geb. am 6.4.1902 in Wels (Oberösterreich) – gest. am 22.1.1977 in München; Maler, Bühnenbildner, Filmausstatter und Filmarchitekt

Materialien und Quellen:

Eintrag auf der Plohberger-Homepage von Kunsthandel Widder (mit Werkbeispielen); Eintrag bei filmportal.de.

Ingrid Radauer-Helm, Gabriele Spindler (Hgg.): Herbert Ploberger. Leben und Werk. Weitra: Bibl. d. Provinz 2019; I. Radauer-Helm: Herbert Ploberger. In: Karin Althaus u. a. (Hgg.): Kunst und Leben. 1918 bis 1955. München-Berlin: Deutscher Kunstverlag 2022.

(PHK, in Vorbereitung)

bis 1938 auch Pollak, geb. am 4.8.1886 in Jitschin (heute Jičin, Tschechien) – gest. am 21.9.1947 in London; Literaturkritiker, Essayist, Literaturagent

Der Sohn eines zweisprachigen jüdischen Edelstein-Kaufmanns und einer deutschsprach. Mutter wuchs zunächst in Jitschin auf, wo er die Volksschule und ein Jahr Gymnasium besucht. Danach kam er nach Prag ans k.k. Stephansgymn. , wechselte aber nach der Unterstufe in die Handelsschule, die er 1903 abschloss. 1906 trat P. als Fremdsprachenkorrespondent in die Prager Filiale der Österr. Länderbank ein. In Prag frequentierte er das berühmte Café Arco, wo er im Kreis von W. Haas die zeitgenöss. jungen Prager Schriftsteller M. Brod, die Brüder Janowitz, P. Kornfeld, F. Werfel sowie auch F. Kafka kennenlernte. Seine ersten Veröffentlichungen erschienen 1911-12 in den von Haas hg. (früh)express. ›Herder-Blätter‹. 1916 lernte er Milena Ješenska kennen; die beiden heirateten im März 1918 und übersiedelten, auf Druck von M.s. Vater, nach Wien. Dort arbeitete P. als Devisenhändler für die Länderbank u. verbrachte viel Zeit im Café Herrenhof, wo er sich mit F. Blei, H. Broch, M. Dubrović, G. Kaus, F. Torberg u.a. befreundete und mit „messerscharfer Rede den Dunst zerteilte (so A. Kuh). Nach zahlreichen Affären P.s aber auch Milenas (u.a. mit H. Broch) trennten sich Ende 1923 die Ehepartner, die Ehe selbst wurde 1924 geschieden, Milena kehrte nach Prag zurück. 1925 ließ sich P. pensionieren, holte die Matura 1928 nach u. begann an der Univ. Wien ein Studium der Philosophie. Dabei hörte er u.a. K. Bühler, R. Carnap u. vor allem M. Schlick, bei dem er 1932 mit einer Arbeit über bzw. gegen Husserls Phänomenologie promovierte (u. sich dabei u.a. auf L. Wittgenstein bezog), was ihn Bekanntschaften im Umfeld des Wiener Kreises eintrug. U.a. war er mit Schlicks Assistenten, dem Mathematiker u. Philosophen F. Waismann befreundet, den er später auch im engl. Exil treffen wird.

Zwischen 1927 u. 1931 veröff. er mehrere literaturkrit. Essays in der Zs. Die Literarische Welt, die sich neuen Schriftstellern zuwandten wie z.B. I. Cankar, A. Huxley, A. Gide, Lernet-Holenia oder I. Svevo. Ferner arbeitete P. insbes. mit Werfel u. Broch an einigen ihrer Werken lektorierend zusammen, z.B. an der Schlafwandler-Trilogie u. vermittelte Verlagskontakte. 1934 unterstützte P. die Grd. des Robert Musil Fonds; 1935 bis 1938 lebte er mit der ungar. Klavierlehrerin Ilona Voorm zusammen. Nach dem Anschluss vom März 1938 flüchtete P. nach Prag u. musste dieses im Zuge der drohenden Okkupationsgefahr auch bald verlassen. Ausgestattet mit einer Einladung des Londoner P.E.N. sowie dem Status eines Korrespondenten der tschech. Kulturzeitung Přitomnost gelang P. am 25.11. 1938 die Ausreise u. Ankunft in London. Dort traf er bald auf H. Spiel, die er vom Cafè Herrenhof her kannte, u. knüpfte bzw. griff seine Kontakte zu deutschsprach. Exilverlagen auf (Bermann Fischer, Allert de Lange, Humanitas), aber auch zu englischsprachigen. U.a. vermittelte er Romanmanuskripte von P. Frischauer u. F. Torberg sowie die Autobiographie von Alma Mahler Werfel weiter. Im Sept. 1940 wurde seine Wohnung durch einen dt. Bombenangriff vernichtet, zahlr. Manuskr. u. Briefe gingen, wie bereits im März 1938, verloren. Er übersiedelte daraufhin nach Oxford, nahm wieder Philosophiestudien bei Waismann auf u. heiratete 1944 Delphine Reynolds. Ende 1945 nahm Dubrović, vermutl. über Vermittlung von H. Spiel oder J. Kalmer, Kontakt mit Polak auf, der erfreut reagierte („sei ein zweiter Broch!“, Brief, 1.9.1946) u. sich ernsthaft mit Gedanken einer dann doch nicht zustande gekommenen Remigration befasste.


Quellen und Dokumente

Anton Kuh: „Central“ und „Herrenhof“. Winke für einen Kulturhistoriker. In: Neues Wiener Journal, 26.6.1927, S. 12.

Nachlass: Deutsches Literaturarchiv Marbach

Literatur

H. Binder: Ernst Polak – Literat ohne Werk. Zu den Kaffeehauszirkeln in Prag und Wien. In: F. Martini, W. Müller-Seidel, B. Zeller (Hgg.): Jahrbuch der Deutschen Schillergesellschaft. 23. 1979, 366-415; P.-H. Kucher: Zur Vielfalt und Spezifik Erster Briefe des österreichischen Exils. Kontaktaufnahmen von Exilanten (Angel, Bernfeld, Engel, Kramer, Polak, Zur Mühlen) zu literarischen Netzwerkern und Freunden (Basil, Dubrović, Fontana, Matejka). In: Ders. u.a. (Hgg.): Erste Briefe/First Letters aus dem Exil 1945-1950. München 2011, 32-62, hier 38-40; P.M. Lützeler: Hermann Broch. Eine Biographie. Frankfurt/M. 2011, 72.

Eintrag in ÖBL 1815-1950, Bd. 8 (Lfg. 37, 1980), S. 167.

(PHK)

Geb. 21.10.1886 in Wien, gest. 23.4.1964 in Pickering/Ontarion (CAN); Wirtschaftswissenschaftler, Soziologe, Kulturanthropologe, Wirtschaftsjournalist, Exilant

(in preparation)

eigentlich Alfred Polak, geb. am 17.10.1873 in Wien – gest. am 24.5.1955 in Zürich; Schriftsteller, Kritiker, Übersetzer

Ps.: Archibald Douglas, L. A. Terne

Das Porträtmodul von Evelyne Polt-Heinzl finden Sie hier.

„Wurde 1875 in Wien geboren. Mein Vater war Musiker. Ich habe vielerlei studiert und nichts gelernt. War Journalist, Parlamentsberichterstatter, Theaterkritiker. Übersiedelte 1927 nach Berlin und ging 1933 wieder nach Wien zurück. Besondere Kennzeichen meines Lebens: Keine.“ (KS I, S. 390, zunächst in Das Wort. Literarische Monatsschrift II (1937), H. 4/5, S. 180)

Wiederholt falsch datiert, wurde P. 1873 geboren als Sohn des dominanten Klaviermeisters Josef Polak, der wie der überlegene Bruder Carl Leopold (*1868) die Jugendjahre prägte. Nach schwachen Leistungen im Gymnasium wechselte P. in die Handelsschule, wo er den späteren Bankier und Verleger Richard Kola kennenlernte und ins Café Griensteidl in den Kreis um Peter Altenberg, dessen Nachlass P. 1925 herausgab, fand. 1895 trat P. in die Redaktion der Wiener Allgemeinen Zeitung (WAZ) um Felix Salten ein, publizierte aber auch u.a. für die Zs. Die Zukunft und Simplicissimus. Ab 1902 fungierte er als Burgtheaterreferent der Wiener Sonn- und Montagszeitung. Drei Jahre später wurde er, von Rudolf Lothar als „der jüngste Blender“ kritisiert, Mitarbeiter der von Siegfried Jacobsohn gegründeten Zs. Die Schaubühne/Die Weltbühne; bis zu ihrem Verbot 1933 publizierte er hier 742 Feuilletons und Kritiken. Erste Feuilletonsammlungen erscheinen zwischen 1908 und 1912 parallel zu den Arbeiten mit Egon Friedell („Polfried AG“) für das Cabaret Fledermaus, darunter der erfolgreiche Sketch Goethe und die umfassenderen Werke Soldatenleben im Frieden und Der Petroleumkönig oder Donauzauber. Für das Theater verfasste P. mit Armin Friedemann den 1910 in Hamburg-Altona uraufgeführten Einakter Talmas Tod, zeitgleich schuf er die populäre Adaption von Ferenc Molnárs Liliom. Als Bearbeiter des Nestroy-Stücks Kampl wirkte er bei der Eröffnung der Wiener Volksbühne unter den Direktoren Stefan Großmann und Arthur Rundt mit.

Im Ersten Weltkrieg gehörte P. u.a. mit Rudolf Hans Bartsch, Franz Theodor Csokor, Felix Salten und Stefan Zweig der „literarischen Gruppe“ des Kriegsarchivs an, ohne selbst im August 1914 der breiten Kriegseuphorie zu verfallen. So verbat die Zensur den Abdruck ausgewählter Texte in Wiener Blättern. Neben der Arbeit als Parlamentsberichterstatter für die WAZ und Die Schaubühne schrieb P. 1918 für die von Benno Karpeles Zs. Der Friede. 1919/20 übernahm er in Karpeles folgender Gründung Der neue Tag die Leitung der Feuilletonredaktion, für die u.a. Joseph Roth und Egon Erwin Kisch tätig waren, wofür er nach rund 25 Jahren die WAZ verließ. Ab 1920 publizierte er für Stefan Großmanns Tage-Buch, 1922 übernahm er bei Der Tag eine feste Stelle, veröffentlichte Feuilletons aber auch u.a. im Prager Tagblatt und Der Morgen. Zwischen 1921 und 1925 veröffentlichte P. mit Egon Friedell als „Böse Buben“ fünf Zeitungsparodien. Thematisch umfasste sein Repertoire in den Zwanzigerjahren neben Feuilletons und Kritiken auch Sozialreportagen und kleinere Erzählungen. Ab 1925 schrieb er verstärkt für das Berliner Tageblatt, veröffentlichte seine maßgeblichen Feuilletonsammlungen und intensivierte das Pendeln zwischen Wien und Berlin, wo er im Hotel Eden u.a. mit Leonhard Frank, Max Pallenberg, Fritzi Massary und Marlene Dietrich verkehrte. 1927 unterschrieb er im Wahlkampf um den Wiener Gemeinderat die Kundgebung des geistigen Wien für die Sozialdemokratie.

1923 arbeitete neuerlich für das Theater, u.a. als Bearbeiter von Karl Vollmoellers Turandot bei den Salzburger Festspielen 1923. Eine mit Kurt Tucholsky entwickelte Revue mit dem Titel Der Untergang des Abendlandes blieb ein in der Weltbühne abgedrucktes Fragment, 1931 schrieb er mit Franz Theodor Csokor die Farce Die Defraudanten nach Valentin Katajews gleichnamigen Roman. Ebenso bemühte sich P. um den Film. Mit Fritz Kortner verfasste er das Drehbuch für Der brave Sünder (1931) mit Pallenberg, dem er bereits 1921 eine Biographie gewidmet hatte, in der Hauptrolle. Ebenfalls beteiligte er sich am Drehbuch von Alexander Kordas Zum goldenen Anker (1931) sowie an den Verfilmungen von Stefan Zweigs Brennendes Geheimnis (1933) und Knut Hamsuns Victoria (1935).

Nach dem Reichstagsbrand kehrte P. nach Wien zurück, pendelte aber, finanziell immer öfter von Unterstützern abhängig, häufig nach Paris und Genf. Nach 1933 publizierte er u.a. für das Prager Tagblatt, die Berner Zs. Die Nation und Exil-Zs. wie Leopold Schwarzschilds Neues Tage-Buch. Nach dem „Anschluss“ nach Paris emigriert, setzte P. mit seiner Frau Elise Loewy nach Amerika über. Nach dem Scheitern in Hollywood fasste er vorrangig als Übersetzer in New York Fuß und publizierte für den Aufbau. Im Mai 1949 kehrte P. erstmals nach Europa zurück, fand diverse Anstellungen und wurde 1954 Berater des Theaters in der Josefstadt, wurde aber nicht mehr heimisch. P. starb 1955 im Zürcher Hotel Urban.


Weitere Werke (Auswahl)

Zu Lebzeiten: Kleine Zeit (1919), Gestern und heute (1922), Ja und nein (1926), Orchester von oben (1926), Ja und Nein. Schriften des Kritikers (Vier Bde., 1926/27), Ich bin Zeuge (1927), Bei dieser Gelegenheit (1930), In der Zwischenzeit (1935), Begegnungen im Zwielicht (1951), Im Lauf der Zeit (1954)

Posthum: Kleine Schriften. Sechs Bde. (1981-86), Marlene. Bild einer berühmten Zeitgenossin (2015)

Quellen und Dokumente

Hiob-Rekord. In: Prager Tagblatt, 19.5.1918, S. 3, Deutsches Volkstheater [Rez. zu Arthur Schnitzler: Professor Bernhardi]. In: Wiener Allgemeine Zeitung, 23.12.1918, S. 3, Geistiges Leben in Wien. In: Prager Tagblatt, 14.11.1920, S. 3, Lokalbericht. In: Prager Tagblatt, 29.5.1921, S. 3, Wien. In: Prager Tagblatt, 2.4.1922, S. 3, Jugend. In: Prager Tagblatt, 30.4.1922, S. 2, Herbstfrühling in Wien. In: Prager Tagblatt, 11.11.1923, S. 3, Tiere. In: Berliner Tageblatt, 1.7.1924 (Abendausgabe), S. 2, Kraus-Feier in Wien. In: Die Weltbühne, 20 (1924), H. 21, S. 699-701, Der andere Mensch. In: Prager Tagblatt, 17.5.1925, S. 4, Chocolate Kiddies. In: Der Morgen, 23.11.1925, S. 8, Zum Thema: Tonfilm. In: Die Weltbühne, 25 (1929), H. 31, S. 176-178, Literaturhistorisches zur Szene „Goethe“. In: Die Weltbühne 28 (1932), H. 18, S. 675-677, Zu Joseph Roths „Radetzkymarsch“. In: Die Weltbühne 28 (1932), H. 52, S. 941f., Bar-Besuch 1933. In: Prager Tagblatt, 28.5.1933, S. 3.

Nachruf auf Karl Kraus. Gesprochen von A. P. [YouTube]

Rudolf Lothar: Die Wiener Kritik. In: Kritik der Kritik. Bd. 1, S. 201-205 (1905), N.N.: Fasching in Wien. Ein Faschingsblatt von Polgar und Friedell. In: Prager Tagblatt, 12.2.1921, S. 2, Franz Blei: A. P. Heut und morgen. In: Das Tage-Buch III (1922), H. 23, S. 864, Moritz Heimann: Ueber A. P. In: Die Weltbühne XVIII (1922), H. 50, S. 615-618, Paul Hatvani: A. P.s Werk. In: Die Weltbühne XXII (1926), H. 33, S. 267, Stephan Ehrenzweig: Der Kritik A. P. In: Die Weltbühne XXIII (1927), H. 33, S. 260f.,

Literatur

Volker Bohns: Kritische Erzählungen. Zur Prosa A. P.s, unveröffentl. Diss. (1978), Hermann Dorowin: „Ein […] Makkabäer im Lande der Philister.“: A. P.s radikaler Zeitkommentar der Zwanzigerjahre. In: Primus-Heinz Kucher, Julia Bertschik (Hg.): „baustelle kultur“, S. 397-411 (2011), Roland Innerhofer: Die Polfried AG: Satirisches Kabarett von Egon Friedell und A. P. In: Wendelin Schmidt-Dengler (Hg.): Komik in der österreichischen Literatur, S. 179-188 (1996), Eva Philippoff: A. P. Ein moralischer Chronist seiner Zeit (1980), Evelyne Polt-Heinzl, Sigurd Paul Scheichl (Hg.): Der Untertreiber schlechthin. Studien zu A. P. (2007), Ulrich Weinzierl: Er war Zeuge. A. P. Ein Leben zwischen Publizistik und Literatur (1978), U. W.: A. P. Eine Biographie (1985/Neuauflage 2005).

Ulrich Weinzierl: P., A. In: Neue Deutsche Biographie (2001) [Onlinefassung], Eintrag im Österreichischen Kabarettarchiv, Eintrag bei literaturepochen.at, bei austria-forum.org, bei wien.gv.at.

(ME)

geb. am 15.1.1875 in Wien – gest. am 22.7.1951 in Wien; Schriftstellerin, Übersetzerin

Ps.: Bob, Beöl

1875 als Tochter der jüdischen Bankiers- und Kaufmannsfamilie Loeb geboren, wuchs Clara – den zweiten Vornamen Katharina nahm sie erst im jungen Erwachsenenalter an – mit zwei Brüdern und einer Schwester in einer großbürgerlichen und kunstsinnigen Familie auf. Sie erhielt Privatunterricht und widmete sich früh dem Schreiben: Bereits in der Kindheit entstanden erste Gedichte; mit neunzehn Jahren verfasste sie unter Verwendung des Pseudonyms „Bob“ Unterhaltungsliteratur, in deren Mittelpunkt zumeist die von ersten Flirts und amourösen Verstrickungen geprägten Schicksale junger Frauen und Männer standen. Entgegen dem Willen der Eltern veröffentlichte sie im Frühling 1897 in der renommierten Literaturzeitschrift Neue Deutsche Rundschau den mit einer Reihe erotischer Elemente durchsetzten Einakter Mimi. Schattenbilder aus einem Mädchenleben und sorgte damit für einen nicht unerheblichen Skandal. Den Prolog dazu hatte immerhin Hugo von Hofmannsthal verfasst, den sie – ebenso wie Arthur Schnitzler – drei Jahre zuvor im Rahmen einer Silvesterfeier in ihrem Elternhaus kennengelernt hatte. 

Auf Druck ihrer Familie, die der schriftstellerischen Laufbahn der Tochter ein Ende setzen wollte, heiratete Clara 1898 den aus Prag stammenden Lederhändler Otto Pollaczek. Aus dieser Ehe, die als unglücklich galt und die 1908 durch Ottos Selbstmord endete, gingen zwei Söhne hervor.

Ab den 1920er Jahren arbeitete Clara aufgrund ihrer prekären finanziellen Lage als Übersetzerin und Verfasserin von Zeitungsbeiträgen, widmete sich aber auch wieder ihrer literarischen Berufung. Sie schrieb Gedichte, Dramentexte, Novellen und zahlreiche Erzählungen und Fortsetzungsromane wie Mädchen für alles (1926), Das Kind der Liebe (1926), Mord (1927), Die Schönheit der Konstanze (1929) und Zwischen den Generationen (1933), die zum Großteil in der Neuen Freien Presse oder im Neuen Wiener Tagblatt publiziert wurden und die sich bei der Leserschaft großer Beliebtheit erfreuten. Sie galt als „Erzählerin von außerordentlicher Kenntnis des gesellschaftlichen Milieus, Schärfe der Beobachtung, Kraft der Schilderung, psychologischer Einfühlung und Originalität der Erfindung“ (NFP, 29.10.1929, 7). 1927 erhielt sie den Volkstheaterpreis (NFP, 3.12.1927, 8).

Bereits 1923 ging Clara eine Liebesbeziehung mit dem um dreizehn Jahre älteren Arthur Schnitzler ein. Das gemeinsame Interesse galt vorrangig der Literatur: Schnitzler las und kommentierte ihre Texte, schätzte seine Partnerin aber auch als Kritikerin, deren Anregungen immer wieder in sein Werk einflossen. Technischen Neuerungen aufgeschlossen und vor allem vom neuen Medium Film fasziniert, entwickelte Schnitzler früh eine Leidenschaft für Kinobesuche; gemeinsam besuchte das Paar im Laufe der achtjährigen Liaison über 500 Filmvorführungen. Darüber hinaus gestaltete sich das Zusammensein zunehmend schwierig und war immer wieder von Eifersuchtsszenen geprägt: Schnitzler scheute vor einer engen Bindung zurück und hielt Clara auf Distanz, während er sich daneben immer wieder auf Affären einließ und darüber hinaus engen Kontakt zu seiner geschiedenen Ehefrau hielt. Dennoch blieb ihm Clara bis zu seinem Tod im Herbst 1931 verbunden. Anlässlich der Trauerfeier im Wiener Burgtheater trug sie ein selbstverfasstes Gedicht vor, das in der Neuen Freien Presseerschien (NFP, 15.11.1931, 27). Auch in den nachfolgenden Jahren veröffentlichte sie in der Neuen Freien Presse rund um seinen Geburts- bzw. Todestag jeweils ein Gedicht. Die Beziehung zu Schnitzler verarbeitete sie in den rund 900 Seiten umfassenden Aufzeichnungen Schnitzler und ich, die sie gemeinsam mit dessen Sekretärin auf der Basis von Tagebucheinträgen und ihrer Briefkorrespondenz anfertigte und die erst nach ihrem Tode zur Veröffentlichung bestimmt waren. Das Typoskript ist heute in der Handschriftensammlung der Wienbibliothek im Rathaus zugänglich.

Der unmittelbaren Verfolgung durch die Nationalsozialisten konnte Clara durch ihren tschechoslowakischen Pass entgehen, den sie durch die Ehe mit Otto Pollaczek erhalten hatte. Sie flüchtete nach dem „Anschluss“ zunächst nach Prag. Von der Errichtung des Protektorats Böhmen und Mähren durch das NS-Regime erfuhr sie während eines Urlaubsaufenthaltes in der Schweiz, wo sie mit finanzieller Unterstützung von Freunden und Verwandten bis Kriegsende blieb.

Auf Initiative ihres Bruders Otto kehrte Clara nach einer Zwischenstation bei ihrem Sohn, der inzwischen in England lebte, 1948 nach Wien zurück, konnte jedoch an ihre einstmaligen literarischen Erfolge nicht mehr anknüpfen. Sie verstarb nach längerer Krankheit im Jahr 1951 und wurde in einem ehrenhalber gewidmeten Grab der Stadt Wien am Sieveringer Friedhof bestattet


Quellen und Dokumente

Bob [Clara Katharina Pollaczek], Mimi. Schattenbilder aus einem Mädchenleben. In: Neue Deutsche Rundschau/Freie Bühne, 8/4, 1.4.1897, 396-413; Mädchen für alles. In: NFP, 24.10.1926, 33-34; Zwischen den Generationen. In: NFP, 4.2.1933, 9-10; Die Tochter des Hauses. In: NFP, 25.5.1929, 14-15; Nach Sonnenuntergang. In: NFP, 24.7.1927, 23; Redoute. Schauspiel in einem Aufzug (1926); Dame. Drama (1930);

Ein neuer Roman in der „Neuen Freien Presse“. Clara Katharina Pollaczek: Die Schönheit der Konstanze. In: NFP, 29.10.1929, 7; Arthur Schnitzler. Anlässlich der heutigen Totenfeier im Burgtheater. In: NFP, 15.11.1931, 27; Clara Katharina Pollaczek, Internationale Kunstausstellung in Karlsbad. In: NFP, 27.7.1930, 30; C.K.P., Erinnerungsgang (Cottage 1933). In: NFP, 22.10.1933, 29; Clara Katharina Pollaczek, An Karin Michaelis. Eine Antwort auf den Artikel: „Das Recht, Mutter zu sein“. In: NFP, 1.8.1925, 11-12;

Literatur 

Pollaczek Clara Katharina. In: Ilse Korotin (Hg.), BiografiA. Lexikon österreichischer Frauen, Bd. 3: P-Z, Wien u.a., 2564; William H. Rey, „Arthur Schnitzler und ich“. Das Vermächtnis der Clara Katharina Pollaczek. In: The Germanic Review 41/2 (1966), 120-135; Stephan Kurz, Im Schatten Schnitzlers. Leben und Werk von Clara Katharina Pollaczek (1875–1951). In: Michael Rohrwasser, Stephan Kurz (Hrsg.), A. ist manchmal wie ein kleines Kind. Clara Katharina Pollaczek und Arthur Schnitzler gehen ins Kino, Wien-Köln-Weimar 2012; K.F.M. Pole, Two Halves of a Life. [The autobiography of a Viennese doctor who escaped from Nazi-occupied Austria and built up a new life and medical career in England] Gillingham, Kent 1982; Renate Wagner, Der fünfte Akt. Clara Katharina Pollaczek. In: Dies., Frauen um Arthur Schnitzler, Wien, München 1980, 145–159; Renate Wagner, Wie ein weites Land. Arthur Schnitzler und seine Zeit, Wien 2006; Eintrag zu Clara Katharina Pollaczek bei austria-forum.org; Eintrag zu Clara Katharina Pollaczek bei fraueninbewegung.onb.ac.at;

 (MK)

geb. als Marianne Springer am 29.7.1891 in Wien – gest. am 30.8.1963 in Wien; Journalistin, Politikerin

Nach Absolvierung der Bürger- und Handelsschule trat die aus kleinbürgerl. jüd. Verhältnissen stammende Tochter eines Handelsvertreters eine Ausbildung zur Sprachlehrerin (Englisch, Französisch) an, und war nach dem Abschluss  als Privatlehrerin tätig. Seit 1910 war Marianne Springer mit Oscar Pollak,  Sohn einer wohlhabenden jüd. Kaufmannsfamilie, bekannt, der nach dem Jus-Studium eine journalistische Karriere (als Redaktionssekretär bei der Zs. Der Kampf bzw. Sportredakteur bei der Arbeiter-Zeitung) einschlug. Durch ihn wurde sie mit sozialistischen Ideen vertraut, und noch in die Zeit vor dem Ersten Weltkrieg datiert der Beginn ihres polit. Engagements für die österr. Sozialdemokratie: M.P. war danach für die Kinderfreunde-Bewegung (als Mitbegründerin der Ortsgruppe Mariahilf bzw. im Reichsvorstand der „Kinderfreunde“) aktiv, da, so ihre Überzeugung, „die Vorbereitung zum Sozialismus beim Kinde beginnen (muß): nur das was das Kind erlebt, wird Weltanschauung“ [1921, zit. Schneider/Wolfsberger, S. 157].

Am 6.11.1915 wurden M. und Oscar Pollak nach jüd. Ritus getraut, 1918 traten sie gemeinsam aus der jüd. Gemeinde aus. Nach dem Ersten Weltkrieg unterrichtete P. an der 1919 installierten Schönbrunner Erzieherschule der Kinderfreunde; zum Kollegium zählten u.a. Alfred u. Max Adler, Josef L. Stern, Anton Tesarek, Karl Kautsky u. Wilhelm Jerusalem. Seit 1921 fungierte P. zudem als Sekretärin für Friedrich Adler in der „Internationalen Arbeitsgemeinschaft sozialistischer Parteien“, einem Vorläufer der Sozialistischen Arbeiter-Internationale (SAI). 1923 wurde sie gemeinsam mit ihrem Gatten in das Londoner SAI-Sekretariat berufen, wo F. Adler den Aufbau der Sozialist. Arbeiter-Internationale betrieb. 1926 kehrten die Pollaks nach Verlegung des SAI-Büros nach Zürich nach Wien zurück, wo P. journalistisch tätig werden konnte: Nach frühen Beiträgen für die Zs. Kinderland. Mitteilungen des Arbeitervereins „Kinderfreunde“ für Niederösterreich (1915/16) brachte sie Reportagen über die polit., soz. u. wirtschaftl. Realität in England in der Arbeiter-Zeitung, als deren Chefredakteur Oscar P. fungierte, sowie den Zss. Arbeit und Wirtschaft, Der Sozialdemokrat, Die Unzufriedene u. Die Frau zur Veröffentlichung. 1927 wurde P. bei der neugegründeten soz.dem. Tageszeitung Das Kleine Blatt als Redakteurin angestellt: P. zeichnete v.a. für die „Frauenseiten“ verantwortlich, wie ihre journalist. Arbeiten überhaupt „Frauenthemen“ – Haushalt, Mode, Kindererziehung, Frauenarbeit, Soziales, Literatur, Kino, Theater – gewidmet waren. Mit ihren zahllosen Beiträgen zu diesen Themenfeldern gilt P. als eine der „wesentlichen ‚Meinungsführerinnen‘ innerhalb der ArbeiterInnenbewegung“ (Schneider/Wolfsberger,154); wichtig waren auch ihre Bemühungen, sozialist. (Kern-)Thesen populärwiss. verständlich zu machen, etwa in der 1933 ersch. Abhandlung Eine Frau studiert den Sozialismus.

Seit 1928 war P. Mitglied im einflussreichen Wiener Frauenkomitee, seit 1933 Mitglied im Vorstand der Vereinigung sozialistischer Schriftsteller. Z.Zt. des austrofaschist. Regimes war das der soz.dem. Parteielite zugehörige Ehepaar Pollak bes. exponiert: Bereits im März 1934 sahen die beiden sich zur Flucht nach Zürich gezwungen, kehrten aber im Sept. 1934 wieder nach Wien zurück, um im Untergrund am Aufbau der Revolutionären Sozialisten (RS) mitzuarbeiten; gem. mit Käthe u. Otto Leichter, Schiller Marmorek u. Jacques Hannak stellten M. u. O. Pollak das „Schattenkomitee“ der RS. Die neuerliche Flucht führte die Pollaks zuerst nach Paris (1935), dann nach Brüssel (1936), wo Oscar P. unter  F. Adler eine leitende Stelle im SAI-Büro einnahm. 1938 kehrte das Ehepaar nach Paris zurück, musste aber 1940 nach Südfrankreich fliehen. Mithilfe des internat. Sekretärs der Labour Party William Gillies erwirkten die Pollaks Einreisevisa für England und trafen im Okt. 1940 in London ein, wo sie vom sozialist. Journalisten H.N. Braislford aufgenommen wurden. Im Londoner Exil war P. für den Austrian Labour Club, das Exekutivkomitee der Anglo-Austrian Democratic Society (1944/45) und das 1941 durch O. P. gegründete Londoner Büro der österr. Sozialisten tätig.

Am 18.11.1945 kehrte P. nach Wien zurück, wohin ihr Gatte bereits als Chefredakteur der Arbeiter-Zeitung berufen worden war, und war auch in der Zweiten Republik als Journalistin, v.a. aber auch als Politikerin aktiv: P. wurde mit der Chefredaktion der meistgelesenen Frauenzeitschrift Österreichs (Die Frau , 1945-59) betraut, war Vorstandsmitglied der Journalistengewerkschaft, fungierte zw. 1945-59 als Nationalratsabgeordnete  und gehörte zw. 1957-59 der Beratenden Versammlung des Europarates an. Als Journalistin und Politikerin  machte sie sich v.a. für Frauenrechte (für das Recht auf Selbstbestimmung, auch durch Freigabe d. Abtreibung, für die Entlastung berufstätiger Mütter u.ä.m.) stark. 1950 zeichnete P. als eine der Organisatorinnen für die mit moderner Wohnkultur befasste Ausstellung Die Frau und ihre Wohnung mitverantwortlich, die  ob des großen Erfolgs zehn Jahre lang geöffnet blieb.

Im Alter von 69 Jahren wählte P., zwei Tage nach dem Tod ihres Mannes, den Freitod u. wurde in einem Oscar P. gewidmetem Ehrengrab beigesetzt. An die beiden erinnert eine Gedenktafel an einer seit 1966 als Marianne-und-Oscar-Pollak-Hof bezeichneten Wohnanlage in Floridsdorf.


Werke (Auswahl)

Irrfahrten. Aus dem Tagebuch eines suchenden Mädels. (1929); Aber schaun’S Fräul’n Marie… Liebesgeschichte einer Hausgehilfin. (1932). – Eine Frau studiert den Sozialismus. Hg. v. Parteivorstand d. Dt. sozialdem. Arbeiterpartei in der Tschechoslowak. Republik. o.J. [1933]; Die Frau in der Demokratie. Vortrag, gehalten am 23. April 1948 im Vortragssaal der Wiener E-Werke. Wien: Gewerkschaft der Gemeindebediensteten 1948. – Frauenmehrheit verpflichtet. Eine internationale Übersicht. o. J. [1948]. – Wir wollen den glücklichen Menschen. (1949 i.d.R. „Die Frau“, Bd. 2); Schluß mit dem Kleinmut! Vom positiven Pazifismus zu aktiver Friedensarbeit. (1951,= „Die Frau“, Bd. 6); Die Vermenschlichung der Gesellschaft (1952, =„Die Frau“, Bd. 9);  Frauenschicksal und Frauenaufgaben in unserer Zeit. (1957, =„Die Frau“, Bd. 12). – Die Frauen wurden wach (1959).

Quellen und Dokumente

Bei den Frauen des Elendsviertels. In: Arbeiter-Zeitung, 20.1.1924, S. 15, Die Frau im öffentlichen Leben Englands. In: Arbeiter-Zeitung, 4.5.1924, S. 10, Das proletarische Kind. Ein Besuch in der Ausstellung in Schönbrunn. In: Arbeiter-Zeitung, 2.3.1926, S. 7, Das Weib im Hermelin. Der Lebensroman Katharinas II. In: Arbeiter-Zeitung, 25.12.1928, S. 12, Die Frau in Sowjetrußland. Ein großartiges Projekt der Gleichberechtigung der Geschlechter. In: Arbeiter-Zeitung, 6.11.1932, S. 15.

Weitere Beiträge für die Arbeiter-Zeitung (Auswahl nach theodorkramer.at): Unter englischen Frauen (30.12.1923) – Von englischen Schulen und Schulreformen (23.5.1924) – Geburtenbeschränkung in England (1.1.1925) – Londons Fürsorge (1.2.1925)– Wie unsere Kinder anfangen, Menschen zu werden. Die Forderung nach dem Pflichtkindergarten (26.9.1926) – Vom Reifrock zum Bubikopf (9.11.1926) – Die tausend Teile des Telefons (2.9.1927) – Das Heim von heute (25.4.1928) – Zehn Jahre Frauenwahlrecht (17.2.1929) – Maria an der Maschine (1.5.1929) – Nur nicht verzichten. Das Recht auf gleiche Jugend für Mann und Weib (10.3.1930) – 150 Arbeiterinnen schreiben ein Buch (11.8.1930) – Baumeisterarbeit am kommenden Geschlecht (1.5.1931) – Wie ist die Frau Zeitungsleserin geworden? (22.2.1932) – Das goldene Wiener Herz – ist rot! (10.3.1932) –– Am Grabmal der unbekannten Frau (11.12.1932) – Die Internationale der sozialistischen Frauen (3.9.1933) – Was bringt Hitler den Frauen? (26.9.1933)

Der Nachlass Oscar und Marianne Pollak ist im Besitz des Vereins für die Geschichte der ArbeiterInnenbewegung (Online verfügbar).

Literatur

Bettina Hirsch: Marianne. Ein Frauenleben an der Zeiten Wende. Biographie von Marianne Pollak. Verlag Pichlers Witwe & Sohn, Wien 1970; Fritz Hausjell: Journalisten gegen Demokratie oder Faschismus. Teil 2. Verlag Peter Lang, Frankfurt am Main 1989; Helmut Konrad: Das Private ist politisch: Marianne und Oscar Pollak. Wien 2021; Brigitte Lehmann: Marianne und Oscar Pollak. Die Geschichte zweier Leben. Dokumentation 1&2/1996, Verein für Geschichte der Arbeiterbewegung, Wien; Michaela Schneider/Margit Wolfsberger: Schreiben für den Neuen Menschen. In: Doris Ingrisch, Ilse Korotin, Charlotte Zwiauer (Hgg.): Die Revolutionierung des Alltags. Zur intellektuellen Kultur von Frauen im Wien der Zwischenkriegszeit. Frankfurt a.M. u.a: 2004, 151-192; Helmut Konrad: Das Private ist politisch: Marianne und Oscar Pollak. Wien 2021.

Eintrag bei wien.gv.at, bei dasrotewien.at, bei thedorkramer.at.

(RU/Red.)

Geb. 7.10. 1893 in Wien, gest. 28.8. 1963 in Hinterstoder (Oberösterreich). Jurist, Journalist, Redakteuer, Revolutionärer Sozialist (ab 1934), Exilant (ab 1936), Remigrant.

Werke (Auswahl):

Im Schützengraben des Klassenkampfes. Wien 1929; Underground Europe calling. London 1942;

Materialien und Quellen:

Eintrag von Michael Gehler auf NDB (2001); dasrotewien;

Helmut Konrad: Das Private ist politisch. Marianne und Oscar Pollak. Wien: Picus 2021.

(PHK, in preparation)

Geb. 12.6.1890 in Wien, gest. 17.11.1942 in London/GB.

Journalist, Schriftsteller, Exilant

Materialien und Quellen:

Eintrag bei Theodor Kramer-Gesellschaft: hier.

(in Vorbereitung)

geb. Dwořak, 11.2.1869 in Inzersdorf – gest. am 7.3.1939 in Wien; Aktivistin für Arbeiterinnen- und Frauenbildung, Redakteurin, Abgeordnete zum Nationalrat

Geboren 1869 als jüngstes von fünfzehn Kindern einer Weberfamilie wuchs Adelheid in schwierigen sozialen Verhältnissen auf. Die Alkoholsucht und Gewalttätigkeit des Vaters zwang sie, bereits mit acht Jahren fallweise zum Familieneinkommen beizutragen. Mit zehn musste sie die Volkschule abbrechen und arbeitete zunächst als Dienstmädchen, ab 1883 als Fabrikarbeiterin. Über Bekannte ihres Bruders kam sie erstmals mit sozialdemokratischen Ideen in Kontakt, begann mit der regelmäßigen Lektüre sozialdemokratischer Zeitungen wie der Gleichheit (später: Arbeiter-Zeitung), besuchte – oftmals als einzige Frau – politische Versammlungen und engagierte sich zunehmend aktiv in der Bewegung. 1891 trat sie dem Arbeiterinnen-Bildungsverein bei, in dessen Vorstand sie später gewählt wurde; hier wurden bald führende Mitglieder der Sozialdemokratie auf die bildungshungrige wie eloquente Frau aufmerksam, u.a. Jakob Reumann und Viktor Adler. Adlers Gattin Emma, zu der sie ein freundschaftliches Verhältnis entwickelte, erteilte ihr in der Folge Sprach- und Schreibunterricht. 1893 heiratete Adelheid – sie war inzwischen eine gefragte Rednerin in der gesamten Monarchie – Julius Popp, Mitglied des Parteivorstandes der SDAP. Im selben Jahr gründete sie den Lese- und Diskutierclub Libertas und fungierte fortan als erste Vorsitzende.

Obwohl durch den (männlich dominierten) Parteitag zunächst strikt abgelehnt, erschien auf Popps Betreiben ab 1892 mit der Arbeiterinnen-Zeitung ein auf das weibliche Publikum zugeschnittenes Medium, für das sie von 1893 bis 1934 als verantwortliche Redakteurin arbeitete und Themen wie Frauenwahlrecht, Bildungsarbeit, Sozialgesetzgebung und Eherecht aufgriff. 1893 nahm sie als einzige Frau der österr. Delegation am Kongress der II. Internationale in Zürich teil. Die in diversen Artikeln geäußerte Kritik an der Ehe und deren Moralkonventionen, die für das Gros der Frauen den einzig möglichen Lebensentwurf darstellte, brachte ihr wegen „Herabwürdigung der Ehe und Familie“ eine Arreststrafe ein. Im Rahmen ihrer schriftstellerischen Tätigkeit publizierte sie zudem zahlreiche Werke, welche die prekäre Lage der arbeitenden Frauen thematisierten, so etwa Die Arbeiterin im Kampf ums Dasein (1895), die autobiographische Schrift Jugend einer Arbeiterin (1909), Frau, Arbeiterin, Sozialdemokratie(1916) und Frauenarbeit in der kapitalistischen Gesellschaft (1922). 1929 erschien das Werk Der Weg zur Höhe, in welchem sie den Aufstieg der sozialdemokratischen Frauenbewegung beschrieb.

Nachdem sie bereits 1898 mit der Gründung des Frauenzentralkomitees einen wesentlichen Schritt zur Stärkung der Frauen innerhalb der Sozialdemokratie gesetzt hatte, schuf sie gemeinsam mit Therese Schlesinger und anderen Aktivistinnen gegen den massiven Widerstand der Parteispitze den Verein sozialdemokratischer Frauen und Mädchen und wurde damit endgültig zur politischen Leitfigur. Zudem übernahm sie 1916 den Vorsitz des Internationalen Sozialdemokratischen Frauenkomitees und trug maßgeblich zur Einführung eines jährlichen internationalen Frauentages bei. Ihre herausragende Bedeutung für die Bewegung zeigt sich auch in der Tatsache, dass Popp 1918 in den Parteivorstand sowie in den Wiener Gemeinderat gewählt und im Jahr darauf zu einem Mitglied der Konstituierenden Nationalversammlung wurde. 1920 zog sie in den Nationalrat ein, wo sie als erste weibliche Abgeordnete eine Rede hielt. Sie setzte sich fortan energisch für die Rechte der Arbeiterinnen und Dienstboten ein (Hausgehilfinnengesetz vom 26.2.1920), thematisierte familienpolitische Belange und forderte Einkommensgleichheit zwischen Frau und Mann. Gesundheitliche Gründe zwangen sie 1933, sich ins Privatleben zurückzuziehen. Popp starb wenige Monate vor dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs an den Folgen eines Schlaganfalls in Wien.


Werke (Auswahl)

Die Jugendgeschichte einer Arbeiterin, mit einführenden Worten von August Bebel, Berlin, Stuttgart 41922 [Online verfügbar].

Quellen und Dokumente

Beschlagnahmung der Nr. 13 der Arbeiterinnen-Zeitung durch das Pressegericht. In: Arbeiterinnen-Zeitung, H. 14, 18.7.1895, S. 1; Adelheid Popp, Recht für die Frauen. In: AZ, 24.4.1917, S. 1f; Frauenforderungen an die Nationalversammlung. In: AZ, 5.11.1920, S. 2; Adelheid Popp, Die Frau der Gegenwart. In: AZ, 31.3.1922, S. 6f; Adelheid Popp, Der § 144. In: Die Unzufriedene, 8.10.1927, S. 1f; Therese Schlesinger, Unsere Adelheid 60 Jahre! In: Arbeiterinnen-Zeitung, 1.2.1929, S. 10-18Wahlrede von Adelheid Popp für die Nationalratswahl vom 9.11.1930; Vierte Internationale Frauenkonferenz der Sozialistischen Arbeiter-Internationale in Wien. In: Die Frau, 1.9.1931, S. 4f; Zwei Kämpferinnen nehmen Abschied. In: AZ, 17.10.1933, S. 2.

Literatur

Österreichisches Biographisches Lexikon, Bd. 8 (1981), 200f; Gabriella Hauch, Vom Frauenstandpunkt aus: Frauen im Parlament, 1919-1933 (Studien zur Gesellschafts- und Kulturgeschichte, Bd. 7), Wien 1995,  S. 290-293; Regina Köpl, Adelheid Popp. In: Edith Prost (Hg.): „Die Partei hat mich nie enttäuscht …“. Österreichische Sozialdemokratinnen (Österreichische Texte zur Gesellschaftskritik, Bd. 41), Wien 1989,  S. 5-43; Ester Saletta, Die Journalistin und Abgeordnete Adelheid Popp. Engagierte Wiener Sozialdemokratin gegen die Nazi-Ideologie. In: K. Kaiser, J. Kreisky, S. Lichtenberger (Hg.): Rote Tränen. Die Zerstörung der Arbeiterkultur durch Faschismus und Nationalsozialismus, Wien, Klagenfurt, 2017, S. 44-58; Eintrag zu Adelheid Popp bei „Frauen in Bewegung: 1848-1938“.; Adelheid Popp bei dasrotewien

(MK)

Geb. 21.2. 1838 in Kolin (Böhmen, heute: Tschechische Republik), gest. 22. 12. 1921 in Wien. Erfinder, Philosoph, Sozialethiker, Schriftsteller.

Nach der Absolvierung des Deutschen Realgymnasiums in Prag studierte Popper 1854-1859 an der Prager deutschen technischen Hochschule Physik und Mathematik und nahezu zeitgleich am polytechnischen Institut in Wien naturwissenschaftlich-technischen Studien, hörte jedoch auch Vorlesungen zur Nationalökonomie, Kulturgeschichte und Ästhetik. Aufgrund seiner Herkunft aus einer jüdischen Familie konnte er keine universitäre Laufbahn einschlagen; er schlug sich als Eisenbahnarbeiter und Privatlehrer zunächst durch, bevor er sich auch als Schriftsteller versuchte. Zwischen 1862 und 1880 gelangen ihm einige Erfindungen im Bereich der Elektrotechnik und Kalorik sowie mit der Erfindung der sog. Kaptiv-Schraube auch in der Aerodynamik. In diese Zeit fällt auch die Begegnung und nachfolgende Zusammenarbeit und Freundschaft mit Ernst Mach. Sein Interesse für Sozialreform und Sozialethik dokumentiert die Schrift Das Recht zu leben und Die Pflicht zu sterben (1878), das begleitet war von kleineren schriftstellerischen Arbeiten, die er 1899 in den Phantasien eines Realisten bündelte und als Buch versammelte. Aufgrund seiner darin sichtbaren pazifistischen und gesellschaftskritischen Haltung wurde es „aus Gründen der Sittlichkeit“ konfisziert und war bis 1922 (!) verboten. Darin waren freilich auch Texte enthalten, die auf die Traumthematik Bezug nahmen und Einfluss auf S. Freud ausübten. Als sein Hauptwerk gilt jedoch Die allgemeine Nährpflicht als Lösung der sozialen Frage, eingehend bearbeitet und statistisch durchgerechnet. Mit einem Nachweis der theoretischen und praktischen Wertlosigkeit der Wirtschaftslehre, erschienen 1912 bei Reissner (Digitalisat Bayr. Staatsbibliothek), das 1923 in 2. Auflage bei Rikola nachgedruckt wurde.

Materialien und Quellen:

Eintrag im ÖBL; Eintrag Goethe Univ. Frankfurt;

Forschungsliteratur:

Andrea Fruhwirth: Josef Popper-Lynkeus. Zwischen Individualethik, Ich-Verlust und Social Engineering. Anthropologische Montagefahrten eines Maschinen- und Menschentechnikers. Graz: SFB Moderne 2003

(PHK, in preparation)