Geb. 28.4.1879 in Mariampol (Zaristisches Russland, heute: Marianpole, Litauen), gest. 22.1.1952 in Kleinmachnow/Berlin (DDR). Kritikerin, Sozialistin und Marxistin, Mitbegründerin der KPD, Übersetzerin.

(in Vorbereitung)

geb. am 14.8.1881 in Kattowitz/Polen – gest. im April (?) 1939 in New York; Autor, Journalist, Regisseur, Theaterdirektor

R. studierte Jus und Philosophie und promovierte 1904 in Rostock. 1905/06 war er Schauspieler am Deutschen Theater in Berlin, 1906/07 am Stadttheater in Thorn, 1908/09 Regisseur am Berliner Theater in Berlin und stieß dann in Wien zur Bewegung rund um den 1906 unter dem Vorsitz von Engelbert Pernerstorfer gegründete Verein Wiener Freie Volksbühne. Am 12.12.1912 eröffnete die Volksbühne seine Spielstätte im siebten Bezirk in der Neubaugasse unter den Direktoren Stefan Großmann, Theaterreferent der Arbeiter-Zeitung, und A.R. mit einer Bearbeitung von Nestroys Kampl durch Alfred Polgar. Der Spielplan zielte neben der Vermittlung von Theaterklassikern auf moderne deutschsprachige Theaterliteratur. Bei Kriegsausbruch löste sich der Verein Wiener Volksbühne auf. Am 25.9.1915 eröffnete R. die Volksbühne im Theater in der Neubaugasse neu, u. a. hatte hier am 12.2.1916 R.s Inszenierung von Else Feldmanns Der Schrei, den niemand hört. Ein Bericht aus dem Ghetto Premiere. Über organisatorische Probleme besprach sich R. in dieser Zeit wiederholt mit Arthur Schnitzler. „Direktor Rundt; eröffnet die Volksbühne auf neuer Grundlage. Comitébeitritt. Eröffnungspläne“ notiert Schnitzler am 15.9.1915 (TB 1913-16, 220). Ein Jahr später, am 19.6.1916 folgt ein neuerliches Gespräch über Rundts Geldsorgen und seine gescheiterte Bewerbung als Direktor des Deutschen Volkstheaters. Am 1.7.1916 fühlt Rundt wegen Unterstützung bei Schnitzler vor, weil man ihm „das Theater wegmiethen“ will; Schnitzler scheint dilatorisch reagiert zu haben, am 13.9.1916 hat er sich entschieden: „Telegr. an Rundt, will mich unter seinen Aufruf (Volksbühne) nicht zeichnen. –“ (TB 1913-16, 300/314)

Amerika ist anders 1926 |
Dokumentationsstelle für österr. Literatur

Am 11.11.1916 eröffnete R. die Spielstätte im ehemaligen Varietétheater Colosseum im neunten Bezirk mit Shakespeares Sommernachtstraum. Polgar fand R.s Inszenierung mit Aufführung einem Bühnenbild von Alfred Roller „nicht sehr erquicklich“ (AP, KS, 6,131), etwas wohlwollender fiel die Kritik im Neuen Wiener Journal aus (NWJ, L. Jacobson,15.11.1916). Rudolf Linden resümierte 1918: „Direktor Rundt ist mit großen Plänen nach Wien gekommen. Er wollte dem arbeitenden Volk eine Kunststätte bieten […]. Am leidigen Geld ist der schöne Zukunftstraum gescheitert und man musste ‚mit Wasser kochen’. […] Wien hat eine kleine Bühne mehr. Auf der fleißig und gut gespielt wird“ (Theaterstadt, 232).

Anfang der 1920er Jahre verkehrte R. im Kreis der sog. Mokka-Runde von B. Balázs, F. Blei, O. M. Fontana, R. Müller, R. Musil u.a. im Café Central. Mit Richard A. Bermann schrieb er 1923 ein erstes Reisebuch über Palästina. Am 20.4.1924 traf R. zum ersten Mal an Bord der „Cleveland“ in New York ein, weitere Reisen in die USA und Kanada –  zum Teil als Korrespondent für verschiedene Zeitungen, u. a. für den Hamburger Anzeiger – sind verbürgt für 1925, 1928, 1932, 1935 und 1936. Bereits 1926 publizierte er sein viel beachtetes Buch Amerika ist anders,das in knappen Episoden die amerikanische Gesellschaft nach ihrer Tauglichkeit als gesellschaftliches „Ordnungsmodell für die Herausforderungen der Moderne“ (SH 148) befragt. Ähnlich offen und weitgehend ideologiefrei geht er auch in seinem Russland-Reisebuch Der Mensch wird umgebautvor, das 1932 bei Rowohlt erschien.

Der Mensch wird umgebaut, 1932 | Dokumentationsstelle für österr. Literatur

Vor allem aber galt R. als Experte für Amerika, und als 1927 sein Rätselbuch Frag mich was! erschien, wurde das als „köstliche Sache“ interpretiert, die R. „neben anderen guten Dingen von seiner Amerika-Reise mitgebracht“ (ÖIZ,2.12.1928) habe. Bereits 1928 war die Auflage bei 31. bis 55. Tausend angelangt, und R. ließ einen Fortsetzungsband und 1933 die Variation Wer ist das? folgen. 1929 übersetzte er den Roman Show-Girl (1928) des US-Schriftstellers Joseph Patrick McEvoy, der 1930 unter dem Titel Show Girl in Hollywood mit Alice White in der Hauptrolle verfilmt wurde. Bereits ein Jahr zuvor war in der Neuen freien Presse sein Roman Marylin in Fortsetzungen erschienen (einen weiteren Abdruck brachte der Hamburger Anzeiger ab 9.7.1929), ein klassischer Roman der Neuen Sachlichleit, dessen erstmalige Buchveröffentlichung (2017) in Vorbereitung ist. R. publizierte im Prager Tagblatt ebenso wie im Berliner Tageblatt, im Berliner Börsen-Courier oder im Simplicissimus und war auch im Pressekosmos der Berliner Ullstein-Welt tätig. Die Balance zwischen Modernität, Populärgeschmack und Exklusivität vieler Ullstein-Magazine thematisiert er in seiner Satire Wie ich Chefredakteur des ‚Omnibus’ wurde und warum ich es nur so kurze Zeit war, erschienen in Bd. 2 der Drei Bücher des Lachens (1928). R. war befreundet mit Salomo Friedlaender, der ihm in der Groteske Wiener Schnitzel (1927) ein kleines literarisches Denkmal setzte. Auch als Bühnenautor betätigte sich R. immer wieder. 1931 schrieb er gemeinsam mit Hans Adler das Libretto zur Operette Trixie von Ralph Erwin. Am 21. April 1932 wurde am Wiener Burgtheater seine gemeinsam mit Louise Maria Mayer verfasste historische „Revue“ Disrali uraufgeführt. Gemeinsam mit Raoul Auernheimer bearbeitete R. dessen Roman Gottlieb Weniger dient die Gerechtigkeit (1934) für das Theater. 1935 konnte R.s Roman um den Physiker Cornelius Foster Kupfer B, der zuvor (Juni-August 1934 in 55 Folgen) als Fortsetzungsroman in der NFP zum Abdruck gekommen war, noch beim Auffenberg Verlag Berlin erscheinen, und im Sommer 1937 druckte die Neue Freie Presse R.s Eine Stunde Gendarm. Rosza Sandor. Der Räuberhauptmann. Vorwurf zu einem Roman in 12 Folgen (26.8. – 8.9.1937) ab; dieser Text findet sich im Nachlass Robert Neumanns im Konvolut der Materialien für seinen Roman Eine Frau hat geschrien … (1938). Wie Franz Theodor Csokor in seinem rekonstruierten Briefband Zeuge der Zeit unter dem Datum 22.4.1939 der Schauspielerin Anni Mewes mitteilt, ist R. nach zwei Schlaganfällen von Prag über Paris nach New York emigriert. Am 13.4.1939 meldete die Pariser Tageszeitung seinen Tod in einem New Yorker Sanatorium.


Werke

Hans Landsberg / A.R. (Hg): Theater-Kalender auf das Jahr 1910 (1909) bis 1914 (1913). (1909); Berlin: Oesterheld (1910–1912 (1913); Die Mausefalle. (1920); Maria Mayer – Karl Etlinger. Zwei Verkannte (1922); Die Wiedergabe. Wiener Gegenwart und ihr Besitz. Eine Sammlung kleiner Bücher (1922); A.R. / Richard A. Bermann: Palästina. Ein Reisebuch (1923); Amerika ist anders (1926); Frag mich was! Das Frage- und Antwort-Buch (1927); Frag mich noch was. Des Frage- und Antwortbuchbuches zweiter Teil (1928); Marylin. Roman. In: NFP, 2.9.1928 – 21.10.1928; Wie ich Chefredakteur des ‚Omnibus’ wurde und warum ich es nur so kurze Zeit war. In: Drei Bücher des Lachens. Die schönsten heiteren Geschichten von heute. (1928), 91–98, wieder abgedruckt in: Die Barke. Lehrer-Jahrbuch 1975 (1975), 123–127); Das Tagebuch des Skeletts. In: Das große Abenteuerbuch. Begegnungen mit Menschen, Tieren, Elementen und dem Zufall (1929), 195–200; Joseph Patrick McEvoy: Revue-Girl (1929); Louise Maria Mayer / A.R.: Disraeli. Eine Komödie in fünf Bildern (1932); Der Mensch wird umgebaut. Ein Rußlandbuch (1932); Wer ist das? Ein Spiel aus hundertzwanzig Kurzbiographien (1933); Kupfer B. (1934; Das Palästina-Bilder-Buch (1934); Raoul Auernheimer / A.R.: Weniger und die Gerechtigkeit. Eine Wiener Komödie in 3 Akten (1934); Eine Stunde Gendarm. Rosza Sandor. Der Räuberhauptmann. Vorwurf zu einem Roman. 12 Folgen. In: NFP, 26.8.8.9.1937; ABC für USA. Fibel fuer Einwanderer (1939); Henry Bataille: Der Clown. Schauspiel in 3 Akten (4 Bildern) (um 1950).

Quellen und Dokumente

Organisiertes Publikum. In: Der Strom. Organ der Wiener Freien Volksbühne. Monatsschrift. Jg. 1, Nr. 1, April 1911, S. 11–13; An die Komödianten (Worte vor der ersten Probe). In: Der Strom. Organ der Wiener Freien Volksbühne. Monatsschrift. Jg. 2, Nr. 9, Dezember 1912, S. 260f.; Das Leben wird immer einfacher. In: Simplicissimus, Jg. 32,1927, H. 14, S. 182; Vom Markt der Kurzgeschichten. In: Simplicissimus, Jg. 32, 1927, H. 21, S. 282; Der Mythus „Wien”. In: Simplicissimus, Jg. 32, 1927, H. 31, S. 406; Krach in Baumwolle. In: Hamburger Anzeiger, 24.10.1927, S. 1; Die kurze Welle für alle. Lernen Sie morsen! Das Geheimnis der Hunderttausend. In: Uhu. Jg. 5, 1928, Nr. 3, S. 94–98; Das lenkbare USA-Gehirn. In: BIZ, Nr. 48, 1928, S. 2069-2071; St. Moritz vor der Olympiade. In: NFP8.2.1928, S. 10; „Clinique de beauté“. In: Prager Tagblatt, 8.4.1928, S. 17; Das kleine Pariser Hotel. In: Prager Tagblatt, 13.5.1928, S. 4; Max Thun – der turnende Philosoph. In: Prager Tagblatt, 2.6.1928, S. 3; Diaspora. In: Windausche Zeitung, 13.10.1928, S. 2-4. – Das kanadische Wunder. In: Hamburger Anzeiger, 26.11.1928, S. 2; Um Gottes Willen kein Bier! In: Simplicissimus, Jg. 34, 1929, H. 2, S. 18; Wunderbare Heilung einer Verschwenderin durch Psychoanalyse. In: Simplicissimus, Jg. 34, 1929, H. 24, S. 291; Was ist Behaviorismus? In: Berliner Börsen-Courier, Nr. 359, 4.8.1929, Beil., S. 10. Abgedruckt in: Manfred Voigts (Hg.): 100 Texte zu Brecht. Materialien aus der Weimarer Republik. München: Fink 1980 (UTB 916), S. 85–89; Die Glühbirne jubiliert. Von A.R. (Los Angeles). In: Hamburger Anzeiger, 19.10.1929, S. 2; Die Reise nach Yukon und Alaska. In: Hamburger Anzeiger, 12.3.1930, S. 2; Das Deprimier-Klavier. In: Hamburger Anzeiger 29.10.1930, S. 1; Berichte aus Rußland. Wassili wartet auf die Maschine. In: Hamburger Anzeiger, 26.8.1931, S. 1; Der Mann, der 30000 Menschen beim Vornamen kennt. In: Hamburger Anzeiger, 3.8.1932, S. 2. – Wie findet man Arbeit in USA? In: Hamburger Anzeiger, 8.12.1932, S. 1; Schicksale zum Frühstück serviert. In: Hamburger Anzeiger, 9.1.1933, S. 2; Kupfer B. In: NFP, 24.6.1934, S. 22.

Literatur

Die „Theaterstadt“ 1918. Ein Rück- und Ausblick. In: Jacques Jaeger (Hg.): Wiener Almanach. Jahrbuch für Literatur, Kunst und öffentliches Leben. 28. Jg. (1919); AP [= Alfred Polgar]: Wiener Volksbühne. In: Kleine Schriften. Hg.: Marcel Reich-Ranicki, Ulrich Weinzierl. Bd 6. (1986); ÖIZ: M. G. Lap: „Frag mich was!“. In: Österreichische Illustrierte Zeitung. Jg. 38, Nr. 49, 2.12.1928; P. Stf. [= Stefan Paul]: A.R. gestorben. In: Pariser Tageszeitung. Jg. 4, 1939, Nr. 969 (13.4.1939), S. 4; Franz Theodor Csokor: Zeuge einer Zeit. Briefe aus dem Exil. 1933–1950. (1964), 232; Earl R. Beck: Germany rediscovers America. Tallahassee: Florida State Univ. Press 1968, 320; Franz Hadamowsky: Wien. Theatergeschichte. Von den Anfängen bis zum Ende des Ersten Weltkriegs. (1988, = Geschichte der Stadt Wien. 3), 773–795; Handbuch des deutschsprachigen Exiltheaters 1933–1945. Bd 2: Biographisches Lexikon der Theaterkünstler. Teil 1: A–K. Hg.: Frithjof Trapp, Werner Mittenzwei, Henning Rischbieter, Hansjörg Schneider. (K. G. Saur 1999), 810; Arthur Schnitzler: Tagebuch 1913–1916. Hg.: Peter Michael Braunwarth, Susanne Pertlik, Reinhard Urbach. (1983); R. Seth, C. Knox: Weimar Germany between Two Worlds. The American and Russain Travels of Kisch, Toller, Holitscher, Goldschmidt, and Rundt. (2006), 193–212; Salomo Friedlaender/Mynona: Groteksen. Teil II. Hg.: Detlef Thiel, Hartmut Geerken. (2008; = Ges. Schriften. 8); Simon Huber. Orientierungsfahrten. Sowjetunion- und USA-Berichte der Weimarer Republik als Reflexionsmedium im Modernediskurs. (2014), 139–158(SH); Raoul Auernheimer: Dramatische Biographie. „Disraëli“ von L. M. Mayer und A. R. (Burgtheater). In: NFP, 22.4.1932, S. 1-3; David Josef Bach: „Disraëli“ im Burgtheater. In: AZ, 24.4.1932, S. 12; bs.: Dr. A. R. und der Direktorenverband. Erklärungen und Gegenerklärungen. In: NWJ, 15.11.1916, S. 12.

(EPH)

geb. am 18.9.1892 als Artur E. Samuely in Drohobycz (Lemberg) – gest. im Oktober 1942 im Zuge der Deportation nach Maly Trostinec/Minsk; Schriftsteller, Redakteur, Journalist

Nach der Scheidung seiner Eltern übersiedelt Rutra/Samuely 1903 mit seiner Mutter nach Wien, wo er die Schulausbildung absolviert. 1912 bis 1914 ist er im Vorstand des Akademischen Verbandes für Literatur und Musik tätig, die Lesungen und Konzerte veranstaltet, die expressionist. Zeitschrift Der Ruf herausgibt und R. den Weg an die Volksbühne ebnet. In diesem Umfeld lernt R. Schriftsteller und Kritiker kennen wie z.B. Erhard Buschbeck, Emil A. Rheinhardt, Paul Stefan, Ludwig Ullmann und vor allem Robert Müller. 1915 meldet er sich als Freiwilliger und verfasst unter dem Eindruck der Karpathen-Schlachten patriotische Gedichte. Nebenher kann er 1917 sein Studium an der Universität Wien mit einer Dissertation über Ludwig Börne abschließen. 1918 wird er Verlagssekretär beim Verlag Georg Müller in München, arbeitet aber auch für andere Verlage und übersiedelt nach München, wo er bis 1933 lebt. Seit 1920 ist R. Mitglied des Verbandes Deutscher Bühnenschriftsteller sowie im Vorstand des Schutzverband Deutscher Schriftsteller(S.D.S.) tätig. Seine erste dramatische Arbeit Golgatha (1918) spiegelt die Wandlung vom einstigen Kriegsbefürworter in einen Zweifler und Skeptiker. Es folgen weitere dramat. Arbeiten, von denen viele nur als Bühnenmanuskripte erhalten geblieben sind wie z.B. Barrikade (1920). Mehrere Schauspiele befassen sich mit Fragen der Zeit, im Bes. mit  Phänomenen des habituellen Wandels wie z.B. Herr Titan trägt Zinsen (1925), eine Komödie, die vor dem Hintergrund der Inflation die Macht des Kapitals thematisiert, oder Genosse Geld (1929), das von der Korrumpierbarkeit und Käuflichkeit von Menschen, Ideen und Ideologien handelt. In den 1920er Jahren betätigte sich R. auch als Übersetzer aus dem Polnischen und Französischen, u.a. von Adam Mickiewicz und Emile Zola. Seinen einzigen Bühnenerfolg landet R. mit dem Stück Der Kronprinz. Eine Tragödie (1928), das von Max Reinhardt für das Deutsche Theater in Berlin erworben wurde. Neben dem Burgtheater wurde es auch in Hamburg, München, Bochum und Frankfurt gespielt, was dem Autor Resonanz, aber auch kontroverse Wahrnehmungen eintrug. Einige nachfolgende Stücke (1930) wie Werkspionage oder Amokläufer (1931) wurden zwar noch auf kleinen Bühnen aufgeführt, konnten sich aber vor dem Hintergrund des erstarkenden Nationalsozialismus nicht behaupten. 1932 wird R. Redakteur des Bildmagazins Moment, das 1933 nach Wien übersiedelt und bis 1934 existiert. In dieser Zeit vollzieht R. auch ideologisch einen Schwenk hin zur legitimist. Bewegung und als Mitglied der Vaterländischen Front zum Ständestaat. Ab Oktober 1936 ist er Mitarbeiter der Zeitschrift Der Christliche Ständestaat, 1937 tritt er zum Katholizismus über. 

Am 1.4. 1938 wird Rutra zusammen mit anderen Repräsentanten des Ständestaates nach Dachau deportiert und später ins KZ Buchenwald überstellt. 1941 wird er wegen seiner Kontakte mit internen Gegnern des NS in einem Hochverratsprozess zu 15 Jahren Kerker verurteilt, dem 1942 die neuerliche Deportation Richtung Minsk und die vermutl. Ermordung in einem Gaswagen folgt.

Werke (Auswahl)

Aus Österreich. Kriegslieder (1915); Robert Müller. Dankrede (1925); Zoo. Menschliche Geschichten (1927); Der Sport siegt (1927); Die Brüder (Ms? 1930); Spiel am Abgrund. Eine Streitschrift um das Theater (1931); Das fünfte Rad (Ms?, 1934); Einsamer Weg. Gedichte. (1937)

Quellen und Dokumente

Besprechungen zu Der Kronprinz: R(aoul) A(uernheimer): Burgtheater. In: NFP, 7.12.1928, S. 9, D(avid) B(ach): Warum Revolution? In: Arbeiter-Zeitung, 7.12.1928, S. 8, B(recka Hans): Der Kronprinz. In: Reichspost, 7.12.1928, S. 1f.

Literatur

Max Bläulich über Arthur Ernst Rutra (1892-1942). In: Literatur und Kritik, 491/92, März 2015, 93-110 (mit ausführlicher Bibliographie einschl. seiner in Zeitungen und Zeitschriften erschienen Beiträge); Irmtraud Egger: Rutra A.E.; in: Österreichisches Biographisches Lexikon 1815-1850, IX. Bd. (1988), S. 339.

(PHK)

geb. als Sziga bzw. Siegmund Salzmann am 6.9.1869 in Budapest, gest. 8.10.1945 in Zürich; österr. Schriftsteller, Journalist, Kunst- und Theaterkritiker, Übersetzer, Dramaturg, Szenarist

Pseudonyme: Karl Albrecht (K.A.), Karin Becker, Jeremias Eckenpfeifer, Martin Finder (m.f., M.F.), Karl Heinrich, Marie Hemmer, Sacha Lanzelot, Sebastian Merker, Josefine Mutzenbacher (nicht zuverlässig), Netlas, Sacha, Felix Salten (f.s, F.S., F-x S-n, -x -n), Ferdinand Stollberg

Aufgewachsen in Wien nach Übersiedelung der Familie knapp nach seiner Geburt; 1885 Abbruch des mehrheitlich v. jüd. Schülern besuchten Wasa-Gymnasiums. Anstellung bei der „Phönix-Versicherung“ u. erste journalist. Arbeiten. 1889 erste lit. Veröff. in der Zeitschrift An der schönen blauen Donau, deren Hg. Paul Goldmann S. 1890 mit A. Schnitzler bekannt macht; fortan regelm. Gast im Café Griendsteidl, dem Zentralort von „Jung Wien“. Mitglied des Literaturvereins „Wiener Freie Bühne“. 1894 Redakteur bei der Wiener Allgemeinen Zeitung, in der S. für moderne Kunst (G. Klimt) eintritt. 1899/1900 regelm. Beiträge für die Zeitschrift Die Welt, dem Organ der zionist. Bewegung, mit dessen Hg. Theodor Herzl S. persönlich bekannt ist. Initiator des „Jung-Wiener Theaters Zum Lieben Augustin“. 1902 Redakteur bei der Zeitschrift Die Zeit u. Verehelichung mit der Schauspielerin Ottilie Metzl (2 Kinder: Paul (1903–37) u. Anna Katharina (1904–77), verheiratete Wyler). 1906 Chefredakteur der B.Z. am Mittag und der Berliner Morgenpost (beide Ullstein-Verlag) in Berlin. 1910 Rückkehr nach Wien. 1912 Wechsel von der Zeit zum Fremden-Blatt, dem Organ d. Außenministeriums. Als Drehbuchautor (seit 1913) bzw. als Filmregisseur (seit 1915) bis 1918 involviert in zumind. 11 Filmprojekte (zu S.s Begeisterung für die neuen Medien (Kino, Radio) vgl. seine Stellungnahme i. Rahmen d. Monotonisierungsdebatte 1925). 1919 nach Einstellung des Fremden-Blatts Wechsel zur Neuen Freien Presse: Theater-, Film-, Kulturkritiker, Sonntagsfeuilletonist. Regelm. Beiträge für den Pester Lloyd, das Berliner Tageblatt und die Dresdner Neuesten Nachrichten. 1918 Präsident des neu gegr. Vereins jüd. Schriftsteller und Künstler „Haruach“. 1923 Neue Freie Presse-Berichterstatter am Zionistenkongress in Karlsbad. Frühjahr 1924 Palästina-Reise. 1925 erscheint S.s Palästina-Reisebuch Neue Menschen auf alter Erde, „eine stolze jüdische Antwort auf den Wiener Antisemitismus“ (Mattl/Schwarz: 15). 1927-33 Präsident des Österreichischen PEN-Clubs; in dieser Funktion initiiert S. gem. mit A. Schnitzler 1927 eine Kampagne für den v. faschist. Horthy-Regime inhaftierten L. Hatvany. 1930 Teilnahme an der USA-Reise einer europ. Schriftsteller- und Journalistendelegation, die dem Reisebuch Fünf Minuten Amerika (1931) zugrunde liegt. 1933 Rücktritt als Präsident des PEN-Clubs, nachdem S. sich aufgrund der von ihm bei Debatten über NS-Deutschland vorgeschätzten ‚Neutralität‘ am Kongress des Internats. PEN(Dubrovnik, Mai 1933) heftiger Kritik etwa v. F. Torberg (Neue Weltbühne) oder der Arbeiter-Zeitung(S. als „Schrittmacher der Nazis“) ausgesetzt sieht. 1934, nach den Februarkämpfen, in einem auch im Ausland (v. J. Roth z.B.) beachteten Neue Freie Presse-Beitrag offene Parteinahme für die restaurative Regierung Dollfuß. Feb. 1939 Emigration nach Zürich. – Neben der „Geschichte einer Wienerischen Dirne von ihr selbst erzählt“ Josefine Mutzenbacher (Privatdruck, 1906), für die S.s Autorschaft nicht eindeutig nachgewiesen ist, zählt zu den heute (noch) bekanntesten Werken S.s Bambi. Eine Lebensgeschichte aus dem Walde (1923), die 1942 erstmals verfilmt wurde und bereits die spätestens seit 1933 augenscheinliche themat. (Neu-)Fokussierung auf Tiergeschichten (Florian1933, Kleine Brüder 1934, Perri 1938) ankündigt.


Werke (Auswahl)

Die Hinterbliebene. Kurze Novellen (1900); Der Gemeine. Schauspiel in drei Aufzügen (1901); Die kleine Veronika. Novelle (1903); Gustav Klimt. Gelegentliche Anmerkungen (1903); Josephine Mutzenbacher, oder Die Geschichte einer Wienerischen Dirne von ihr selbst erzählt (Privatdruck, 1906: Die Autorenschaft von Felix Salten ist nicht eindeutig bewiesen); Das österreichische Antlitz. Essays (1909); Olga Frohgemuth. Erzählung (1910); Die galante Markgräfin. Operette (1919); Bambi. Eine Lebensgeschichte aus dem Walde (1923); Geister der Zeit. Erlebnisse (1924); Neue Menschen auf alter Erde. Eine Palästinafahrt (1925) – Bob und Baby. Zeichnungen von Anna Katharina Salten (1925); Martin Overbeck. Der Roman eines reichen jungen Mannes (1927); Gesammelte Werke in Einzelausgaben (Zsolnay; 6 Bde. 1928–1932); Fünf Minuten Amerika (1931); Freunde aus aller Welt. Roman eines zoologischen Gartens (1931); Florian. Das Pferd des Kaisers (1933); Kleine Brüder. Tiergeschichten (1935); Bambis Kinder. Eine Familie im Walde (1940; zuerst in engl. ÜS ersch.: Bambi’s children. The story of a forest family); Renni der Retter. Das Leben eines Kriegshundes (1941; zuerst in engl. ÜS ersch.: Renni, the rescuer. A dog of the battlefield); Die Jugend des Eichhörnchens Perri (1942; zuerst in engl. ÜS: Perri. The youth of a squirrel); Djibi das Kätzchen (1945).

Filmografie (Auswahl)

Verfilmungen: a) Stummfilme: Herztrumpf (1920; nach: Toni Holms Aufstieg, Nov.); Olga Frohgemuth (1922; nach: Olga Frohgemuth); Graf Festenberg (1922; nach: Graf Festenberg, Einakter); Schwere Jungen – leichte Mädchen (nach: Martin Overbeck); Die kleine Veronika/Unschuld (1930; nach: Die kleine Veronika). – b) Tonfilme: Vorstadtvarieté/Die Amsel von Lichtental (1935; nach: Der Gemeine); Florian (1940); Bambi (1942)

S. als Szenarist: a) Stummfilme: Der Shylock von Krakau (1913), Gerettet (1914), Das Urteil des Artztes (1914), Der Narr des Schicksals (1916), Der Türmer von St. Stefan/Die Jugend von Granada (1923) – b) Tonfilme: (gem. mit Walter Wassermann, Jakob Schlee) Sturm im Wasserglas (1931), (gem. mit Billy Wilder) Um einen Groschen Liebe (1932), (Walter Reisch u. Robert Liebermann nach einer Idee von F. Salten) Ich und die Kaiserin (1931)

Quellen und Dokumente

Andreas Brandtner: “Salten, Felix”. In: Neue Deutsche Biographie 22 (2005), S. 396-397 [Onlinefassung]. – Christian Dewald: Filmografie Felix Salten. In: Siegfried Mattl/Werner Michael Schwarz (Hgg.): Felix Salten. Schriftsteller – Journalist – Exilant. Wien 2006 (= Wiener Persönlichkeiten; Bd. 5), S. 180-185. – Manfred Dickel: „Ein Dilettant des Lebens will ich nicht sein“. Felix Salten zwischen Zionismus und Jungwiener Moderne. Heidelberg 2007 – Jürgen Ehneß: Felix Saltens erzählerisches Werk: Beschreibung und Deutung. Frankfurt/M. u.a.: 2002. – Peter Landerl: Anonym: Josefine Mutzenbacher und ihre 365 Liebhaber. Gelesen von Ulrike Beimpold [Rez. des Hörbuchs (26.3.2002) für www.literaturhaus.at] (Stand: Nov. 2015). – Siegfried Mattl/Werner Michael Schwarz: Felix Salten. Annäherung an eine Biografie. In: Dies., Felix Salten, S. 14-73. – Reinhard Müller: Lemma „Felix Salten“ [Sept. 2012], online auf der Homepage Die Arbeitslosen von Marienthal zu einem Projekt vom Archiv für die Geschichte der Soziologie in Österreich, gefördert durch den Jubiläumsfonds der Oesterreichischen Nationalbank (Projekt-Nummer 11.192, Projektleiter: Peter Gasser-Steiner), die Abteilung Kultur und Wissenschaft des Amtes der Niederösterreichischen Landesregierung, das Vizerektorat für Forschung und Weiterbildung der Karl-Franzens-Universität Graz und die Marktgemeinde Gramatneusiedl. – N.N.: Salten, Felix. In: Österreichisches Biografisches Lexikon 1815-1950, Bd. 9 (Lfg. 45, 1988), S. 394f. [Onlinefassung] (Stand: Nov. 2015). – Paul Reitter: Bambi’s Jewish Roots. In: Jewish Review of Books (2014) [Onlinefassung].

Zur Felix Salten-Ausstellung im Jüdischen Museum, Wien (6.12.2006-18.3.2007) s. die Berichte auf der Homepage des Jüdischen Museums und von Günter Kaindlstorfer für www.deutschlandfunk.de.

Der Nachlass von Felix Salten befindet sich in der Wienbibliothek im Rathaus. Zur Erwerbung im Sept. 2015 s. den Bericht auf derstandard.at und auf der Homepage der Wienbibliothek (Stand: Dez. 2015).

(RU)

Geb. 17.12.1882 in Wien, gest. 8.5. 1944 in Kufstein. Journalist, (Theater)Kritiker, Regisseur, Schriftsteller.

Saßmann, der zunächst eine Beamtenlaufbahn einschlug, trat um 1915 als Verfasser von Theaterstücken (meist Tragikomödien oder Lustspiele) in Erscheinung, die u.a. am Deutschen Volkstheater zur Aufführung kamen wie z.B. Der Retter. Ab 1915 finden sich auch Erzähltexte, meist, patriotischer Ausrichtung bzw. aus der bäuerlichen Lebenswelt, in verschiedenen Zeitungen abgedruckt, z.B. Der Gierschlung in Das interessante Blatt (25.5.1916, 20). Verschiedentlich, meist in der Boulevardpresse, als versprechendes Talent gehandelt, gelang es ihm bis Anfang der 1920er Jahre allerdings nicht, diese Erwartungshaltung zu erfüllen. Erst 1923 machte er wieder mit der Aufführung des Schwanks Das weiße Lämmchen (unter Mitwirkung von Max Pallenberg) im Raimund-Theater auf sich aufmerksam (NWrTagblatt, 26.4.1923, 8). Kurze Zeit später betätigte er sich als scharfer Kritiker des Wiener Theaterbetriebs, insbes. anlässlich der Niederlegung der Direktion am Burgtheater durch Max Paulsen (nach 25 Jahren Ensemblemitglied bei noch aufrechtem Vertragsverhältnis und hohen Pensionsansprüchen). 1925 schließlich nahm er das Literaturprogramm der RAVAG ins Visier, sowohl hinsichtlich der Programmgestaltung als auch der schlechten Sprecher:innen-Qualität.

Weitere Werke:

Das blaue Aug‘ Ein Wiener Stück in drei Akten (UA, Volksbühne, März 1916); Die reizende Frau. Lustspiel in 3 Akten. (1917). (zusammen mit Alexander Engel); Aristide und seine Fehler (Lustspiel in 3 Akten, 1918)

Materialien und Quellen:

H.S.: Korso hinter der Front. In: Das interessante Blatt, 27.5.1915, S. 18; Besprechung von f.s.[alten] von Der Retter in: Fremdenblatt, 3.10. 1915, S. 15; H.S.: Der Burgtheaterskandal. In: Die Stunde, 22.7. 1923, S. 6; Der Fall Höbling. Burgtheaterskandal II. In: Die Stunde, 24.7. 1923, S. 5-6; H.S.: Skandal auf Welle 530. In: Wiener Sonn- u. Montagszeitung, 17.8. 1925, S. 6;

(PHK, in Vorbereitung)

Geb. 28.11.1895 in Wien, gest. 28. 10. 1945 in Nova Lisboa/ Angola. Architekt, Kritiker, Exilant.

Materialien und Quellen:

Eintrag ins Architektenlexikon: hier.

Geb. 21.8. 1874 in Wien, gest. 6.11.1956 in New York. (Reise)Schriftstellerin, Journalistin, Fotografin, Exilantin.

Die in eine jüdische Familie geborene und in gutbürgerlichen Verhältnissen aufgewachsene A. Schalek konvertierte 1904 zum Protestantismus u. fing unter dem Pseudonym Paul Michaely an, Romane und Erzählungen zu verfassen. Ab 1905 unternahm sie ausgedehnte Reisen (u.a. nach Australien, Afrika, Südostasien) von denen sie in der NFP berichtete, der sie von 1903 bis 1935 als Redaktionsmitglied angehörte. Nach Ausbruch des Ersten Weltkrieges gelang es ihr, neben Margit Vészi als einzige Frau im Kriegspressequartier tätig zu werden und von verschiedenen Fronten (v.a. von der serbischen u. den Gebirgsfronten in den Dolomiten und im Isonzotal) zu berichten. Ihre überaus patriotisch gehaltenen Berichte aber auch ihr Einbruch in eine Männerdomäne brachten ihr viel Kritik, auch antisemitische und frauenfeindliche ein, z.B. seitens Karl Kraus, der sie in seiner Zs. Die Fackel und in seinem Drama Die letzten Tage der Menschheit als „Kriegsgreuel“ denunzierte. Aufgrund dieses Drucks musste sie den Dienst im KPQ 1917 aufgeben.

(in Vorbereitung)

E-Mail wurde erfolgreich kopiert

Geb.19.2.1884 in Wien, gest. 19.2. 1950 in London. Publizist, Schriftsteller, Übersetzer, Exilant.

Materialien und Quellen:

Eintrag in ÖBL;

Walt Whitmann. Zu seinem 100. Geburtstag. In: Wiener Morgenzeitung, 31.5.1919, S. 2-3;

(in preparation)

geb. am 18.1.1900 in Wien – gest. am 26.4.1961 ebenda; Maler, Holzschneider, Grafiker

Als dritter Sohn einer Postbeamtenfamilie absolviert S. die Wiener Kunstgewerbeschule u. a. bei Oskar Strnad. 1920 präsentiert der Kunsthändler Max Hevesi in der Eröffnungsausstellung seiner Galerie erstmals Arbeiten von S. 1922 entstehen in Zusammenarbeit mit dem Kunstkritiker Arthur Roessler erste Buchprojekte, u. a. 13 Druckplatten zu Johannes von Saaz’ Der Ackermann aus Böhmen und 20 zu Roesslers Dialogstück Die Stimmung der Gotik. 1923 gab Erica Tietze-Conrat das Mappenwerk O. R. Schatz. 12 Holzschnitte heraus. Im selben Jahr ist S. zum ersten Mal Gast bei bei der Frühjahrsausstellung des Künstlerbundes Hagen, dem er 1928 beitritt, und bei der Winterausstellung der Secession (mit Kleidelithografien zu Ch. Morgensterns Galgenlieder), wo er, so Roessler, großes Aufsehen erregte (Cabuk, 2018, 33). Bald danach wechselt Schatz zum Galeristen Otto Kallir-Nirenstein, der ihn fortan großzügig unterstützt. 1925 erhält S. den österreichischen Staatspreis. Um 1925 kommt S. in Kontakt mit der österreichischen Arbeiterbewegung. 1925/26 gestaltet S. die Bücher des sozialdemokratischen Kulturfunktionärs Josef Luitpold Stern Der entfesselte Prometheus und Der entwurzelte Baum, 1927 folgen der Prachtband Die neue Stadt und Die Rückkehr des Prometheus, beide nach Texten Josef Luitpolds. 1926 entstehen acht Holzschnitte für das Märchen Im Satansbruch von Ernst Preczang, dem Mitbegründer der Büchergilde Gutenberg. Es ist S.’ erste Arbeit für die Büchergilde, der weitere folgen, 1937 noch Upton Sinclairs Co-op, der letzten Band der Büchergilde, der im Prager Exil noch erscheinen konnte. 1929/30 arbeitet S. auch für die Initiative des Verlags Der Strom, mit der „Roman-Rundschau“ bekannte Werke im Zeitschriftenformat zugänglich zu machen. S. illustriert insgesamt vier Nummern u. a. nach Texten von Stefan Zweig, H. G. Wells und Jack London. 1927/28 wendet sich S. in einer Holzschnittserie dem Thema Arbeitswelt zu, wobei er viele der Motive auch als Aquarell ausführt. In seinen Holzschnitten wie seinen Ölbildern übernimmt S. das Dramatische des Expressionismus, das seine von Schiele herkommenden Aktbilder prägt, in die klare Linienführung seiner Bildkompositionen. Auch wo seine Bilder der Neuen Sachlichkeit mit der Eliminierung des Pinselduktus, der nüchternen Detailtreue und dem strengen Aufbau nahestehen, enthalten sie häufig ein Element der Dynamisierung und einen sozialkritischen Kommentar. Während des Zweiten Weltkrieges lebte S., in zweiter Ehe verheiratet mit der Tochter eines jüdischen Industriellen, in Brünn und Prag, am 16. November 1944 wird S. von der Gestapo verhaftet und in verschiedene Arbeitslager verschleppt, zuletzt ins Lager Bistritz. Das Wien der Nachkriegsjahre hält Schatz in Holzschnitten, Ölbildern und Aquarellen fest. Gefördert wird er von Viktor Matejka, der 1947 das Vorwort zu S.’ Mappe mit 18 Holzschnitten nach Peter Roseggers Roman Jakob der Letzte schreibt. 1949 erscheint im Globus Verlag eine Buchausgabe von S.’ 1941 entstandener Mappe Prater mit 48 Aquarellen. Im Rahmen der Initiative „Kunst am Bau“ schuf Schatz bereits in der Ersten Republik Fresken in der Bücherei der Wohnanlage Sandleitenhof im 16. Bezirk und in der später ausgebombten Arbeiterhochschule im 19. Bezirk. Nach 1945 entstehen Mosaike und Wandbilder an sechs Wiener Gemeindebauten und einer Volksschule. Die Kachelmosaike für den Wiener Westbahnhof bleiben unrealisiert, obwohl S. für sein Projekt prämiert wird. Ein 40 qm großes Fresko über das Druckerei- und Zeitungswesen befand sich bis zum Abriss des Kurierhauses in der Wiener Seidengasse im siebten Bezirk.


Literatur

Arthur Roessler: Einiges von und über Otto Rudolf Schatz. In: Österreichische Monatshefte, Nr. 16 (1930), S. 62–75; Fritz Karpfen: „… gesandt zu verkünden …“ O. R. Schatz, Österreichs Maler der Gegenwart, Kämpfer um der Gerechtigkeit Willen. In: Die Zeit. Jg. 2, H. 10 (1949), S. 11–13; Otto Rudolf Schatz: Ein Künstler erzählt von sich selbst. In: Der schöne Brunnen. Jg. 1; H. (1949), S. 352; Jörg Lampe: Die Fresken in der Großdruckerei Waldheim-Eberle. In: Graphische Revue Österreichs H. 11/12 (1953), beigel. Leporello; Wilfried Daim: Otto Rudolf Schatz, Grafik (1978); Wilfried Daim: Otto Rudolf Schatz, Kriegsbriefe (1982); Otto Rudolf Schatz. In: Klaus Schröder: Neue Sachlichkeit, Österreich 1918–1938 (1995), S. 86–105; Wilfried Daim: Meine Kunstabenteuer. Geschichte einer Sammlung (1997); Ernst Presczang: Die Stimme der Arbeit. Ill.: O. R. Schatz. Hg. u. rekonstruiert von Wilfried Daim (1999); Mayr, Brigitte: Otto Rudolf Schatz – Das graphische Werk der Zwischenkriegszeit 1918-1938 (Dip.arb., Innsbruck 1999); Klaus Türk: Bilder der Arbeit. Eine ikonografische Anthologie (2003); Dietrich Kraft, Matthias Boeckl: Otto Rudolf Schatz. 1900–1961 (2010); Hagenbund. Ein europäisches Netzwerk der Moderne 1900 bis 1938 (2014), Cornelia Cabuk: O.R. Schatz. Monografie und Werkverzeichnis. = Belvedere Werkverzeichnisse, Bd. 7, Hgg. von Stella Rollig u. Christian Huemer. Wien 2018.

Quellen und Dokumente

Otto Rudolf Schatz bei Kunsthandel Widder; Otto Rudolf Schatz bei Artnet;

(EPH)

geb. am 27.5.1874 in Brünn/Brno – gest. am 10.10.1942 in Wien; Schriftsteller, Essayist, Übersetzer

Sch. entstammt einer väterlicherseits tschechischen, mütterlicherseits einer deutschspr. Kaufmannsfamilie, die in Brünn einen Drogerieladen betrieb. Während die Mutter seine frühe Begeisterung für die Lit. teilte u. förderte, blieb das Verhältnis zum Vater, für Sch. die Inkarnation aus Provinzialität u. Verachtung von Bildung, zeitlebens gespannt u. distanziert. Nach dem Besuch des humanist. Gymnasiums in Brünn stud. Sch. von 1892-1897 an der Univ. Wien Jus u. wurde 1898 zum Dr. iur. promoviert. Danach trat er in den Verwaltungsdienst in Brünn, anschl. in Mährisch-Weißkirchen (Hranice) ein, bevor er ab 1903 in Wien im Ministerratspräsidium Karriere machte. Bereits 1893 ersch. ein erster Bd. Gedichte, den u.a. K. Kraus besprach; mit den nachfolg. Bdn. Meine Gärten (1896) u. Tage und Träume (1899) erschrieb sich Sch. einen festen Platz in der zeitgenöss. impressionist. Fin de Siècle-Lyrik, die von französ. Vorbildern wie Gautier u. Verlaine beeinflusst war. Er schloß Bekanntschaft mit R. M. Rilke u.  H. v. Hofmannsthal, dem er bewundernd wie fallweise auch abschätzig ablehnend folgte. Um 1900 trat Sch. verstärkt mit Kurzprosa hervor wie z.B. den Skizzen Intérieurs aus dem Leben der Zwanzigjährigen (1901) oder die Novellen Eros-Thanatos (1906). Zudem betätigte er sich als Literaturkritiker, u. a. des Frühwerks von Th. Mann, der mit ihm bis 1905 auch im briefl. Austausch stand. Der wirkungsmächtigste Text aus jener Zeit war zweifellos der Bd. Leben und Meinungen des Herrn Andreas von Balthesser (1907, letzte Neuaufl. 2013), in welchem sich Sch. als Verächter bürgerl. Normen u. Verfechter anarch.-aristokratischer, dandyhafter Freiheiten u. Gesten zeigte, indem er, auch satirisch u. mit Neigung zum Paradoxon, die ästhet. Oberfläche als existentielle Tiefe inszenierte. 1914-18 trat er mit propagand. Kriegslyrik u. Essays hervor u. stand ab 1918 der Republik von Beginn an skeptisch gegenüber. Noch vor Kriegsende nobilitiert, trat Sch. 1919 aus dem Staatsdienst aus u. zog sich als pensionierter Beamter u. Schriftsteller ins Privatleben zurück. Mit dem Novellenbd. Dinonys-bácsi (1922) bricht Sch.s. poet. Prosa ab; es folgen noch ein Bd. Ausgewählte Gedichte (1924) sowie mit Herbsthöhe ein abschließender (1933). Seit den 1920er Jahren widmet sich Sch. vorwiegend der essayist. Prouktion sowie Dichter-Biogr. (z.B. zu E.T.A. Hoffmann, A. Stifter, K. Kraus) u. Übers. aus dem Englischen u. Französischen, darunter zu Shakespeare, Flaubert u. Mallarmé. Zudem exponierte sich Sch. massiv gegen die Form der parlamentar. Demokratie, z.B. in Erkenntnisse und Betrachtungen (1934), wirkte ab 1933 an der Zs. Der Christliche Ständestaat mit u. veröffentl. in dezidiert kulturpolit. kathol. Ztg. u. Zs. wie Reichspost, Der Gral, Schönere Zukunft seit Ende der 1920er Jahre Essays u. Kritiken mit z.T. offenen antisemitischen Spitzen u. Argumentationen, die sich zwar vom Nationalsoz. nach außen hin abgrenzten, wie eine Polemik mit W. Vesper dokumentiert, aber de facto erhebliche strukturelle Gemeinsamkeiten aufwiesen. 1929 wurde in Wien durch seine Tochter die Schaukal-Gesellschaft gegründet.


Werke (Auswahl)

Mimi Lynx. Novelle (1904); Literatur. Drei Gespräche (1907); Schlehmile. Drei Novellen (1907); Zettelkasten eines Zeitgenossen (1913); Zeitgemäße deutsche Betrachtungen (1916); Das Buch Immergrün (1916); Jahresringe. Neue Gedichte (1922); Gedanken (1931); Beiträge zu einer Selbstdarstellung (1934); Einsame Gedankengänge (1934-1939; 1947)

Quellen und Dokumente

In der Mediathek: Richard von Schaukal: Studentenrecht und Judenfrage. Tatsachen und Grundsätzliches. In: Schönere Zukunft, Nr. 13, 27.12.1931, S. 303-304.

S.: Erlebte Gedanken. Aus einem neuen Aphorismenbuche R. S.s. In: Neues Wiener Journal, 6.9.1918, S. 3, Rudolf List: R. S. In: Radio Wien, 30.5.1930, S. 10, Josef Nadler: S.s lyrisches Werk. In: Wiener Zeitung, 26.5.1932, S. 1-4.

Nachlass: Wien-Bibliothek (155 Boxen).

Literatur

V. Suchy: Die „österreichische Idee“ als konservative Staatsidee bei Hugo von Hofmannsthal, Richard von Schaukal und Anton Wildgans. In: F. Aspetsberger (Hg.): Staat und Gesellschaft in der modernen österreichischen Literatur (1977), 21–43; J. Sonnleitner: »Eherne Sonette«. Richard von Schaukal und der Erste Weltkrieg. In: K. Amann, H. Lengauer (Hgg.): Österreich und der große Krieg. Die andere Seite der Geschichte (1989), 152-157; C. Girardi-Warum: Schwüle Leidenschaft. Richard Schaukal und der Simplicissimus. In: Literatur in Bayern; Sonderheft Simplicissimus, 1996, 67–69; D. Pietzcker: Richard v. Schaukal. Ein österreichischer Dichter der Jahrhundertwende (1997); A. Wicke: „Schaukal ist ein kurioser Kauz“. Zum Verhältnis Thomas Manns zu Richard Schaukal. In: Eros Thanatos. JB der Schaukal-Gesellschaft, 1 (1997), 105–113; F. Krobb: „denn Begriffe begraben das Leben der Erscheinungen“. Über Richard Schaukals „Andreas von Balthesser“ und die „Eindeutschung“ des Dandy. In: Eros Thanatos; 3/4 (1999/2000), 89–111; F. Zeder: ›Erlebtheit‹ versus ›Mache‹. Die Richard Schaukal-Thomas Mann-Kontroverse im Spannungsfeld zwischen ›Dichter‹ und ›Literat‹. In: Ebd., 51-70, Werner Frizen: 74 von 25 000 Briefen Thomas Manns [IASL online]; David Axmann: von Schaukal, Richard: Leben und Meinungen des Herrn Andreas von Balthesser, eines Dandy und Dilettanten. In: Wiener Zeitung, 10.4.2014.

Eintrag bei wien.gv.at.

(PHK)