Die Entwicklung des Politischen Kabaretts (PK) ist einerseits im breiteren Kontext der österreichischen Kabarett-Kleinkunst seit der Jahrhundertwende, andererseits, und hier besonders, im Umfeld der Theater- und Kulturpolitik des Roten Wien seit Mitte der 1920er zu sehen. Im Unterschied zu Deutschland, wo nach dem Modell des sowjetischen Proletkult sich ein politisch engagiertes Theater sowohl im KPD- als auch im SDP-Umfeld seit 1920, so J. Doll, etabliert hatte, datieren erste Versuche in Österreich erst in die Zeit ab 1925. Zum einen ist dabei an die Sprechchor-Debatte und die frühen Sprechchoraufführungen zu denken, z.B. an E. Fischers Der ewige Rebell anlässl. der Republikfeier im Nov. 1925 im Grazer Opernhaus oder an J.L. Sterns Die neue Stadt (anlässl. der Eröffnung des Engels-Hofes (ebf. 1925), zum anderen an die Aktivitäten des Verbandes Sozialistischer Mittelschüler (VSM) im Rahmen von Ferienkolonien, aus denen 1926 die Sozialistische Veranstaltungsgruppe hervorging, welche wiederum die Roten Spielleute organisierten. Die maßgeblichen Initiatoren waren Paul Lazarsfeld, Marie Jahoda, Ludwig Wagner und Hans Zeisel, die z.T. von Ideen der deutschen Jugendbewegung, insbes. von Gustav Wyneken, z.T. von Schul- und Laientheaterprojekten der Reformpädagogik von Eugenie Schwarzwald nebst ihren Erfahrungen im VSM geprägt waren.

Seit 1926 fanden regelmäßig Schulungen und Treffen statt, auf denen auch theoretische Aspekte der Verbindung von Theater und Parteiarbeit diskutiert wurden. Nach einer ersten Revue über den Bauernkrieg ging die Truppe 1926 mit einer zweiten unter dem Titel Achtzig Jahre Märzrevolution auf Tournee durch mehrere  Bundesländer u. erzielte dabei in etlichen sozialdemokr. verwalteten (Klein)Städten der Steiermark, Ober- und Niederösterreichs sowie Kärntens einigen Erfolg. 1927 verlagerte sich die Tätigkeit des PK (unter Robert Ehrenzweig und Viktor Grünbaum) vorwiegend nach Wien u. wurde Teil des auch von der Kunststelle betreuten Kulturprogramms der SDAP in verschiedenen Parteilokalen, Hotels u. Veranstaltungsräumen, u.a. dem Palastkino oder den Künstlerspielen. Bereits am 8.4. 1927 berichtete die AZ von der 25. Aufführung des PK, am 3.12. 1927 von der 50. Aufführung, viele davon mit dem Vermerk ‚ausverkauft‘ versehen. Im Mai 1927 wurde ein neues Programm unter dem Titel Ruck nach rechts angekündigt. Als entscheidenden Schritt Richtung modernes Theater erachtet Doll die Abkehr von der ursprünglichen Form des historischen Bilderbogens hin zu einer produktiven Integration zeitaktueller Formen des Unterhaltungstheaters wie der Revue, dem Kabarett oder des Varieté. R. Ehrenzweig bestimmte diesen Paradigmenwechsel wesentlich mit u. setzte sich auch theoret. damit auseinander, z.B. in seinem Artikel Agitationstheater (1929). Grundlegend ging es darum, das PK in den Dienst der (Partei)Propaganda zu stellen, quasi ein Agitprop-Modelle, sowie Aufklärung u. Propaganda durch Satire und kritisches Lachen zu befördern bzw. zu erzielen. Den Programmen bis 1928 lag daher auch eine Varieté-Struktur zugrunde, die Platz für Improvisation ließ, auch für formale Experimente zwischen Sprechchor, Tanz oder Travestien, sich aber auch z.T. an K. Kraus, z.T. an sowjetischen Vorbildern orientierte. Einen weiteren Wendepunkt markierte einerseits Ehrenzweigs Berlin-Aufenthalt 1928, wo er mit dem Piscator-Kollektiv in Kontakt kam, andererseits der Eintritt von Jura Soyfer in das PK. Mit letzterem verstärkte sich z.B. der Rückbezug auf die Tradition des Wiener Volkstheaters mit Anleihen bei Nestroy und Raimund, z.B. in der Revue Hallo, hier Klassenharmonie! (1929) oder Denken verboten! (1931), aber auch bei Hanswurstiaden wie z.B. in der Revue Hirnschal macht Weltgeschichte (1930). Anl. der 100. Auff. am 24.2. 1929 beschrieb V. Leon in der AZ die Arbeit u. die Absichten des PK. Im Juli 1929 wirkte das PK im Zuge des Internat. Jugendtreffens in Wien mit und trat mit einer ersten programmat. Broschüre an die Öffentlichkeit, zu der u.a. E. Fischer u. J. Hannak Beiträge lieferten, im Okt. 1929 trat im Zuge einer Festveranst. anl. des 20jährigen Bestehens der Arbeiterjugend in Wiener Neustadt im Rahmen des PK auch die Tänzerin G. Geert auf. Im Wahlkampf 1930 trat auch das PK aktiv u. verstärkt in Erscheinung u. wurde als eine neue, notwendige Form der Mobilisierung der Massen, so ein Beitr. in der Zs. Die Bildungsarbeit, angesehen. 1929-30 entstanden eigenständige PK-Gruppen auch in der Steiermark u. Oberösterreich, wie Veranstaltungsanzeigen aus dem Arbeiterwillen bzw. dem Tagblatt bezeugen.

Zwischen März und Dezember 1931 lief mit großem Erfolg die medienkritische Revue Denken verboten!, ab 17.12. folgte dann der ‚politische Bilderbogen‘ Warum?, darum!. Im Wiener Gemeinderat-Wahlkampf von 1932 traten sowohl das PK unterstützend auf als auch die ebf. 1932 gegr. Rote-Spieler Gruppen. Begleitend dazu wurde im Febr. 1932 auch die Zeitschr. Die Politische Bühne gegr., die von R. Ehrenzweig, K. Sobel u. J. Soyfer redigiert wurde u. theoretische wie anwendungsorientierte Artikel zur Verbindung von Agitation und Feierkultur brachte. Dies sollte einer Politisierung der trad. sozialdemokrat. Feierkultur den Weg bereiten und die Revue-Konzeption entspr. aufwerten. Neben Ehrenzweig trat dabei auch der einzige Arbeiterschriftsteller dieser Gruppe, Willy Miksch, mit eigenständigen Revuen hervor wie z.B. mit Der Funkturm der Welt (1932) oder Das Bauvolk der Erde (1933). Auch an den letzten großen Massenveranstaltungen des Roten Wien wie z.B. an der Arbeiterolympiade 1931 oder am Festzug des neuen Wien im April 1932 wirkten, meist unter Regie von R. Ehrenzweig oder des M. Reinhart-Assistenten St. Hock, das PK oder Gruppen der Roten Spieler mit. Nach der Ausschaltung des Parlaments u. der Einschränkungen der Presse- u. Versammlungsfreiheit gerieten diese Einrichtungen ins Visier des Dollfuß-Regimes, das die Roten Spieler im Nov. 1933 auch verbot. Die letzte Revue MM1 oder der Triumph der Technik wurde zwischen Februar und Mai mehrmals, meist ausverkauft, gespielt; in ihrem Rahmen kam es am 25.4.1933 zur 400. Auff. Programms des PK. Trotz der massiven Beeinträchtigungen u. des Zwanges, sich ab 1934 den Verhältnissen (subversiv) anzupassen u. zu stellen, gelang es Ehrenzweig wie Soyfer, in ihrer Theater- und Kabarettarbeit sowie in den satirischen Rundfunk-Features nach 1934 an diese früheren Erfahrungen anzuknüpfen und diese in der Kleinkunstszene bzw. im Exil produktiv weiterzuentwickeln (z.B. in den Hirnschal-Briefen).


Quellen und Dokumente

Viktor Neon: Hinter den Kulissen des Politischen Kabaretts. In: Arbeiter-Zeitung, 24.2.1929, S. 9, Leopold Thaller: Bildungsmittel und Propaganda im Wahlkampf. In: Bildungsarbeit XVII (1930), Nr. 10, S. 109f.;Cover von Der Kuckuck, 22.3.1931, S.1.

Literatur

R. Ehrenzweig: Vierhundertmal Politisches Kabinett. In: Die Politische Bühne; 2/1932, 29; G. Scheit: Der Gewinn des konkreten Humanismus zwischen Agitprop und Avantgarde-Bewegung. Zur Entwicklung der Dramatik von Jura Soyfer. In: ders.: Theater und revolutionärer Humanismus. Eine Studie zu J. Soyfer. Wien 1988, 13-39; J. Doll: Theater im Roten Wien. Vom sozialdemokratischen Agitprop zum dialektischen Theater Jura Soyfers. Wien u.a. 1997; Ders.: Sozialdemokratisches Theater im Wien der Zwischenkriegszeit. Vom Sprechchorwerk zu den Roten-Spieler-Szenen. In: P.-H. Kucher: Verdrängte Moderne – vergessene Avantgarde (2016), 79-94; F. Scheu: Humor als Waffe. Wien u.a. 1977; I. Reisner: Kabarett als Werkstatt des Theaters. Literarische Kleinkunst in Wien vor dem Zweiten Weltkrieg. Wien 2014; O. Panagl, R. Kriechbaum (Hgg.): Stachel wider den Zeitgeist. Politisches Kabarett, Flüsterwitz und subversive Textsorten. Wien u.a. 2004; B. Nowotny: Theater im Souterrain. Das politische Wiener Theater der 1. Republik. Dipl.Arb. Wien 2010 (Online verfügbar); M. Huber: „Sendung nicht angekommen“ – Die Wiener Kleinkunstbühne ABC (1934 –1938) (2018) (Online verfügbar).

(PHK)

Die erste Erwähnung des Begriffs Proletkult (PK) im österreichischen Raum erfolgte vermutlich in einem Bericht des Pester Lloyd noch vor Ende des Ersten Weltkriegs, als am 13.9. 1918 mit Bezug auf einen Bericht aus der Baltischen Zeitung in einer Notiz zu lesen stand: „‘Proletkult‘ lautet das schöne Wort, daß Herr Lunatscharksi für den kommunistischen Musentempel erfunden hat.“ (PL, 13.9.1918,16). Seit Februar, insbesondere aber seit Dezember 1919 berichtete die Wiener Rote Fahne (RF) regelmäßig über die PK-Entwicklung in der Sowjetunion. Auch das im Herbst 1919 ersch. Buch von Alfons Paquet Im kommunistischen Rußland wurde hierzu rezipiert und zwar auch von bürgerlichen Organen wie den Innsbrucker Nachrichten, die ihm am 3.7. 1919 das Feuilleton Die Kunst im kommunistischen Rußland widmeten. In der aktivistischen Zs. Neue Erde veröffentl. Georg Kulka 1919 einen Beitrag zu Proletkult und Wohnstadt, der anzeigt, dass das PK-Konzept auch als alltagskulturelles im Gespräch war (H.27/28/1919, 423-425).

Aus: Die Rote Fahne, 25.12.1919, S. 4

Im Dez. 1919 erschienen in der RF zwei Beiträge („von einem russischen Genossen), welche die Grundsätze, Organisationsform, Aufgaben und Ziele des PK erläuterten und somit als erste programmatische Positionierung der RF/KPÖ zur sowjetischen, proletarischen Kulturarbeit angesehen werden können. Seit Dez. 1919 und das ganze Jahr 1920 hindurch werden in versch. KPÖ-Ortsgruppen Wiens Vorträge über PK angeboten; Referent ist meist Gen. Zucker; am 7. Februar 1920 wird auch die Gründung eines ›Klubs für Proletkult‹ im Rahmen der kommunistischen Proletarierjugend in der RF angekündigt. Die offenkundige Resonanz der PK-Debatte, auch vor dem Hintergrund der Räterevolution in Ungarn, bewog auch die konservative Presse zu scharfen u. polemischen Abgrenzungen, z.B. die Reichspost in einem Leitartikel vom 4.5.1920 unter dem Titel Das Gesicht der Wirklichkeit, in dem der Proletkult u.a. als jüdische Klassenkampforganisation denunziert wurde. Die Resonanz innerhalb der sozialdemokrat. Kulturdebatte blieb dagegen sehr verhalten; eher regionale Organe wie die Vorarlberger Wacht berichtete 1920 über Bemühungen, auch in der Schweiz eine PK-Bewegung aufzubauen. 1921 folgte die Salzburger Wacht mit dem Abdruck eines zuvor im Tagebuch von St. Großmann ersch. Beitrags von Leo Mathias, der bei Rowohlt den krit. Bericht Genie und Wahnsinn in Rußland vorgelegt hatte sowie die Bildungsarbeit (BA, H. 11/12/1921, 94) mit einer Besprechung von A. Holitschers Drei Monate in Sowjetrußland, insgesamt „für sozialistische Gegner des Bolschewismus die wertvollste“ [!] Darstellung, obwohl zugestanden wird, dass der PK neben dem Projekt der Arbeitsschule von A. Gastjev immerhin zu den „erfolgreichen“ zu zählen sei.

Mit deutlich mehr Sympathie bespricht hingegen H. Menkes im NWJ das Buch von K. Umanski über die Neue Kunst in Rußland 1914-1919 und erwähnt dabei auch die Aufbruchsbewegung, die vom PK ausgehe. Seit H.3/1921 widmet sich auch die avantgard. ungar. Zs. MA wiederholt der PK-Debatte, u.a. 1923, als die Zweite präsentistische Deklaration gezeichnet von Eggeling und Hausmann, eine Grenzziehung zwischen dem sinnessphysiologischen Selbstverständnis der eigenen Deklaration und dem PK sowie dem (russ.) Konstruktivismus vornimmt. Dagegen wurde die Schrift von Platon M. Kerschenzev [Keržencev] Das schöpfende Theater (dt. Übers. 1922), die ab Ende der 1920er Jahre im österr. Agitprop-Umfeld bzw. des Politischen Kabaretts eine Rolle spielen wird, vorerst kaum wahrgenommen. 1924 zeichnet sich dennoch ein stärker sichtbares Interesse am PK quer durch die Presselandschaft ab: Im Juni 1924 suchte die Rote Fahne „talentierte Musiker und Schauspieler“ per Inserat zum Aufbau einer PK-Gruppe; im Juli behandelte R. Fülöp-Miller in einem NFP-Feuilleton über Das bolschewistische Theater auch den sowjet. PK,  und im August 1924 erschien im NWJ ein erläuternder Text von Lunatscharski über den PK in deutscher Übersetzung. Bereits 1925 formierte sich dagegen im Zuge des Gastspiels von A. Tairov Widerstand gegen die tendenziell positive Wahrnehmung der PK-Idee. Dies belegt ein Vortrag, zugleich ein Rundumschlag gegen das neuere russisch-sowjetische Theater (Mejerch’old, Stanislawski, Tairov), des Exilrussen F. Stepun, über den die Wiener Ztg. (26.5.1925, 6) berichtete. Die RF zeigte hingegen am 6.5. 1925 die Gründung ihrer PK-Gruppe im Arbeiterheim Blumauergasse (2.Bez.) an und bewarb diese den ganzen Sommer des Jahres hindurch; die vermutl. erste Aufführung im Rahmen eines Kunstabends fand Anfang Okt. 1925 statt. Die Arbeiter-Zeitung (AZ) kommentierte die PK-Idee erst (und sehr zurückhaltend) in einem Beitrag über die Vorführung von Eisensteins Panzerkreuzer Potemkin im Juni 1926 (AZ, 3.6.1926,7). Auch in anderen Organen (z.B. Kino-Journal, Morgenzeitung) wird die Mitwirkung von Schauspielern des Moskauer Proletkult-Theaters eigens angeführt; der Tag druckte z.B. einen Aufsatz von Eisenstein, der zuerst in der Vossischen Zeitung. erschienen war, nach; die AZ folgte 1927 mit dem Nachdruck des Eisenstein-Aufsatzes Massenkino (zuvor in der Zs. Weltbühne veröffentlicht), in dem dieser seine Arbeitsmethoden und die Bedeutung des PK-Konzepts nochmals darlegte.

Aus: Arbeiter-Zeitung, 22.12.1927, S. 6

Im Zuge der Zehnjahresfeiern der Oktoberrevolution trat der KPÖ-PK mehrmals auf, auch außerhalb Wiens wie z.B. in Graz, und die RF legte die wichtigsten Anliegen, insbes. die Opposition zum ‚bürgerlichen‘ Theater und die Unterstützung der revolutionären Agitation, aber auch den Kampf gegen den §144 (RF, 8.3.1927), mehrmals dar (RF, 16.8.1927). Ab 1928 veranstaltete der KPÖ-Proletkult Gedenkveranstaltungen zum Juli 1927, 1929 unterstützte auch die Rote Hilfe PK-Aufführungen, u.a. vom Moskauer Gewerkschaftstheater übernommener Stücke wie Die Schienen dröhnen. Während 1930 eine Reorganisation des PK innerhalb der KPÖ angestrebt wurde, weil sich daran trotz Einsicht in die propagandistische Wirkung zu wenige beteiligten, blieb die PK-Idee innerhalb der Sozialdemokratie umstritten und auf eine marginale Position zurückgedrängt. Nur die junge Parteilinke, die sich in der Sprechchorbewegung und im Politischen Kabarett formierte, d.h. die Gruppe um Robert Ehrenzweig und Ludwig Wagner, später dann auch Jura Soyfer, interessierte sich für das sowjetische Modell, das sie wesentlich über die (in der AZ oder in der BA nie besprochene) Programmschrift von Keržencev Das schöpferische Theater sowie über R. Fülöp-Millers Geist und Gesicht des Bolschewismus (1928) rezipierte (Doll, 2019, 222f.).

Ähnlich den Aufführungen des Politischen Kabaretts versuchte auch der KPÖ-PK um 1930 den Revuecharakter in die Agitprop-Arbeit zu integrieren, wie einzelne als erfolgreich bezeichnete Auftritte des PK, z.B. mit einer Presse-Revue im Zusammenhang mit dem Roten Pressetag oder eine Wahlrevue im November nahelegen. Ab 1931 ging die Bedeutung des PK für die KPÖ offenkundig zurück; nur mehr vereinzelte Berichte, meist über Veranstaltungen in Graz, druckte nun die RF ab, die noch 1930 fast täglich über Proben u. Versammlungen unter PK-Mitwirkung berichtet hatte. Die letzten Hinweise finden sich schließlich zu den Maifeiern 1932 in Graz und Wien (RF, 30.4. 1932, 8).


Quellen und Dokumente:

Arthur Holitscher: Proletkult. In: Ders.: Drei Monate in Sowjet-Rußland. Berlin: S. Fischer 1921, S. 96-109; Sergej Eisenstein: Massenkino. In: Arbeiter-Zeitung, 22.12.1927, S. 6,

Literatur

J. Doll: Zur Rezeption des sowjetrussischen Theaters in der österreichischen Sozialdemokratie. In: P.H. Kucher/R. Unterberger (Hgg.): Der lange Schatten des ‚Roten Oktober‘. Frankfurt/M. u.a. 2019, 221-238; P. Janke: Politische Massenfestspiele in Österreich zwischen1918 und 1938. Wien u.a. 2010;  R. Lorenz (Hg.): Proletarische Kulturrevolution in Sowjetrußland 1917-21. Dokumente des Proletkults. München 1969; L . Mally: Culture of the Future. The Proletkult Movement in Revolutionary Russia. Univ. California Press 1990.

Le «Proletkult», ou la culture des masses. In: Campus N°130 (2007) (Online verfügbar), James D. White: Proletkult. In: Red Hamlet: The Life and Ideas of Alexander Bogdanov (Online verfügbar).

(PHK)

(in Vorbereitung/in preparation)

Illustrierte Wochenschrift für Jedermann.

Wien 1924-1938

Erscheinungstag: Sonntag, Wiener Radioverlag, Schriftleiter/Redakteur: Franz Anderle

Auflage: nicht bekannt; Umfang: 46-64 Seiten

Noch vor der Gründung der RAVAG als die Radioöffentlichkeit dominierende und regelnde Institution mit Monopolstellung im Sendebereich am 1. Oktober 1924 erschien seit März 1924, d.h. nur wenige Monate nach Inbetriebnahme der ersten regelmäßigen Rundfunksendungen ab Dezember 1923, die Zs. Radiowelt (RW), die zugleich auch als Organ des Verband der Österreichischen Radioamateurclubs firmierte (obwohl dies im Impressum nicht explizit ausgewiesen war). Im Gegensatz zu anderen Radiozeitschriften der 1920er Jahre verstand sich die RW nicht nur als Forum für technisch interessierte Bastler und „Sendeamateure“ sowie als Programmanzeiger, obwohl mehr als die Hälfte ihres Umfangs dem technischen Teil ›Radioamateure‹ sowie einem 6-8 seitigen Inseratenteil gewidmet war, sondern auch und in programmat. Weise als „Kulturträger“. Darunter wurden u.a. verschiedene Aspekte von „Radiodemokratie“ verstanden wie z.B. Partizipation an der Gestaltung von Programmen, eine Verknüpfung des neuen Mediums mit volksbildnerischen Initiativen oder freier Sendeverkehr anstatt Monopolisierung unter den Radioamateuren. Dies alles forderte der Programmartikel Radiofreiheit bereits in Heft 3 vom 23.3.1924, womit eine dezidiert kultur- und gesellschaftspolitische Positionierung, verstärkt z.B. durch Aufrufe für Pazifismus oder Integration von Hörererfahrungen, zum Ausdruck kam. Schon 1925 wurden Berichte der RW für andere Zeitungen zu Quellen, auf die sie sich beriefen wie z.B. die Beilage ›Radioblatt‹ der Neuen Zeitung, 1926 auch für das Prager TBl. u. div. Österr. Regionalzeitungen. 1925 wurde durch die RW auch das Projekt einer Radio-Volkshochschule lanciert (RW, 31/1925, S.4), das auf die inzwischen rasant angestiegenen Radioanschlüsse und –hörerInnen (von rund 40.000 im Sommer 1924 auf über 100.000 1925 und 200.000 im Jahr 1926) Bezug nahm. Von Beginn an schwebte der RW daher auch eine systematische Durchdringung Wiens mit Radiostationen bzw. öffentlichen Radioanschlüssen vor: die Idee eines „drahtlosen Wien“ mit Radiosalons (RW, 1/1924, S.4), Radio-Kaffeehäusern, Radio in Geschäften oder Parkanlagen (RW, 21/1926, S.5), aber auch mit Radioveranstaltungen (Konzerte, Reportagen) an vielfrequentierten Schauplätzen eines technisch durchgestylten Stadtkörpers (RW, 49/1927, S.10). In Projekten und Ideen wie den genannten spiegelt sich einerseits das Bestreben nach Interaktivität mit der Hörerschaft, andererseits das Bemühen, Anschluss an internationale Trends zu finden bzw. diese nach Österreich zu vermitteln, z.B. in der Rubrik Was gibt’s Neues im Äther? mit ihren Kurzberichten aus der internat. Radiopresse (Radio Times, Popular Wireless, Deutscher Rundfunk etc.). Weitere stabile Rubriken nach dem Leitartikel waren jene zum Programm der wichtigsten 30-40 europäischen Radiosender (von Lissabon über London, Paris bis Stockholm oder Warschau), Der Hörer als Kritiker sowie jene zum Wiener Kinoprogramm und zur Konzertwoche, sowie die Rubrik Sprachkurse. Zwar liegen keine präzisen Auflagezahlen vor, doch 1926 sind auf eine Umfrage hin gut 10.000 Zuschriften eingelangt. Auch das Profil des Radioprogramms wurde von Beginn an hinterfragt u. mit eigenen Vorstellungen (vgl. Beitr. Die Sendung des Wiener Senders; RW, 23/1924, S.1) sowie mit jenen der Hörerzuschriften abgeglichen. Wiederholt wird dem Österr. Radio dabei mehrmals Mangel an Aktualität vorgeworfen, ein Nichtausschöpfen der Möglichkeiten (Liveschaltungen, Reportagen, Präsenz bei kulturellen u. politischen Großereignissen), die erst (und nicht systematisch) ab 1927 gelegentlich in den Vordergrund treten (z.B. Berichte aus einem Flugzeug, aus den Sascha-Filmstudios, aus der Türmerstube des Stephansdoms etc.) und, wenngleich nur im Ansatz das Radio zum „Hörbild des fluktuierenden Lebens“ (RW, 29/1927, S. 3) machen sollten. Öffentlichkeitswirksam wurden solche Forderungen aber erst 1929 im Zuge der Diskussion über die Übertragung von Fußball-Länderspielen (RW, 13/1929, 392).

Breiten Raum nahmen seit Anbeginn auch künstlerische Fragen ein, die sich sowohl mit den spezifischen Potentialen des Mediums beschäftigen als auch mit Möglichkeiten, Ereignisse aus dem Kunst- und Kulturleben via Radio publik zu machen bzw. zu bearbeiten. B. Balázs prägte z.B. in einem in der RW (nach dem Erstdruck im Tag) veröffentl. Beitrag den Begriff des ›Radiodrama‹, der die „sichtbaren Kulissen der Bühne“ […] ins Akustische übersetzt. (RW, 14/1924, S. 6); H. Nüchtern und R. Mordo den der ›Radio-Bühne‹, die bereits im Nov. 1924 mit Auszügen aus klassischen literarischen Texten (J. Tepl, F. Schiller) sowie Opern (Mozart) erste Versuche unternahm. Diese waren eingebettet in eine breitere, auch europäische Diskussion, z.B. auch mitgetragen von G.B. Shaw. Die Popularität des neuen Mediums bewog die Zs. Die Bühne dazu, selbst auch eine Rubrik Radio-Bühne (Red. J. Székely) einzurichten und bereits im ersten Heft (6.11.1924) ein Preisausschreiben (für Radio-Lieder, -Novellen, -Romane oder Radioscherze) auszuloben. Für 1926/27 kündigte H. Nüchtern, Leiter der Radiobühne der RAVAG, in der RW z.B. folgende Akzente für das Radiobühne-Programm an: „ Auf der Radiobühne sollen in regelmäßigen Intervallen Klassiker, moderne Dichter, Einakter und das Volksstück zu Wort kommen.“ (RW, 36/1929, 13) Darunter verstand der verantwortliche Leiter, ein Angebot, bestehend aus einem „Zyklus moderner Dichter“ (Schönherr, Schnitzler, Wildgans), begleitet von einer „Vorstellungsreihe Dichter der Gegenwart“, ferner von einer über das Märchen sowie über das Abenteuer, einem Dramenzyklus (Grillparzer, Grabbe, Shaw) sowie von regelmäßigen Sketch-Abenden, ein Angebot, das den Erwartungen der RW-Hörer, folgt man den veröffentlichten Zuschriften, allerdings kaum entsprach. Weder experimentelle u. schon gar nicht (kultur)politisch progressive Tendenzen in der Theaterpraxis, im Musikbereich, aber auch in der Massenkultur wurden aufgegriffen und nach Potentialen einer radioästhetischen Integration seitens der RAVAG u. Radio Wien entsprechend berücksichtigt. Interviews aus dem Zeitraum 1928-31 mit so unterschiedlichen Autoren u. Künstlern wie A. Berg, P. Frischauer, I. Ehrenburg, E. E. Kisch, E. Krenek, F. Porges oder K. Weill u. F. Werfel (s. Kucher/Unterberger 2013) belegen dieses Unbehagen, das sich v.a. an Debatten über ein zeitgenöss. Musikangebot (Klass. Musik versus moderne Opernmusik versus Zweite Wiener Schule bzw. Volksmusik vs. Jazz etc.) entzündete. Auch die Möglichkeiten eines spezifischen Radiokabaretts standen, Wiener u. internat. Traditionen im Blick, alsbald zur Debatte (RW, 20/1929, S. 615) sowie jene des Radioromans (RW,2/1926,S. 5), die jedoch im Radio selbst nicht umgesetzt wurden, wohl jedoch in der Zeitschrift, so z.B. 1930 mit X-Radio.

Bereits 1926 berichtete die RW von neuen technischen Entwicklungen im Bereich der Radiobildübertragungen bzw. des Radio-Fernkinos, z.B. durch E. Descovich oder L. Richtera,  (RW 27/1926, S.8-9), gipfelnd 1929 in sog. Chromatophon-Vorführungen, d.h. Vorformen des Fernsehens (RW, 20/1929, S. 1611); die RW verfolgte außerdem die neuen Entwicklungen im Bereich der Tonaufzeichnungen (Stichwort: Schallplatte) sowie im Konkurrenzmedium Film u. berichtete ausführlich darüber. 1928-29 setzte sie sich auch mit neuen Formen der Programmgestaltung und Hörer-Adressierung ein; so z.B. im Zuge der Vorstellung des Konzepts des Individualpsychologen Alfred Adler von einer Radio-Klinik, die jener im Zug eines Aufenthalts an der School for Social Research in den USA entwickelt und einer Lebenshilfe-Interview-Serie Dr. Adler says erfolgreich experimentiert hatte (RW, 20/1929, S. 619). Auch neue, der Literatur entlehnter, sie jedoch medial weiterdenkende Genrekonzepte wurden Ende der 1920er Jahre diskutiert, z.B. jene des Radiokabaretts und die des Radio-Romans. Daneben verstand sich die RW immer auch als Plattform für programmatisch ausgerichtete Beiträge von Künstlern über ihr Verhältnis zum Medium oder für Grußbotschaften von Schriftstellern wie z.B. 1932 von Th. Mann an den Hörerkreis.

Die Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise sowie die sich abzeichnenden politischen Veränderungen in Deutschland und Österreich ab Ende 1929, insbes. aber ab 1932, bewirkten eine zunehmend ‚ausgewogene‘ (so die RAVAG-Verantwortlichen), de facto aber konturlose, neutralistische Programmgestaltung. Dies zeigte sich bereits im Sept. 1929 anlässl. der von Putschgerüchten begleiteten Regierungsumbildung, die selbst die eher konservativ ausgerichtete Radio-Woche im Okt. 1929 zu einem Leitartikel über die „skandalöse Inhaltslosigkeit des Radio-Nachrichtendienstes“ (Kucher/Unterberger, 2013, 68f.) veranlasste. 1932 kritisierte F. Rosenfeld auf dem 2. Arbeiter-Rundfunktag die Absenz von Parlamentssitzungen u. politischen Debatten im Rundfunk u. forderte von ihm nicht nur den Ausbau der Sportreportagen sondern „ein gutes Gewissen“. Dieses Gewissen zeigte sich ab März 1933 unmissverständlich, als die RAVAG noch direkter als zuvor zum Sprachrohr der von nun ab autoritär agierenden österr. Regierung wurde und sich auch die RW schrittweise in deren Dienst stellte bzw. stellen musste, wie der Leitartikel Österreichischer Rundfunk (RW 15/1934, S. 453) deutlich zu verstehen gibt.   


Quellen und Dokumente

Béla Balázs: Das Radiodrama. In: Der Tag, 1.6.1924, S. 3f., Bernard Shaw: Das Radiotheater der Zukunft. In: Neue Freie Presse, 18.1.1925, S. 27, Renato Mordo: Die Radiobühne. In: Radio Wien, 26.5.1925, S. 6f., Preisausschreiben der Radio-Bühne. In: Die Bühne (1924), H. 1, S. 32, Hans Nüchtern: Von den Wegen und Zielen eines österreichischen Senders. In: Neue Freie Presse, 28.12.1924, S. 19, Chelmsford in „Radio-Wien“. In: Die Neue Zeitung, 1.5.1925, S. 8, Ankündigung in: Triestingtaler und Piestingtaler Wochenblatt, 17.1.1931, S. 7Fritz Rosenfeld: Der Rundfunk und das gute Gewissen. In: Bildungsarbeit 19 (1932), H. 10, S. 189f.

Literatur

Wolfgang Duchkowitsch: Zwischen Unterhaltung, Bildung und Politik. Die RAVAG von 1924 bis 1938. In: Barbara Denscher (Hg.in): Kunst und Kultur in Österreich. Wien 1999; Haimo Godler, Manfred Jochum, Reinhard Schlögl, Alfred Treiber (Hgg.): Vom Dampfradio zur Klangtapete. Beiträge zu 80 Jahren Hörfunk in Österreich. Wien u.a. 2004; P.-H. Kucher/Rebecca Unterberger: „Akustisches Drama“. Radioästhetik, Kultur und Radiopolitik in Österreich 1924-1934. Bielefeld 2013 (Leseproben online verfügbar); Wolfgang Pensold: Zur Geschichte des Rundfunks in Österreich. Programm für die Nation. Wiesbaden 2017 (bes. Kap. 1-4).

Eintrag bei radiomuseum.org.

(PHK)

Die Gründung des Raimundtheaters ging auf eine Initative von rund 500 Wiener Bürgern zurück, die sich 1890 zum „Wiener Volkstheater-Verein“ zusammenschlossen, um im Gemeindebezirk Mariahilf – damals Teil der Wiener Vorstadt – aus eigenen Mitteln ein Theater für „die unteren Volksschichten“ zu etablieren, das vor allem „vaterländische Volksstücke, Local- und Gesangspossen, Singspiele und alle in das Gebiet der Volksmuse einschlägige Werke“ zur Aufführung bringen sollte (www.raimundtheater.at).

Die offizielle Eröffnung des nach den Plänen von Franz Roth in der Wallgasse errichteten und bereits vollständig elektrisierten Theaters fand unter regem Publikumsinteresse am 28. November 1893 statt; zu Ehren des Namensgebers zeigte man mit Die gefesselte Phantasie ein Zauberspiel von Raimund.

Unter dem ersten Direktor, Schriftsteller und Kritiker Adam Müller-Guttenbrunn und dessen künstlerischem Beirat Hermann Bahr etablierte sich das Raimundtheater in den folgenden Jahren als Sprechbühne mit Schwerpunkt auf klassischen Volksstücken, in denen so populäre wie renommierte Darsteller wie Eleonore Duse, Alexander Girardi und Max Reinhardt auftraten. Das Programm bildete einen bewussten Gegenpol zum höfischen Burgtheater einerseits und zur seichten Varieté-Unterhaltung andererseits. Müller-Guttenbrunn, der in seine Geschäfts- und Disziplinarordnung ausdrücklich einen „Arier-Paragraphen“ aufgenommen hatte, wurde im Juni 1896 nach anhaltender Kritik an seiner Theaterleitung entlassen.

Mit der ab 1900 anwachsenden Beliebtheit der Operette und den damit einhergehenden sinkenden Zuschauerzahlen geriet das Raimundtheater in eine latente Krise, die erst nach der 1908 erfolgten Übernahme durch ein Konsortium, dem unter anderem Franz Lehár und Wilhelm Karczag angehörten, gestoppt werden konnte. Karczag war bereits Pächter des Theaters an der Wien sowie des Stadttheaters und vereinte damit die beiden großen Operettenbühnen unter seiner Ägide. In der Folge kam nun auch im Raimundtheater die Operette auf den Spielplan: Eigenproduktionen wie Johann Strauß´Der Zigeunerbaron, Robert Stolz´Glücksmädel und besonders Das Dreimäderlhausnach Motiven von Franz Schubert gerieten zu großen Erfolgen und sorgten über Monate für ein ausverkauftes Haus.

Ab 1921 fungierte Rudolf Beer – später Leiter des Deutschen Volkstheaters – als Direktor des Raimundtheaters, das er zu einer „literarisch ambitionierten Bühne“ (ÖBL) formte und es sich zum Ziel machte, „die literarisch vollwertigen Werke, wenn auch in stark modernisierter Fassung, zu neuem Leben zu erwecken“ (Wiener Morgen-Journal, 17.4.1922, S. 2). Entsprechend umfasste das Repertoire neben Anzengruber und Bahr auch Stücke von Grillparzer, Hofmannsthal, Werfel, Hauptmann, Schönherr, Wildgans und Karlweis. Gemeinsam mit Regisseur Karlheinz Martin, von Kritikern als „Praktiker der Szene, der nie zum Routinier wird“ (WZ, 16.11.1922, S. 9) bezeichnet, orientierte sich Beer auch am Spielplan der Berliner Bühnen und bot den Zuschauern progressive Inszenierungen wie Franz Wedekinds Franziska mit Tilla Durieux in der Titelrolle.

Nach internen Streitigkeiten über die weitere programmatische Ausrichtung wechselte Beer 1924 an das Volkstheater; ihm folgte mit Ferdinand Exl kurzzeitig der Gründer der bekannten Exl-Bühne, die sich dem Volks- und Heimatstück verschrieben hatte. Bedeutenden Anteil an der Programmgestaltung nahm auch die Sozialdemokratische Kunststelle, indem sie große Kartenkontingente für ihre Mitglieder ankaufte und auf diese Weise erfolgreiche Aufführungen oft erst ermöglichte. Als 1000. Vorstellung der Kunststelle wurde z.B. das Drama Bergwerk von H. Kaltneker 1922 im Raimundtheater aufgeführt; 1925 gibt der Tätigkeitsbericht der Kunststelle an, dass etwa ein Viertel (262 von 1100) aller Vorstellungen auf das Raimundtheater entfielen, was sogar ein Drittel (124.441 von 373.106) aller Karten bedeutete (BA, 11/1925, 100). Wie auch seinen Nachfolgern war jedoch auch Beer wenig Erfolg beschieden, was zu Beginn des Jahres 1938 letztlich zur Schließung des Hauses führte. Bereits bestehende Abrisspläne wurden fallengelassen, nachdem die Deutsche Arbeitsfront (DAF) das Theater übernommen und es im Rahmen der „Kraft durch Freude“-Bewegung unter Intendant Willy Seidl als Operettenbühne platziert hatte.

Unmittelbar nach Kriegsende, am 28. April 1945, wurde das Raimundtheater unter Direktor Franz Imhoff mit dem Dreimäderlhaus neu eröffnet.


Literatur

Gustav Andreas Ressel, Das Raimundtheater. Eine Denkschrift, Wien 1892; Adam Müller-Guttenbrunn, Das Raimundtheater. Passionsgeschichte einer deutschen Volksbühne, Wien 1897; Maria Kinz, Raimund Theater, Wien, München 1985. Eintrag bei WikiWien (Online verfügbar).

Quellen und Dokumente

Eröffnung des Raimundtheaters. In: NFP, 28.11.1893, S. 5; Adam Müller Guttenbrunn zum Siebziger. In: Reichspost, 21.10.1922, S. 1; Raimundtheater. In: WZ, 16.11.1922, S. 9; Das Raimundtheater. In: Wiener Montags-Journal, 17.4.1922, S. 2f; Winterspielzeit im Raimundtheater. In: WZ, 18.6.1923, S. 5; Raimundtheater. In: WZ, 4.9.1926, S. 3; Das Raimundtheater unter Direktor Exl. In: WZ, 10.9.1927, S. 5; Kein „Deutsches Theater“ in der Wallgasse. In: Neues Wiener Tagblatt, 22.1.1938, S. 1; „Aennchen von Tharau“ am Raimundtheater. In: Neues Wiener Tagblatt, 10.2.1940, S. 5.

 (MK)

Anlässlich der 1000. Theateraufführung im Rahmen der sozialdemokr. Kunststelle tauchte der Begriff Raumbühne (RB) erstmals in der dazu aufgelegten Festgabe der Zs. ›Kunst und Volk‹ im Mai 1923 als in die Zukunft weisendes Bühnenkonzept auf (NWJ, 12.5.1923), ein Konzept, das – allerdings bloß in bühnenarchitektonischer Hinsicht – im April 1924 in der AZ unter dem Titel Theater der Zukunft von den Autoren u. Ingenieuren Scherer, Löwitsch und Neuzil nochmals erläutert wurde. Im Febr. 1924 berichtet P. Goldmann in der NFP von der seit Nov. 1923 laufenden Berliner Auff. des Stücks Kaiser Jones von O’Neill (Regie B. Viertel u. dessen ›Truppe‹), wobei Friedrich Kiesler für die Bühnenbildgestaltung, die explizit als Raumbühnen-Konzept wahrgenommen wurde, verantwortlich war, ein Konzept. Kurz danach begann sich Kiesler auf Einladung durch H. Tietze hin mit der Konzeption der ›Internationalen Ausstellung neuer Theatertechnik‹ im Rahmen des für Sept.-Okt. 1924 anberaumten Musik- und Theaterfest der Stadt Wien zu befassen. In diesem Kontext trat sein bereits in Berlin experimentiertes RB-Konzept stark in den Vordergrund u. wurde für die Dauer des Musik- u. Theaterfestes auch im Mittleren Saal des Wiener Konzerthauses als Modell aufgebaut und bespielt. Die RB bildete einerseits die eigentliche Attraktion der Ausstellung, geriet aber andererseits ins Visier der Kritik, die sich über die aufgeführten Stücke und andere Darbietungen (Tanz, Vorträge) uneins war, ja das Projekt publizistisch eher zu hintertreiben als zu stützen unternahm. Auch der Plagiatsvorwurf, der durch einen Offenen Brief des Architekten Rudolf Hönigsfeld im ›Tag‹ am 11.9.1924 sowie im Zuge eines Schönberg-Konzerts von Jakob Moreno-Levy selbst am 24.9. gegen Kiesler erhoben wurde und sich, wie Kiesler (u.a. auch im nachfolgenden Gerichtsverfahren) darlegen konnte, als haltlos erweisen musste –  Moreno-Levys Idee des Stegreiftheaters bzw. einer ›Bühne ohne Zuschauer‹ war einem völlig anderen Konzept verpflichtet – belastete das nachfolgende Aufführungsprogramm, das durch strittige Rechtsfragen zusätzlich behindert und verzögert wurde. Allerdings konnte Kiesler für sich in Anspruch nehmen, bereits im Beitrag Das Theater der Zeit (Berliner Tageblatt, 1.6.1923) erste Konturen der RB skizziert zu haben. Zentrale Idee der RB Kieslers war, dass sie eine minimalistische offene Struktur aufwies, in deren Zentrum die Bühne von allen Seiten aus einsehbar und von einer ring- und spiralförmig sich vertikal auf drei Ebenen ansteigenden Holzkonstruktion umgeben war. Auch eine Rednertribüne war vorgesehen. Die Zuschauer waren um diese Konstruktion herum gruppiert, sollten eine gewisse Bewegungsfreiheit besitzen, d.h. aus der traditionellen Rolle des Theater besuchenden, passiv konsumierenden Bürgers heraustreten. Kiesler selbst verknüpfte dieses Konzept mit jenem des ›Railway‹-Theaters: „Die Raumbühne des Railway-Theaters, des Theaters der Zeit, schwebt im Raum […] Das Theater der Zeit ist ein Theater der Geschwindigkeit.“ (Ausstellungskatalog 1924, Innenseite).

Als Eröffnungsstück war Methusalem oder der ewige Bürger von Iwan Goll in der Regie von K. Martin vorgesehen. Nach einer Probe musste das Stück aufgrund eines Einspruchs des Wiener Puppentheaters ›Der Gong‹ jedoch abgesetzt werden; als Ersatz fungierte das Stück Im Dunkel von Paul Frischauer, das am 2.10.1924 zur Aufführung kam und von der Kritik als eher ungeeignet für diese Bühne angesehen wurde. O. M. Fontana wie Edwin Rollett z.B. werteten es eher als intimes Kammerstück, lobten jedoch die Regie von Renato Mordo und attestierten der RB, dass sie die Zukunft des Theaters mitabstecke. Noch schärfer ging B. Balázs mit dem Stück ins Gericht; es sei zwar lyrisch, aber man könne nicht nachvollziehen, warum drei Figuren [] „endlos allzu bekannten Jammer [reden] und „keine Konturen einer Gestaltung“ erkennbar wären, womit sich die beiden Debütanten, RB und Frischauers Stück wechselseitig störten. Nichtsdestotrotz tauchte von da an der Begriff RB wiederholt auf; Martins Inszenierung von Wedekinds Franziska im Dez. 1924 wird, ohne Kieslersche RB, als konzeptuell dem RB-Modell verpflichtet gesehen und trotz Polarisierungen überwiegend gewürdigt. Auch das Gastspiel Tairows mit dem Moskauer Kammertheater 1925 wird mit dem RB-Konzept in Verbindung gebracht, wie ja bereits Kassák in einem MA-Beitrag auf die Bedeutung der sowjetrussischen Theaterexperimente für eine RB-Perspektive hingewiesen hatte. Auch Kiesler selbst hat in einem mit Dem neuen Schauspiel entgegen betitelten resümierenden Beitrag im Tag (6.1.1925, S.4) selbstkritisch das Festspiel-Angebot kommentiert und dabei festgehalten, dass nur zwei Ensembles die Vorgaben der RB zu jener Zeit erfüllen hätten können: „dasjenige Tairofs und dasjenige Mayerholds“ (zit. nach Wien 1924, S.4).

Von der Resonanz her erfolgreicher waren die Tanz- und Filmvorführungen auf der RB: jene der Gruppe G. Bodenwieser, Jack Burtons oder G. Geerts und F. Légers Ballet Mécanique; auch die Vorträge von B. Balázs, Theo van Doesburg u. H. Fritz bereicherten das gedrängte RB-Programm im Oktober 1924. Nach nur 18 Tagen Präsenz im Konzerthaus wurde das Modell wieder abgebaut. Immerhin inspirierte es noch F. Porges zu einem ironisch grundierten Mini-Konversationsstück über die RB unter dem Titel Rund um die Raumbühne, das am 6.10. 1924 im Tag abgedruckt wurde. Blieb das Konzept in Wien zwar bis 1925 noch im Gespräch, so war es 1926 kaum mehr anzutreffen. Nur F. Th. Csokor würdigte es noch 1927 in einem Essay über Entwicklungsprobleme des Bühnenbildes. Für Kiesler selbst stellten sich in den USA ab 1927 neue Herausforderungen, die in sein großes unvollendet gebliebenes Konzept eines Endless Theatre einmündeten.


Quellen und Dokumente

P. K.: Tausend Theateraufführungen. Kunst und Volk. In: Neues Wiener Journal, 12.5.1923, S. 3, Theater der Zukunft. In: Arbeiter-Zeitung, 29.4.1924, S. 4, Paul Goldmann: Berliner Theater. „Anna Christie“ und „Kaiser Jones“ von O’Neill. In: Neue Freie Presse, 5.2.1924, S. 1-3, Die Raumbühne. In: Der Tag, 6.9.1924, S. 7, Edwin Rollett: Die Raumbühne. In: Wiener Zeitung, 6.9.1924, S. 10, Rudolf Hönigsfeld: Offener Brief an die Redaktion „Der Tag“. In: Der Tag, 11.9.1924, S. 8, Friedrich Kiesler: Offene Antwort an die Redaktion „Der Tag“. In: Der Tag, 13.9.1924, S. 6, F. F.: Das Theater ohne Zuschauer und Darsteller. Ein Zukunftsprojekt. In: Neues Wiener Tagblatt, 25.9.1924, S. 5, Bela Balazs: Premiere auf der Raumbühne. In: Der Tag, 3.10.1924, S. 6, Oskar Maurus Fontana: Premiere der Raumbühne. Mittlerer Konzerthaussaal. In: Neues 8-Uhr-Blatt, 6.10.1924, S. 6, Paul Frischauer: Premiere auf der Raumbühne. In: Wiener Zeitung, 4.10.1924, S. 5, Abbildung in: Der Tag, 4.10.1924, S. 8, Friedrich Porges: Rund um die Raumbühne. In: Der Tag, 6.10.1924, S. 3, Ludwig Kassak: Über neue Theaterkunst. In: MA 9 (1924), H. 8, S. 2, Franz Theodor Csokor: Entwicklungsprobleme des Bühnenbildes. Ein Vortrag des Dramatikers Franz Theodor Csokor. In: Neues Wiener Journal, 12.3.1927, S. 7.

Literatur

D. Bogner (Hg.): „Die Raumbühne“. Info-Broschüre Wien 1986; Ders.: Alles Theater! Kieslers Ausstellungskonzepte aus dem Blickwinkel seiner Bühnenbildgestaltung. In: B. Lésak, Th. Pabitsch (Hgg): Frederick Kiesler. Theatervisionär-Architekt – Künstler. Wien 2012, 123-132; B. Lèsak: Die Theaterbiographie des Frederick J. Kiesler. Stationen eines Theatervisionärs: Czernowitz, Wien, Paris und New York. In: Ebd., 19-122 (zur RB bes. 35-41); diess.: Die österreichische Theateravantgarde 1918-1926. Ein Experiment von allzu kurzer Dauer. In: P.-H. Kucher (Hg.): Verdrängte Moderne – Vergessene Avantgarde. Göttingen 2016, 43-64; diess.: Eine neue Stadtkultur. Das Musik- und Theaterfest der Stadt Wien. In: Wien 1924. Stationen der Moderne (= Ausstellungskatalog der L. u. F. Kiesler Privatstiftung) Wien 2018, 9-14; G. Zillner: Friedrich Kieslers Raumbühne als Modell und Ausstellungsstück. In: Ebd. 45-49 (mit zeitgen. Illustrationsbeispielen als Anhang).

Bettina Maria Brosowsky: Meister der Inszenierung. Frederick Kieslers theatralischer Impetus. In: Bauwelt (2013), H. 5 (Online verfügbar), Friedrich Polleroß: Friedrich Kieslers „Raumbühne“ und das Institutsarchiv (2016) (Online verfügbar), Fotografie bei medienkunstnetz.de, Übersicht zur Vortragsreihe „Wien 1924“ bei kiesler.org.

(PHK)

Die Radio-Verkehrs-Aktiengesellschaft, kurz RAVAG, wurde im Februar 1924 als erste österreichische Rundfunkgesellschaft gegründet und bildet damit die Vorläuferorganisation des heutigen ORF. Wesentlicher Impulsgeber war der Wiener Jurist Oskar Czeija (1887-1958), der, wie eine Reihe von anderen Radiopionieren (z.B. Emo Descovich, G.F. Helmut, Gustav Walter, Leopold Richtera), bereits kurz nach der Gründung der Ersten Republik die Idee verfolgte, den Rundfunk speziell für die Übertragung künstlerischer Darbietungen zu nutzen. Nach mehrjährigen Verhandlungen zur Ausräumung politischer und finanzieller Stolpersteine erhielt ein von Czeija begründetes Konsortium mit Unterstützung von Bundeskanzler Ignaz Seipel die notwendige Konzession zur Gründung eines Monopolrundfunks und setzte sich damit gegen die im Freien Radiobund sowie rund um die Zeitschrift Radiowelt organisierte unabhängige Radio-Amateur-Bewegung – beide bereits 1924 gegründet – durch. Als Gesellschafter traten neben dem Bund und der Gemeinde Wien unter anderem auch das Österreichische Creditinstitut für öffentliche Unternehmungen und Arbeiten, die Steirerbank AG Graz und die Österreichische Telephonfabriks-AG auf, eine Kooperation und personelle Verflechtung bestand von Anfang an auch mit dem ebenfalls 1924 gegründeten Internationalen Radio-Club.

Zunächst provisorisch im Dachgeschoß des Heeresministeriums am Stubenring untergebracht, nahm die RAVAG mit dem Sender Radio Wien am 1. Oktober 1924 den Sendebetrieb auf. Ab nun wurden den Hörern täglich, wenngleich nur für wenige Stunden, Musik- und Unterhaltungsprogramme, aber auch eine Reihe von Bildungssendungen geboten. Czeija, der der RAVAG jetzt als Generaldirektor vorstand, sah die Aufgabe des Österreichischen Rundfunks darin, „zu bilden und zu belehren, ferner zu unterhalten und schließlich für das geistige und kulturelle Niveau Österreichs […] im Auslande eine wirksame Propaganda zu machen.“ (Koboltschnig, S. 60). Die Zahl der Haushalte mit Empfangslizenz stieg bereits innerhalb des Jahres 1924 auf 80.000 und bis Mitte 1925 auf rund 130.000 an. 

Obwohl es dem jungen Medium zunächst aus Rücksicht auf die Presselandschaft untersagt war, über aktuelles Geschehen und politische Ereignisse zu berichten,  geriet der Rundfunk in der innenpolitisch aufgeheizten Atmosphäre der späten 1920er Jahre zunehmend in den Mittelpunkt und im Visier von Parteiinteressen. Sowohl die Sozialdemokraten als auch die christlich-soziale Regierung hatten erkannt, dass der Hörfunk mit inzwischen einer halben Million Teilnehmern im Begriff war, sich zu einem Massenmedium zu entwickeln und damit ein machtpolitisch wertvolles Instrument in den Händen des Staates bzw. einer politischen Partei darstellen konnte. Dies bewies sich besonders nach der Ausrufung des Ständestaates im Jahr 1933: Bundeskanzler Dollfuß stellte die RAVAG  umgehend und völlig in den Dienst seines autoritären Regimes. Dies zeigte sich auch im Verlauf des Putschversuchs vom 25. Juli 1934 („Juliputsch“), als bewaffnete Nationalsozialisten Dollfuß erschossen und anschließend das Rundfunkgebäude in der Johannesgasse stürmten, ehe sie schließlich überwältigt werden konnten. Am 11. März 1938 übertrug die RAVAG die letzte Rede von Bundeskanzler Schuschnigg; mit der Annexion Österreichs endete auch ihr Sendebetrieb. Im April 1945 wurde unter Anleitung von Oskar Czeija, der sich sowohl mit den Machthabern des Ständestaates als auch später mit den Nationalsozialisten arrangiert hatte, mit dem Wiederaufbau der RAVAG begonnen.


Literatur

Anne-Gret Koboltschnig, Radio zwischen den Zeiten. Das Wort-Programm der Ravag, Univ. Diss. Wien 1993; Reinhard Schlögl, Oskar Czeija. Radio- und Fernsehpionier, Unternehmer, Abenteurer, Wien 2005; Primus-Heinz Kucher, Radioästhetik, Kultur und Radiopolitik in Österreich 1924-1934. Zwischen Radiorundspruch, akustischen Bühnen, Bildfunk, Flugreportagen und vaterländischen Festspielen. In: Ders./Rebecca Unterberger (Hg.), „Akustisches Drama“. Radioästhetik, Kultur und Radiopolitik in Österreich 1924-1934, Bielefeld 2013, S. 11-39; Theodor Venus, Vom Funk zum Rundfunk – Ein Kulturfaktor entsteht. Rundfunkpolitische Weichenstellungen von den Anfängen des Funks bis zur Gründung der RAVAG. In: Geistiges Leben im Österreich der Zweiten Republik. Wien 1986, S. 379-415.

Quellen und Dokumente

Konstituierende Generalversammlung der Österreichischen Radio-Verkehrs-A.G. In: NFP, 1.10.1924, S. 9; Radio Wien, Wochenprogramm vom 28. Dezember 1924 bis 3. Jänner 1925; W. Scheida, Der internationale Radioclub (2012) [Online verfügbar].

(MK)

Eingerichtet am 1.11.1933 als eine von sieben Kammern der von Joseph Goebbels aufgebauten Reichskulturkammer. Zweck war die „Freihaltung des Schrifttums von ungeeigneten und unzuverlässigen Elementen“, was in der Folge die Grundlage für Säuberungen bzw. Verbote von „artfremden“ Schriftstellern bildete. Ihr erster Leiter bis 1935 war Hans Friedrich Blunck, gefolgt von Hanns Johst. Die RSK bildete im Verein mit Berufsverbänden wie dem Reichsverband deutscher Schriftsteller (RSD) und dem schon im März 1933 gleichgeschalteten Börsenverein des deutschen Buchhandels die institutionelle Klammer im literarisch-journalistischen Feld der NS-Kulturpolitik. Seit 1936 erschien eine eigene Zeitschrift: Der deutsche Schriftsteller. In Österreich wurde ebenfalls bereits 1933 ein illegales Landeskulturamt der NSDAP eingerichtet, dem 1936 der legal konstituierte Bund der deutschen Schriftsteller Österreichs zur Seite trat, eine halboffizielle Einrichtung der NSDAP, in der Max Mell den Vorsitz übernahm, flankiert von Friedrich Schreyvogl, Mirko Jelusich, Hans Heinz Ortner und Josef Weinheber als Vorstandsmitglieder.

Zum Leiter der RSK der Landes- bzw. Gaustelle Wien wurde 1938 Karl Hans Strobl, gewählt, der sich zuvor bei Johst für diese Funktion ins Spiel gebracht hatte. Rund 60-70 Autoren österreichischer Provenienz kamen in der Folge auf diverse Empfehlungs- und Vortragslisten, Autoren, die bereits im Literaturbetrieb der 1920er Jahre bzw. des Austrofaschismus anerkannt waren wie z.B. Franz Karl Ginzkey, Robert Hohlbaum, Franz Nabl, Josef Friedrich Perkonig, Franz Spunda, Karl Heinrich Waggerl, Josef Wenter, aber auch kontroverse Namen wie Richard Billinger und Luis Trenker sowie zuvor wenig bekannte wie Gertrud Fussenegger oder Ines Widmann.


Literatur

Klaus Amann: Literaturbetrieb in der ‚Ostmark‘ (1938-1945). In: Ders.: Die Dichter und die Politik. Essays zur österreichischen Literatur nach 1918. Wien 1992, 113-128; Jan-Pieter Barbian: Literaturpolitik im ‚Dritten Reich‘. Institutionen, Kompetenzen, Betätigungsfelder. (Dtv, 1995); Ders.: The Politics of Literature in Nazi Germany: Books in the Media Dictatorship, Bloomsbury, 2010

Eintrag bei LeMo.

(PHK)

Ordnungs- und Wehrformation der österreichischen Sozialdemokratie, eingerichtet als Reaktion auf die zunehmenden Übergriffe durch Frontkämpferverbände, NS-Gruppen und die rechtsextreme monarchistische Ostara im Februar und März 1923 sowie nach einem provozierenden Besuch des deutschen Generals Luddendorf (zunächst in Klagenfurt, dann in Wien 3.-7.2. 1923) nach Genehmigung der Statuten durch das Innenministerium am 12.4. 1923. Der eigentliche Beginn wird gewöhnlich mit dem Jahr 1924 angegeben. Der RS unterstand der Parteileitung, war gemäß militärischen Parametern (Kompanien, Batallione) gegliedert und wurde u.a. von einer Reihe von ehem. k.k. Offizieren, die sich nach 1918 -19 der Sozialdemokratie anschlossen geführt und ausgebildet: General Theodor Körner (1917-18 befehligte er die 1. Isonzoarmee, späterer Bundespräsident) und Stabchef Major Alexander Eifler. Formal war Julius Deutsch Obmann des RS (der ebenfalls als Freiwilliger im Ersten Weltkrieg militär. Erfahrungen gesammelt hatte und später Kommandant einer Einheit der Internat. Brigaden im Spanischen Bürgerkrieg auf der Seite der Republik wurde).

Materialien und Quellen:

Eintrag auf: dasrotewien.at;

Zur Gründungsgeschichte vgl. die Dissertationsschrift von Finbarr McLouglin: Der Republikanische Schutzbund und gewalttätige politische Auseinandersetzungen in Österreich 1923-1934.: hier. Christian Dietrich: „Die Verteidigung der Demokratie obliegt dem Proletariat“. DerRepublikanischer Schutzbund, das Reichsbanner Schwarz-Rot-Goldund die Auseinandersetzungen mit dem politischen Judenhass. In: Medaon.de 17(2023) 1-14.

(PHK, in preparation)

Nach (deutschem) KPD-Vorbild um 1930 auch in der KPÖ aufgebaut; maßgeblicher Funktionär und für zeitgenössische Streikbewegungen aktiv bzw. zuständig war Franz Honner.

Materialien und Quellen:

Eintrag in Gewerkschaftsgeschichte.de;

Hermann Weber, Klaus Schönhoven, Klaus Tenfelde (Hgg.): Quellen zur Geschichte der deutschen Gewerkschaftsbewegung im 20. Jahrhundert. Band 5: Siegfried Mielke, Matthias Frese: Gewerkschaften im Widerstand und in der Emigration 1933–1945. Frankfurt a. M.: Bund-Verlag, 1999.

(in preparation)