Flesch-Brunningen, Hans

d.i. Johannes Evangelista Luitpold Vinzenz Flesch Edler von Brunningen, geb. am 05.2.1895 in Brünn – gest. am 1.8.1981 in Bad Ischl; Schriftsteller, Journalist, Herausgeber, Übersetzer

Ps.: Vincent Brun, Johannes von Bruning, Flesch-Brun

Bereits während seines Jusstudiums veröffentlichte der in Abbazia/Opatja und Wien aufgewachsene F.B. in den Jahren 1913/14 erste expressionistische Texte in den Zeitschriften Pan und Die Aktion wie z.B. Der Satan. Als Dr.jur. beendete F.B. 1919 das Studium in Wien, gefolgt von Jahren als Bankangestellter und Rechtsanwaltsanwärter, die stets durch sein literarisches Schaffen begleitet wurden. So erschien schon 1919 Baltasar Tipho. Eine Geschichte vom Stern Karina im Wiener Verlag Tal & Co – ein früher Text, in dem indirekt der Untergang der Monarchie, aber auch gewerblich organisierte Terminehen thematisiert werden. Den Erlebnissen im Ersten Weltkrieg, Einsätzen in Russland und Italien 1915-18, schenkt F.B. in seinem übrigen Werk nur wenig Beachtung. Vielmehr ist er an privaten, habituellen und gesellschaftlichen statt politischen Geschehnissen u. Veränderungen interessiert; das sinnliche Lebensprinzip F.B.s prägt seine literarischen Anfänge ebenso wie stete Zivilisationskritik. Sichtbar wird dies u.a. in der Erzählung Bürger Narr (1920, Strache-Verlag), beispielhaft für den eindrucksvollen Sprachstil seiner frühen Novellen.

Ab 1925 als freier Schriftsteller lebend, siedelte F.B. auf Drängen seines Freundes Albert Ehrenstein 1928 nach Berlin über, wo er sowohl im Verlag Ernst Angel als auch journalistisch tätig war. Heimito von Doderer, ein bewunderter Freund, wies als einziger auf die Werke F.B.s aus dieser Zeit hin. Die Begegnung mit dem Schriftsteller war F.B.‘s zahlreichen Reisen zu verdanken – so auch die prägenden Bekanntschaften mit James Joyce, Hans Kaltneker, Hermann Kesten, Robert Neumann oder Alexander Lernet-Holenia. Aus dieser Zeit stammt auch der kolportageartig strukturierte Roman Auszug und Wiederkehr (1929).

Nicht wissend, dass sein Weg ihn selbst im darauffolgenden Jahr in das Londoner Exil führen sollte, hatte sich F.B. bereits 1933 literarisch mit dem Thema der Emigration auseinandergesetzt. Eine umfassende historisch-psychologische Studie war das Resultat, dessen Rahmen sich von der Antike bis zur Zwischenkriegszeit spannt: Vertriebene. Von Ovid bis Gorguloff (Essays). F.B.’s Veröffentlichungen im Exil, darunter Alkibiades (London: Putnam; 1935), für Hermann Kesten einer der besten historischen Romane, konnten zwar nicht an seine früheren Erfolge anknüpfen, doch sie sicherten ihm, im Verein mit Filmscript-Arbeiten und seiner Mitwirkung an engl. Magazinen bis 1938 ein bescheidenes Auskommen. Seit 1939 veröffentlichte er unter dem Namen V. Brun englischsprach. Romane, die, wie z.B. Untimlely Ulysses (1940), in der Kritik gut aufgenommen, jedoch wenig verkauft und bislang nicht ins Deutsche übertragen worden sind.

Bis zur Rückkehr nach Wien im Jahr 1958, begleitet von seiner späteren Frau Hilde Spiel, war F.B. in der österreichischen Abteilung der BBC tätig.


Weitere Werke (Auswahl)

Das zerstörte Idyll. Novellen., 1917; Gegenspiel. Novellen., 1920; Die beiden Wege. Ein Buch der Jugend. Nachwort A. Ehrenstein., 1928; Auszug und Wiederkehr, 1929; Die Amazone. Revolutionsroman, 1930 (engl. 1931: A Mistress of the Terror); Die Herzogin von Ragusa, 1933; Perlen und schwarze Tränen (1948, Neuauflage 2020); Die verführte Zeit. Lebenserinnerungen. Hg. von Manfred Mixner (1988)

Dokumente und Quellen

Broch, Hermann: Hans Flesch: “Balthasar Tipho”. In: Moderne Welt (1920), H. 4, S. 24, Broch, Hermann: Hans Flesch: “Gegenspiele”. In: Moderne Welt (1921/22), H. 2, S. 35, Doderer, Heimito von: Geheimnisse der Euphorie. [Rezension zu F.B.‘s Amazone]. In: Merkur (1956), H. 95, S.94 ff. bzw. Schreibheft (2003), H. 61, S. 77-78, Kesten, Hermann: Wunderlicher Mensch, wunderliche Geschichten. Hans Flesch. (1959) In: Schreibheft (2003), H. 61, S. 50-52.

Nachlass: Deutsches Literaturarchiv Marbach; Signatur A: Flesch-Brunningen; Kryptonachlass auch im NL Hilde Spiel, Österreichisches Literaturarchiv (ÖLA 15/91)

Literatur

Bolbecher, Siglinde/Kaiser, Konstantin: Lexikon der Österreichischen Exilliteratur. Wien: Deuticke 1999. – Dove, Richard: The Gift of Tongues: German-speaking Novelists writing in English. In: William Abbey, u.a. (Hg.): Between Two Languages. German-speaking Exiles in Great Britain 1933-45. Stuttgart: Verlag H.-D. Heinz 1995 (= Stuttgarter Arbeiten zur Germanistik). – Fischer, Ernst (Hg.): Hirnwelten funkeln. Literatur des Expressionismus in Wien. Salzburg: Müller 1988, Garger, Sonja: Hans Flesch-Brunningen. Eine Einführung zu Leben und Werk. Diplomarbeit, Wien, 1995. – Mixner, Manfred (Hg.): Nachwort. In: Hans Flesch-Brunningen: Die verführte Zeit. Lebenserinnerungen. Wien (u.a.): Brandstätter 1988. – Patsch, Sylvia: Österreichische Schriftsteller im Exil in Großbritannien. Ein Kapitel vergessene österreichische Literatur. Wien (u.a.): Brandstätter 1985. – Polt-Heinzl, Evelyne: Hans Flesch-Brunningen (1895-1981). In: Literatur und Kritik (2005), H. 393/394, S. 101-109, P.-H., E.: Schonungsloser Chronist seiner Zeit. In: Die Furche, 30.1.2020, S. 17f.

Thuswaldner, Anton: Hans Flesch-Brunningen. Stifter-haus.at, 12.10.2011.

(SK)