den politisch-sozialen Umwälzungen des ersten Weltkriegs folgten, galt K. als Wortführer des kulturpolitischen und literarischen Katholizismus in Österreich. Er publizierte in allen maßgeblichen Organen wie z.B. in der Reichspost, im Neuen Reich und in der Schöneren Zukunft sowie im Kunstgarten. In seinen zwischen 1920 und 1933 rund 700 Mal abgehaltenen Dienstagsvorträgen propagierte er seine auf konservativem Katholizismus beruhende antiliberale Weltanschauung, die sich von der Ästhetik moderner und avantgardistischer Bewegungen seit der Jahrhundertwende deutlich abgrenzte. Aus dieser Grundeinstellung ist auch sein Engagement für die Wiederbelebung von frühneuzeitlichen Moralitäts- und Mysterienspielen im Allgemeinen und Hans Sachs´ und Calderons Fastnachts- und Weihespielen im Besonderen zu verstehen. K.s. Texte, meist Nachbearbeitungen der Vorlagen, zählten ab 1924 jedenfalls zu den meistgespielten auf der Christlich-Deutschen Volksbühne; in das Wiener Theaterprogramm fanden sie jedoch keinen Eingang. Symptomatisch für sein Literatur- und Kulturverständnis ist eine programmatische, offen einbekannte Ablehnung der Moderne, des Fortschritts und der urbanen Kultur; diese kam in seinen Kulturpolitischen Glossen in der Schöneren Zukunft, z.B. zu Kultur und Barbarei, sowie in seiner Tätigkeit im Verband katholischer Schriftsteller und Schriftstellerinnen Österreichs deutlich zum Ausdruck.


Werke (Auswahl)

Das deutsche Götter- und Heldenbuch, (6 Bde 1900-03); Kulturstudien (4 Bde 1900-07); Hausbrot. Märchen und Sagen, Ritter- und Räuber-, Hexen- und Wildschützen-Geschichten (2 Bde 1907/08); Die katholische Literaturbewegung der Gegenwart (1909); Österreichische Geschichte 1914; Die Weltliteratur im Lichte der Weltkirche (1918); Die neue Staatenordnung im organischen Aufbau (1918);Allgemeine Geschichte der neuesten Zeit von 1815 bis zur Gegenwart (6 Bde) 1915-23); Tage und Werke (Autobiographie 1922); Karl Lueger und der christliche Sozialismus (1923); Meine Stellung zum Karl May-Problem (Essay 1921) (Online verfügbar)

Quellen und Dokumente

Literatur und Politik. In: Das Neue Reich, Nr.27/1920, 541-542, Kulturpolitische Exkurse: Autor und Publikum. In: Schönere Zukunft; Nr. 7, 1925, 169-170.

Nachlass: Wien-Bibliothek im Rathaus (19 Archivboxen).

Literatur

K. Kraus: Kralikstag. In: Die Fackel, H. 604-607 (1922), 108-122; J. Hieronymus: Der vaterländische Dichter als Denker. Richard v. Kralik als soziologisches Problem. In: Der Kampf, Juni 1925, 211-217; E. Handel-Mazzetti: Zum Verständnis Richards von Kralik. In: Schönere Zukunft, 7.3.1926, 557-558; R. Henz: Richard Kralik. Zum 75. Geburtstag am 1. Oktober 1927. In: Kunstgarten, Nr. 9/1927, 321-323; W. Pirkl: Weltgeschichte als Weltanschauung. Zur Rolle der katholischen Geschichtsschreibung am Beispiel Richard v. Kraliks. In: M. Heitger (Hg.): Verantwortung. Wissenschaft. Forschung (1981), 164-155; B. Doppler: „Ich habe diesen Krieg immer sozusagen als meinen Krieg angesehen“. Der katholische Kulturkritiker Richard von Kralik (1852-1934). In: K. Amann, H. Lengauer (Hgg.): Österreich und der große Krieg 1914-1918. Die andere Seite der Geschichte (1989), 95-104; J. Beniston: Welttheater: Hofmannsthal, Richard von Kralik and the Revival of Catholic Drama in Austria 1890-1934 (1998); R. S. Geehr: The Aesthetics of Horror: The Life and Thought of Richard von Kralik (2003).

Enzinger: Kralik von Meyrswalden, Richard. In: ÖBL 1815–1950, Bd. 4, S. 199f.

Mikoletzky, Nikolaus, “Kralik, Richard” in: Neue Deutsche Biographie 12 (1979), S. 663-666 [Onlinefassung]

(MA)

geb. am 1.1.1897 in Niederhollabrunn – gest. am 3.4.1958 in Wien; Lyriker

Der Sohn eines aus Mähren stammenden jüd. Landarztes besuchte in Stockerau das Realgymnasium, übersiedelte 1908 nach Wien, wo sein Bruder Richard lebte, u. begann um 1910 zu schreiben. Mit 16 Jahren trat K. der vom späteren Psychoanalytiker Siegfried Bernfeld geleiteten Wiener Sektion der „Freideutschen Jugend“ bei, die sich als Protestbewegung verstand und über ihre „Sprechsaal“-Gruppen Fragen der Schulreform, der Sexualität sowie der Autoritäts- und Generationsthematik diskutierte. In ihrer polizeilich überwachten Monatsschrift  Der Anfang. Zeitschrift der Jugend versuchte K. seine ab dem 13. Lebensjahr entstandenen Gedichte unterzubringen, die jedoch von Bernfeld nicht publiziert, wohl aber in sein Archiv aufgenommen wurden.

Aus: Die Bühne (1926), H. 69, S. 18

Nach abgelegter Matura an der k.k. Staats-Realschule im 2. Bezirk und absolvierter Exportakademie wurde K. im Juli 1915 einberufen. Eine schwere Verletzung an der wolhynischen Front 1916 führte, nach einigen Monaten am Isonzo (1917-18), zu einer Beurlaubung K.‘s im April 1918. Nach Kriegsende inskribierte er an der Univ. Wien, hörte germanist. u. histor. Vorlesungen, u.a. bei Walther Brecht, Alfons Dopsch und Ludo Hartmann, wechselte dann auf die jurist. Fakultät, wo er  bei Hans Kelsen u. Othmar Spann 1919-21 Vorlesungen belegte, bevor er das Studium aufgab. Danach suchte K. im Buchhandel Anstellungen zu erlangen, was erst um 1925 zu stabileren, ihn nicht sonderlich befriedigenden Vertretertätigkeiten führte. 1926 erschien in der Zs. Die Bühne sein erstes Gedicht Anderes Licht; die Bekanntschaft mit Leo Perutz und Joseph Kalmer half ihm, den Weg in die literar. Öffentlichkeit zu finden. Unter Mitwirkung von Perutz ging K.‘s erster Gedichtbd. Die Gaunerzinke (1929; Rütten & Loening) aus einem Preisausschreiben des S. Fischer-Verlags im Jahr 1927 hervor, der ihn auch in Deutschland bekannt machte. Zugleich wurde ihm, geteilt mit Heinrich Suso Waldeck, der Lyrik-Preis der Stadt Wien für 1928 zugesprochen, für den sich vermutl. Ernst Lothar ausgesprochen hatte. 1929 folgte der Preis der Julius Reich-Stiftung und K.-Ged. erschienen fortan regelmäßig in der AZ und zahlreichen anderen Ztg. wie Der Abend, Berliner Tageblatt, Das Tage-Buch oder die Vossische Zeitung. Seine die Alltagsmühen herausstreichenden Kriegsgedichte Wir lagen in Wohlhynien im Morast (1931) führten zu teils heftigen Reaktionen sowie scharfer Ablehnung durch die nationale und NS-Presse. Die Kriegsverletzungen u. sein allgem. labiler Zustand mündeten 1931 in eine erste längere Erkrankung, die bald chronische Züge annehmen sollte. Seit der Gaunerzinke werden die Stimmen von Randexistenzen, von Außenseitern – „für die, die ohne Stimme sind“–, eingebettet in Landschaften der Peripherie, deutlich sichtbar. Stets begleitet von einem unverwechselbaren „Drehorgelklang“ und dem besonderen Kolorit der Provinz, die trotz mancher themat. Berührung mit der zeitgenöss. Heimat-Literatur sich ideologisch wie ästhetisch klar von ihr abhebt, lässt K., „die schlanke Feder wie ein Beil“ geführt, die Zeit durch sprachliche Präzision in greifbaren Bildern der Wirklichkeit auferstehen, deren Nüchternheit, aber auch Sinnlichkeit und Sympathie mit Außenseitern schon Zeitgenossen wie Hilde Spiel, Bruno Kreisky, Ernst Lissauer oder Otto Koenig beeindruckte. In der fehlenden belehrenden Moral glaubte Josef Luitpold Stern eine Schwäche K.s erkennen zu können, der ebenso wie Fritz Brügel, Hermynia zur Mühlen, Rudolf Brunngraber, seit 1933 Mitglied der Vereinigung sozialistischer Schriftsteller war.

Mit großen Fragen des Lebens im Blick auf das Kleine u. an den Leser gewandt, spricht K., der seit 1927 Mitglied der Sozialdemokratischen Partei war, aus der Mitte jener, denen er sich zugehörig fühlte, geprägt durch seine Kindheit am Rande einer Dorfgemeinschaft und einer besonderen Sensibilität für landschaftliche und soziale Begegnungsräume. Unterstützung erhielt K., der 1931 seine Arbeit im Buchhandel aufgab,  u.a. durch den 1934 gegründete Theodor-Kramer-Verein, für dessen Mitglieder er in privaten Lesungen, u.a. an der Volkshochschule Ottakring, zuweilen auch politische Gedichte vortrug – neben Th. Mann, Franz Werfel oder Stefan Zweig waren es jene Freunde wie Kurt Blaukopf, Fritz Hochwälder, Johann Muschik, Erika Mitterer, P.v. Preradovic oder Ernst Waldinger, durch deren Einsatz K. 1939 die Flucht nach England zu seiner bereits im Exil lebenden Frau Inge Halberstam gelang. Kurz nach der drei Jahre später erfolgten Trennung von ihr tritt er 1943 eine Stelle als Bibliothekar im County Technical College in Guildford an, vermittelt durch Eleanor Farjeon, deren Bekanntschaft er neben Erich Fried, Robert Neumann und Hilde Spiel gemacht hatte. Nach Lesungen in Sendungen der BBC und einigen Publikationen im Aufbau oder der Austro-American Tribune erschien 1943 der Gedichtband Verbannt aus Österreich/Wien 1938. 1946 folgten die Bände Die untere Schenke und Die grünen Kader) – darin auch das kontrovers aufgenommene, an Josef Weinheber gerichtete Requiem für einen Faschisten.

Unter K.s zahlreichen Korrespondenzen findet sich neben H. Spiel, H. Zohn, M. Guttenbrunner, u.a. auch E. Chvojka, den er kurz vor seinem Tod, nach Rückkehr in die fremdgewordene Heimat 1957, als Verwalter seines Werkes einsetzte. 


Weitere Werke (Auswahl)

Kalendarium (1930), Mit der Zieharmonika (1936), Wien 1938 (1938), Verbannt aus Österreich (1943), Die untere Schenke (1946), Lob der Verzweiflung (1947), Vom schwarzen Wein, Auswahl (1956), Lob der Verzweiflung (1972, entstanden 1944/45)

Quellen und Dokumente

Link zur Theodor Kramer Gesellschaft (Biographie, Archiv, usw.): http://theodorkramer.at/aktuell/

Lesung Th.K. 1957 (13:11): „Gaunerzinke“, „Wir lagen in Wolhynien im Morast“, „Ein Krampenschlag vor Tag“, „Kleines Café an der Lände“, „Wien Fronleichnam 1939“, „Requiem für einen Faschisten“, „Neustifter Nebel“ und „Lob der Verzweiflung“

Otto König: „Die Gaunerzinke“ (Rez.). In: Arbeiter-Zeitung, 1928, Grete Ujhely: Theodor Kramer: Die Gaunerzinke (Rez.). In: Wiener Allgemeine Zeitung, 23.10. 1928, S. 5;

„Der Einstieg“ von Th.K. In: Arbeiter-Zeitung, 1928, „Der Köhler“ von Th.K. In: Arbeiter-Zeitung, 1928, „Die Gaunerzinke“ (Rez.). In: Österreichische Buchhändler-Correspondenz, 1929, „Beerenlese“ von Th.K. In: Arbeiter-Zeitung, 1929, Josef Luitpold Stern: „Morast der Gleichgültigkeit.“ In: Der Kampf 24, 1931, Alfred Aspler: „Theodor Kramer-Abend.“ In: Arbeiter-Zeitung, 1931, Otto König: „Wir lagen in Wolhynien im Morast.“ In: Arbeiter-Zeitung, 1931, Dr. R.Ki.:“Wir lagen in Wolhynien im Morast…“ (Rez.). In: Wiener Zeitung, 1931, „18,30: Der reiche Sommer“. In: Radio Wien, 1932, „Kalte Schlote“ von Th.K. In: Tagblatt, 1933, „Brief aus der Schutzhaft“ von Th.K. In: Tagblatt, 1933, „Im Arbeitslager“ von Th.K. In: Tagblatt, 1933, „Am Rand“ von Th.K. In: Tagblatt, 1933, „Vagabundenlied“ von Th.K. In: Tagblatt, 1933,  „Theodor Kramer“. In: Radio Wien, 1934, „Arbeiterdichtung in Österreich“. In: Radio Wien, 1934, „Lass mir ein wenig noch die Hand…“ von Th.K. In: Prager Tagblatt, 1934, „Theodor Kramer“. In: Das interessante Blatt, 1936, „Anders“ von Th.K. In: Prager Tagblatt, 1936.

Nachlass: Österreichische Nationalbibliothek / Klagenfurt: Kryptobestand Theodor Kramer (im Nachlass Michael Guttenbrunner)

Literatur (Auswahl)

Siglinde Bolbecher/Konstantin Kaiser: Lexikon der österr. Exilliteratur (1999), Erwin Chvojka: u.a. Kramer, Mitterer, Guttenbrunner – Ein Rückblick. In: Der literarische Zaunkönig 2 (2005). (Online verfügbar); Vorwort. In: Gesammelte Gedichte 1 (1984). (Online verfügbar), Erwin Chvojka/Konstantin Kaiser: Vielleicht hab ich es leicht, weil schwer, gehabt. Th.K. 1897-1958. Eine Lebenschronik (1997), Konstantin Kaiser: Vorlesung Th.K. (Online verfügbar), Kurt Klinger: Lebenslängliche Isolation: Theodor Kramer. In: Hilde Spiel: Kindlers Literaturgeschichte der Gegenwart – Die zeitgenössische Literatur Österreichs (1980), P.-H. Kucher: Kramer, Theodor. In: Metzler Lexikon der deutsch-jüdischen Literatur (2000); Ders.: Drehorgelblues, Peripherie. Gestrandete und ein wenig Liebe. In: Ide (2004), Johann Muschik: In einer alten Mappe blätternd. Erinnerungen an Th.K. In: Ver sacrum (1970), Daniela Strigl: u.a. „Wo niemand zuhaus ist, dort bin ich zuhaus“ – Th.K.: Heimatdichter und Sozialdemokrat zwischen den Fronten (=Literatur in der Geschichte, Geschichte in der Literatur; 25, 1993), Friedemann Spicker: Deutsche Wanderer-, Vagabunden und Vagantenlyrik in den Jahren 1910-1933 (1976). (Online verfügbar), Zs „Zwischenwelt“ (vormals „Mit der Zieharmonika“), hg. von Theodor Kramer Gesellschaft, darin u.a.: Silvia Schlenstedt: „So gibt es eine Anzahl ganz kleiner Chancen.“ Material zu Th.K. in den dreißiger Jahren (=Zwischenwelt 4, 1995), Daniela Strigl: Peripherie – Provinz – Politik. Phänomene des Nichtmehr und Nochnicht bei Th. Kramer (=Zwischenwelt 3, 1992), Diess.: Die Würze des Lorbeers. Theodor Kramer 2022. In: Literatur und Kritik, H. 569/570, 31-35, Anna Krommer: Th. K. in Guildford. Aus dem unveröffentlichten autobiographischen Text „Refugium“ (=Zwischenwelt 1, 1990); Vom Nicht-Beigeben. Theodor Kramer 1897-1958. Einführung in Leben und Werk. Mit Beiträgen von S. Bolbecher, E. Chvojka, A. Emanuely, K.-M. Gauß, R. Klüger u.a.. (= Th. Kramer Gesellschaft, 2018)

(SK)

Geb. 18.12.1860 in Nassereith/Tirol; gest. 4.1.1938 in Nassereith. Schriftsteller, Dramatiker.

Forschungsliteratur:

Johann Holzner: Franz Kranewitter (1860–1938). Provinzliteratur zwischen Kulturkampf und Nationalsozialismus.  Innsbruck 1985

(in Vorbereitung)

Hebr.: גרטרוד קראוס, geb. am 5.5.1901 in Wien – gest. am 23.11.1973 in Tel Aviv; Choreographin, Tänzerin

Kraus wuchs in Wien in einer aus Böhmen zugewanderten jüdischen Familie auf und wandte sich früh der Musik zu. Sie erhielt die Möglichkeit, an der Akademie für Musik und darstellende Kunst Klavier zu studieren. Als Pianistin begleitete sie Stummfilme und den Tanzunterricht von Ellinor Tordis; durch Tordis hat sie das expressive Potenzial des Tanzens erkannt und schätzen gelernt. Nach ihrem Musikabschluss (1922) absolvierte Kraus zwei Jahre Modernen Tanz bei Gertrud Bodenwieser und arbeitete auch als Tänzerin in deren Tanzensemble, um sich dann aber selbständig zu machen. 1924 begann Gertrud Kraus zu choreographieren und zeigte bereits am 16. März 1924 erste Solokreationen mit einem deutlichen Russland-Bezug (Rachmaninow z.B.), welche sowohl in der Roten Fahne wie im Der Tag durch M. E[rmers] wortident als vielversprechende eingeschätzt wurden und den öffentlich aufmerksamen, auch kontrovers wahrgenommenen Beginn (nicht erst 1925 wie vielfach behauptet) ihrer Tanzkarriere markiert. Mit diesem Programm wirkte sie auch an den 1. Maifeiern der Wiener KPÖ im 2. Bezirk mit, was auch Rückschlüsse auf ihre politische Interessenslage erlaubt, die zunächst dort und in den darauffolgenden Jahren in der Sozialdemokratie ihre Verankerung fand. Im Nov. dess. Jahres trat sie dann mit „eigenen Tanzschöpfungen“ in den ›Künstlerspielen Café Capua‹ auf, im April 1925 schließlich, wieder mit russischen Tänzen, im Moulin Rouge, um im Oktober 1925 wieder ins Capua zurückzukehren. Bereits im März 1925 durfte sie Bodenwieser an der Akademie kurzzeitig vertreten und deren Tanzunterricht leiten. Im Mai 1925 trat sie erstmals außerhalb Wiens, und zwar in Prag, gem. mit G. Delt im Rahmen einer Tanzsoiree auf, angekündigt als eine der „hervorragenden Künstlerinnen“ in ihrem Metier (PTBl. 14.5.1925). Auch im ›Tag‹ wurde Kraus schon im März 1926 als eine der wichtigsten jüngeren Tänzerinnen im Zuge einer mehrstündigen Vorführung im Konzerthaus, die das Publikum „faszinierte“, ausführlich gewürdigt. An allem interessiert, was in Wien künstlerisch wie (gesellschafts)politisch von Belang war, wirkte sie andererseits an Schauplätzen mit, die ihr Verdienstmöglichkeiten offerierten. Beteiligte sie sich z.B. an aktivistischen MA-Abenden in der Schwarzwaldschule (Der Tag, 7.5.1926,8), u.a. auch zu Musik von D. Milhaud u. B. BartAZ tanzend (AZ, 2.6.1926, 9), so gab sie in den Sommern 1926-1928 zudem Kurse für rhythmische Gymnastik in der Villa Auguste am WDer Morgen (Der Morgen, 30.8.1926, 4) und trat darüber hinaus auch im Kursalon (Stadtpark) mit einer eigenen Tanzgruppe auf, die 1927 in die Eröffnung eines Tanzstudios in der Mariahilfer Straße einmünden wird. Zuvor wirkte sie zudem sowohl an den sozialdemokrat. Republikfeiern im Nov. 1926 mit als auch, im Dez. 1926, am ›Revolutionären Kabarett‹ der KPÖ sowie an den Chanukka-Feiern des Jüd. Realgymnasiums (Wr. Morgenzeitung, 9.12.1926,4) und einem Konzertabend des jüdischen Arbeitervereins Hechaluz (u.a. an der Seite von Mirjam Hoeflich-Schnabel). Man kann daraus ablesen, dass Kraus schon ab 1926 zionistischen Ideen und dabei zugleich politisch linksorientierten Vereinigungen nahestand. Tanz und Volksbildung, so M. E[rmers] im Tag, gehörten auch zu den aktuellen Interessen der zeitgenössischen Massen, einschließlich der Arbeiterschaft und Getrud Kraus wird von ihm als Pionierin in dieser Richtung im Jänner 1927 vorgestellt. Es überrascht daher nicht, sie ab 1927 wiederholt in Programmen an den Volkshochschulen in Margareten und Ottakring zu finden, aber als Begleitung zu Veranstaltungen der ›Jüdischen Künstlerspiele‹ im Theater Reklame (NFP, 7.6.1928,14), wo sie mit ihrer Gruppe ihren Zyklus Jüdische Tänze zur Aufführung brachte bzw. auf der Rolandbühne (1928, Der Tag, 27.10.1928, 8). In einer weiteren Würdigung durch R. Götz werden ihr u.a. stupende Technik, Musikalität u. bildhafte Phantasie attestiert, die ihre Tänze in den Rang künstlerischer Einmaligkeit heben würden, sichtbar an Kreationen wie z.B. Der seltsame Gast, Knabe aus dem Ghetto, an ihren „Triebtänzen“ wie z.B. Wodka u.a.m.

Aus: Kuckuck, 3.5.1931, S. 14

Sie choreografierte im Stil des expressionistischen, auch grotesk-komischen oder Freien Tanzes und etablierte sich ab 1926-27 als eine der führenden Ausdruckstänzerinnen Wiens, wobei sie wiederholt mit der damals bekannteren E. Tordis verglichen wurde, die zu jener Zeit ebf. auch in Volksbildungseinrichtungen tätig war. Am 1. Mai 1928 tanzte sie ferner zur Aufführung von Unser Glaube von Schalom Asch in den Jüdischen Künstlerspielen (Der Tag, 29.4.1928, 8), womit sie ihre Affinität zur Literatur und zum jüd. Theater deutlich machte. 1929 war sie als Assistentin von R. v. Laban für die Tanzchoreografie des Festzuges des Gewerbes im Rahmen der Wiener Festwochen ebenso verantwortlich wie kurz darauf an der durch Sprechchöre und Massenspiel getragenen, von Felix Kanitz verfassten Revolutionsfeier, einer „großen neuartigen Symphonie“ im Konzerthaus mitwirkend tätig. Im Rahmen der Festwochen gab sie im Juni auch noch einen eigenen Tanzabend in der Urania; im September den Zyklus Biblische Tänze in den Jüdischen Künstlerspielen, der im Jänner 1930 nochmals gegeben wurde. Auch einige Schülerinnen ihrer Tanzgruppe verzeichneten Ende der 1920er, Anfang der 1930er Jahre erste Erfolge, z.B. Trude Godwyn mit einem Tanzabend in Würzburg (Der Tag, 8.1.1930, 7). 1930 nahm Kraus auch am internationalen Tanzkongress in München teil, bei dem internat. ProtagonistInnen des modernen Tanzes vertreten waren, darunter Laban und Mary Wigman und führte dabei mit ihrer Tanzgruppe den Zyklus Ghettolieder nach der Musik von Joseph Achron auf. Im Zuge des GasWilnaer Truppelnaer Truppe in Wien (Okt. 1930) wurde sie für die Tanzregie eines Schalom Asch-Stückes verpflichtet (aufgeführt wurde jedoch Die verödete Schenke von Peretz Hirschbein; Der Tag, 29.10.1930,8), im November für das Lustspiel Weh dem der lügt! von F. Grillparzer. Im April bzw. Nov. 1930 gab sie zudem Tanzabende in Prag und leitete über Weihnachten Tanzseminare ebendort. Trotz dieser Anerkennungen kehrte Kraus 1931 immer wieder auch dorthin zurück, wo sie sich verankert fühlte: an die Volksbildungshäuser in Margareten und Ottakring, wo sRevuea. an der sozialen Revue Wach sein ist alles im Nov. 1931 mit Teilen ihrer Tanzgruppe mitwirkte, ferner an den Maifeiern sowie im jüdischen Kulturleben. Die Verbundenheit mit letzterem führte im Juni 1931 zu einer erfolgreichen Palästina- und Ägypten-Gasttournee. 1932 tanzte sie im Rahmen eines Gastspiels der Berliner jüd. Kleinkunstbühne ›Kaftan‹ in Wien jüdische Volkslieder, ferner die Urauff. einer Tanzsonate von Ernst Kanitz, wirkte im Rahmen der Volksbildungs-Angebote mit und gab dabei im Oktober einen grF. Rosenfeldzabend, den F. Rosenfeld in der AZ ausführlich würdigte. Im März 1933 kam ihr Tanzdrama Die Stadt wartet (nach Vorlage von M. Gorki, vertont von Marcel Rubin) im Zuge eines von mehreren TanzabendG. Geert auch einen mit G. Geert, im Volksbildungshaus zur Uraufführung; am 1. Juni folgte noch der (obligate) Tanzabend im Burggarten; ab Sept. 1933 sind nur mehr zwei weiteren Auftritte, darunter eine Tanzmatinee in der Urania am 25.2.1934 sowie die Mitwirkung im Rahmen des Winterhilfe-Programms des Kabaretts ABC am 19.11.1934 vor ihrer Emigration nach Palästina, wo sie 1935 in Tel Aviv eintraf, belegt. Zwar berichtet das NWJ noch 1936 von einem Gesprächsabend mit Kraus über Das junge Palästina (NWJ, 7.8.1936), doch wird dieser in keiner der anderen jüd. Zeitungen (z.B. Die Stimme) erwähnt. Sie gründete dort die Modern Dance Company der Volksoper in Tel Aviv und wurde zu einer Pionierin der Tanzkunst im neugegründeten Staat Israel, und 1962 erste Leiterin der Tanzabteilung der Jerusalem Academy of Music and Dance.


Weitere Werke/Choreografien

Des Dichters Traum, Musik: Erster Satz aus F. Schuberts (unvollend.) Symphonie in h-Moll (1940); Shulamit (1948).

Quellen und Dokumente

M.E[rmers]: Tanzabend Gertrud Kraus. In: Der Tag, 19.3.1924, S. 6; A. Sandt über Tanzabend G. Kraus. In: Wiener Morgenzeitung, 20.3.1924, S. 6; Mitwirkung G. Kraus an ‚künstlerischer‘ Maifeier der KPÖ. In: Rote Fahne,1.5.1924, S. 3; Programmankündigung, Künstlerspiele Café Capua. In: Die Stunde, 5.11.1924, S. 8; Bodenwieser-Vertretung (mit Foto). In: Der Tag 25.3.1925, S. 3; G. Kraus‘ im Moulin Rouge (mit Foto). In: Neues 8-Uhr Blatt, 13.4.1925, S. 8; M. E.: Zwei Tänzerinnen. In: Der Tag, 9.3.1926, S. 8; pp[isk]: Bericht über MA-Mitwirkung. In: AZ, 2.6.1926, S. 9; G. Müller: Das Tanzheim am Wörthersee. In: Die Bühne, H. 92/1926, S. 35-36; Programmankündigung: Das revolutionäre Kabarett. In: Rote Fahne, 4.12.1926, S. 6; M.E.: Tanzabende inden Volksbildungshäusern. In: Der Tag, 21.1.1927, S. 7; R. Götz: Tanz. (Über Kraus u.a.) In: Der Tag, 17.4. 1927, S. 19-20; M.E.: Zwei Tanzabende (Über Kraus und Tordis). In: Der Tag, 18.1.1928, S. 5; Tanzabend mit ihrer Tanzgruppe in der Urania (mit Foto). In: Das interessante Blatt, 13.6.1929, S. 18; Revolutionsfeier. In: AZ, 13.7.1929, S. 4; Mitwirkung an Veranstaltungen zum Frauentag. In: AZ, 8.4.1930, S, 4; Mitwirkung an S. Asch‘-Stück der Wilnaer Truppe. In: Der Tag, 28.9.1930, S. 19; R.E.: Eine Tänzerin: G. Kraus (Porträt mit Fotos). In: Der Kuckuck, 3.5.1931, S.14; G. Kraus in Palästina. In: Der Tag, 20.6.1931, S. 9; F. R[osenfeld] über: Wach sein ist alles. In: AZ, 3.11.1931, S. 6; Tanzssonate v. E. Kanitz. In: AZ, 7.4.1932, S. 9; F. Rosenfeld: Das tanzende Wien. In: Salzburger Wacht, 6.8.1932, S. 10; Gastspiel Kaftan. In: AZ, 30.3.1932, S. 6; F. Rosenfeld über Tanzabend G. K. im Volksbildungshaus. In: AZ, 23.10.1932, S. 10; F.R. über Tanzdrama Die Stadt wartet. In: AZ, 10.3.1933, S. 10; Ankündigung Urania-Vortrag. In: NWJ, 7.8.1936, S. 10.

Literatur

Giora Manor: Gertrud Kraus. In: Jewish Women‘s Archive, online verfügbar unter: https://jwa.org/encyclopedia/article/kraus-gertrud; Andrea Amort: Die ganze Welt im Wanken. Die künstlerische und politische Wende im Modernen Tanz in Wien. In: A. Amort (Hg.in): Alles tanzt. Kosmos Wiener Tanzmoderne. Berlin 2019;  Anita Pollak: Brodelnder Tanz am Rande des Abgrunds (2019); online verfügbar: https://www.wina-magazin.at/brodelnder-tanz-am-rande-des-abgrunds/

(PHK)