geb. als Sándor Lászlo Kellner am 16.9.1893 in Pusztatúrpászto, Ungarn – gest. am 23.1.1956 in London; Filmregisseur, Produzent
K. wurde in eine jüd. Familie geboren; sein Vater war Aufseher auf
einem gräflichen Gut. Nach dessen Tod übersiedelte K. 1909 nach
Budapest, von wo er seine Fam. durch journalist. Arbeiten unterstützte
u. ab 1912 auch Filmscripts verfasste. Bereits 1914 drehte er seinen
ersten Film, 1917 gründete er die Produktionsfirma Corvin und
wirkte an versch. ungar. Filmmagazinen mit. Nach dem Ende des Ersten
Weltkriegs wurde K. zum Beauftragten für Filmangelegenheiten in der Reg.
Károly ernannt, eine Funktion, die er auch in der nachfolgenden
Räteregierung unter Bela Kungeb. am 20.2.1886 in Szilágycseh (dt.: Böhmischdorf, ehem. Transylvan. Siebenbürgen) als Béla Kohn - gest. am 29.8.1... weiter ausübte. 1919 noch emigrierte K.
nach kurzer Inhaftierung im Zuge des Sturzes der Räteregierung nach Wien
und fand dort bei der Sascha-Film1910 von Alexander Joseph „Sascha“ Graf Kolowrat-Krakowsky in Pfraumberg/Přimda (heute Tschechien) gegründet, entw... von Sascha Kolowrat Krakowsky ein
neues Betätigungsfeld. Es folgten die Filme Prinz und Bettelknabe nach der Vorlage von Mark Twain (1920), aufwändige Monumentalfilme wie Samson und Delila (1922), durch die auch seine Ehefrau Maria Korda ihre Schauspielkarriere begründete, oder Komödien wie z.B. die an G.B. Shaw angelehnte Jedermanns Weib
(1924), letztere bereits in der eigenen Produktionsfirma Alexander
Korda-Film Ges.m.b.H, die er 1923 von Berlin aus, wohin er übersiedelt
war, gegründet hatte. 1924 kehrte er wieder nach Wien zurück u. drehte
dort u.a. Tragödie im Hause Habsburg über den Mayerling-Fall
nach einer Vorlage des damals erfolgreichen Novellisten u.
Drehbuchautors Lajos Bíró (1880-1948). Finanzielle Turbulenzen bewogen
ihn, im Dez. 1926 ein Angebot der US-Firma First National Pictures (1929 in Warner Broth. aufgegangen) anzunehmen u. nach Hollywood zu gehen. Dort erzielte er mit The Stolen Bridge und Her Private Life (1927) beachtliche Erfolge, näherte sich dem Tonfilm an, u.a. mit The Jazz-Singer (1927) und v.a. The Squall
(1929). 1930 wurde die Ehe geschieden, Maria erhielt aufgrund ihres
starken Akzents keine Filmangebote mehr, u. K. wechselte zu Fox Film Corp., für die er Women Everywhere u. The Princess and the Plumber (1930) realisierte, bevor er sich von Fox trennte, nach London ging u. dort seine eig. Produktionsfirma London Films gründete. Mit The Private Life of Henry VIII (1933), The Rise of Catherine The Great (Drehbuch Paul Czinnergeb. am 30.5.1890 in Budapest - gest. am 22.6.1972 in London; (Drehbuch-)Autor, Filmregisseur, Kritiker Nach dem St..., 1934) Rembrandt (1936) oder Four Feathers
(1939) schrieb K. britische Filmgeschichte mit, letzterer wurde durch
seinen Bruder Zoltan Korda, inzwischen auch in London, produziert. Trotz
großer Erfolge schlitterte K. aufgrund aufwändiger Lebenshaltung u.
gewagter Spekulationen, etwa im Zuge des Erwerbs der Denham Film Studios
wiederholt in finanzielle Schieflagen. 1940-43 hielt sich K. wieder in
Hollywood auf, drehte u. produzierte dort den Historienfilm The Hamilton Lady (1940) sowie, gem. mit Zoltan K., The Jungle Book (1942), bevor er 1943 als Produktionschef für MGM mit einem großzügigen 10-Jahresvertrag wieder nach London zurückkehrte. Dort erwarb er nach Kriegsende Anteile an der British Lion Film, mit der er u.a. Anna Karenina (1948), The Angel with the Trumpet (nach der Romanvorlage von Ernst Lothargeb. am 25.10.1890 in Brünn (Brno) als Lothar Ernst Müller – gest. am 30.10.1974 in Wien; Schriftsteller, Kritiker, ..., 1948) u. v.a. den epochalen Agentenfilm The Third Man
(1949) realisierte. In den 1950er Jahren arbeitete K. noch an
zahlreichen Projekten, von denen aber viele unvollendet blieben bzw.
einige von Emeric Pressburger (1902-1988) wie z.B. The Sand Barrier (1952) übernommen wurden.
Karol Kulik: The Man Who Could Work Miracles. (1975, 2. Aufl. New York 1990); Charles Drazin: Korda. Britain’s Movie Mogul (N.Y. 2002, 2. Aufl. 2011). Eintrag zu A. K. bei encyclopedia.com.
http://litkult1920er.aau.at/wp-content/uploads/2018/06/body.png00http://litkult1920er.aau.at/wp-content/uploads/2018/06/body.png2018-09-07 15:07:032018-09-08 12:22:22Korda, Alexander
geb. am 23.2.1892 in Wien – gest. am 9.6.1941 im KZ Auschwitz; Journalist, Politiker (KPÖ)
F. K. wurde in einer jüdischen Wiener
Bürgerfamilie geboren, sein Großvater war Mitbegründer der Länderbank.
Bereits ab 1909 in der Arbeiterbewegung als Funktionär im Verband Jugendlicher Arbeiter (VJA) in Ottakring aktiv, stand K. rasch in Opposition zur SDAP-Führung.
1911 traf er in Wien den späteren Bolschewiken Nikolai Bucharin. Nach
1914 war K. Teil des geheimen Aktionskomitees der „Linksradikalen“, die
anders als die SDAP-Führung den Krieg entschieden ablehnten, und gehörte mit Max Adlergeb. am 15.1.1873 in Wien - gest. am 28.6.1937 in Wien; Soziologe, Philosoph, sozialdemokratischer Politiker, austromarx..., Robert Danneberg und Therese Schlesingergeb. am 6.6.1863 in Wien - gest. am 5.6.1940 in Blois (Frankreich); Publizistin, Politikerin, Feministin S. (geb. E... dem Verein Karl Marx
um Friedrich Adlergeb. am 9.7.1879 in Wien – gest. am 2.1.1960 in Zürich; Politiker, Journalist Nach seinem Studium der Mathematik... an. K. publizierte Anfang 1916 im Vorboten, der
Zeitschrift der Zimmerwalder Linken um Karl Radek, Grigori Sinowjew und
Lenin, den er in der Schweiz zwei Mal traf und der ihn nach Adlers
Attentat brieflich kontaktierte. Nach dem Ausschluss des Aktionskomitees
aus dem VJA führten die Gründung des
Arbeiter- und Soldatenrats um K. und Leo Rothziegelgeb. am 5.12.1892 in Wien – gest. am 22.4.1919 in Debrecen/Ungarn; kommunistischer Revolutionär L. R. wurde in eine... und der Jännerstreik
1918 endgültig zur Spaltung der Linken. Wegen revolutionären
Bestrebungen wurde K. bis Ende Oktober 1918 inhaftiert. Nachdem es mit
Anna Strömer nicht gelungen war, Adler für die Spitze einer neuen Partei
zu gewinnen, lehnte K. die Gründung der KPDÖ im November 1918 als übereilt ab, trat ihr aber Anfang Dezember bei, wurde mit Paul Friedländer Chefredakteur Parteiorgans Der Weckruf und später mit Karl Tomann bis Oktober 1919 Herausgeber der Nachfolgeblätter Die soziale Revolution bzw. Die Rote FahneDas Zeitschriftenmodul von Martin Erian finden Sie hier. Bereits im Mai 1918 erschien als Der Weckruf ein Organ der komm....
Im Februar 1919 in den Parteivorstand gewählt, unterstützte K. 1919
Bela Kuns umstrittenen Emissär in Österreich, Ernst Bettelheim. 1921
nahm K. am dritten Weltkongress der Kommunistischen Internationale teil
und wurde von Willi Münzenberg in einer Rede neben Rosa Luxemburg, Karl
Liebknecht und Clara Zetkin in eine Reihe von Vorkämpfern gegen den
imperialistischen Krieg gestellt. K. wurde wie Josef Frey Mitglied des
Exekutivkomitees der Kommunistischen Internationale (bis 1923) und
übersetzte mit Naida Surowzowa Werke Lenins.
Vor allem nach 1922 war K. als Repräsentant des linken Flügels in
zahlreiche ideologisch oder auch persönlich motivierte Fraktionskämpfe
mit variierenden Bündnissen verstrickt. Mit Tomann 1923 kurzzeitig
Vorsitzender, schied er Ende des Jahres auf Weisung der Komintern aus
dem Vorstand aus, ehe er vom Zentralkomitee 1926 von allen Ämtern
enthoben wurde. K. blieb als Korrespondent und Gewerkschafter aktiv,
1929 übersiedelte er nach Moskau in die Rote Gewerkschaftsinternationale
um Aleksandr Losowsky. 1934/35 Umzug nach Charkow und später Kiew, wo
er in der Hauptverwaltung für Literatur des Volkskommissariats für
Volksbildung beschäftigt war. Als Opfer des „Großen Terror“ Stalins 1936
wegen antisowjetischer Agitation inhaftiert, wurde K. nach
erfolgreicher Berufung im Oktober 1940 des Landes verwiesen, den
deutschen Behörden übergeben und am 9. Juni 1941 im KZ Auschwitz ermordet. 1955 erfolgte am 20. Parteitag der KPdSU K.s Rehabilitierung.
Quellen und Dokumente
Opportunistische und radikale Tendenzen in der Sozialdemokratie Österreichs. In: Vorbote. Internationale Marxistische Rundschau, Januar 1916, S. 58-64, Der Jännerstreik und seine Vorgeschichte. In: Die WageEine Wiener Wochenschrift. (1898-1925), Begr. u. Hg. von Rudolf Lothar (1898-1902, urspr. R. Spitzer), ferner von Ernst ..., 23. Jänner 1920, o. S., Der Tag des Verrates. In: Die Rote Fahne, 20.1.1922, S. 1f., Lenin und Oesterreich. In: Die Rote Fahne, 21. Jänner 1925, S. 4, Zur Geschichte der Kommunistischen Partei Oesterreichs. In: Die Rote Fahne, 4.11.1928, S. 5, Maifeiern in der Kriegszeit in Oesterreich. In: Die Rote Fahne, 1.5.1929, S. 8.
Literatur
Hans Hautmann: Die Anfänge der linksradikalen Bewegung
und der Kommunistischen Partei Deutschösterreichs 1916-1919. Wien:
Europa-Verlag 1970 (= Veröffentlichungen der Arbeitsgemeinschaft für
Geschichte der Arbeiterbewegung in Österreich, Bd. 7), Barry McLoughlin,
Hannes Leidinger, Verena Moritz: Kommunismus in Österreich 1918-1938.
Innsbruck [u.a.]: Studienverlag 2009, Hans Schafranek: Franz
Koritschoner (1892–1941). In: Jahrbuch für Historische
Kommunismusforschung [3] 1995, S. 239-261, Herbert Steiner: Franz
Koritschoner. In: Gerhard Botz et al. (Hg.): Bewegung und Klasse.
Studien zur österreichischen Arbeitergeschichte. Wien [u.a.]:
Europa-Verlag 1978, S. 159-174, Emily Rosdolsky: Franz Koritschonergeb. am 23.2.1892 in Wien - gest. am 9.6.1941 im KZ Auschwitz; Journalist, Politiker (KPÖ) F. K. wurde in einer jüdisc.... In:
Memorial Österreich (Hg.): Österreichische Stalin-Opfer. Wien: Junius
1990, S. 69-78.
http://litkult1920er.aau.at/wp-content/uploads/2018/06/body.png00litkultadminhttp://litkult1920er.aau.at/wp-content/uploads/2018/06/body.pnglitkultadmin2015-08-07 15:08:232018-11-05 18:22:09Koritschoner, Franz
geb. 29.5.1897 in Brünn (heute Brno, Tschech. Republik), gest. 29.11.1957 in Hollywood (USA); Komponist, Pianist, Dirigent, Arrangeur
Gemeinsam mit seiner Familie übersiedelte K. 1901 nach Wien, wohin
der Vater Julius Korngold (1860–1945) als Musikreferent in die
Feuilletonredaktion der Neuen Freien Presse berufen wurde.
Bereits 1904 versuchte sich K. an ersten Kompositionen und erhielt dann
auch im Alter von neun Jahren Unterricht in Kontrapunkt und
Harmonielehre. 1907-10 unterwies das mit Mozart verglichene musikalische
„Wunderkind“ auf Empfehlung G. Mahlers hin Alexander v. Zemlinksky in
Musiktheorie, Komposition u. Klavierspiel. 1910 gelangte erstmals ein
Werk K.s, das Ballett Der Schneemann, zur Aufführung: Nicht nur
die Urheberschaft der Komposition (eingedenk des Alters des
Tonsetzers), sondern auch die vermutete Einflussnahme des zum
maßgebenden Wr. Musikkritiker avancierten Vaters auf Hofopern-Direktor
Felix v. Weingartner wurden öffentlich diskutiert (vgl. Rachold). 1911
debütierte K. als Pianist (Berlin), 1917 als Dirigent (Wien). 1917/18
Militärdienst bei der Kapelle des k.k. Landwehrinfanterieregiments. Nach
dem Erfolg der bereits 1916 komponierten u. 1920 zugleich in Köln
(unter Otto Klemperer) u. Hamburg uraufgeführten Oper Die tote Stadt 1921
u.a. kurze Kapellmeistertätigkeit am Hamburger Stadttheater. 1924
Verehelichung mit der Sängerin, Schauspielerin, Pianistin u.
Schriftstellerin Luise „Luzi“ v. Sonnenthal (1900–1962; zwei gemeinsame
Kinder: Ernst Werner (1925–1996) u. Georg Wolfgang (1928–1987)
Korngold). 1927 wurde der im Jahr 1926 mit dem Kunstpreis der Stadt Wien
ausgezeichnete K. zum Professor (Prof. h.c.) an der Wiener
Musik-Akademie ernannt, an der er ab 1931 auch eine Opernklasse leitete.
In das Jahr 1927 datiert zudem die u.a. mit Lotte Lehmann u. Jan
Kiepura als Premierenstars bestrittene Uraufführung von Das Wunder der Heliane:
Gemessen an der Toten Stadt, die mit insg. 55 Inszenierungen bis 1933
unter den meist aufgeführten Stücken der Zwischenkriegszeit rangiert,
war K.s viertes Musiktheaterwerk ein eher mäßiger Erfolg. Dafür
reüssierte K. als Bearbeiter und Arrangeur von Operetten, eine
Tätigkeit, die er auch im Streben um finanzielle Unabhängigkeit bereits
1923 (Bearbeitungen von Strauß-Operetten im Auftrag Richard Taubers v.
Theater a.d. Wien) aufgenommen hatte, die jedoch seiner Reputation als
„seriöser“ Komponist wenig zuträglich sein sollte (vgl. Stollberg 2003):
1929 arbeitete K. erstmals mit Max Reinhardtgeb. am 9.9.1873 in Baden/Niederösterreich – gest. am 30.10.1943 in New York (bis 1904 Namensschreibung: Max Goldmann... für eine Inszenierung der
Strauß-Operette Die Fledermaus am Dt. Theater Berlin zusammen. Diese Fledermaus sowie die Bearbeitung der Offenbach‘schen Die schöne Helena wurden von diversen europ. Bühnen übernommen, im Exil dann u.d.T. Rosalinda (1942) bzw. Helen Goes To Troy (1944)
erneut von K. u. Reinhardt an New Yorker Bühnen herausgebracht. Z.Zt.
der Machtübernahme der Nazis arbeitete K. an der Oper Die Kathrin (1930-37),
und das entgegen der Warnungen seines Musikverlags Schott, darin die
dt.-franz. Versöhnung zu thematisieren; tatsächlich sollte das Werk erst
1939 in Stockholm zur Uraufführung gelangen. Noch während der Arbeit an
Kathrin hatte K. ein – nach Wegfall des (reichs-)dt.
Musikmarktes für den jüd. Komponisten zudem attraktives – Angebot von
Warner Brothers aus Hollywood erreicht: die Schauspielmusik v. Felix
Mendelssohn Bartholdy für Reinhardts Verfilmung v. Shakespeares A Midsummer Night’s Dream zu bearbeiten. Nach seinem ersten Aufenthalt in den USA
1934 pendelte K. für Filmproduktionen zwischen Wien und Kalifornien,
das nach dem „Anschluss“ Österreichs 1938, den er samt Familie schon in
Hollywood erlebte, zu seinem Exilort wurde. „Im sogenannten
‚Klein-Weimar‘ in Los Angeles war er […] bei Alma Mahler und Franz
Werfel, bei Thomas Mann und Wilhelm Dieterle ein gern gesehener Gast“
(Rachold), und als Komponist für die Filmgesellschaft Warner Bros.
Compagny überaus erfolgreich. Bereits die Filmmusiken zu Anthony Adverse (1936) und The Adventures of Robin Hood (1938)
waren mit dem „Oscar“ der Motion Picture Academy ausgezeichnet worden.
Neben diesem „Brotberuf“ blieb K. aber bis zum Ende des Zweiten
Weltkriegs kompositorisch verstummt. Zwischen 1946-57 hielt K., nach
Aberkennung der dt. (bis zum „Anschluss“ österr.) Staatsangehörigkeit
(inkl. Beschlagnahmung seines Eigentums seitens der Gestapo Wien 1941)
seit 1943 US-amerik. Staatsbürger, sich immer
wieder in Europa auf. „In seiner österreichischen Heimat musste er
allerdings erleben, dass er nicht mehr erwünscht war“, wovon u.a. die
„Schwierigkeiten“ bei der Restitution des konfiszierten Eigentums zeugen
(Rachold). 1957 erlag K. in Hollywood den Folgen einer Herzattacke.
Mit den nach 1945 entstandenen Opera (Symphonische Serenade für Streichorchester, Symphonie in Fis u.a.) blieb K. klangräumliche Präsenz auf den europ. Bühnen u. in den Konzertsälen verwehrt. Mit seinem scheinbar in den musikalischen Traditionen aufgehobenem Spätwerk wandte er sich einer in den 1950er Jahren als überkommen diffamierten Ton- und Formenwelt zu: K. galt als (zu) „konservativer Moderner“ (Vorzellner) – einmal mehr, denn ein Rückfall hinter die je neuesten musikalischen Entwicklungen war K. (spätestens) mit der während des Zeitopern-Booms der späten 1920er Jahre aufgeführten Mysterienoper Das Wunder der Heliane immer wieder angelastet worden (vgl. Stollberg 2003). Einer zw. Spätromantik u. Neuer Musik der 1920er Jahre vermittelnden „Übergangsgeneration“ (Pfannkuchen) zugehörig, war K. mit seinen Kompositionen von ästhet., stilist. Umwälzungen in der ersten Hälfte d. 20. Jh.s scheinbar unberührt geblieben: „Korngold composed in a late-Romantic idiom at a time when the world was gazing into the countenance of near annihilation. In the opinion of more sober colleagues, the Zeitgeist called for the abandonment of the comfort zone of tonality.“ (Haas o.D.) Den Erfolg der Toten Stadt im „Opernschaltjahr“ 1920, in dem auch F. Schrekers Der Schatzgräber zur Uraufführung gelangte, erklärt J.M. Fischer als Symptom der „Spätblüte“ einer durch den Ersten Weltkrieg „künstlich verlängert[en]“, indes überkommenen Musiktheaterepoche: Als lit. Vorlage diente K. mit dem Roman Das tote Brügge des Flamen Georges Rodenbach ein „Grundbuch der europäischen Dekadenz mit den entscheidenden Motiven des Fin de siècle“ (wie der „Aufhäufung der Vergänglichkeitsmotive“ etc.). Nach der unmittelbaren Nachkriegszeit, einer „Phase der absoluten Desorientierung“, sollte sich die (auch) musikal., szen. Orientierung an der Welt des Fin de siècle Mitte der 1920er dann aber sowohl für [no-lexicon]Schreker[/no-lexicon] als auch für den weitaus jüngeren K. als verhängnisvoll erweisen: Ihre Opern galten nunmehr als „nostalgisch-rückwärtsgewandt“ (Fischer, S. 250-255), was im Falle K.s etwa dessen produktive Auseinandersetzung mit dem neuen Medium Film bereits in Das Wunder der Heliane übersehen ließ (ebd. bzw. Haas o.D.). Und obgleich sich Die tote Stadt auf die Formel „Puccini seen through a lens of fin de siècle Vienna” bringen lässt, scheint das Werk „equally impossible to imagine […] without the shimmering harmonic curtains produced by Schreker, Zemlinsky, Strauss and indeed, Schoenberg” (Haas 2015), und somit von Vertretern der Avantgarde, die in dem Vater K.s einen ihrer erbittertsten Gegner gefunden hatten. Das Image (d.h. die musikkritischen Grabenkämpfe) des übermächtigen Kritiker-Vaters (Giger, S. 546 bzw. 557) und der K.s Karriere von Beginn an begleitende Vorwurf, der Vater nutze seinen Einfluss zugunsten des komponierenden Sohnes, haben die wechselvolle Rezeptionsgeschichte von K.s Oeuvre mitbestimmt. Tatsächlich war das Verhältnis der beiden spannungsgeladen: So missfielen J. Korngold z.B. K.s Ambitionen in Sachen Operetten- und Filmmusik (vgl. Stollberg 2007; Haas 2015). Mit letztgenanntem Betätigungsfeld nahm K. aber eine musikhistorische Vorreiterrolle ein: „Jene uns Nachgeborenen durchaus sinnvoll erscheinende Parallele zwischen Oper und Film ist nicht zuletzt auf Korngolds Wirken zurückzuführen. Bevor er in Hollywood tätig wurde, war die Filmmusik meist improvisiert oder collageartig zusammengestellt.“ (Vorzellner) Sein Mitwirken an rd. 20 Filmen in den Jahren 1934-46 hat K. den Ruf eines „father of the Hollywood Sound“ eingetragen; „he was the composer who made film music serious music“ (Haas 2015).
Werke (Auswahl)
Bühnenwerke: Der Schneemann. Ballettpantomime für Klavier (UA
Hofoper Wien, 1910) – Der Ring des Polykrates. Heitere Oper in einem
Akt op. 7. Text: Julius Korngold/Leo Feld (d.i. Leo Hirschfeld) nach
Heinrich Teweles (UA Hofoper München, 1916) – Violanta. Oper in einem Akt op. 8. Text: Hans Müller (UA Hofoper München, 1916) – Die tote Stadt. Oper in drei Akten. Text: Paul Schott, d.i. Julius Korngold u. E.W.K., frei nach George Rodenbach (UA
Stadttheater Hamburg u. Stadttheater Köln, 1920) – Das Wunder der
Heliane. Oper in drei Akten op. 20. Text: Hans Müller nach Hans
Kaltneker (UA Stadttheater Hamburg, 1927) – Die Kathrin. Oper in drei Akten op. 28. Text: Ernst Decsey (UA
Königliche Oper Stockholm, 1939) – Die stumme Serenade. Komödie mit
Musik in einer szenischen Ouvertüre und zwei Akten op. 36. Text: Raoul
Auernheimer, Victor Clement, Rudolph Lothar, William Okie, Bert Reisfeld
(UA konzertant Wien, 1951; szenisch Dortmund, 1954)
Bearbeitungen fremder Werke, u.a. von Joh. Strauß Sohn: Eine Nacht in
Venedig (1923), Cagliostro in Wien (1927), Die Fledermaus (1929; engl.
Rosalinda, 1942). Singspiele nach Werken v. Joh. Strauß Sohn: Walzer aus
Wien (1930; engl. The Great Waltz, 1949), Das Lied der Liebe (1931)
Filmmusik: A Midsummer Night’s Dream. Regie: W. Dieterle/M. Reinhardt (USA 1935) – A Dream Comes True (1935) – Rose of Rancho (1935) – Captain Blood. Regie: Michael Curtiz, d.i. Mihály Kertész (USA 1935) – Give Us This Night. Regie: Alexander Hall. (USA 36) – Anthony Adverse. Regie: Mervyn LeRoy (USA 1936) – Hearts Divided. Regie: Frank Borzage. Musik: Al Dubin, Harry Warren, Bernhard Kaun, E.W.K., Heinz Roemheld (USA 1936) – The Green Pastures. Regie: Marc Conelly/William Keighley (USA 1936) – The Prince and the Pauper. Regie: William Keighley (USA 1937) – Another Dawn. Regie: Wilhelm Dieterle (USA 1937) – The Adventures of Robin Hood. Regie: Michael Curtiz/William Keighley (USA 1938) – Juarez. Regie: Wilhelm Dieterle (USA 1939) – The Private Lives of Elizabeth and Essex. Regie: Michael Curtiz (USA 1939) – The Sea Hawk. Regie: Michael Curtiz (USA 1940) – The Sea Wolf. Regie: Michael Curtiz. Musik: Joseph E. Howard/E.W.K. (USA 1941) – Kings Row. Regie: Sam Wood (USA 1942) – The Constant Nymph. Regie: Edmund Goulding (USA 1942) – Devotion. Regie: Curtis Bernhardt (d.i. Kurt Bernhardt) (USA 1943) – Between Two Worlds. Regie: Edward A. Blatt (USA 1944) – Of Human Bondage. Regie: Edmund Goulding (USA 1945) – Escape Me Never. Regie: Peter Godfrey. (USA 1946) – Deception. Regie: Irving Rapper (USA 1946) – Magic Fire. Regie: Wilhelm Dieterle/Rudolf Hartmann (USA 1955)
Quellen
Jens Malte Fischer: Richard Wagnergeb. am 10.10.1888 in Troppau/Opava - gest. vermutlich 1941 auf der Insel Rab/Jugoslawien; Bildungs- und Gewerkschaftsfu... und seine Wirkung. Wien: Paul Zsolnay 2013. – Andreas Giger: A Matter of Principle: The Consequences for Korngold’s Career. In: The Journal of Musicology 16 (1998), Nr. 4, S. 545-564. – Michael Haas: The False Myths and True Genius of Erich Wolfgang Korngold 1. Online auf: A BLOG BY FORBIDDEN MUSIC AUTHOR MICHAEL HAAS (Stand: Dez. 2015). – Ders.: Why Korngold? [o.D.] Online auf: INTERNATIONAL ERICH W. KORNGOLD SOCIETY (Stand: Dez. 2015). – Holloway: The Beautiful and the Banned. What is decadence in music? And when is it simply degenerate? Robin Holloway explores operas by Korngold and Krenek. In: The Musical Times 134 (1993), Nr. 1805, S. 402-405. – N.N.: Korngold, Erich Wolfganggeb. 29.5.1897 in Brünn (heute Brno, Tschech. Republik), gest. 29.11.1957 in Hollywood (USA); Komponist, Pianist, Dirig... [Biogramm], online unter: http://austria-forum.org (Stand: Dez. 2015). – Wilhelm Pfannkuch: Korngold, Erich Wolfgang. In: Neue Deutsche Biographie 12 (1979), S. 592-593 [Onlinefassung] (Stand: Dez. 2015). – Bernd O. Rachold: Korngold, Erich Wolfgang [2007, aktualisiert am 11.11.2014], online unter: http://www.lexm.uni-hamburg.de (Stand: Dez. 2015). – Arne Stollberg: Korngold, Erich Wolfgang. In: Ludwig Finscher (Hg.): Die Musik in Geschichte und Gegenwart. Allgemeine Enzyklopädie der Musik, begründet von Friedrich Blume. Zweite, neubearbeitete Ausgabe. 26 Bde. in zwei Teilen. Personenteil 10: Kem-Ler. Kassel, Stuttgart u.a.: Bärenreiter/Metzler 2003, Sp. 539-544. – Ders.: Erich Wolfgang Korngold und der „Musikkrieg“ des 20. Jahrhunderts. Im Pulverdampf. In: Österreichische Musikzeitspecial 7/2007 [Onlinefassung]. – Markus Vorzellner: Ein konservativer Moderner. In: Wiener Zeitung (24.11.2007) [Onlinefassung].
Auf der Homepage des Erich Wolfgang Korngold-Zentrum Brünn finden sich detaillierte Angaben zu Literatur über K.s Leben und Werk, zeitgenössischen Korrespondenzdokumenten, Kritiken, Studien, Artikeln und Fotografien sowie eine K.-Diskografie. Der Webauftritt der International Erich Wolfgang Korngold Society unter der Leitung von Gerold Gruber (Wien) bietet u.a. ein vollständiges Werkverzeichnis und eine umfassende Fotogalerie. Der Blog von M. Haas enthält ein eigenes K.-Panel (Text samt Bild- und Audiodateien), eine laut Urheber “virtual exhibition”, basierend auf der Ausstellung Die Korngolds (Jüdisches Museum Wien, 28.11.2007-18.5.2008).
http://litkult1920er.aau.at/wp-content/uploads/2018/06/body.png00http://litkult1920er.aau.at/wp-content/uploads/2018/06/body.png2018-09-07 15:10:572018-09-08 12:22:14Korngold, Erich Wolfgang
Geb. 12.5.1892 in Wien, gest. 22.7.1970 in München. Schauspieler, Film- und Theaterregisseur, Drehbuchautor, Exilant.
Kortner begann um 1910 mit seiner schauspielerischen Laufbahn unter Max Reinhardtgeb. am 9.9.1873 in Baden/Niederösterreich – gest. am 30.10.1943 in New York (bis 1904 Namensschreibung: Max Goldmann... in Wien und Berlin und erlebte seinen Durchbruch in Tollers expressionistischem Drama Die Wandlung unter der Regie von Karlheinz Martinauch Karl Heinz Martin, geb. am 6.5.1886 in Freiburg/Br. - gest. am 13.1.1948 in Berlin; Schauspieler, Theater- und Film... am Berliner Theater Die Tribüne. Daraufhin verpflichtete ihn L. Jessner ans Schauspielhaus, wo er unter seiner Regie in eigenwilligen Klassiker-Interpretationen seinen eigenen Stil entwickelte und Triumphe feierte, so z.B. in der Rolle des Richard III. oder insbesondere des Shylock in Shakespeare-Aufführungen oder des Geßner u.a. Rollen in Schiller-Dramen. Seit 1915 spielte Kortner zugleich verschiedenste Rollen in zahlreichen Stumm-, später auch Tonfilmen unter den wichtigsten Filmregisseuren der Weimarer Republik (C. Froehlich, K. Grune, L. Jessner, W.G.Papst, R. Wiene u.a.).
Matthias Brand: Fritz Kortner in der Weimarer Republik. Annäherungsversuche an die Entwicklung eines jüdischen Schauspielers in Deutschland. Rheinfelden 1981; Ivan Nagel: Kortner, Zadek, Stein. München 1989; Peter Schütze: Fritz Kortner. Reinbek bei Hamburg 1994; Klaus Völker: Fritz Kortner: Jude und Rebell gegen das privilegierte Konventionelle. Stiftung Neue Synagoge Berlin 2007, Evelyn Adunka: Meine jüdischen Autobiographien. Wien 2021, 135-138.
(in preparation)
http://litkult1920er.aau.at/wp-content/uploads/2018/06/body.png00Primus-Heinz Kucherhttp://litkult1920er.aau.at/wp-content/uploads/2018/06/body.pngPrimus-Heinz Kucher2021-12-26 13:12:212022-03-25 19:02:55Kortner, Fritz (eigentl. Fritz Nathan Kohn)
geb. am 1.10.1852 in Eleonorenhain (Böhmerwald) – gest. am 4.2.1934 in Wien; Schriftsteller, Historiker, Publizist, Philosoph
Nach seinem 1876 abgeschlossenen Jurastudium in Wien bewogen die
Eindrücke eines Studienaufenthaltes in Bonn, bei dem er bedeutende
Gelehrte, wie Mommsen, Lepsius und Grimm kennenlernte, sowie eine
Italienreise 1877/78 K. dazu, die Laufbahn eines freien Schriftstellers
und Privatgelehrten einzuschlagen, wozu ein gut dotiertes Legat seines
Vaters die materiellen Voraussetzungen schuf. Mit Ausnahme einer
längeren Griechenlandreise war K. fortan in Wien ansässig, wo er sich ab
den 1880er Jahren intensiv mit der Konzeption eines
„christlich-germanischen Kulturideals“ auseinandersetzte. Neben Antike,
Klassik und Romantik bildeten germanische Folklore und das Christentum
katholischer Prägung die Gravitationspunkte seines dichterischen
Schaffens. 1906 gründete er die katholische Schriftstellervereinigung Gralbund, deren Zeitschrift Der Gral bis 1937 erschien. Diese Gründung, die sich innerkatholisch gegen den prominenten, reformorientierten Hochland-Kreis
positionierte, ist im Kontext des kathol. Literaturstreits zwischen
Carl Muth (Hochland) und stärker Rom-orientierten konservativen
Vertretern angesiedelt zu sehen.
K.s produktivste Schaffensphase fiel mit der Zeit zusammen, als der
Katholizismus nach einer Phase der Defensive in der Ära des polit.
Liberalismus (in Ö bis 1879) einen Aufschwung nahm, der sich in
Österreich vor allem in der Gründung der Leo-Gesellschaft1892 gegründeter, nach Papst Leo XIII. benannter Verein, dessen Zweck und Ziel die Förderung von Wissenschaft und Kuns... 1892 und der Christlichsozialen Partei 1893 sowie konservativ-klerikaler Regierungen niederschlug. Zu K.s bekanntesten Werken zählen sein Deutsches Götter- und Heldenbuch (6 Bände, 1900-04), die Heimaterzählungen (1909 f.), sowie die Allgemeinen Geschichte der Neuesten Zeit von 1815 bis zur Gegenwart (6 Bände, 1915–23), wobei die kompilatorische Arbeitsweise, die sich bereits in den Titeln andeutet, kennzeichnend ist.
In den weltanschaulich bewegten Jahren, die den politisch-sozialen Umwälzungen des ersten Weltkriegs folgten, galt K. als Wortführer des kulturpolitischen und literarischen Katholizismus in Österreich. Er publizierte in allen maßgeblichen Organen wie z.B. in der Reichspost, im Neuen Reich und in der Schöneren Zukunft sowie im Kunstgarten. In seinen zwischen 1920 und 1933 rund 700 Mal abgehaltenen Dienstagsvorträgen propagierte er seine auf konservativem Katholizismus beruhende antiliberale Weltanschauung, die sich von der Ästhetik moderner und avantgardistischer Bewegungen seit der Jahrhundertwende deutlich abgrenzte. Aus dieser Grundeinstellung ist auch sein Engagement für die Wiederbelebung von frühneuzeitlichen Moralitäts- und Mysterienspielen im Allgemeinen und Hans Sachs´ und Calderons Fastnachts- und Weihespielen im Besonderen zu verstehen. K.s. Texte, meist Nachbearbeitungen der Vorlagen, zählten ab 1924 jedenfalls zu den meistgespielten auf der Christlich-Deutschen Volksbühne1906 nach dem Vorbild der 1890 gegr. Berliner Volksbühne, die unter der Leitung von Otto Brahm u. Bruno Wille maßgebli...; in das Wiener Theaterprogramm fanden sie jedoch keinen Eingang. Symptomatisch für sein Literatur- und Kulturverständnis ist eine programmatische, offen einbekannte Ablehnung der Moderne, des Fortschritts und der urbanen Kultur; diese kam in seinen Kulturpolitischen Glossen in der Schöneren Zukunft, z.B. zu Kultur und Barbarei, sowie in seiner Tätigkeit im Verband katholischer Schriftsteller und Schriftstellerinnen Österreichs deutlich zum Ausdruck.
Werke (Auswahl)
Das deutsche Götter- und Heldenbuch, (6 Bde 1900-03); Kulturstudien (4 Bde 1900-07); Hausbrot. Märchen und Sagen, Ritter- und Räuber-, Hexen- und Wildschützen-Geschichten (2 Bde 1907/08); Die katholische Literaturbewegung der Gegenwart (1909); Österreichische Geschichte 1914; Die Weltliteratur im Lichte der Weltkirche (1918); Die neue Staatenordnung im organischen Aufbau (1918);Allgemeine Geschichte der neuesten Zeit von 1815 bis zur Gegenwart (6 Bde) 1915-23); Tage und Werke (Autobiographie 1922); Karl Lueger und der christliche Sozialismus (1923); Meine Stellung zum Karl May-Problem (Essay 1921) (Online verfügbar)
Quellen und Dokumente
Literatur und Politik. In: Das Neue Reich, Nr.27/1920, 541-542,
Kulturpolitische Exkurse: Autor und Publikum. In: Schönere Zukunft; Nr.
7, 1925, 169-170.
K. Kraus: Kralikstag. In: Die Fackel, H. 604-607 (1922),
108-122; J. Hieronymus: Der vaterländische Dichter als Denker. Richard
v. Kralik als soziologisches Problem. In: Der KampfGegründet im Okt. 1907, Wien bis H. 12/1933; ab H. 1/1934 vereinigt mit der Zs. Tribüne bis Mai 1938, Brünn/Brno; dan..., Juni 1925, 211-217;
E. Handel-Mazzetti: Zum Verständnis Richards von Kralik. In: Schönere
Zukunft, 7.3.1926, 557-558; R. Henz: Richard Kralik. Zum 75. Geburtstag
am 1. Oktober 1927. In: Kunstgarten, Nr. 9/1927, 321-323; W. Pirkl:
Weltgeschichte als Weltanschauung. Zur Rolle der katholischen
Geschichtsschreibung am Beispiel Richard v. Kraliks. In: M. Heitger
(Hg.): Verantwortung. Wissenschaft. Forschung (1981), 164-155; B.
Doppler: „Ich habe diesen Krieg immer sozusagen als meinen Krieg
angesehen“. Der katholische Kulturkritiker Richard von Kralikgeb. am 1.10.1852 in Eleonorenhain (Böhmerwald) - gest. am 4.2.1934 in Wien; Schriftsteller, Historiker, Publizist,&nbs...
(1852-1934). In: K. Amann, H. Lengauer (Hgg.): Österreich und der große
Krieg 1914-1918. Die andere Seite der Geschichte (1989), 95-104; J.
Beniston: Welttheater: Hofmannsthal, Richard von Kralik and the Revival
of Catholic Drama in Austria 1890-1934 (1998); R. S. Geehr: The Aesthetics of Horror: The Life and Thought of Richard von Kralik (2003).
Mikoletzky, Nikolaus, “Kralik, Richard” in: Neue Deutsche Biographie 12 (1979), S. 663-666 [Onlinefassung]
(MA)
http://litkult1920er.aau.at/wp-content/uploads/2018/06/body.png00litkultadminhttp://litkult1920er.aau.at/wp-content/uploads/2018/06/body.pnglitkultadmin2018-09-07 15:13:272019-07-20 10:29:36Kralik, Richard
geb. am 1.1.1897 in Niederhollabrunn – gest. am 3.4.1958 in Wien; Lyriker
Der Sohn eines aus Mähren stammenden jüd. Landarztes besuchte in
Stockerau das Realgymnasium, übersiedelte 1908 nach Wien, wo sein Bruder
Richard lebte, u. begann um 1910 zu schreiben. Mit 16 Jahren trat K.
der vom späteren Psychoanalytiker Siegfried Bernfeldgeb. am 7.5.1892 in Lemberg (heute L’viv, Galizien/Ukraine) – gest. am 2.4.1953 in Los Angeles; Reformpädagoge, Psy... geleiteten Wiener
Sektion der „Freideutschen Jugend“ bei, die sich als Protestbewegung
verstand und über ihre „Sprechsaal“-Gruppen Fragen der Schulreform, der
Sexualität sowie der Autoritäts- und Generationsthematik diskutierte. In
ihrer polizeilich überwachten Monatsschrift Der Anfang. Zeitschrift der Jugend versuchte
K. seine ab dem 13. Lebensjahr entstandenen Gedichte unterzubringen,
die jedoch von Bernfeld nicht publiziert, wohl aber in sein Archiv
aufgenommen wurden.
Nach
abgelegter Matura an der k.k. Staats-Realschule im 2. Bezirk und
absolvierter Exportakademie wurde K. im Juli 1915 einberufen. Eine
schwere Verletzung an der wolhynischen Front 1916 führte, nach einigen
Monaten am Isonzo (1917-18), zu einer Beurlaubung K.‘s im April 1918.
Nach Kriegsende inskribierte er an der Univ. Wien, hörte germanist. u.
histor. Vorlesungen, u.a. bei Walther Brecht, Alfons Dopsch und Ludo
Hartmann, wechselte dann auf die jurist. Fakultät, wo er bei Hans
Kelsen u. Othmar Spann 1919-21 Vorlesungen belegte, bevor er das Studium
aufgab. Danach suchte K. im Buchhandel Anstellungen zu erlangen, was
erst um 1925 zu stabileren, ihn nicht sonderlich befriedigenden
Vertretertätigkeiten führte. 1926 erschien in der Zs. Die BühneGegründet 1924 durch den umstrittenen Zeitungsunternehmer Emmerich Bekessy, erschien die Zs. ab 6.11.1924 als Wochenzei... sein erstes Gedicht Anderes Licht;
die Bekanntschaft mit Leo Perutzgeb. am 2.11.1882 in Prag – gest. am 25.8.1957 in Bad Ischl; Schriftsteller Als Sohn einer jüdischen Textilfabri... und Joseph Kalmer half ihm, den Weg in
die literar. Öffentlichkeit zu finden. Unter Mitwirkung von Perutz ging
K.‘s erster Gedichtbd. Die Gaunerzinke (1929; Rütten &
Loening) aus einem Preisausschreiben des S. Fischer-Verlags im Jahr
1927 hervor, der ihn auch in Deutschland bekannt machte. Zugleich wurde
ihm, geteilt mit Heinrich Suso Waldeck, der Lyrik-Preis der Stadt Wien
für 1928 zugesprochen, für den sich vermutl. Ernst Lothargeb. am 25.10.1890 in Brünn (Brno) als Lothar Ernst Müller – gest. am 30.10.1974 in Wien; Schriftsteller, Kritiker, ... ausgesprochen
hatte. 1929 folgte der Preis der Julius Reich-Stiftung und K.-Ged.
erschienen fortan regelmäßig in der AZGegr. 1889, verboten 1934, illegal 1934-1938, 1938 verboten, neugegr. 1945, eingestellt 1991 Aus: Arbeiter-Zeitung, 12.... und zahlreichen anderen Ztg. wie Der AbendTageszeitung, begründet im Juni 1915 durch Carl Colbert, die aufgrund zensurmäßiger Eingriffe und ihrer tendenziell l..., Berliner Tageblatt, Das Tage-Buch oder die Vossische Zeitung. Seine die Alltagsmühen herausstreichenden Kriegsgedichte Wir lagen in Wohlhynien im Morast (1931) führten zu teils heftigen Reaktionen sowie scharfer Ablehnung durch die nationale und NS-Presse.
Die Kriegsverletzungen u. sein allgem. labiler Zustand mündeten 1931 in
eine erste längere Erkrankung, die bald chronische Züge annehmen
sollte. Seit der Gaunerzinke werden die Stimmen von
Randexistenzen, von Außenseitern – „für die, die ohne Stimme sind“–,
eingebettet in Landschaften der Peripherie, deutlich sichtbar. Stets
begleitet von einem unverwechselbaren „Drehorgelklang“ und dem
besonderen Kolorit der Provinz, die trotz mancher themat. Berührung mit
der zeitgenöss. Heimat-Literatur sich ideologisch wie ästhetisch klar
von ihr abhebt, lässt K., „die schlanke Feder wie ein Beil“ geführt, die
Zeit durch sprachliche Präzision in greifbaren Bildern der Wirklichkeit
auferstehen, deren Nüchternheit, aber auch Sinnlichkeit und Sympathie
mit Außenseitern schon Zeitgenossen wie Hilde Spiel, Bruno Kreisky,
Ernst Lissauer oder Otto Koeniggeb. am 12.5.1881 in Wien – gest. am 15.9.1955 in Klosterneuburg; Redakteur, Kritiker, Volksbildner K. studierte Germ... beeindruckte. In der fehlenden
belehrenden Moral glaubte Josef Luitpold Sternals Schriftsteller häufig als Josef Luitpold, geb. am 16.4.1886 in Wien - gest. am 13.9.1966 in Wien; Schriftsteller, F... eine Schwäche K.s
erkennen zu können, der ebenso wie Fritz Brügelgeb. am 13.2.1897 in Wien - gest. am 4.7.1955 in London; Schriftsteller, Bibliothekar, Historiker, Volksbildner Ps.: Du..., Hermynia zur Mühlen, Rudolf Brunngrabergeb. am 20.9.1901 in Wien – gest. am 5.4.1960 in Wien; Schriftsteller, Maler, Grafiker Ps.: Sverker Brunngraber (..., seit 1933 Mitglied der Vereinigung sozialistischer Schriftsteller war.
Mit großen Fragen des Lebens im Blick auf das Kleine u. an den Leser
gewandt, spricht K., der seit 1927 Mitglied der Sozialdemokratischen
Partei war, aus der Mitte jener, denen er sich zugehörig fühlte, geprägt
durch seine Kindheit am Rande einer Dorfgemeinschaft und einer
besonderen Sensibilität für landschaftliche und soziale Begegnungsräume.
Unterstützung erhielt K., der 1931 seine Arbeit im Buchhandel aufgab,
u.a. durch den 1934 gegründete Theodor-Kramer-Verein, für dessen
Mitglieder er in privaten Lesungen, u.a. an der Volkshochschule
Ottakring, zuweilen auch politische Gedichte vortrug – neben Th. Mann,
Franz Werfeleigentlich Franz Viktor Werfel, geb. am 10.9.1890 in Prag – gest. 26.8.1945 in Beverly Hills, USA; Schriftsteller... oder Stefan Zweiggeb. am 28.11.1881 in Wien – gest. am 23.2.1942 in Petrópolis, Rio de Janeiro, Brasilien; Schriftsteller, Übersetzer... waren es jene Freunde wie Kurt Blaukopf,
Fritz Hochwälder, Johann Muschik, Erika Mitterer, P.v. Preradovic oder
Ernst Waldingergeb. am 16.10.1896 in Wien – gest. am 1.2.1970 in New York; Schriftsteller (Lyriker), Essayist, Exilant Aus: Tagblatt..., durch deren Einsatz K. 1939 die Flucht nach England zu
seiner bereits im Exil lebenden Frau Inge Halberstam gelang. Kurz nach
der drei Jahre später erfolgten Trennung von ihr tritt er 1943 eine
Stelle als Bibliothekar im County Technical College in Guildford an,
vermittelt durch Eleanor Farjeon, deren Bekanntschaft er neben Erich
Fried, Robert Neumanngeb. am 22.5.1897 in Wien – gest. am 3.1.1975 in München; Schriftsteller, Journalist, Kritiker, Exilant, Remigrant N... und Hilde Spiel gemacht hatte. Nach Lesungen in
Sendungen der BBC und einigen Publikationen im Aufbau oder der Austro-American Tribune erschien 1943 der Gedichtband Verbannt aus Österreich/Wien 1938. 1946 folgten die Bände Die untere Schenke und Die grünen Kader) – darin auch das kontrovers aufgenommene, an Josef Weinheber gerichtete Requiem für einen Faschisten.
Unter K.s zahlreichen Korrespondenzen findet sich neben H. Spiel, H.
Zohn, M. Guttenbrunner, u.a. auch E. Chvojka, den er kurz vor seinem
Tod, nach Rückkehr in die fremdgewordene Heimat 1957, als Verwalter
seines Werkes einsetzte.
Weitere Werke (Auswahl)
Kalendarium (1930), Mit der Zieharmonika (1936), Wien 1938 (1938),
Verbannt aus Österreich (1943), Die untere Schenke (1946), Lob der
Verzweiflung (1947), Vom schwarzen Wein, Auswahl (1956), Lob der
Verzweiflung (1972, entstanden 1944/45)
Siglinde Bolbecher/Konstantin Kaiser: Lexikon der österr. Exilliteratur (1999), Erwin Chvojka: u.a. Kramer, Mitterer, Guttenbrunner – Ein Rückblick. In: Der literarische Zaunkönig 2 (2005). (Online verfügbar); Vorwort. In: Gesammelte Gedichte 1 (1984). (Online verfügbar), Erwin Chvojka/Konstantin Kaiser: Vielleicht hab ich es leicht, weil schwer, gehabt. Th.K. 1897-1958. Eine Lebenschronik (1997), Konstantin Kaiser: Vorlesung Th.K. (Online verfügbar), Kurt Klinger: Lebenslängliche Isolation: Theodor Kramer. In: Hilde Spiel: Kindlers Literaturgeschichte der Gegenwart – Die zeitgenössische Literatur Österreichs (1980), P.-H. Kucher: Kramer, Theodorgeb. am 1.1.1897 in Niederhollabrunn - gest. am 3.4.1958 in Wien; Lyriker Der Sohn eines aus Mähren stammenden jü.... In: Metzler Lexikon der deutsch-jüdischen Literatur (2000); Ders.: Drehorgelblues, Peripherie. Gestrandete und ein wenig Liebe. In: Ide (2004), Johann Muschik: In einer alten Mappe blätternd. Erinnerungen an Th.K. In: Ver sacrum (1970), Daniela Strigl: u.a. „Wo niemand zuhaus ist, dort bin ich zuhaus“ – Th.K.: Heimatdichter und Sozialdemokrat zwischen den Fronten (=Literatur in der Geschichte, Geschichte in der Literatur; 25, 1993), Friedemann Spicker: Deutsche Wanderer-, Vagabunden und Vagantenlyrik in den Jahren 1910-1933 (1976). (Online verfügbar), Zs „Zwischenwelt“ (vormals „Mit der Zieharmonika“), hg. von Theodor Kramer Gesellschaft, darin u.a.: Silvia Schlenstedt: „So gibt es eine Anzahl ganz kleiner Chancen.“ Material zu Th.K. in den dreißiger Jahren (=Zwischenwelt 4, 1995), Daniela Strigl: Peripherie – Provinz – Politik. Phänomene des Nichtmehr und Nochnicht bei Th. Kramer (=Zwischenwelt 3, 1992), Diess.: Die Würze des Lorbeers. Theodor Kramer 2022. In: Literatur und Kritik, H. 569/570, 31-35, Anna Krommer: Th. K. in Guildford. Aus dem unveröffentlichten autobiographischen Text „Refugium“ (=Zwischenwelt 1, 1990); Vom Nicht-Beigeben. Theodor Kramer 1897-1958. Einführung in Leben und Werk. Mit Beiträgen von S. Bolbecher, E. Chvojka, A. Emanuely, K.-M. Gauß, R. Klüger u.a.. (= Th. Kramer Gesellschaft, 2018)
(SK)
http://litkult1920er.aau.at/wp-content/uploads/2018/06/body.png00Primus-Heinz Kucherhttp://litkult1920er.aau.at/wp-content/uploads/2018/06/body.pngPrimus-Heinz Kucher2018-09-07 15:16:502024-03-10 13:24:48Kramer, Theodor
Hebr.: גרטרוד קראוס, geb. am 5.5.1901 in Wien – gest. am 23.11.1973 in Tel Aviv; Choreographin, Tänzerin
Kraus wuchs in Wien in einer aus Böhmen zugewanderten jüdischen Familie auf und wandte sich früh der Musik zu. Sie erhielt die Möglichkeit, an der Akademie für Musik und darstellende Kunst Klavier zu studieren. Als Pianistin begleitete sie Stummfilme und den Tanzunterricht von Ellinor Tordiseigentlich Ellinor Wachsmuth, geb. 1895 in Dresden - gest. 3.4. 1973 in Wien; Tänzerin, Tanzpädagogin. Tordis stammte ...; durch Tordis hat sie das expressive Potenzial des Tanzens erkannt und schätzen gelernt. Nach ihrem Musikabschluss (1922) absolvierte Kraus zwei Jahre Modernen Tanz bei Gertrud Bodenwieser und arbeitete auch als Tänzerin in deren Tanzensemble, um sich dann aber selbständig zu machen. 1924 begann Gertrud KrausHebr.: גרטרוד קראוס, geb. am 5.5.1901 in Wien - gest. am 23.11.1973 in Tel Aviv; Choreographin, Tänzerin Aus... zu choreographieren und zeigte bereits am 16. März 1924 erste Solokreationen mit einem deutlichen Russland-Bezug (Rachmaninow z.B.), welche sowohl in der Roten Fahne wie im Der Tag durch M. E[rmers] wortident als vielversprechende eingeschätzt wurden und den öffentlich aufmerksamen, auch kontrovers wahrgenommenen Beginn (nicht erst 1925 wie vielfach behauptet) ihrer Tanzkarriere markiert. Mit diesem Programm wirkte sie auch an den 1. Maifeiern der Wiener KPÖ im 2. Bezirk mit, was auch Rückschlüsse auf ihre politische Interessenslage erlaubt, die zunächst dort und in den darauffolgenden Jahren in der Sozialdemokratie ihre Verankerung fand. Im Nov. dess. Jahres trat sie dann mit „eigenen Tanzschöpfungen“ in den ›Künstlerspielen Café Capua‹ auf, im April 1925 schließlich, wieder mit russischen Tänzen, im Moulin Rouge, um im Oktober 1925 wieder ins Capua zurückzukehren. Bereits im März 1925 durfte sie Bodenwieser an der Akademie kurzzeitig vertreten und deren Tanzunterricht leiten. Im Mai 1925 trat sie erstmals außerhalb Wiens, und zwar in Prag, gem. mit G. Delt im Rahmen einer Tanzsoiree auf, angekündigt als eine der „hervorragenden Künstlerinnen“ in ihrem Metier (PTBl. 14.5.1925). Auch im ›Tag‹ wurde Kraus schon im März 1926 als eine der wichtigsten jüngeren Tänzerinnen im Zuge einer mehrstündigen Vorführung im Konzerthaus, die das Publikum „faszinierte“, ausführlich gewürdigt. An allem interessiert, was in Wien künstlerisch wie (gesellschafts)politisch von Belang war, wirkte sie andererseits an Schauplätzen mit, die ihr Verdienstmöglichkeiten offerierten. Beteiligte sie sich z.B. an aktivistischen MA-Abenden in der Schwarzwaldschule (Der Tag, 7.5.1926,8), u.a. auch zu Musik von D. Milhaud u. B. BartAZGegr. 1889, verboten 1934, illegal 1934-1938, 1938 verboten, neugegr. 1945, eingestellt 1991 Aus: Arbeiter-Zeitung, 12.... tanzend (AZ, 2.6.1926, 9), so gab sie in den Sommern 1926-1928 zudem Kurse für rhythmische Gymnastik in der Villa Auguste am WDer MorgenDer Morgen war ein von Carl Colbert und Maximilian Schreier 1910 gegründetes liberales Montagsblatt. Zunächst in Erg... (Der Morgen, 30.8.1926, 4) und trat darüber hinaus auch im Kursalon (Stadtpark) mit einer eigenen Tanzgruppe auf, die 1927 in die Eröffnung eines Tanzstudios in der Mariahilfer Straße einmünden wird. Zuvor wirkte sie zudem sowohl an den sozialdemokrat. Republikfeiern im Nov. 1926 mit als auch, im Dez. 1926, am ›Revolutionären Kabarett‹ der KPÖ sowie an den Chanukka-Feiern des Jüd. Realgymnasiums (Wr. Morgenzeitung, 9.12.1926,4) und einem Konzertabend des jüdischen Arbeitervereins Hechaluz (u.a. an der Seite von Mirjam Hoeflich-Schnabel). Man kann daraus ablesen, dass Kraus schon ab 1926 zionistischen Ideen und dabei zugleich politisch linksorientierten Vereinigungen nahestand. Tanz und Volksbildung, so M. E[rmers] im Tag, gehörten auch zu den aktuellen Interessen der zeitgenössischen Massen, einschließlich der Arbeiterschaft und Getrud Kraus wird von ihm als Pionierin in dieser Richtung im Jänner 1927 vorgestellt. Es überrascht daher nicht, sie ab 1927 wiederholt in Programmen an den Volkshochschulen in Margareten und Ottakring zu finden, aber als Begleitung zu Veranstaltungen der ›Jüdischen Künstlerspiele‹ im Theater Reklame (NFP, 7.6.1928,14), wo sie mit ihrer Gruppe ihren Zyklus Jüdische Tänze zur Aufführung brachte bzw. auf der Rolandbühne (1928, Der Tag, 27.10.1928, 8). In einer weiteren Würdigung durch R. Götz werden ihr u.a. stupende Technik, Musikalität u. bildhafte Phantasie attestiert, die ihre Tänze in den Rang künstlerischer Einmaligkeit heben würden, sichtbar an Kreationen wie z.B. Der seltsame Gast, Knabe aus dem Ghetto, an ihren „Triebtänzen“ wie z.B. Wodka u.a.m.
Sie choreografierte im Stil des expressionistischen, auch grotesk-komischen oder Freien Tanzes und etablierte sich ab 1926-27 als eine der führenden Ausdruckstänzerinnen Wiens, wobei sie wiederholt mit der damals bekannteren E. Tordis verglichen wurde, die zu jener Zeit ebf. auch in Volksbildungseinrichtungen tätig war. Am 1. Mai 1928 tanzte sie ferner zur Aufführung von Unser Glaube von Schalom Asch in den Jüdischen Künstlerspielen (Der Tag, 29.4.1928, 8), womit sie ihre Affinität zur Literatur und zum jüd. Theater deutlich machte. 1929 war sie als Assistentin von R. v. Laban für die Tanzchoreografie des Festzuges des Gewerbes im Rahmen der Wiener Festwochen ebenso verantwortlich wie kurz darauf an der durch Sprechchöre und Massenspiel getragenen, von Felix Kanitz verfassten Revolutionsfeier, einer „großen neuartigen Symphonie“ im Konzerthaus mitwirkend tätig. Im Rahmen der Festwochen gab sie im Juni auch noch einen eigenen Tanzabend in der Urania; im September den Zyklus Biblische Tänze in den Jüdischen Künstlerspielen, der im Jänner 1930 nochmals gegeben wurde. Auch einige Schülerinnen ihrer Tanzgruppe verzeichneten Ende der 1920er, Anfang der 1930er Jahre erste Erfolge, z.B. Trude Godwyn mit einem Tanzabend in Würzburg (Der Tag, 8.1.1930, 7). 1930 nahm Kraus auch am internationalen Tanzkongress in München teil, bei dem internat. ProtagonistInnen des modernen Tanzes vertreten waren, darunter Laban und Mary Wigman und führte dabei mit ihrer Tanzgruppe den Zyklus Ghettolieder nach der Musik von Joseph Achron auf. Im Zuge des GasWilnaer Truppe(jiddisch ווילנער טרופע Vilner trupe) Dieses Ensemble aus jiddischen Schauspielerinnen und Schauspielern ent...lnaer Truppe in Wien (Okt. 1930) wurde sie für die Tanzregie eines Schalom Asch-Stückes verpflichtet (aufgeführt wurde jedoch Die verödete Schenke von Peretz Hirschbein; Der Tag, 29.10.1930,8), im November für das Lustspiel Weh dem der lügt! von F. Grillparzer. Im April bzw. Nov. 1930 gab sie zudem Tanzabende in Prag und leitete über Weihnachten Tanzseminare ebendort. Trotz dieser Anerkennungen kehrte Kraus 1931 immer wieder auch dorthin zurück, wo sie sich verankert fühlte: an die Volksbildungshäuser in Margareten und Ottakring, wo sRevuesiehe: Ausstattungs-Revue bzw. Politisches Kabaretta. an der sozialen Revue Wach sein ist alles im Nov. 1931 mit Teilen ihrer Tanzgruppe mitwirkte, ferner an den Maifeiern sowie im jüdischen Kulturleben. Die Verbundenheit mit letzterem führte im Juni 1931 zu einer erfolgreichen Palästina- und Ägypten-Gasttournee. 1932 tanzte sie im Rahmen eines Gastspiels der Berliner jüd. Kleinkunstbühne ›Kaftan‹ in Wien jüdische Volkslieder, ferner die Urauff. einer Tanzsonate von Ernst Kanitz, wirkte im Rahmen der Volksbildungs-Angebote mit und gab dabei im Oktober einen grF. Rosenfeldgeb. am 5.12.1902 in Wien – gest. am 27.12.1987 in Sussex (GB); Journalist, Film- und Literaturkritiker Ps.: Frie...zabend, den F. Rosenfeld in der AZ ausführlich würdigte. Im März 1933 kam ihr Tanzdrama Die Stadt wartet (nach Vorlage von M. Gorki, vertont von Marcel Rubin) im Zuge eines von mehreren TanzabendG. Geertgeb. am 7.6.1900 in Wien – gest. am 2.4.1991 in Madrid; Tänzerin, Choreographin, Schauspielerin und Fernsehmoderator... auch einen mit G. Geert, im Volksbildungshaus zur Uraufführung; am 1. Juni folgte noch der (obligate) Tanzabend im Burggarten; ab Sept. 1933 sind nur mehr zwei weiteren Auftritte, darunter eine Tanzmatinee in der Urania am 25.2.1934 sowie die Mitwirkung im Rahmen des Winterhilfe-Programms des Kabaretts ABC am 19.11.1934 vor ihrer Emigration nach Palästina, wo sie 1935 in Tel Aviv eintraf, belegt. Zwar berichtet das NWJ noch 1936 von einem Gesprächsabend mit Kraus über Das junge Palästina (NWJ, 7.8.1936), doch wird dieser in keiner der anderen jüd. Zeitungen (z.B. Die Stimme) erwähnt. Sie gründete dort die Modern Dance Company der Volksoper in Tel Aviv und wurde zu einer Pionierin der Tanzkunst im neugegründeten Staat Israel, und 1962 erste Leiterin der Tanzabteilung der Jerusalem Academy of Music and Dance.
Weitere Werke/Choreografien
Des Dichters Traum, Musik: Erster Satz aus F. Schuberts (unvollend.) Symphonie in h-Moll (1940); Shulamit (1948).