Heller, Otto

geb. am 14.12.1897 in Brünn – gest. am 24.3.1945 in Ebensee; Schriftsteller, Journalist

Der Sohn einer wohlhabenden jüdischen Familie absolvierte nach dem Kriegsdienst als Frontoffizier 1918-20 das Studium der Rechtswissenschaften in Wien und Prag und wurde 1918 SDAP-Mitglied. Ab 1919 fungierte H. als Sekretär des von Josef Luitpold Stern geleiteten Reichsbildungsamtes im Volkswehrbataillon, organisierte die Parteischule der Deutschen Sozialistischen Arbeiterbewegung in Teplitz-Schönau und publizierte in der Zs. Bildungsarbeit. Zunächst im Vorstand der Sozialistischen Jugend, war H. 1921 Mitbegründer der deutschen Gruppe der Kommunistischen Partei der Tschechoslowakei und Redakteur der Zs. Vorwärts in Reichenberg.

Nach der Ausweisung aus der Tschechoslowakei 1926 übersiedelte H. nach Berlin, wo er Kontakte u.a. zu Egon Erwin Kisch, F. C. Weiskopf, Anna Seghers, Johannes R. Becher knüpfte, damit im Umfeld des 1928 gegründeten Bundes der proletarisch-revolutionären Schriftsteller Deutschlands agierte und für Die Rote Fahne arbeitete. Als Vertrauensmann der Komintern wurde H. Redakteur der Boulevardzeitung Welt am Abend. Nach ideologischen Abweichungen wurde er vom Inhaber Willi Münzenberg auf Druck der KPD abgesetzt und später von Paul Friedländer, 1918/19 Chefredakteur von Der Weckruf und Die soziale Revolution, Vorläufer der Wiener Roten Fahne, ersetzt. Zudem lehrte H. an der von Hermann Duncker eingerichteten Marxistischen Arbeiterschule, an der u.a. auch Albert Einstein, Walter Gropius, John Heartfield, Erwin Piscator und Friedrich Wolf tätig waren. Auf Vermittlung Münzenbergs unternahm H. 1929 als Sonderberichterstatter von Berlin am Morgen eine erste Reise in die Sowjetunion, der bis 1933 weitere folgten. Dabei entstanden Reportage-Serien, die auch in Wien in der Die Rote Fahne, aber auch im Prager Tagblatt in Auszügen abgedruckt wurden und unter dem Titel Sibirien. Ein anderes Amerika 1930 erstmals in Buchform erschienen. Trotz H.s Anknüpfen an tagespolitische Themen und deutliche Agitation für die Sowjetunion gestalteten sich seine russischen Reiseberichte sachlicher als jene Kischs und Weiskopfs.

H. trat zudem mit dem gegen den Zionismus gerichteten Werk Der Untergang des Judentums. Die Judenfrage, ihre Kritik, ihre Lösung durch den Sozialismus (1932, überarbeitet 1933), das er im Wiener Verlag für Literatur und Politik veröffentlichte, in Erscheinung. Darin sprach er sich für die Auflösung des Judentums im Kommunismus aus. Trotz der kritischen Aufnahme wirkte die Schrift prägend auf die kommunistische Opposition zum Nationalsozialismus.

1933 emigrierte H., im April wie u.a. Lion Feuchtwanger, Alfred Kerr, Egon Erwin Kisch und Bruno als jüdischer Kommunist aus dem Schutzverband deutscher Schriftsteller ausgeschlossen, über Prag in die Schweiz und 1934 nach Moskau, wo er nach Publikationen für die Neuen Deutschen Blätter und die Inprekorr Außenpolitikchef der Deutschen Zentral-Zeitung sowie Gastdozent am Marx-Lenin-Institut wurde. Ab 1936 zunächst im Auftrag der Partei in Paris und in Kontakt zur exilierten KPÖ-Führung und den Widerstandskämpferinnen Margarete Schütte-Lihotsky und Elisabeth Freundlich, war H. als Propagandist im Spanischen Bürgerkrieg tätig. Nach der Festnahme und erfolgreicher Flucht in Frankreich wirkte H. unter dem Pseudonym Raymund Brunet als Dolmetscher für die Deutsche Wehrmacht in Lille, wurde 1943 neuerlich festgenommen und nach Auschwitz deportiert, wo er sich der Widerstandsgruppe um Bruno Baum, deren Berichte nach London gesandt wurden, anschloss. 1945 wurde H. ins Außenlager Ebensee des KZ Mauthausen überstellt, wo er verstarb.


Weitere Werke

Wladi Wostok! Der Kampf im Fernen Osten (1932), Das Geheimnis der Mandschurei (1932), Die rote Fahne am Pazifik (1933), Auf zum Baikal! Der sozialistische Aufbau in Ostsibirien und die Fantasien des Herrn Kamaitzi (1933)

Dokumente und Quellen

Ein Jahr Republik. Eine Vortragsdisposition. In: Bildungsarbeit 5-6 (Dezember) 1919, S. 1, Klassenkampf, Kulturkampf, Wahlkampf. Eine Rededisposition. In: Bildungsarbeit 1 (Jänner) 1920, S. 27, Der deutsche Normalmensch. In: Die Rote Fahne, 9.12.1926, S. 4, Die Sowjet-Polarexpedition 1929. Gespräch mit Professor Samollowitsch. In: Prager Tagblatt, 14.7.1929, S. 5, Maxim Gorki spricht in Leningrad. In: Die Rote Fahne, 24.7.1929, S. 6, Mätresse des Kardinals. Als Mussolini noch Romane schrieb. In: Die Rote Fahne, 23.3.1930, S. 6, 300 Jahre Zeitung. 1630-31 erschienen in Paris die ersten modernen Zeitungen. In: Die Rote Fahne, 27.4.1930, S. 6, Wladiwostok, das Tor zur Sonne. In: Die Rote Fahne, 23.11.1930, S. 7, Moskauer Wochenende. In: Die Rote Fahne, 7.5.1931, S. 7, Der Aufmarsch der Milliarden. Brief aus Ostsibirien, dem Lande der unbegrenzten Möglichkeiten. In: Die Rote Fahne, 24.7.1932, S. 9.

N.N.: Sibirien, ein anderes Amerika. Der Bericht einer „Krassin“-Fahrt ins Eismeer. In: Die Rote Fahne, 23.3.1930, S. 4, Karl Hans Sailer: Otto Heller: Sibirien, ein anderes Amerika. In: Arbeiterbücherei. Beilage zur Bildungsarbeit XVII (1930), S. 63, Otto Koenig: Sibirien. In: Arbeiter-Zeitung, 24.6.1930, S. 5, N.N.: “Untergang des Judentums”. In: Die Rote Fahne, 13.12.1931, S. 10, Zum Vortrag Otto Heller. In: Die Rote Fahne, 26.1.1932, S. 5, Bruno Frei: Der Untergang des Judentums. In: Die Weltbühne 28 (1932), 1, 14-17, A. N.: “Der Untergang des Judentums”. O. H.s Buch. In: Die Rote Fahne [Berlin], 6.2.1932, S. 10, Eva Reichmann-Jungmann: „Der Untergang des Judentums“ [Rezension]. In: Der Morgen. Monatsschrift der Juden in Deutschland (1932), H. 1, S. 64-72.

Literatur

Inge Diersen (Hg.): Lexikon sozialistischer deutscher Literatur. Von den Anfängen bis 1945 (1964), 211f., Babette Gross: Willi Münzenberg. Eine politische Biographie (1967), 175f, Lexikon deutsch-jüdischer Autoren, Bd. 11 (2002), 60-65, Eintrag bei DÖW.

(ME)