Geb. 1.10.1878 in Altmannsdorf/Wien, gest. 8.7. 1950 in Neustift/Oberwart (Burgenland). Jurist, Soziologe, Univ. Professor, Publizist.

Materialien und Quellen:

Eintrag in ÖBL; Eintrag von R. Müller auf AGSÖ;

(in preparation)

geb. am 12.12.1905 in Zablotów (Ostgalizien, heutige Ukraine) – gest. am 5.2.1984 in Paris; Schriftsteller, Psychologe, Lektor, Übersetzer.

Ps.: Taras Achim, C. L. Chauverau, C. L. Chauvraux, L. C. Chauvraux, C. A. Chauvreau, Jean Clémant, Paul Halland, A. J. Haller, P. Haller, Paul Haller, Jan Heger, N. A. Menlos.

Aus einer Kaufmannsfamilie stammend, verbringt S. seine ersten Lebenssjahre im ostgalizischen, chassidisch geprägten Schtetl Zablotów; 1916 flieht die Familie infolge des 1. Weltkrieges nach Wien. Hier muss die Familie zunächst in bitterer Armut leben, zusätzlich ist sie auch antisemitischen Anfeindungen ausgesetzt. Über die jüdische Pfadfinderorganisation Haschomer Hazair kommt S. mit marxistischen und zionistischen Ideen in Kontakt. Als S. – vermutlich durch die Entbehrungen der Kriegsjahre bedingt – an Tuberkulose erkrankt, rät man ihm, Kurse und Vorlesungen Alfred Adlers an der Volkshochschule zu besuchen. Als er Adler 1921 persönlich begegnet, wird er sogleich ein begeisterter Anhänger dessen Lehre. An der Individualpsychologie fasziniert ihn besonders die soziale Orientierung, in der Folge wird S. einer der prominentesten Vertreter des linken Flügels der Individualpsychologie, der eine Verbindung von Individualpsychologie und Marxismus anstrebt. S. wird in Adlers engsten Kreis aufgenommen und hält dort Vorträge, bereits 1921 spricht er über „Die Psychologie des Revolutionärs“. In seinem 1926 veröffentlichtem Buch Alfred Adler, der Mensch und seine Lehre bezeichnet er Adler als „das soziale Genie unserer Zeit“.

1927 geht S. auf Anraten Adlers nach Berlin, um die dortige individualpsychologische Bewegung vor dem extrem konservativ-religiösen Einfluss des Berliner Ortsgruppenleiters Fritz Künkel zu bewahren. S. tritt der Kommunistischen Partei Deutschlands bei und lehrt an Künkels individualpsychologischen Institut. Ferner hält er Vorträge im Rahmen von Veranstaltungen sozialistischer Jugendorganisationen. Er lernt zahlreiche Angehörige der literarisch-politischen Avantgarde Deutschlands kennen, so etwa Egon Erwin Kisch, Arthur Koestler, Lion Feuchtwanger, Anna Seghers und Bertolt Brecht.

Die Konflikte zwischen S. und Künkel, die marxistische und nicht-marxistische Positionen innerhalb der Berliner Gesellschaft für Individualpsychologie markieren, münden 1929 in eine Spaltung derselben, was sich in weiterer Folge auch auf die Internationale Vereinigung für Individualpsychologie auswirkt. S. hatte bereits 1927 eine marxistisch-individualpsychologische Arbeitsgemeinschaft gegründet und Alice Rühle-Gerstels Buch Der Weg zum Wir (1927), in dem sie eine Synthese marxistischer und individualpsychologischer Denkansätze versucht, zu deren Manifest erhoben. Weitere führende Kräfte der Fachgruppe für die dialektisch-materialistische Psychologie waren neben Otto Müller, ihrem Leiter, Alfred Appelt, Otto Kaus, Edith Cohn, Benno Stein und Henry Jacoby. 1932 gibt S. gemeinsam mit Rühle-Gerstel den Band Krise der Psychologie – Psychologie der Krise heraus, der eine kritische Auseinandersetzung mit Adler darstellt und für S. zum endgültigen Bruch mit seinem früheren Mentor führt. Bereits in ihrem Briefwechsel aus S.s. Berliner Zeit sind Spannungen zwischen den beiden fassbar und dokumentiert. Adler stößt sich vor allem an der politischen Ideologisierung seiner Ideen, die diese nicht nur, aber eben auch durch den überzeugten Marxisten S. erfahren hatten.

S. engagiert sich im Kampf gegen den Nationalsozialismus und wird 1933 von der SA inhaftiert. Nach einem fünfwöchigen Arrest flieht er über Österreich und Jugoslawien nach Paris, wo er in antifaschistischen Organisationen der Komintern arbeitet. 1937 bricht er unter dem Eindruck der Moskauer Schauprozesse mit der Kommunistischen Partei und nimmt seit dem Hitler-Stalin-Pakt öffentlich gegen das Sowjetregime Stellung. Seine Schrift Zur Analyse der Tyrannis (1939) ist der Versuch, autoritäre Systeme mit Hilfe individualpsychologischer Begriffe zu erklären, und zugleich eine Aufarbeitung seiner eigenen politischen Position.

Vor den Deportationen des Vichy-Regimes flieht S. mit seiner zweiten Frau Zenija (Jenka) Zivçon nach Südfrankreich und im Herbst 1942 weiter in die Schweiz. 1945 kehren sie nach Paris zurück, eine Rückkehr nach Deutschland kommt für S. nach seinen Erfahrungen und Kenntnissen über den Holocaust nicht mehr in Frage. Auch die Politik ist für S. keine Option mehr sich zu engagieren, er widmet sich stattdessen vermehrt dem Schreiben von Texten mit aufklärerischem und erinnerndem Anspruch.

Nach Kriegsende fungiert S. als kulturpolitischer Berater der französischen Regierung in Paris und arbeitet als Lektor und Übersetzer beim Verlag Calmann-Lévy. Nun beginnt auch seine literarische Karriere, seine Romantrilogie Wie eine Träne im Ozean (bestehend aus 1949: Der verbrannte Dornbusch, 1950: Tiefer als der Abgrund, 1953: Die verlorene Bucht) und seine dreiteilige Autobiographie All das Vergangene (1974: Die Wasserträger Gottes, 1975: Die vergebliche Warnung, 1977: Bis man mir Scherben auf die Augen legt) entstehen. 1970 erscheint das Buch Alfred Adler oder das Elend der Psychologie, in dem S. mit literarischem Anspruch die individualpsychologischen Konzepte Adlers erklärt, ergänzt und präzisiert sowie das Lehrer-Schüler-Verhältnis in der Psychotherapie anhand Adlers Bruch mit Freud und seines eigenen Konflikts mit Adler analysiert. Am 5.2.1984 stirbt der Georg Büchner-Preisträger (1975) und mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels (1983) ausgezeichnete S. in Paris und wird auf der Cimetière Montparnasse beigesetzt.


Weitere Werke (Auswahl)

Die Achillesferse. Essays (1960); Leben in dieser Zeit. Sieben Fragen zur Gewalt (1972); Individuum und Gemeinschaft. Versuch einer sozialen Charakterologie (1978); Churban oder Die unfaßbare Gewißheit (1975); Nur eine Brücke zwischen Gestern und Morgen (1980); Der schwarze Zaun (1986); Sokrates (1988); Charlatan und seine Zeit (2004).

Quellen und Dokumente

Nachlass im Literaturarchiv der Österreichischen Nationalbibliothek

Bestand M.S. im Tagblattarchiv der Wienbibliothek und im Manès-Sperber-Archiv

unter Taras Achim: Zeitgeist und Jugend. In: Der Tag 4.3.1923, S. 11; unter Taras Achim: Zeitgeist und Jugend II. Romantik – Kunst – Hellas. In: Der Tag 18.3.1923, S. 11; unter Taras Achim: Zeitgeist und Jugend III. Soziale Frage – Tat der Gemeinschaft. In: Der Tag 29.4.1923, S. 12; unter Taras Achim: Wir sind so herrlich jung. In: Der Tag 13.5.1923, S. 11.

Radio-Interview mit S., 6.2.1970 (Online verfügbar).

S. liest aus Die vergebliche Warnung, 22.11.1975 (Online verfügbar) sowie aus Die Wasserträger Gottes, 22.11.1975 (Online verfügbar).

sowie weitere Tondokumente in der Österreichischen Mediathek.

Verlagsprospekt zu H. Haunschmied-Donhauser: Sperber als Individualpsychologe (V & R, 2023)

Literatur

Anne-Marie Corbin, Jacques Le Rider und Wolfgang Müller-Funk (Hgg.): Der Wille zur Hoffnung. Manès Sperber – Ein Intellektueller im europäischen Kontext. Wien 2013; Helga Haunschmied-Donhauser: Manès Sperber als Individualpsychologe. Göttingen: Vandenhoek & Ruprecht 2023; Wilhelm Hemecker (Hg.): Ein treuer Ketzer. Manès Sperber – der Schriftsteller als Ideologe. Wien 2000 (= Profile 3, 2000, 6); Rudolf Isler: Manès Sperber – Zeuge des 20. Jahrhunderts. Eine Lebensgeschichte. Aarau 2003; Alfred Lévy: Manès Sperber – oder von den Abenteuern, Leiden und Irrtümern eines politischen Individualpsychologen. In: ders. und Gerald Mackenthun (Hgg.): Gestalten um Alfred Adler. Pioniere der Individualpsychologie. Würzburg 2002, 251–269; Olivier Mannoni: Manès Sperber. L’espoir tragique. Paris 2004; Marcus G. Patka (Hg.): Manès Sperber – ein politischer Moralist. Wien 2006 (= Wiener Jahrbuch für jüdische Geschichte, Kultur & Museumswesen 7); Marcus G. Patka und Mirjana Stančić: Die Analyse der Tyrannis. Manès Sperber. Wien 2005 (= Begleitpublikation zur Ausstellung „Die Analyse der Tyrannis – Manès Sperber“ des Jüdischen Museums Wien in Kooperation mit dem Österreichischen Literaturarchiv der Österreichischen Nationalbibliothek 18.1.–10.3.2006); Mirjana Stančić: Manès Sperber. Leben und Werk. Frankfurt/Main u. a. 2003.

(VH)

Geb. 19.10. 1911 in Wien, gest. 30.11.1990 in Wien. Feuilletonistin, Emigrantin und Remigrantin, Schriftstellerin, Übersetzerin.

Materialien und Quellen:

Eintrag von Ingrid Schramm auf: NDB.

Eintrag von Liliane Studer auf: https://www.fembio.org/biographie.php/frau/biographie/hilde-spiel

Forschungsliteratur (Auswahl):

Sandra Wiesinger Stock: Hilde Spiel. Ein Leben ohne Heimat? Wien: Verl. für Gesellschaftskritik 1996; Marcel Reich-Ranicki: Über Hilde Spiel. München: dtv 1998.Hans A. Neunzig, Ingrid Schramm (Hrsg.): Hilde Spiel. Weltbürgerin der Literatur. Wien: Zsolnay 1999. (= Profile; Jg. 2, H. 3)

(PHK, work in progress)

eigentlich Wilhelm Spira, geb. am 25.6.1913 in Wien – gest. im August 1999 in Puteaux bei Paris; Karikaturist, Zeichner, Journalist

Ps.: bil, Bill Freier, Willy Freier, fifty, Capra

S. sandte gegen den Willen des Vaters, Prokurist der sozialdemokratischen Druckerei Vorwärts, 16-jährig erste Karikaturen an Das Kleine Blatt. Daraus resultierte die ständige Mitarbeit als politischer Karikaturist und Theaterzeichner am sozialdemokratischen Boulevardblatt sowie an der Arbeiter-Zeitung, in der er auch die Rubrik Zwischenrufe links mitgestaltete. Im Feuilleton illustrierte S. u.a. Texte von Karel Čapek, Arnold Höllriegel, Adele Jellinek und Jakob Meth, insbesondere zu Jura Soyfer entwickelte er rasch eine enge Beziehung. Nach dem Schulabschluss studierte S. zwischen 1932 und 1935 bei Wilhelm Müller-Hofmann an der Wiener Kunstgewerbeschule. Von Müller-Hofmann unterstützt wirkte S. an einem Zeichenfilm, einer Carmen-Parodie, mit, die ihm 1935 ein dreimonatiges Engagement bei der Produktion des Films „Der falsche Mustapha“ in Paris ermöglichen sollte.

Nach dem Februar 1934 vorübergehend arbeitslos, lud ihn der Fotograf Hans Oplatka zur Mitarbeit am Wiener Tag ein. Zunächst illustrierte S. die Sonntagsbeilage Sonntag, nach der Rückkehr aus Paris 1936 gestaltete er als „zeichnender Reporter“ (Spira) mit Soyfer gemeinsam Reportagen und fungierte als Umbruchsredakteur. Weiters fertige S. Illustrationen für Die Stunde und in seiner eigenen Rubrik „Der bissige Bleistift“ für die Mittagsausgabe des Neuen Wiener Tagblatts an. Auf Vermittlung des Tag-Journalisten Hans Margulies wurde S. Bühnenbildner des Cabaret ABC im Regenbogen und für Literatur am Naschmarkt. Parallel dazu entstanden die Skizzenblöcke BratislavaPrag und Paris.

Nach dem „Anschluss“ kurzzeitig in der Wiener Karajangasse inhaftiert, emigrierte S. nicht mit seiner Familie nach Schweden, sondern kehrte im August 1938 nach Paris zurück, wo er mit Leonhard Frank, Hermann Kesten, Egon Erwin Kisch, Walter Mehring, Soma Morgenstern, Hans Natonek und Joseph Roth verkehrte. S. arbeitete für die Zs. Le Rire und Nebelspalter sowie gemeinsam mit Friedrich Torberg für die Österreichische Post. Nach Kriegsbeginn als „feindlicher Ausländer“ zunächst festgenommen, diente S. in einer Waffenfabrik in Montluçon, wo er sich einer einer Gruppe ausländischer Widerstandskämpfer um den amerikanischen Journalisten Varian Fry, von Eleonore Roosevelt und Erika Mann in Diensten des Emergency Rescue Committee nach Europa entsandt, anschloss; S. übernahm als Bill Freier die Arbeit des Passfälschers. 1941 nach Verrat verhaftet, überlebte S. mehrere Konzentrationslager und kehrte nach Kriegsende trotz eines Angebots der Arbeiter-Zeitung nach Paris zurück.


Werke

Die Legende vom Zeichner (1998), Pariser Impressionen (1998)

Quellen und Dokumente

Autobiographische Skizzen: Kurze Selbstdarstellung. In: Mit der Ziehharmonika 8 (1991), H. 2, S. 20, Ein kleiner Lebensbericht. In: Die Welt des Jura Soyfer, S. 36- 43 (1991).

Ausgewählte Illustrationen: Adele Jellinek: Einer. In: Das Kleine Blatt, 3.8.1930, S. 3, Karo: Geschichte der Juden in nationalsozialistischer Beleuchtung. In: Arbeiter-Zeitung, 12.6.1932, S. 17, Arnold Höllriegel: Ein Prophet predigt. In: Das Kleine Blatt, 11.8.1932, S. 3.

Ausgewählte Karikaturen: Dollfuß sucht eine Lösung … In: Arbeiter-Zeitung, 21.5.1932, S. 4, Hitler, der Friedensengel. In: Arbeiter-Zeitung, 21.5.1933, S. 4, Preßfreiheit, die ich meine. In: Arbeiter-Zeitung, 14.6.1933, S. 7, Gasschutz-Musterstall. In: Arbeiter-Zeitung, 6.9.1933, S. 3, Deutsche Wahl 1933. In: Arbeiter-Zeitung, 10.11.1933, S. 3.

Ausgewählte Porträts: Richard Beer-Hofmann und Raoul Aslan. In: Das Kleine Blatt, 2.3.1932, S. 9, Hans Moser. In: Das Kleine Blatt, 17.3.1932, S. 7Ernst Krenek. In: Das Kleine Blatt, 22.6.1932, S. 10, Egon Friedell und Gustav Waldau. In: Das Kleine Blatt, 28.12.1932, S. 9.

Zwei karikierende Porträts Joseph Roths, entstanden 1939: Link.

Literatur

Oliver Bentz: B. S.: Künstler, Fälscher, Menschenretter (2013), Claude Bessone: B. S. Vom Roten Wien zu den französischen Internierungslagern (2011, deutsche Übersetzung 2016), Kurt Flemig: Karikaturisten-Lexikon, S. 23f. (1993), Eckart Früh: B. S. (1999/2001), Marion Neumann: Karikaturist und Passfälscher: B. S. In: Angelika Meyer (Red.): Ohne zu zögern, S. 260-267 (2007), Vladimir Vertlib: Wien – Paris: mit Umwegen und Zwischenstationen. Über den Zeichner, Cartoonisten, Bühnenbildner und Redakteur B. S. In: Mit der Ziehharmonika (14) 1997, H. 2, S. 22-24.

Oliver Bentz: Zeichner und Fälscher. In: Wiener Zeitung, 23.10.1998, O. B.: Zeichenkunst und Humanität. In: Wiener Zeitung, 21.6.2013, Ulrike Diethart: B. S. Die Legende vom Zeichner [Rezension.]. Literaturhaus.at (1998), Rosa von der Schulenburg: Ein Dreigroschendasein. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 05.03.1998, Konrad Holzer: Rez. zu. Claude Bessone: B. S.Vom Roten Wien zu den französischen InternierungslagernAustrianposters.at (2017).

Rosa von der Schulenburg: Eintrag bei exilarchiv.de.

(ME)

geb. am 1.1.1890 in Olmütz/Olomouc (k.u.k. Österreich-Ungarn) – gest. am 1.7.1963 in Wien; Schriftsteller, Essayist, Kritiker, Okkultist

in Vorber.

eigentl.: Paul Stefan Grünfeld/Gruenfeld (bis 1906), geb. am 25.11.1879 in Brünn/Brno – gest. am 2.11.1943 in New York; Musikpublizist, Redakteur, Feuilletonist, Schriftsteller

Der Sohn des Abgeordn. zum mährischen Landtag Arnold Abraham Grünfeld und seiner Gattin Annie, geb. Haas, kam nach dem Besuch der Volksschule und des Gymnasiums mit seinen zum Katholizismus konvertierten ehem. jüd . Eltern 1898 nach Wien. Dort studierte er Philosophie, Rechtswissenschaft, Kunstgeschichte, Musik und schloss 1907 mit der Promotion zum Dr. phil. ab. Privat nahm er seit 1904 Stunden bei A. Schönberg, beruflich war er bis 1910 beim Centralverband der Industriellen Österreichs als Sekretär tätig. Bereits 1900 erschien mit Stimmungen sein erster literarischer, d.h. ein Lyrik-Band. Der Durchbruch als Musikkritiker gelang ihm 1908 mit einem ersten Buch über Gustav Mahler, dem 1910 eine weitere Mahlerstudie folgte, die bereits 1912 in der 4. Auflage nachgedruckt wurde, sowie 1911 eine über den Mahlerdirigenten und Komponisten Oskar Fried. Den Ersten Weltkrieg begann St. als (Reserve)Offizier und beendete ihn im Kriegsarchiv, nicht ohne am Kriegstagebuch Vom Isonzo zum Balkan (1916) gem. mit F. Th. Csokor u. E.A. Rheinhardt mitzuschreiben.

1919 legte Stefan eine Geschichte der Wiener Oper unter dem Titel Das neue Haus vor; ab 1920 veröffentlichte er neben Feuilletons für das Neue Wr. Tagblatt auch Besprechungen für die Zs. Musikblätter des Anbruchs (MdA). Sein erster Beitr. in Nr. 5/1920 galt einem Tanzabend von Ellen Tels, deren vielseitige Ausdruckskunst vor den versch., auch krit. kommentierten zeitgenöss. Strömungen, von St. anerkennend herausgestrichen wurden, insbes. jene, die „wieder Erlebnisse russischer Kunst“ vermittelten, aber auch romant. Stücke wie z.B. von Grieg, Chopin oder Dvořak kongenial interpretierten. 1921 folgte seine Studie Neue Musik und Wien, die ihm zahlr. Vortragseinladungen weit über den deutschsprach. Raum hinaus eintrugen; St. wirkte darüber hinaus an mehreren G. Mahler-Initiativen jenes Jahres mit wie z.B. an dem Internat. Mahler-Tagen oder am Mahler-Sonderheft der Zs. Moderne Welt. Nebenher war er auch als Feuilletonist beim Neuen Wr. Tagblatt tätig. 1922 wird er zum österr. Delegierten der IGNM bestimmt u. im Juni 1922 übernimmt Stefan die Leitung der Musikblätter des Anbruch (MdA), eine Funktion, die er bis 1937 innehatte und die in den Folgejahren von versch. Schwerpunktheften, wie z.B. zu F. Schreker (1922), A. Schönberg (1924), zum Jazz, zu Russland (1925), zum Tanz, zu Maschine und Musik (1926) geprägt war und somit auch das themat. Profil wie das Mitarbeiterspektrum der Zs. sichtbar modernisierten und öffneten. 1923 erschien seine Max Reinhardt-Biographie u. St. wurde zum Mitglied der Rechtsschutzkommission des Schutzverbandes deutscher Schriftsteller in Österreich gewählt. Seit Einrichtung der Zs. Die Bühne wirkte auch St. an ihr als Musik- u. Theaterkritiker mit, beginnend mit einer Bespr. der UA von Komisches Intermezzo von R. Strauß. Seit 1925, oft in Begleitung durch P. A. Pisk, war St. auch in Radio Wien als Kommentator oder Vortragender zu hören.

Stefan bemühte sich in jener Zeit um Ausweitung des Mitarbeiterkreises der MdA; prominentester Zugang im Jahr 1925 war z.B. Theodor W. Adorno, der in H.7/1925 die UA von Alban Bergs Wozzeck bespricht. Aus dem Schwerpkt.heft über den Tanz entsteht 1926 auch eine separate Publ. Tanz in dieser Zeit; in der Zs. Die Bühne veröffentl. St. zahlr. Reisefeuilletons, bespr. nebenher auch literar. Neuerscheinungen wie z.B. Schnitzlers Traumnovelle (H.53/1926), widmet R. Rolland einen Beitr., befasst sich mit Selma Lagerlöf (H.210/1928) oder Hofmannsthals Ägyptische Helena (H.187/1928). Im Radio stellt St. Künstler an den Schnittflächen von Literatur u. Musik vor wie z.B. R. Schumann oder E.T. A. Hoffmann u. präsentiert Themen, die zeitgl. auch in den MdA diskutiert werden wie z.B. über Musik und Maschinen im Kontext der Schallplattendebatte oder jener über das sog. Sphärophon. Auch in den sozialdemokr. Volkshochschulprogrammen (Leopoldstadt, Ottakring) war er zu musikal. Anlässen, z.B. zur Verdi-Feier im Jänner 1926, zu Beethoven- und Brahmsveranstaltungen 1927 oder der Hugo Wolf-Gedenkfeier 1928 vertreten. Auch 1927 präsentierte St. in der populären Bühne ungewöhnl. neue Musik bzw. künstler. Ensembles, so z.B. die UA von Ivan Golls Operngroteske Palace Royal in der Vertonung von Kurt Weill oder Diaghilews Ballett anlässl. des Wiener Gastspiels (Dez. 1927). 1928 war Stefan in die Schubert-Feiern stark eingebunden u. veröffentl. auch eine Biographie über ihn, äußerte sich aber auch zu Kreneks Jonny u. dessen nachfolgende Kompositionen, insbes. die Kurzopern Der Diktator oder Schwergewicht oder die Ehre der Nationsowie zu F. Schrekers neuer Oper Der singende Teufel (Bühne 216/1928).

Ende der 1920er konnte St. auch auf eine beachtl. Radiopräsenz verweisen, allein 1929-30 mit je 20 Beiträgen, u.a. zu Schönbergs Gurrelieder. Neben der neuen Musik, z.B. dem Trio Krenek-Schönberg-Weill, Milhaud oder Janaček, interess. St. stets auch die Klassiker in der Linie von Mozart über Verdi bis Wagner. 1932 erschien denn auch Die Wiener Oper; 1933, anlässl. des 50. Todestages von Wagner veröffentl. St. die Schrift Die Feindschaft gegen Wagner; kulturpolit. äußert er sich kritisch über die Machtübernahme des Nationalsoz. in Deutschland. 1934 folgten Biographien zu Arturo Toscanini bzw. Bruno Walter. In den Folgejahren bleibt St. zwar noch aktiv, insbes. durch Radiobeitr., seine publizist. Präsenz ist insgesamt freilich rückläufig. Nach dem sog. Anschluss im März 1938 flüchtete Stefan nach Frankreich u. schloss sich in Paris der Liga für das geistige Österreich an; er gehörte auch ihrer Delegation beim Begräbnis von Joseph Roth an. 1940 flüchtet St. in die USA weiter.


Werke (Auswahl)

Anna Bahr-Mildenburg (1922); Hofmannsthal. Eine Ansprache (1924); Arnold Schönberg. Wandlung-Legende-Erscheinung-Bedeutung (1924); 25 Jahre neue Musik. = Jahrbuch der Universal Ed. (1926); Dvořak. Leben und Werk (1935); Toscanini (1935)

Literatur

Eintrag bei musiklexikon.atEintrag bei deacademic.com.

(PHK)

Geb. 28.6. 1880 in Budapest, gest. bzw. ermordet vermutl. am 11.10. 1944 in Auschwitz

Bühnenautor, Librettist für Operetten, Revuen und Kabarett, Komponist, Regisseur, Romancier.

Seit etwa 1900 lebte Sterk in Wien (eine erste Publikation in der Zs. Der Humorist erschien 1901), wo er seit 1907 im Theater- und Kabarettbetrieb als Autor von Operetten tätig wird: für das Bürgertheater mit Die Liebesfalle, für Die Hölle mit der einaktigen Operette Odysseus Heimkehr. 1910 folgten die Operetten Herr und Frau Biedermeier, vertont durch C. M. Ziehrer, sowie Das Musikantenmädel, wo er erstmals mit F. Grünbaum zusammenarbeitete. Große Resonanz im Publikum aber zwiespältiger Aufnahme durch die Kritik fand das ab Nov. 1914 auf dem Dt. Volkstheater laufende, gem. mit F. Grünbaum verfasste Lustspiel Sturmidyll, das in Russisch-Polen Alltags-Abenteuer eines k.u.k. Oberleutnants nachzeichnete, das 1915 auch in Olmütz aufgeführt wurde. 1916 folgte mit Mein Annerl eine weitere Co-Produktion mit F. Grünbaum in diesem Genre für das Carl-Theater. 1918-20 verfasste er Texte für die Revuebühne Femina, z.B. gem. mit F. Löhner eine Revue mit satir. Zeitbezug unter dem Titel Alles schiebt (1920). Im März 1919 war er neben dem Chanson-Texter Bela Laszky zuerst Mitbegründer und im Mai 1919 unter den Akteuren der „Sozialisierung“ des sich dezidiert politisch verstehenden Varietè-Theaters  ›Künstlerspiele Pan‹ in der Riemergasse durch einen aus Ensemblemitgliedern gebildeten Theaterrat und wirkte als dessen erster Spielleiter/Regisseur. 1921 wurde seine Posse Eine feine Nummer im Olypia-Varietè gegeben, im Nov. desselben Jahres kam seine Revue Bis fünf Uhr früh in Berlin auf der Kleinkunstbühne Potpourri zur Aufführung (NWTbl.,24.1.1921, 8). In Berlin erlebte 1922 schießlich seine mit F. Grünbau verf. Operette Dorine und der Zufall ihre Uraufführung; in Wien stand sie im Folgejahr als Gastspiel ebenso erfolgreich („ein ganz besonderes Vergnügen“; Der Humorist, 8.9.1923) im Bürgertheater auf dem Programm wie 1927 als eigentl. Wr. Erstauff. auf der Rolandbühne. 1928 wurde sie in der Regie von F. Preißler durch die Sascha verfilmt.

1924 vollendete Sterk zwei Operetten, die auch aufgeführt wurden: Agri sowie die recht erfolgreich (50 Aufführungen bis März 1925) Pusztaliebchen, die auch in München, Bologna u. Mailand im zwischen August 1925 u. Feb. 1926 in Gastinszen. zur Aufführung gelangte (Der Tag, 17.11.1925, 7). Für Leo Aschers erfolgreiche Operette Ich hab‘ dich lieb, die in Berlin ihre UA erlebte, verfasste Sterk 1926 das Libretto, sodass er bereits Mitte der 1920er Jahre mit nahezu allen wichtigen Operettenkomponisten zusammengearbeitet u. in verschiedenen Funktionen an insges. rund 40 Operetten u. Lustspielen mitgewirkt hat (NWJ, 29.8.1926, 26). Für die Variétébühne Der Faun (Nachfolge von Künstlerspiele Pan) verf. Sterk 1927 eine „Mitternachtsszene“ unter dem Titel Der Faun, ferner die Operette Yvette und ihre Freunde. Ende der 1920er Jahre betätigte sich Sterk auch als Komponist bzw. Verfasser von (Schlager)Liedern, die z.T. hocherfolgreich waren, so z.B. von Du bist die schönste Frau (Dez. 1929, Gr. Musikvereinssaal). 1930 folgte eine Neubearb. der Johann Strauß-Operette Der lustige Krieg, sowie die gemeins. mit Grünbaum verfasste u. von Dol Dauber mit Jazzmusik unterlegte Revue Intermezzo im Zirkus, die in F. Heller im Tag einen geneigten Kritiker fand. Im Dez. dess. Jahres kam die Operette Der König ihres Herzens zur Aufführung und ab August 1932 die von ihm für die deutschsprachigen Bühnen bearbeitete ungar. Operette Tango um Mitternacht von Karl Komjati, die auch international (auf 20 deutschen Bühnen zur Jahreswende 1932-33, Radioübertragungen in Belgien u. Italien bis 1937) überaus erfolgreich war und im März 1933 in Wien ihre Erstaufführung erlebte. Nach 1934 zog sich Sterk aus dem Betrieb sichtlich zurück bzw. beschränkte sich auf gelegentliche Mitwirkungen bei Gemeinschaftsproduktionen. Obwohl bereits 1912 aus der Israelit. KG ausgetreten, wurde er am 15.1.1943 nach Theresienstadt deportiert und von dort am 9.10. 1944 nach Auschwitz, wo er offenbar sofort nach der Ankunft ermordet wurde.


Literatur

R. Müller: W. Sterk. In: ÖBL, Bd. 13, Wien 2007-10, 219; online verfügbar unter: https://www.biographien.ac.at/oebl_13/219.pdf; K. Weniger: Zwischen Bühne und Baracke. Lexikon der verfolgten Theater-, Film- und Musikkünstler 1933 bis 1945. Mit einem Geleitwort von Paul Spiegel. Berlin 2008, 327; K. Ploog: …als die Noten laufen lernten. Bd. 1.2. Komponisten. Norderstedt 2019, 281f.

Weitere Werke (Auswahl)

Rifka Perl. Ein Liebesroman aus Galizien (1920); Des Königs Nachbarin (Singspiel, 1923, gem. mit F. Grünbaum); Ich und Du (1926); Alles verkehrt (Nachtrevue, 1927); Meine Tochter Otto (Operette, 1927)

Quellen und Dokumente

W. Sterk: Theater- Schüttel- und Knüttelverse. In: Der Humorist, 1.3.1907, S. 9; -bs-: Sturmidyll. In: NWJ, 15.11.1914, S. 12-13; Gründungserklärung der Kunstspiele „Pan“. In: Wiener Sporttageblatt, 13.3.1919, S. 4; Sozialisierung der Künstlerspiele „Pan“. In: NWJ, 30.5.1919, S. 26; N.N. über: Dorine und der Zufall. In: Der Humorist, 8.9.1923, S. 2; N.N. über: Pusztaliebchen. In: Der Morgen, 22. 12.1924, S. 4; F.Heller über: Dorine und der Zufall (Neuinsz.). In: Der Tag, 17.3. 1927, S. 5; F. Heller über: Yvette und ihre Freunde. In: Der Tag, 19.11.1927, S. 6; Filmplakat zu: Dorine (Junge, schön und reich). In: Mein Film, H. 146/1928, S. 15; Filmkritik zu: Dorine und der Zufall. In: Der Tag, 12.10.1928, S. 8; F. H[eller]: Intermezzo im Zirkus. In: Der Tag, 18.11.1930, S. 7; (Kurzmeldung): Ein Tango um Mitternacht. In: NWJ, 13.5.1932, S. 10.

(PHK)

(work in progress…)

Geb. 19.7. 1899 in Wien, gest. 31.1. 1980 in San Juan/ Puerto Rico. Feuilletonist, Philosoph, Exilant

Materialien und Quellen:

Der Sprechfilm – ein Rivale des Theaters? In: Die Bühne, H. 197/1928, S. 24-25; Moses Mendelssohn (zum 200. Geburtstag), in: Neues Wr.Tagblatt, 6.9. 1929, S. 2-3;

(in preparation)

als Schriftsteller häufig als Josef Luitpold, geb. am 16.4.1886 in Wien – gest. am 13.9.1966 in Wien; Schriftsteller, Funktionär der Arbeiterbildung

J. L. S. entstammte einer jüdischen Handwerkerfamilie. Sein Vater Moriz ermöglichte ihm als Administrator der Arbeiter-Zeitung den Gymnasialbesuch. Nach dem frühen Tod des Vaters 15-jährig als Hauslehrer tätig, engagierte sich S. im Verband Jugendlicher Arbeiter und trat früh publizistisch in Erscheinung. Seit dem Studium der Rechtswissenschaften in Wien und Heidelberg (1904-1909) durch Kontakte zu Victor Adler, Robert Danneberg, Ludo Hartmann, Emil Reich und Max Winter rascher Aufstieg in der Sozialdemokratie, zunächst Tätigkeit als Bibliothekar und Vortragender im Ottakringer Volksheim, ab 1911 zahlreiche literarische wie publizistische Veröffentlichungen in der Arbeiter-Zeitung und in Der Kampf, maßgebliche Mitwirkung an der Wiener Freien Volksbühne, 1913/14 Redakteur von deren Publikationsorgan Der Strom. 1912 wurde S. Leiter der Abteilung Büchereien der Arbeiterbildungszentrale, 1914/15 gab er die pazifistische Satirezeitschrift Glühlichter heraus. Im Ersten Weltkrieg ab 1915 als Soldat an der Isonzofront sowie als Antikriegsdichter aktiv (Gedichtsammlung Herz im Eisen 1917, illustriert von Alfred Kubin), übernahm S. 1918/19, eingesetzt von Julius Deutsch, neben der Leitung der Bildungszentrale die Position des Bildungsoffiziers der Deutsch-Österreichischen Volkswehr. 1919 gründete er die Sozialdemokratische Kunststelle mit David J. Bach, als dessen ideologischer Gegenspieler er sich bereits vor 1914 positioniert, strebte S. wie Richard Wagner und Otto Felix Kanitz (doch) die Überwindung der Überreste liberaler Programmatik in der sozialistischen Kulturpolitik sowie die deutliche Abgrenzung von einer bürgerlichen Kultur an. S. forcierte in- und ausländische Arbeiterliteratur, etwa von Franz Michael Felder, Alfons Petzold, Johan Falkenberget und Martin Andersen Nexø. Der Bruch mit Mitstreitern führte 1922 zur Übersiedlung in die Tschechoslowakei, wo er die Leitung der Zentralstelle für Bildungswesen der Deutschen Sozialdemokratischen Arbeiterpartei übernahm. 1923 hielt er am Aussiger Parteitag die programmatische Rede Klassenkampf und Massenschulung.

1926 kehrte S. als Rektor der neugegründeten Arbeiterhochschule nach Wien zurück, an der u.a. Karl SeitzOtto Bauer, Karl Renner, Max Adler und Otto Neurath lehrten. Neben der Mitbegründung der Büchergilde Gutenberg in Österreich, der Herausgabe des Arbeiter-Kalenders und mehreren von O. R. Schatz illustrierten literarischen Arbeiten rege Publikationstätigkeit in Der Kampf und Bildungsarbeit, dabei Dispute mit Karl Kraus, Theodor Kramer und Rudolf Brunngraber. 1932 wurde er erneut Leiter der Bildungszentrale, 1933 Mitbegründer und Vorsitzender der Vereinigung Sozialistischer Schriftsteller. 1934 floh er nach Brünn/Brno, später in die USA. 1948 Rückkehr nach Österreich. Nach 1945 zahlreiche Auszeichnungen, u.a. 1958 der Staatspreis für Volksbildung und Ernennung zum Professor.


Werke (Auswahl)

Das Wiener Volksbildungswesen (1910), Soziale Balladen (1911), Klassenkampf und Massenschulung (1924), Der entwurzelte Baum. In Holz geschnitten von Otto-R. Schatz. (1926), Die neue Stadt. Mit einem Holzschnitt von O. R. Schatz (1927), Die Rückkehr des Prometheus (1927), Das Josef-Luitpold-Buch. Lyrik und Prosa aus vier Jahrzehnten. Herausgegeben von Alfred Zohner (1948)

Quellen und Dokumente

Arbeiter und Dichter. In: Der Kampf IV, 4. Jänner 1912, S. 182-188, Auf dem Weg zur Kultur. In: Der Kampf XIX, 5. Mai 1926, S. 193-195, Der Arbeiter und die Kultur. In: Bildungsarbeit XVII, 5. Mai 1930, S. 1-4, Morast der Gleichgültigkeit. In: Der Kampf XXIV, 9. September 1931, S. 417f [= Rezension zu Theodor Kramers Wir lagen in Wolhynien im Morast], Rudolf Brunngraber: Karl und das 20. Jahrhundert. In: BA, XIX, 12. Dezember 1932, S. 255.

Literatur

Jürgen Doll: Proletarische Gegenkultur? Zu J. L. S.s Versuch, das Konzept einer proletarischen Klassenkultur auf sozialdemokratischer Basis zu begründen. In: Konstantin Kaiser et al. (Hg.): Rote Tränen. Die Zerstörung der Arbeiterkultur durch Faschismus und Nationalsozialismus, 28-43 (2017), Ernst K. Herlitzka: Josef Luitpold Stern (1886-196). Versuch einer Würdigung. In: Gerhard Botz et al. (Hg.): Bewegung und Klasse. Studien zur österreichischen Arbeitergeschichte (1978), 119-157, Norbert Leser: Josef Luitpold Stern. 1886-1966. In: N. L.: Grenzgänger. Österreichische Geistesgeschichte in Totenbeschwörungen. Band II (1982), 209-224, Sabine Lichtenberger: „Der unermüdliche Trommler“ – Josef Luitpold Stern (1886-1966). In: Zwischenwelt 28 (2011), H. 1/2, 15-22, Hugo Pepper: Josef Luitpold Stern. Versuch einer Bibliographie. In: Mit der Ziehharmonika. Zeitschrift der Theodor-Kramer-Gesellschaft 9 (1992), H. 3, 21-23, Alfred Pfoser: Literatur und Austromarxismus (1980), Daniela Strigl: Stern gegen Kramer, Kraus gegen Stern. Widersprüche zur sozialdemokratischen Lyrik der Ersten Republik. In: Wendelin Schmidt-Dengler (Hg.): Konflikte – Skandale – Dichterfehden in der österreichischen Literatur (1995) 151-162, Marcus Strohmeier: Lernen um zu kämpfen. Kämpfen um zu siegen. Josef Luitpold Stern (1886-1966) (2011) [Online verfügbar].

(ME)

Geb. 8.11.1868 in Wien, gest. 28.6.1945 in Havanna (Cuba). Theater- und Literaturkritiker, Redakteur, Anwalt

Der Sohn eines Bankbeamten studierte nach Absolvierung des Gymnasiums ab 1887 Jus an der Universität Wien, wo er 1895 zum Dr. jur. promoviert wurde. Bereits um 1890 wurde Sternberg als Mitarbeiter verschiedener Zeitungen tätig wie z.B. des Wiener Tagblatts oder der Deutschen Zeitung. Aufgrund seiner jüdischen Herkunft geriet er 1892 ins Visier einer antisemitischen Kampagne, die eigentl. vom nordbühm. Provinzblatt Warnsdorfer Volkszeitung unter dem Titel Die Macher der öffentlichen Meinung losgetreten und von mehreren anderen österr. Ztg. übernommen wurde (Linzer Volksblatt, Deutsches Volksblatt etc.). Seit Ende 1894 war er, nach dem Austritt aus der Dt. Zeitung, die im Juli von der antisemit. Dt. Volkszeitung übernommen wurde, für das Feuilleton des Organs der ‚Produktion‘ (Industrie), ›Die Arbeit‹, tätig. Ab 1898 engagiert sich Sternberg auch in der Journalisten- und Schriftstellervereinigung ›Concordia‹ und tritt in die Lokalredaktion der NFP ein. Ende 1901 war St. wegen eines von ihm in der Breslauer Ztg. veröffentlichten Wiener Briefs über das Stück Der neue Simson sowie damit verknüpfter Herausgeberallüren in einen Ehrenbeleidigungsprozess verwickelt, den Karl Kraus gegen ihn angestrengt hat; ihm folgten in den Jahren bis 1910 verschiedene andere Ehrenbeleidigungsscharmützel mit lokalen Persönlichkeiten. 1908 trat Sternberg aus der Israelitischen Kultusgemeinde aus (Staudacher, 592); ab 1910 firmierte Sternberg im Herausgeber-Impressum der NFP. Während des Ersten Weltkrieges trat Sternberg nicht besonders in Erscheinung. Im April 1918 nahm er an der Gründungsversammlung des Deutsch-österreichischen Theatervereins teil, dessen Vorstand u.a. so unterschiedliche Persönlichkeiten wie D. J. Bach, W. Brecht, K. Glossy oder O. Kattan angehören sollten. Am 12. Nov. 1918 befand er sich just zu dem Zeitpunkt in den Redaktionsräumen, als die NFP kurzzeitig von der Roten Garde besetzt wurde, wovon er tags darauf im NWTBl. berichtete. Im Juni 1919 verehelichte sich Sternberg mit Blanche Schnitzer, geb. Paris. Seit 1921 (bis 1927) verf. Sternberg Literaturkritik in Form von zirka 200 Buchbesprechungen in der Rubrik ‚Bücher von denen man spricht‘, für die Zs. Moderne Welt. Er war damit ein wichtiger Kritiker und eröffnete seine Karriere mit einem Nachruf auf Th. Rittner oder Buchbesprechungen wie z.B. zur Traumpeitsche von O. Soyka oder Erzählungen von F. K. Ginzkey, 1922 des verqueren Revolutionsromans Die gelbe Fahne von L. Fischmann oder zu Büchern im Umfeld zeitgenöss. Okkultismus-Texte wie z.B. von Paul Busson und Gustav Meyrink. 1923 folgten u.a. die Besprechung von St. Zweigs Amok sowie des neuaufgel. Bd. Die Patrizierin von J. V. Widmann, ferner von F. Saltens „wundersam aufregendes […] Jugendbuch“ Bambi oder E. Lothars Irrlicht des Geistes; 1924 eine Reihe herausragender Texte wie z.B. H. Manns Novellenband Der Jüngling, Th. Manns Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull, Turlupin von L. Perutz, J. Wassermanns Der Geist des Pilgers oder F. Werfels Verdi. Sternberg ließ sich aber auch G. Hirschfelds Das Blut der Messalina ein, das er den „Niederungen der Kolportage“ zurechnete, auf Ernst Kleins Romane, für ihn positive Überraschungen sowie auf L. Winders Hugo, der zwar Züge einer „krankhaften Erotik“ trage, aber dennoch eine „starke epische Verheißung“ sei. Unter den Büchern, die in der MW 1925 besprochen werden, ragen, so Sternberg, Schnitzlers Fräulein Else und Th. Manns Zauberberg heraus, ihnen nähert er sich respektvoll und bespricht sie zugleich treffend. Daneben galt seine Aufmerksamkeit, auch seine Kritik, Büchern von Roda-Roda, Paul Bourget, R. J. Kreutz oder den von R. Fülöp-Miller hg. Lebenserinnerungen der Witwe von F. Dostojewski, 1926 neben St. Zweigs Verwirrung der Gefühle, Th. Manns Unordnung und frühes Leid, J. Wassermanns Der Aufruhr um den Junker Ernst und F. Werfels Der Tod des Kleinbürgers wiederum auch Autoren wie Hans Adler, Oskar Jellinek oder Max Scheyer sowie, in krit. Distanz, H. Manns Mutter Marie, J. Galsworthy und seiner Fortsetzung der Forsyte-Saga, S. Lagerlöf oder P. Benoit. Im letzten Jahr seiner Tätigkeit als Literaturkritiker besprach er u.a. Neuerscheinungen von W. Angel, P. Busson, G. Fröschel, Roda-Roda, A. Schnitzler und L. Slezak. Nach dem Ende dieser Tätigkeit für die MW konzentrierte sich Sternberg vorwiegend auf Redaktionsarbeiten in der NFP, wobei er in zahlreiche Presseverfahren verwickelt war. U.a. denunzierte er 1927 den Republikanischen Schutzbund, Kontakte zum jugoslawischen Generalstab aufgenommen zu haben, wurde aber verurteilt, die Richtigstellung durch J. Deutsch zu veröffentlichen. 1930 engagierte er sich aber auch gegen die neue Preßgesetzvorlage (mit Ansätzen einer Vorzensur) durch die Regierung, was ihm Anerkennung über die versch. Lager hinweg, selbst seitens der Roten Fahne, eintrug. 1931 war Sternberg in den Wien-Besuch des Zeppelin-Luftschiffes involviert, den die NFP mitorganisiert hatte; darüber hinaus auch wieder in mehrere Presseverfahren. Eines der kurioseren Verfahren war jenes, das der zuständige Staatsanwalt im Zuge einer Beschlagnahmung gegen ihn einleitete, als Sternberg aus einschlägigen Quellen die dubiosen Kontakte und Putschvorbereitungen des Heimwehr-Majors Papst in einem Artikel anprangerte (s. Der Abend, 30.9.1932,4). Im Zuge der Einführung der sog. Notverordnung im März 1933, welche auch presserechtl. Einschränkungen zur Folge hatte, formulierte Sternberg namens der Concordia schriftl. einen scharfen Protest, der allerdings wirkungslos geblieben ist. 1934-35 trat er außer in seiner Funktion als verantwortl. Redakteur der NFP kaum mehr öffentlich in Erscheinung; 1936 berief ihn BK Schuschnigg in den sog. Standesstrafsenat für Pressewesen, dem F. Funder (Chefred. der Reichspost) vorstand; nach dem Anschluss wurde er aus der Redaktion entlassen und musste sich alsbald aufgr. seiner jüd. Familienherkunft um ein Ausreisevisum kümmern. Ein erster Versuch 1939 misslang, erst (vermutl.) im Sept. 1941 gelang ihm über Barcelona die Flucht nach Havanna.

Quellen und Dokumente:

Anna L. Staudacher: “…meldet den Austritt aus dem mosaischen Glauben…“ Frankfurt/M. u.a. 2009.http://www.biographien.ac.at/oebl/oebl_S/Sternberg_Julian_1868_1945.xml; J. Sternberg: Decadent. In: Die Arbeit, 30.12.1894, S. 7; Der neue Simson vor dem Bezirksgericht. In: Deutsches Volksblatt, 14.1.1901, S. 10; N.N.: Kurze Besetzung der Redaktion der NFP. In: Neues Wr. Tagblatt, 13.11.1918, S. 6; J. Sternberg (J.St.): Thaddäus Rittner. In: Moderne Welt H.3/1921-22, S. 19; J. St.: Otto Soyka: Die Traumpeitsche. In: Moderne Welt, H.5/1921-22, S. 10; J. St.: Zu St. Zweigs Amok. In: Moderne Welt, H. 9/1923, S. 28f.; Zu F. Saltens Bambi. In: Moderne Welt, H. 12/1923, S. 9; Zu E. Lothar: Irrlicht des Geistes. In: Moderne Welt, H.8/1923, S. 28; Drei Romane von E. Klein. In: Moderne Welt, H. 21/1924, S. 20f. Zu L. Perutz: Turlupin. In: Moderne Welt, H. /1924, S. 17; Zu L. Winders Hugo. Tragödie eines Knaben. In: Moderne Welt, H 6/1924, S. 18; . Sternberg: Zu Schnitzlers Fräulein Else und Th. Manns Zauberberg. In: Moderne Welt, H. /1925, S. 21; Zu Wassermanns Aufruhr des Junkers und Werfels Tod des Kleinbürgers. In: Moderne Welt, H.16/1926, S. 23f.; Die faschistische Pressdiktatur. In: Rote Fahne, 26.6.1930, S. 3; N.N.: Protestkundgebung gegen Pressegesetz. In: Der Tag, 26.6.1930, S. 4; Presseprozess gegen Putschisten Papst. In: Der Abend, 30.9.1932, S. 4.

(PHK)