Hannak, Jacques

geb. am 12.3.1892 in Wien – gest. am 14.11.1973 in Wien; Journalist, Redakteur, Kritiker, Schriftsteller, Schachexperte, politischer Aktivist

H., Sohn aus einer assimilierten jüd. Familie, wuchs im 7. Wiener Bezirk auf und studierte nach abgelegter Matura an der Univ. Wien Rechtswissenschaft. Schon früh interessierte er sich für den Sport sowie für das Schachspiel, verf. Fußball-Berichte für die Grazer Volkszeitung (1912f.) u. publiz. in der Wiener Schachzeitung. 1914 rückte er als Einjährig Freiwilliger ein u. nahm in einer Telegraphen-Abt. an den Kämpfen im Osten teil. Nach 1918 näherte er sich der sozialdemokrat. Partei an u. arbeitete nach seiner Promotion ab 1920 in der Redaktion der AZ sowie für die Zs. Der Kampf. Seine Themenfelder waren breit gestreut: neben Fragen der sozialen u. gesellschaftlichen Relevanz des Sports befasste sich H. auch mit sozialpolit. Agenda, mit heiklen Fragen der Positionierung der Sozialdemokratie zu den neu entstehenden nationaljüdischen Parteien, zu Otto Weininger, zum Militarismus oder zu Mutterschaftsdebatten. 1921 wird er Chefredakteur der Gewerkschaftszeitung Arbeit und Wirtschaft; 1924 legt er einen die zeitgenöss. Debatte über Oswald Spengler und sein Werk Untergang des Abendlandes resümierenden Beitrag im Kampf vor. 1927 griff H. mit Bezug auf den 15. Zionistenkongresses von Basel, auf dem die schwierige Lage der Palästina-Kolonisierung diskutiert wurde, nochmals die Frage des seiner Ansicht nach zum Scheitern verurteilten zionistischen Traums auf u. kommentierte ihn aus austromarxist. Perspektive plakativ als „Nationalismus der Abwehr“, als Konsequenz zugespitzter kapitalist. Verhältnisse. Im selben Jahr entspann sich auch eine polemische Debatte über die politische Ausrichtung im Dachverband der sozialdemokr. Sportvereine (Askö), u.a. mit der Roten Fahne. In der anlässl. des Internat. Sozialistischen Jugendtreffens 1929 in Wien erschienenen Festschrift über das Politische Kabarett war H. u.a. neben E. Fischer als Beiträger vertreten. 1928 veröffentl. H. mit Kameradschaft und Geschlecht seinen letzten Beitrag im Kampf u. schied danach aus der Red. aus. Aufgrund seiner pointierten programmat. Essays trat H. oft bei Parteifortbildungsveranstaltungen auf, u.a. in der Vereinigung Sozialist. Mittelschüler oder in versch. Sektionen. Zwischen K. Renner, mit dem er persönlich befreundet war u. O. Bauer, dem er ideologisch näherstand, positioniert, wird er nach seiner Rückkehr aus dem US-Exil zu einem der ersten u. wichtigsten Parteihistorikern nach 1945. Prägend, u.a. für N. Leser, seine Einschätzung über die Sozialdemokratie u. ihre Politik in der Ersten Republik: „Eine revolutionäre Partei, ‚reformistischen‘ Mitregierens und Mitverantwortens, – das war ein peinvolles Dilemma“ (Leser, 71).

Nach dem Februaraufstand von 1934 wirkte H. am Aufbau der illegalen Revolutionären Sozialisten mit, war Mitglied des von Brünn aus gebildeten Schattenkomitees, u. schlug sich bis 1938 als Redakteur der Neuen Wiener Schachzeitung durch. 1938 wurde er gem. mit anderen prominenten Sozialdemokraten in die KZ Dachau u. Buchenwald verbracht, von wo er 1939 freikam u. zuerst nach Belgien, 1940 nach Frankreich emigrierte. Ab Juni 1940 bis Anfang 1941 war er im Lager Le Vernet, wo auch Bruno Frei, Arthur Koestler u.v.a. die nach Frankreich geflüchteten Überreste der republikan. Truppen des Spanischen Bürgerkriegs interniert waren. 1941 konnte er in die USA emigrieren und zwar nach Philadelphia. Dort wurde er Mitarbeiter des ›Office of War Information‹ und gehörte von 1942-45 dem ALC (Austrian Labor Comittee) unter dem Vorsitz von Friedrich Adler an. 1946 remigrierte H. nach Wien, wo er wieder bei der AZ u.a. Einrichtungen der SPÖ publizistisch bzw. als Redner u. Fortbildner tätig wurde. In dritter Ehe war er seit 1945 mit der Publizistin u. Widerstandskämpferin Hilde Schiller (zuvor verh. mit Schiller Marmorek) verheiratet.


Weitere Werke

Geschlechtlichkeit. Eine Paraphrase Weiningerscher Ideen (Wien 1918); Sport und Geschäft. (Wien 1925); Der Fürst, der sein Land verkaufte. Aus den Erinnerungen Ernst Rüdiger Starhembergs (Wien 1949); Emanuel Lasker. Biographie eines Schachweltmeisters. Mit einem Geleitwort von Albert Einstein (Berlin 1952); Im Sturm eines Jahrhunderts. Eine volkstümliche Geschichte der Sozialistischen Partei Österreichs (Wien 1952); Karl Renner und seine Zeit. Versuch einer Biographie (Wien 1965).

Quellen und Dokumente

Das Judentum am Scheideweg. In: Der Kampf 12 (1919), H. 27, S. 649ff, „Mutterschaftszwang“. In: Der Kampf 12 (1919), H. 39, S. 843ff, Karl Marx‘ Leben und Wirken [Redekonzept]. In: Bildungsarbeit X (1923), Nr. 2/3, S. 9-11, Oswald Spengler, der letzte Ordensritter. In: Der Kampf 17 (1923), H. 3, S. 113ff, Das Fest der Arbeiterkultur. In: Arbeiter-Zeitung, 7.2.1926, S. 13, Die Krise des Zionismus. In: Der Kampf 21 (1927), S. 454ff, Kameradschaft und Geschlecht. In: Der Kampf 22 (1928), S. 129ff, In:

Die Oesterreicher in Amerika. In: London Information of the Austrian Socialists in Great Britain (1942), H. 10, S. 3.

Literatur

Norbert Leser: Grenzgänger. Österreichische Geschichte in Totenbeschwörungen II (Wien 1982), 64-85.

Eintrag bei wien.gv.at.

(PHK)