Dymow, Ossip

eigentl. Perelmann Ossip Isidorowitsch, geb. am 16.2.1878 in Belostok/Byalistok (Russland, heute Polen) – gest. am 9.2.1959 in New York; Schriftsteller, Dramatiker, Feuilletonist, Drehbuchautor, Regisseur, Übersetzer

Der vorwiegend jiddisch- und russischsprachig aufgewachsene Dymow begann seine literarische Laufbahn 1892 mit dem Abdruck von Rasskaz kapitana (Die Geschichte des Kapitäns) in einer Literaturzeitschrift, der 1903 die Aufführung seines ersten Theaterstücks Golos krovi (Stimme des Blutes) in St. Petersburg folgte, wo er zu jener Zeit auch studierte und an wichtigen literar. Zeitschriften, z.B. an Signaly, mitarbeitete. 1906 legte er mit Slushay, Izrail! / Shema‘ Yisra’el ein erstes Stück vor, das die jüd. Thematik und Tragödie, hier das Pogrom von Byalistok (1905), ins Zentrum rückte.

Seit der Aufführung seines Stückes Treue im Wiener Residenztheater im Okt. 1910, die Stefan Großmann  in der AZ enthusiastisch begrüßte – der „Peter Altenberg des Theaters“ – war Dymow auch im Wiener und österr. Theaterleben eine feste Größe, die in der Folge regelmäßig gespielt wurde. 1913 feierte er mit der  sog. Alltagstragödie Nju an der Neuen Wiener Bühne und anschließend im Opernhaus Graz einen weiteren Erfolg, zu dem auch Gertrude Eysoldt als Hauptdarstellerin beitrug. Es wurde dann im Dt. Volkstheater im Juni 1918 wiederaufgeführt. 1913 legte Dymow aber auch das Stück Vechny strannik (Der ewige Wanderer) vor, das für den 11. Zionistischen Weltkongress, der Anfang Sept. 1913 in Wien tagte, ins Hebräische übersetzt und für die Delegierten aufgeführt wurde. Die deutsche Fassung wurde 1915 auf der Neuen Wr. Bühne  aufgeführt. Mit dem Roman Der Knabe Wlaß (dt. 1911), einem russischen Familienfresko, wurde Dymow auch als Erzähler international bekannt, in der Folge betätigte er sich auch als Feuilletonist für verschiedene deutsche u. österr. Zeitungen (AZ, AW, Bühne, Die Zeit, NWJ).

1913 emigrierte Dymow in die USA, wo er in New York im Umfeld der jiddischen Publizistik und Kultur tätig wurde, zugleich aber weiterhin intensiven Kontakt mit der zentral- bzw. mittelosteurop. Theater- und Literaturszene hielt. So erschien z.B. 1919 bei K. Wolff der Roman Haschen nach dem Wind, den H. Menkes im NWJ als großartiges, Tschechow fortschreibendes Werk begrüßte. 1920 wirkte Dymow u.a. am Neuen Jüdischen Theater in New York, auf dem sein Des Bettlers Traum zur Aufführung kam u. wo er selbst auch als Regisseur tätig war, wie die Wiener Monatsschrift Jüdisches Theater berichtete. Seine dramatische Produktion wechselte nun auch die Sprache: vom Russischen ins Jiddische, z.B. 1917 mit Die velt in flamen (Die Welt in Flammen). Sie stieß in den USA aufgrund von Aufführungen am Broadway, auf große Resonanz wie  z.B. im Fall von Bronx Express (1919/1922) u.a. auch aufgrund der Mitwirkung bedeutender Schauspieler wie des aus Österreich stammenden Rudolph Schildkraut (1865-1930, seit 1920 in den USA und 1925-26 gem. mit Dymow Leiter des Jüdischen Intimen Theaters). A. Schnitzler wird das Stück im Dez. 1927 in Berlin sehen u. Dymow am 30. Juni 1928 auch persönl. treffen.

Seit 1921 wurde Dymow auch regelmäßig und in Jiddisch auf der Wiener Freien Jüdischen Volksbühne gespielt, beginnend mit Sch’ma Isroel und 1922 mit der Erstauff. von Der Singer fin sein Trauer, die vom Februar bis Mai im Repertoire blieb. Zur Resonanz seiner Stücke trugen auch Verfilmungen bei, insbesondere sein Kantor von Wilna, das die Vorlage für den ersten Tonfilm The Jazz-Singer/Der Jazzsänger (1927) bildete (mit Al Jolson, Sohn eines Synagogenkantors, in der Hauptrolle). Auch im deutschsprachigen Raum kam es zu Verfilmungen z.B. 1924 zu jener von Nju durch P. Czinner mit Elisabeth Bergner in der Hauptrolle, die in Wien ab März 1925 in den Kinos zu sehen war. Zwischen 1927 und 1932 lebte Dymow vorwiegend in Berlin, wo mehrere Theaterstücke am Deutschen Theater, u.a. in der Regie des mit ihm befreundeten Max Reinhardt aufgeführt wurden. Auch im Theater in der Josefstadt trat Dymow im Zusammenwirken mit M. Reinhardt 1928 mehrmals in Erscheinung, u.a. im Zuge des Auff. seines Stücks Die letzte Geliebte sowie als Berarbeiter des amerikan. Jazz-Age-Stückes The Burlesques (1927)/ Artisten von George M. Watters und Arthur Hopkins. 1929 erlebte er mir seiner Märchespiel Jusik einen eklatanten Misserfolg in Berlin, wurde aber für 1930 mit der deutschen Bearbeitung des Stückes Welcome Stranger (u.a. für die Josefstadt, NWJ, 25.1.1929) beauftragt. 1930 führte die dt. UA seines Stückes Schatten über Harlem einen von Nationalsozialisten provozierten Theaterskandal herbei. In jener Zeit veröffentlichte er auch neun Beitr. in der Zs. Die Weltbühne u. Radio Wien brachte am 13.11.1930 die Sendefolge Dreimal Zwischenfälle und im Okt. 1932 Triumph der Technik. 1932 erschien bei Reclam seine Novelle Das Kuckucksspiel und Ende desselben Jahres kehrte er, angesichts des aufziehenden Nationalsozialismus, wieder in die USA zurück. Zuvor noch, im Okt. 1932, verfasste er das Drehbuch für den u.a. von F. Rosenfeld geschätzten Film Mieter Schulze gegen alle (Regie Carl Froelich).

Im November 1933 brachte das Studio der Kammerlichtspiele den Einakter Schlechter Geschäftsgang bei Brown u. das Theater der 49 eröffnete im Sept. 1935 seinen Spielbetrieb mit Dymows Komödie Musik im Dorf. 1935 bearbeitete Dymow mit F. Kohner den 1931 ins Amerikanische übersetzten Hiob-Roman von J. Roth für den Film, der unter dem Titel Sins of Man 1936 herauskam. 1938 arbeitete Dymow an einem weiteren Filmprojekt mit, nämlich an Yankl der Shmid; 1943-44 folgten eine erste Werkausgabe sowie die autobiograph. Bilanz Vos ikh gedenk in 2 Bdn. Dass Dymow in Wien auch 1945 noch bekannt gewesen sein muss, dafür spricht der Abdruck einer Erzählung in der Weihnachtsbeilage des Wiener Kuriers.


Weitere Werke (Auswahl)

Altweibersommer (1911); Shlafn fun folk (1918); Die letzte Geliebte. Schauspiel (1926), Glatteis (1930); Schatten über Harlem (Singspiel, 1930); Die rote Maske (Groteske); Rasputin, der Dämon der Frauen (Film, 1932, gem. mit A. Lantz)

Quellen und Dokumente

Pogrom. In: Neues Wiener Journal, 20.9.1906, S. 1-2; Ophelia. In: Die Zeit, 19.10.1913, S. 35-36; Der Galgen. In: Arbeiter-Zeitung, 20.1.1916, S. 6f., Der Wolkenkratzer. In: Arbeiterwille, 6.11.1927, S. 10f., Der Liebeskommissär. In: Der Tag, 22.3.1930, S. 6; Der Maskenball. In: Die Bühne (1932), H. 320, S. 16f., Wie man es drüben schafft. In: Der Tag, 6.12.1932, S. 19; Der Soldat, die Tänzerin und das Mädchen. Weihnachtsmärchen aus der Wirklichkeit. In: Wiener Kurier, 24.12.1945, S. 10f.

Stefan Großmann: Residenzbühne. In: Arbeiter-Zeitung, 16.10.1910, S. 3, P. Z.: Das Tagebuch einer russischen Familie. In: Neue Freie Presse, 22.1.1911, S. 33, Hermann Menkes: Ossip Dymow: „Haschen nach dem Wind“. In: Neues Wiener Journal, 8.3.1919, S. 5, Aus der jüdischen Theaterwelt. In: Wiener Morgenzeitung, 12.7.1921, S. 6, A. G.: Freie jüdische Volksbühne. In: Arbeiter-Zeitung, 29.5.1921, S. 8, -er: Jüdische Volksbühne. In: Wiener Zeitung, 21.2.1922, S. 5, Egon Erwin Kisch: Judenquartiere in der Welt. In: Wiener Morgenzeitung, 10.4.1927, S. 9, F[elix] S[alten]: „Die letzte Geliebte.“ Schauspiel. In: Neue Freie Presse, 19.9.1928, S. 9, O. E. H.: Ossip-Dimow-Premiere in Berlin. „Jusik“ in den Kammerspielen. In: Neues Wiener Journal, 21.4.1929, S. 29, R.: Der Theaterskandal in Stuttgart. In: Neues Wiener Journal, 23.10.1930, S. 14, Fritz Rosenfeld: Menschen untereinander. In: Arbeiter-Zeitung, 7.12.1932, S. 6.

Bericht in Evening Star (Washington), 4.4.1915, S. 24.

Nachlass: New York Public Library

Literatur

Maxim D. Shrayer: An Anthology of Jewish-Russian Literature. New York 2007, 168-169.

Eintrag bei yivoencyclopedia.org,

(PHK)