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Max Brod: Die Generation des Krieges (1928)

1918, 1928 – wir befinden uns in Erinnerungsluft, die durch das Dezimalsystem bestimmt wird. Die Frage, welche Generation durch den Krieg am meisten gelitten hat, drängt sich inmitten verschiedenartiger Jubiläen und Reminiszenzen auf.

Das Schlimmste hat zweifellos die Reihe von Jahrgängen erlebt, die im Feuer gestanden ist. Viel beklagt wurde auch das Los derjenigen, die knapp nach dem Krieg zur jugendlichen Entfaltung kam – das heißt: nicht kam, denn das Nachkriegschaos betrog sie um das wahre Freudenlicht der Jugend, machte ihren Lebensanfang zu einem abnorm schweren, ja kaum zu gewinnenden Krieg.

Von diesen beiden Generationen wurde schon viel geschrieben und gesprochen. Das Schicksal der Nachkriegs-Jugendlichen stand eine Zeit lang im Vordergrund literarischer und pädagogischer Diskussion. Wenig beachtet wurde eine dritte, ältere Generation: die, welche bei Beginn des Krieges eben fertige Männer geworden waren, die ihr Weltbild und ihre bürgerliche Position eben in den Grundzügen festgelegt hatten – und dann kam der Krieg und warf alles um.

Es sind die Menschen, die heute vierzig Jahre alt oder etwas älter sind. Dem Buchstaben nach. Faktisch sind sie viel älter, steinalt. Sie sind schnell gealtert. Denn sie haben zu viel erlebt. Ihre Entwicklung wurde gewaltsam zerbrochen. Sie näherten sich gerade der Höhe des Menschenlebens, festigten ihre Anschauungen, rangen um Klarheit auf einem ganz bestimmten Weg. Auf einmal war der ganze Weg falsch. Ungeheuerliches geschah. Es mußte von vorn angefangen werden. Und zwar nicht in ganz jungen Jahren, in denen man gern täglich ganz von vorn anfängt. Sondern in einem späteren Zeitpunkt, in dem man nur noch mit Anstrengung, ganz ernsthaft, ganz aus der Tiefe her zu revidieren vermag.

Im geistigen Sinne hat der Krieg diese Generation am schwersten getroffen. Denn er hat sie in ihrer Vollreife getroffen. Man kann daher die Generation der heute Vierzig- bis Fünfzigjährigen im wahrsten Sinn die „Generation des Krieges“ nennen.

Daß sie selbst nicht allzu viel Aufhebens damit machen, nicht so laut schreien wie die Nachkriegs-Jugendlichen: das gerade ist das charakteristische Merkmal und führt schon mitten ins Krankheitsbild dieser Generation hinein. Sie fürchtet sich nämlich, alt zu erscheinen. Sie will krampfhaft jung bleiben. (Analogon: heutige Frauenmode.) Sie ist widerstandslos gegen alles Neue, macht glatt jede aktuelle Konvention mit. Nur möge man um Gottes willen nicht auf den Gedanken kommen, daß die Elastizität dieser Halb-Alten nachlasse und auch nur um eine Gran hinter dem zurückbleiben, was das sogenannte Tempo der Zeit fordert! Früher war man bockbeinig, starrsinnig. Der seltsame Bruch, den der Krieg in den Geistern der „Kriegsgeneration“ angerichtet hat, zeigt sich darin, daß sie bereitwillig jedes neue Diktat annehmen. Nie sind literarische, malerische Moden so schnell vorbeigerauscht wie jetzt. Dem Naturalismus folgte eine wilde Expressionismus-Woge. Man wollte die Dinge nicht mehr sehen, nur sich selbst, das eigene autonome Gefühl. Jemandem sagen, daß er mechanistisch denke, rational und analytisch vorgehe, war (man lese das etwa bei Rathenau nach) ärgste Beschimpfung. Mit einemmal wird die Betonung des freien unkonstrollierbaren „Ich“ von der Unterstreichung des „Es“ abgelöst. Das Individuelle und Irrationale gilt als erledigt. Kollektiv, mechanisch, rational, sachlich – vor wenigen Jahren Schimpfworte – sind jetzt Ausdrücke höchster Lobeskritik. Nicht daß der Geschmack, das Schlagwort wechselt (der wahre Strom der Dichtung zieht und zog ohnehin immer weit fern von solcher Schlagwortschlacht), – sondern daß der Wechsel so schnell, so kampflos vor sich geht, in so weichem, gegenseitigem Einvernehmen, das ist das Bemerkenswerteste – und ist die Schuld der „Generation des Krieges“, die feig und resigniert, im Innersten gebrochen kein Beharrungsvermögen aufbringt, die nach jedem Lüftchen auslugt, ausfühlt, um sich nur ja recht augenblicklich danach umzustellen. Fragte man diese Menschen aber auf Ehre und Gewissen, wo ihr eigentlicher Ernst liegt, – so fände man ihn nicht in diesen flüchtigen spielzeughaften Moden, sondern in einer eigenartigen Bewußtseinsspaltung. „So war es vor dem Kriege – so ist es jetzt“ – das sind die beiden Kategorien, mit denen sie denken. Wer heute zwanzig Jahre alt ist, ja selbst der Dreißigjährige hat kein Bild der scheinbar festgegründeten Ordnung, in der jene aufgewachsen sind, in der sie sich bis zu einer gewissen, schon durchaus profilierten Geisteshaltung entwickelt haben. Er hat diese Ordnung (und konnte sie mit gutem Grund) vergessen. Aber der Mann von vierzig Jahren – er, das eigentliche Kriegsopfer im geistigen Sinne – überall Vergleichsmöglichkeiten haben, jedes Ding in zwei aufschlitzen, in den Zustand „vor dem Krieg“ und „nachher“ – es gehört schon unendlich viel Nervenkraft und Charakterstärke dazu, um nicht in allgemeine Skepsis, in den müden Glauben an die Relativität aller Dinge unterzutauchen. Die besten dieser Generation haben in dieser Gefahr, die sie genau sehen, eine besondere Wachheit erlangt, an der sie einander gegenseitig erkennen. Außerhalb dieses strengen Geheimbundes plätschern die Karrieristen, die Immer-Zeitgemäßen, die auf jung und aktuell geschminkten Kriegsinvaliden des Geistes, die jede neue geistige Bewegung im Moment mitmachen, weil ihnen im tiefsten Grunde durch die eine große Bewegung, die sie wirklich mitmachen müßten, durch den Kriegsbruch ihrer Erfahrung alle anderen noch zu machenden Erfahrungen lächerlich unwichtig und gleichgültig geworden sind.

In: Prager Tagblatt, 8.7.1928, S. 5.

Max Foges: „Die vaterlose Gesellschaft“. Psychoanalyse und Revolution.

             Man muß schon einigermaßen mit der Terminologie der von dem Wiener Forscher Professor Siegmund Freud begründeten und so heiß umstrittenen psychoanalytischen Methode vertraut sein, um den Titel einer soeben in der Serie „Der Aufstieg“ (Anzengruber-Verlag, Brüder Suschitzky, Wien-Leipzig) erschienenen Broschüre des Freud-Schülers Dr. Paul Federn: Zur Psychoanalyse der Revolution: Die vaterlose Gesellschaft zu verstehen. Allerdings die Lektüre der schlanken Schrift wird auch den Laien auf dem Gebiet der Psychoanalyse sicher fesseln und ihm einen Einblick gewähren in die tiefsten seelischen Zusammenhänge, die den einzelnen schon mit der gesamten menschlichen Gesellschaft verbinden. Dr. Paul Federn wagt einen geistvollen Versuch, die abnorme seelische Erregung unserer Zeit, die sich in der Revolution und allen ihren Erscheinungen manifestiert, auf psychoanalytischem Wege zu erläutern, indem er eine der Grundlagen des Lehrgebäudes Professor Freuds, die sogenannte Sohneseinstellung im Vater heranzieht. Wenn man den Gedankengang Federns darlegen will, muß man, wie Freud es bei seinen Forschungen tut, auf die Urzustände der Menschheit, auf die Psychologie der Primitiven zurückgreifen.

             Die erste Form des menschlichen Zusammenlebens war die einer Herde, die unter der übermächtigen Alleingewalt eines Vaters stand. Ihm gehörten die Brüder, ihm die Frauen. Diese Vormacht war geheiligt durch ein System primitiven Aberglaubens, dem Keim späterer Religionen, war gehalten durch die größere Stärke des Häuptlings-Vaters. Heranwachsende einzelne Söhne, die sich nicht fügen wollten, wurden anfangs getötet, in einer späteren Periode vertrieben. Dafür, daß dieser Kampf zwischen Vater und Söhnen grausam und unerbittlich war, sprechen viele Momente, unter anderem die Rolle der Kastration, die, als Recht der Väter, als Angst der Söhne durch die Geschichte der Religionen und Gebräuche ebenso nachweisbar ist, wie sie in spontanen Angstvorstellungen der kleinen Knaben noch heute wiederkehrt. Das Ende eines solchen Tyrannen und Vaters war kein sanftes. Wenn seine Kräfte nachließen oder wenn der gemeinsame Haß der entrechteten vertriebenen Söhne diese zu einer Bruderhorde zusammenschloß, bekämpften und besiegten sie schließlich den Vater und es folgte […] eine Siegesmahlzeit, unter anderem auch, damit so die vom Aberglauben vorgestellte geheimnisvolle Zauberkraft des Vaters auf den Sieger übergehe […] So wiederholte es sich durch lange Generationen, bis der einen Wendepunkt der Kulturgeschichte bedeutende Fortschritt gemacht wurde, daß die Bruderherde sich nicht mehr nur zum Morde des Vaters vereinigte, sondern nach Beseitigung des Tyrannen als Söhneorganisation mit einem durch Vertrag bestimmten Vater beisammen blieb. Dann konnten sie von dem weiteren Vatermord ablassen und es bildeten sich große Gemeinschaften aus den Herden mit Häuptlingen an der Spitze. Aber die uralten Greuel, die in Wirklichkeit aufgehoben waren, wurden als Symbol und Zeremonie festgehalten in der gemeinsamen Totenmahlzeit, in der Vergottung des Vaters im Totenkult, in Gebräuchen, deren Weiterbau an die antike Tragödie und in die religiösen Opfer ausläuft. Es erhielt sich aber auch in der Seele des primitiven Menschen die zwiespältige Einstellung zum Vater: der schuldgehemmte Haß und die furchterfüllte Liebe. Der Vatermord, mit dem die Geschichte der Menschheit einsetzt, war später so sehr zur Sünde geworden, daß er außer alles Rechtes stand. Nichts ist dem Sohn verehrungswürdiger als der Vater, und doch enthält diese Verehrung noch heute in der Kinderseele einen Rest von der uralten Feindschaft, dem uralten Trotz und der uralten Schuld.

             Und nun führt Federn aus, wie der Sohn, jeder einzelne Sohn sich loslösend von der Autorität des Vaters, doch wieder in seinem Leben nach einer Vatergestaltung sucht, und als eine solche Vatergestaltung erscheint ihm der Kaiser im Verhältnis zu seinen Untertanen. Und übergehend auf die Ereignisse des Zusammenbruchs, der sozusagen die Untertanen vaterlos machte, schreibt er: „Nicht alle waren durch den Sturz des Kaisers unvorbereitet vaterlos geworden. Für viele hatte schon die Kriegserklärung die Vaterbindung zerstört, weil kein imaginärer Vater seine Kinder töten läßt, wenn nicht in höchster Verteidigungsnot der Mutter, des Vaterlandes. Diese Partei der ›Unabhängigen‹ vermehrte der Krieg dadurch, daß zwar nicht die fernste Vatergestalt, aber die näheren, die ungezählten Vorgesetzten, Amtsstellen und Offiziere so viel eigensüchtiges Anrecht begangen und so viel unbefolgbare Befehle erteilt haben, daß die ‚Niederen‘, die Arbeiter und Soldaten, schon während des Krieges dieselbe Enttäuschung an diesen Vätern erlebten wie einst in der Kindheit. Die Enttäuschung war so groß, daß sich bei vielen Tausenden die anhängliche Vatereinstellung noch nachträglich in haßerfüllte, oppositionelle verwandelte.

             Der Sturz des Vatertums in dem kaisertreuen Volke war in Österreich durch die wenig zur Vatergestalt taugende Persönlichkeit des jungen Kaisers erleichtert. Charakteristisch ist, daß allen antidynastischen Bewegungen diffamierende Gerüchte über das Herrscherhaus vorausgehen, die wenig Wahres mit viel Falschem vereinen und nicht mehr ausgemerzt werden können. So war es auch in der Französischen Revolution und in Rußland. Diese innere Ehrfurchtsverletzung untergräbt die Vaterstellung, wie einst die gegen den Vater gerichteten Schmähworte sie in der Kindheit gelockert haben. So geschah es, daß die Regenten ohne Widerstandsversuch fallen mußten, weil die gesamte Stimmung von unten bis oben nicht mehr trug. Viele vatertreu gebliebene Untertanen äußerten ihre Erbitterung darüber, „der Kaiser habe das Volk im Stich gelassen“, was zwar nicht der Wahrheit entspricht, aber die Zahl der vaterlos Gewordenen neuerdings vermehrte. Mit dem Sturz des Kaisers mußte alles kraftlos werden, was von der ideellen Vatergemeinschaft getragen war. All dem nicht zu gehorchen, war jetzt innere Bereitschaft, fast innerer Zwang geworden. Wer diese unbewußte Ursache versteht, wird die Vorwürfe, welche einzelnen die Schuld zum Beispiel am Wirrwarr des Rückzuges geben, sehr einschränken. So wenig der einzelne Nutznießer für die in Jahrtausenden entstehenden vererbten und eingewohnten Privilegien auf der Seite der Vatergestaltungen, für die Entrechtung auf der Seite der Söhne eine moralische Verantwortung trägt, so wenig konnte der einzelne die Folgen des Sturzes in seinem Bereiche aufhalten. Sehr ungerecht ist besonders die Entrüstung über Monarchisten, Klerikale und Bourgeois, daß sie nicht über Nacht Republikaner wurden. […] Der Wirrwarr wäre noch größer gewesen, wenn nicht die organisierten Sozialdemokraten schon lange die freiwillige Einordnung in ihrer Partei gelernt und ihr ideelles Vaterbedürfnis schon lange am Führer befriedigt hätten. Daß in Deutschösterreich die Revolution ohne die Raserei haltlos gewordener Menschenrudel verlaufen ist, verdanken wir dem Glück, daß Viktor Adler noch lebte und führte, den jeder Genosse fast bewußt als Vater empfand. Dem radikalen Teil der Partei, dessen Sohneseinstellung sich längst vom Obrigkeitsstaate, während des Krieges auch von den Parteiführern gelöst hatte, bot sich wiederum in der – man kann ohne Übertreibung sagen – heldenhaften Gestalt Fritz Adlers eine gemeinsame Vaterverbindung. Die Tat Fritz Adlers war darum von solch ideeller Bedeutung für die sozialdemokratische Partei in Oesterreich, weil sie der vehemente Ausbruch der Gegnerschaft gegen den alten Obrigkeitsstaat war, einer Gegnerschaft, die während des Krieges wie betäubt verstummt zu sein schien. Daran war auch das Vaterhafte des alten Kaisers schuld gewesen, dessen altgewohnte Greisengestalt viel zum Ausbruch des knabenhaften Enthusiasmus der ersten Kriegsmonate beigetragen hat. Wir erkennen daran, wie ohnmächtig die Vernunft gegen das Unbewußte ist, der Verstand gegen den Trieb sich erweist, mußte doch das hohe Alter lediglich eine noch größere Potenz seiner Unfähigkeit beweisen. Aber dem Gefühl des Volkes – darunter auch vieler Sozialisten – war er desto mehr von der mythischen Weihe des Vatertums umkleidet. Jetzt, da das Vatertum gestürzt is, büßt auch die Partei der Mehrheitssozialisten ihre Verbindung mit dem Gewesenen. Auch die alte Organisation ist den „vaterlosen Gesellen“ zu sehr vom Vatertum durchtränkt. Sie wollen der väterlich eingestellten Partei keine Gefolgschaft leisten.

             In demselben Sinn seiner Theorie und ebenso geistreich beurteilt Dr. Federn die Ereignisse in Deutschland. Seine Schlußfolgerungen zieht er schließlich dahin: „Bei denen, die sich jetzt von der sozialen Vater-Sohn-Einstellung gelöst haben, bleibt die Tendenz doch dazu so stark, daß sie nur auf eine geeignete, neu auftretende Persönlichkeit warten, die ihrem Vaterideale entspricht, um sich wieder als Sohn zu ihm einzustellen. Mit großer Regelmäßigkeit hat deshalb nach dem Sturz von Königen die Republik der Herrschaft eines Volksführers Platz gemacht.“ Allerdings meint er, es müsse nicht so kommen und weist besonders auf Amerika hin. Aber er selbst kann doch auch da seine Bedenken nicht unterdrücken und zeigt selbst den Durchbruch der Vateridee in Erscheinungen auf wie in der Verehrung der amerikanischen Jugend für Roosevelt. Auch räumt er ein, daß Amerika, das Einwandererland, insofern eine Ausnahmestellung einnimmt, als die Einwanderer die Objekte ihrer Vater-Sohn-Einstellung in Europa zurückgelassen haben. Und so schließt er resigniert seinen Beitrag zur Psychologie mit den Worten: „Das // Vater-Sohn-Motiv hat die schwerste Niederlage erlitten. Es ist aber durch die Familienerziehung und als ererbtes Gefühl tief in der Menschheit verankert und wird wahrscheinlich auch diesmal verhindern, daß eine restlos „vaterlose Gesellschaft“ sich durchsetzt.

In: Neues Wiener Journal, 12.9. 1919, S. 7-8.

Leo Lania: Das junge Amerika

             Was an literarischen Werken in den letzten Jahrzehnten aus Amerika den Weg nach Europa gefunden hat, konnte gewiß nicht die Behauptung rechtfertigen, es gäbe so etwas wie eine nationale amerikanische Literatur. Andererseits ist es jedoch ganz klar: dieser einzigartige Assimilationsprozeß, der aus jedem in die glühende Esse des amerikanischen Lebens geratenen Engländer, Deutschen, Tschechen in wenigen Jahren den Amerikaner schweißte und hämmerte, mußte auch in der Literatur sein Abbild finden. Und so bezeichnet auch der allen modernen amerikanischen Schriftstellern eigene Wesenszug – ihre innige Verwachsenheit mit der journalistischen Reportage – mehr als etwas formales, äußerliches; er drückt sich in der Technik dieser Literatur ebenso aus wie in ihrem Stil und – nicht zuletzt – in der Problemstellung und den künstlerischen Absichten der Autoren.

             Mit dieser Feststellung soll gewiß kein Werturteil abgegeben werden. Für den deutschen Bürger, der von jeher aus der Not seiner politischen Unreife eine künstlerische Tugend gemacht hat, muß das ausdrücklich betont werden. In anderen Landen aber, wo die breiten Schichten des Volksganzen die künstlerischen Leistungen weniger genau zu registrieren und katalogisieren verstehen, sie dafür aber um so intensiver, zumindest unmittelbarer und innerlich freier empfinden, weist man den schaffenden Künstler keineswegs aus dem Kampfgetümmel der Parteien und sieht durchaus nicht seine Aufgabe darin, den Sorgen und Nöten seines Volkes entrückt, auf einem erhabenen Piedestall zu stehen, allwo er als Zierde der Nation dekorativ zu wirken berufen ist.

             So ist denn auch – nicht trotz seiner starken, einseitigen Tendenz, sondern über sie hinaus – der uns Europäern bisher noch nicht bekanntgewordene Amerikaner John dos Passos ein Dichter. Sicher, daß die Bedeutung seines vor kurzem in deutscher Uebersetzung erschienenen Romans („Die drei Soldaten“, Malik-Verla, Berlin-Halensee) nicht in der politisch-erzieherischen Tendenz des Buches allein liegt. Gerade in seiner Unausgeglichenheit, dadurch, daß es technisch nicht jene vollendete Geschlossenheit der Sinclairschen Romane aufweist, vermittelt dieses Werk sehr interessante Einblicke in die geistigen Strömungen der modernen amerikanischen Literatur und die Psyche des amerikanischen Menschen.

             „Die drei Soldaten“ ist ein Kriegsbuch. Unwillkürlich denkt man an Barbusses „Feuer“, mit dem es in der Gesinnung und im Aufbau sehr vieles gemeinsam hat. Aber der Vergleich zeigt auch ganz scharf die Grenze, die diese beiden Kriegsbücher scheidet und die in Wahrheit die Trennungslinie zwischen dem Empfinden, der Sinnesart des alten Europäers und des jungen Amerikaners ist. Sonderbar: der Krieg erscheint in diesem amerikanischen Kriegsbuch nicht als das Wesentliche. Nicht der Schützengraben, nicht die Schlacht, nicht das Töten und Getötetwerden gibt dos Passos den Vorwurf zu seinen unerhört plastischen Bildern und aufwühlenden Schilderungen – der Kasernendrill, der militärische Zwang, die Unterjochung der Persönlichkeit durch Leutnantsregiment und Kadavergehorsam, das erscheint dem Amerikaner als das wahre Problem. Oder wie es dos Passos einen jungen Soldaten ausdrücken läßt: „Der Krieg wäre vielleicht gar nicht so schlimm, wenn es nicht wegen des Militärs wäre!“ In der ganzen Primitivität dieses Ausrufes spiegelt sich der Geist und das Empfinden einer jungen unverbrauchten Rasse, die nicht die fein verästelten seelischen Hemmungen des Europäers kennt, deren Persönlichkeitsgefühl aber ebensowenig durch Generationen unterdrückt, verkümmert wurde. Und offenbar wird – für viele gewiß nicht überraschend –, daß auch dies eines jener aus dem Dünkel des Europäers abgeleiteten Märchen ist: je älter die Rasse, desto stärker und feiner ihre Sensibilität. Zumindest fehlt der Zusatz:  desto stärker auch die Widerstandsfähigkeit, der seelische Panzer.

             Die Fabel des Buches: mager und eigentlich auch nebensächlich. Ausbildungslager in Amerika – Einschiffung – Truppentransport nach Frankreich – Etappendienst hinter der Front. – Auf dem Vormarsch zur Stellung wird der eine der drei Soldaten, ein junger Musiker, verwundet, leicht verwundet, er kommt ins Spital – sein Anteil am Kriege ist eigentlich erschöpft, er wird nach Paris auf Studienurlaub entlassen – da ist auch schon der Waffenstillstand unterzeichnet. Nun wahrlich, glimpflicher hätte nicht bald einer davonkommen können, denk man unwillkürlich. Aber auch die anderen Helden des Buches haben ein glückliches Los gezogen – stets reichliche Verpflegung, immer in der Etappe, immer unter Dach und Fach… aber just da setzt für Passos den Amerikaner das tragische Motiv ein: der Zwang. Gibt es, kann es etwas Unmenschlicheres, Widernatürlicheres, Furchtbareres geben als diesen? Daß der junge Musiker verhaftet wird, weil er von einer Patrouille ohne Paß betroffen wird, daß man ihn ohne Verhör strafweise in eine Arbeitskompagnie einreiht – daß so etwas möglich ist, erscheint Passos als Höhepunkt der Tragik. Der Musiker desertiert – er könnte um Entlassung einreichen, würde sie ohneweiters nach kurzer Zeit erhalten – er tut das nicht. Wieder eine Uniform anziehen? Wieder stramm stehen vor jedem Vorgesetzten? Wieder Soldat, Automat werden? Nein, nicht einmal für Stunden. So geht er zugrunde.

             Wir Europäer, Deutsche, Franzosen, Italiener, Russen, wir haben in den letzten Jahren so unerhört vieles, so schreckliches – nein, nicht erlebt – über uns hinwegbrausen lassen, daß es wahrlich kein Wunder ist, wenn wir heute einfach nicht fähig sind, das zu empfinden, was Maeterlinck einst „die Tragik des Alltags“ genannt hat. Hätten wir es im Kriege gekonnt, das Erleben hätte uns das Leben gekostet. Das Buch, von dos Passos zeigt uns Europäern, wie viel wir auszuhalten vermochten – und vermögen.

             Der deutsche Militarismus ist auf den weiten blutgedüngten Schlachtfelder Frankreichs zusammengebrochen – sein Geist aber hat in einem nie geahnten Triumphzug Frankreich und die Tschechoslowakei, zwei Drittel von Europa und den wahren Sieger im Völkergemetzel, Amerika, erobert. Daß dieser junge amerikanische Militarismus nicht nur in seinem inneren Wesen, sondern in allen seinen Formen und Aeußerlichkeiten nur ein Abklatsch des kontinentalen Leutnantsregiments mit allen seinen Brutalitäten, Scheußlichkeiten, Borniertheiten ist, das hat uns und vor allem den Amerikanern zuerst Sinclair gezeigt. Dos Passos ist – ich möchte beinahe sagen – nicht so jung, so unbekümmert, so absolut wie Sinclair – das macht, daß wir uns ihm verwandter fühlen als jenem. Und umso stärker beim Lesen dieses Buches von dem Entsetzen gepackt: „Tua res agitur“ (Es geht um dich!). Auch wir sind dieser Hölle noch nicht entronnen.

In: Arbeiter-Zeitung, 30.8.1923, S. 5.

Oskar Maurus Fontana: Wille und Weg der Volksbühne

Vorbemerkung der Redaktion. Die interessanten Ausführungen Fontanas werden sicherlich nicht ohne Widerspruch bleiben, der im Einzelnen ja schon durch andere Aufsätze in dieser Nummer vorausgenommen ist. Aber die Bemerkungen Fontanas sind wichtig, und sie tragen viel zur notwendigen Diskussion und Klärung des ganzen Problems bei.

             Das Theater ist – soziologisch betrachtet – eine Gruppenbildung. Eine Gruppe kann nur von Ähnlichen gebildet werden. Unsere bürgerlichen Theater aber sind Versuche von Gruppenbildungen zwischen ganz und gar Unähnlichen. Jeder will was anderes: der Direktor, der Schauspieler, der Dichter und jeder im Publikum. Wie kann da eine Form entstehen und wachsen? Sie muß zerfallen. Ihr fehlt jede Bindung der Einheitlichkeit im Willen, im Geist. Alle großen Theaterepochen hatten diese Geschlossenheit. Warum zum Beispiel war das alte Burgtheater möglich? Das Publikum wollte durch feine Unterhaltung über die politischen Miseren eines wankenden Reiches gebracht werden und das Theater wollte das Publikum durch feine Unterhaltung über die politischen Miseren eines wankenden Reiches bringen. Dafür war Geld vorhanden. Mit Recht. Mit ebensolchem Recht ist es schwer, für das disparate Gebilde, welches sich heute Burgtheater nennt, auch nur bescheidene Mittel aufzubringen. Und wiederum: warum begibt sich jetzt das Entscheidende des Theaters in Rußland? Weil hier die Einheitlichkeit da ist, weil hier »Ähnliche« gruppenbildend wirken und so das Schöpferische entfesseln. Und dann, bei geglückter Gruppenbildung – das ist das Geheimnis – hat das Theater immer Geld.

             Unser Theater hat kein Geld. Schon das zeigt, wie sehr es aus dem »Lebensnotwendigen« in eine Sphäre des überflüssigen »Nur-Theaters« gerutscht ist. Wie aber kommen wir Westeuropäer zu einer Einheitlichkeit und damit wieder zu einem Beginn der Theaterkultur? Durch die Volksbühne, durch den Zusammenschluß des Publikums, das sich durch seinen Vereinigungswillen schon als »Ähnliche« zu erkennen gibt. Die Volksbühne ist die Theaterform von heute, weil dieser Theatertyp dem Stand unserer in Umbildung begriffenen Gesellschaft entspricht. Es ließen sich radikalere Formen denken, aber ihnen müßte eine radikalere Gesellschaftsumschichtung entsprechen. Die Volksbühne ist eine Gruppenbildung zwischen Demokratie und Prolet-Diktatur. Genau dort steht unsere Gesellschaft. Die Gesundheit des Volksbühnengedankens zeigt sich schon darin, daß der größte Trust der Theatergeschichte, der Reinhardt, Barnowsky, Robert in Berlin, zum Abonnentensystem zurückkehrt, zum »Stammpublikum« der früheren Bildungs- und Stadttheater. Nur freilich ist ein großer Unterschied: Der Trust sucht nur einen äußeren, einen rein wirtschaftlichen Zusammenschluß mit seinem Publikum, um sein altes Theater zu sichern – die Volksbühne will über die ökonomische Bindung hinaus, seinem Publikum innere, geistige Verschmelzung und Erneuerung geben. Das entscheidet.

             Darum wird die Volksbühne dem großen Kampf der Geister, der Europa durchschüttelt, nicht ausweichen können, sie wird ihn aufsuchen müssen, weil nur aus geistiger Klarheit uns wieder fester Boden kommen kann. Eine herrschende Geistigkeit mit ihren Machtmitteln geriet wie aufgelockerter Schnee ins Rutschen, vieles stürzte talab, manches hält sich noch an Vorsprüngen. Ganze Klassen verschwanden, andere wuchsen riesenhaft. Ein neuer Inhalt, eine neue Form werden gesucht. Nichts blieb unberührt. Das Soziale, das Sittliche, das Sinnliche, das Künstlerische, das Religiöse – alles hat seine alten Grenzgebiete verlassen – eine Völkerwanderung der Ideen.

             Dieses Ganze muß man in der Volksbühne spüren. Sie kann nicht mehr Besucherorganisation allein sein wie früher, sie kann auch der »Bildung« nicht mehr nur dienen, sie muß uns aufrufen, sie muß ein Theater der Lebendigen für Lebendige sein.

             Gewiß, eine Publikumsgenossenschaft, wie sie einmal die Volksbühne ist, kann keinen Geist ausbrüten, aber sie kann dem Kampf des Geistes eine gesunde Ökonomik gewährleisten. Hätten den gleichen Mangel an Vertrauen zur eigenen Kraft die 28 arbeitslosen Flanellweber gehabt, die sich 1843 in Rockdale zur Rettung ihrer Existenz als eine Genossenschaft vereinigten und erst ein Jahr später ein Anfangsbetriebskapital von 28 Pfund zusammenbrachten, so hätten sie nicht 1851 eine mit Dampfkraft betriebene Kornmühle, 1855 eine Baumwollspinnerei und 1863 eine Baugenossenschaft mit einer Million Friedensmark Kapital als Eigentum der Genossenschaft besitzen können.

             Alle Genossenschaften haben klein angefangen, ehe sie die heutige Größe erreichten. Auch die Volksbühne. Wer die Volksbühne in Wien will, darf sich freilich an keine Utopien und Großmachtträume verlieren. Die Wiener Volksbühne darf in ihren Anfängen nicht vom Bühnenreformertum belastet werden. Auch auf der Guckkastenbühne kann sich Wertvolles, Alarmierendes ereignen. Sich heute um den »Bühnenraum der Volksbühne« den Kopf zu zerbrechen, das gleicht der Sorge der Mutter: wie wird das Hochzeitszimmer des noch nicht geborenen Kindes aussehen. Laßt das Kind doch einmal zur Welt kommen. Dann wird sich alles andere schon finden.

             Wir müssen zu arbeiten beginnen. Im kleinen Umfang, so wie die Berliner Volksbühne begann, die ja auch nicht am ersten Tag hundertsechzigtausend Mitglieder und ein großes Haus hatte. So wie schließlich – erinnern wir uns – schon einmal die Wiener Volksbühne begann, ehe der Krieg sie zusammenschlug. Aus den Möglichkeiten heraus, die uns Wien und die ökonomische Situation vorschreiben, müssen wir arbeiten. Aber arbeiten! Und wir dürfen uns nicht unserer Armut schämen. Wir brauchen nicht auf sie stolz sein, aber wir müssen uns sie eingestehen und sie mit ihren eigenen Mitteln zu überwinden suchen. Freilich, wer den Anfängen der Volksbühne Monumentalität sichern will, wird verzagen müssen. Aber Monumente gehören den Toten. Die Volksbühne lebt. Sie hat mehr als dekorative Werte zu vergeben; revolutionäre Leidenschaft.

In: Kunst und Volk 3 (1928), Heft 1, S. 19-21.

N.N. (= Friedrich Austerlitz): Das blutige Gespenst

Die Habsburger haben unser Volk in den Höllenrachen des Krieges hinabgestürzt, ihre Flucht ließ hier eine Wüste wirtschaftlicher Zerstörung, Tod, Hunger und Elend zurück. Doch nun soll gerade das Verbrechen den Verbrecher krönen. Aus unserem Hunger, aus unserer frierenden Not wollen die Monarchisten dem wiederkehrenden Karl seinen Thron zimmern. Das klingt wie hirnverrückter Widersinn, aber in Ungarn ist es doch bereits zur Tat geworden. Dort steht die Monarchie zugerichtet und fertig gebaut und harrt nur des Monarchen. Das vom Kriege entkräftete, durch alle Tollheiten politischen  Irrwahns müde gehetzte ungarische Volk ist so völlig seiner Macht der Selbstbestimmung entkleidet, so völlig durch die Banditenschar monarchistischer Söldner geknechtet, dass es schweigend zusehen muß, wie der Urheber aller Schmach als Retter in den Straßen ausgerufen wird. Und auch bei uns redet und raunt man von der rettenden Monarchie, die Verzweiflung soll auch an uns ihr Werk vollbringen. Von unserem Hunger nährt der Habsburger an seinem Flüchtlingshof seine liebsten Hoffnungen; unser kalter Herd, der Frost unserer ungeheizten Stuben wärmt wohlig sein einstweilen in Ruhestand versetztes liebenden Vaterherz.

Und er hofft nicht allein, freut sich nicht allein unseres Siechens und Hinsterbens. Nicht als ob die Wiederkehr der Habsburger irgend jemandem Herzenssache wäre. Noch nie ist eine Monarchie gefallen, die so wenig echten Royalismus im Lande ihrer einstigen Herrschaft zurückgelassen hätte. In Frankreich brannte das Feuer des legitimistischen Fanatismus hundert Jahre nach und ist jetzt noch nicht gänzlich erloschen; in Deutschland ist es die tiefernste Ueberzeugung vieler, dass nur das hohenzollerische Kaisertum die deutsche Einheit würdig verkörpert hat.  Von solchen Verirrungen des Herzens und des Verstandes brauchen wir hierzulande nichts zu besorgen. Die Habsburger verkörperten keines Volkes Sein und Wesen, im kalten Herrscherhochmut schwebten sie über allen „ihren“ Nationen, hatten an der Entwicklung, an dem Sehnen und Drängen keiner einzigen inneren Anteil, und so gibt es denn auch nirgends in ihrem einstigen großen Reiche Menschen, die aus uninteressiertem Empfinden, aus innerem Gefühl Anhänger der gefallenen Dynastie wären. Der Sturz dieses mehr als sechs Jahrhunderte alten Geschlechts hat kein Auge feucht gemacht.

Nicht die Herzen und die Ueberzeugungen haben sich zu Gunsten Karls verschworen, aber eine Koalition alles Gemeinen, Niedrigen und Verworfenen in unserem Lande ist für seine Wiederkunft geschäftig. Was der Vermögensabgabe entfliehen möchte, was um den Ertrag des Kriegswuchers bangt, was die „Begehrlichkeit“ der Arbeiter möchte „in Schranken gewiesen sehen“ und den alten Zustand des Fabriksdespotismus zurückwünscht, was aus der Herrschaft der Kirche in Schule und Familie seinen Vorteil zieht, der Kastengeist entlassener Söldlinge, bürokratischer Ranghochmut, dem ein freies und gleiches Volk Aergernis ist: all das wirbt heimlich und offen für die Monarchie und nimmt fröhlich die Not des Volkes und seine Verzweiflung zum Bundesgenossen. Die Verlogenheit der bürgerlichen Presse, die die Folgen der wirtschaftlichen und geographischen Unmöglichkeit unseres Scheinstaates in Sünden und Unterlassungen der Republik und in Verbrechen der sozialistischen Arbeiter umdeutet, ist sich ihres Zieles und Zweckes wohl bewußt. Die auf der Schädelstätte unseres Elends die Monarchie wieder aufrichten wollen, täuschen sich am allerwenigsten darüber, dass der Monarch an unseren  wirtschaftlichen Nöten nichts ändern kann, daß kein Krümchen Brot und kein Stückchen Kohle mehr ins Land kommen würde, wenn die habsburgische Sippe wieder einzieht. Allein wozu braucht es Brot und Kohle, wenn ein Monarch waltet, den eine schlagkräftige Prätorianergarde umgibt, nach der Art, wie sie Horthy gebildet? Ein hungerndes und frierendes Volk ist nur fürchterlich, wenn es durch Freiheit und Demokratie die Macht hat, die Folgen der allgemeinen Notlage allen aufzuerlegen. Schützt jedoch eine Horthysche Truppe die Kassen der Reichen vor den Notsteuern einer zusammenbrechenden Wirtschaft und den Unternehmer vor den Lohnforderungen der von der Teuerung gepeinigten Arbeiter, dann mag in seinen Stuben das Volk erfrieren und auf den Straßen vom Mangel entkräftet hinsinken: die Bourgeoisie wird diesem Schauspiel aus sicherer Ferne zusehen. Für die Reichen wäre eine auf Söldner gestützte Monarchie tatsächlich der Retter in der Not, der vollgültige Ersatz für Brot und Kohle.

Und dennoch und trotz der breiten Massen Gedankenloser, die im Wirtshause, auf der Straße, im Tramwaywagen murrend und maulend die Schmähungen der Reaktionäre auf die Republik in armseliger Torheit nachsprechen, ist die habsburgische Restauration eine totgeborne Idee. Man proklamiert sie in Budapest und intriguiert für sie in Wien. Aber Budapest und Wien sind die beiden einstigen Hauptstädte eines Reiches, dass nicht mehr ist und niemals mehr sein kann. In Budapest wie in Wien waren sich die früher machthabenden und jetzt nach der Restauration lüsternen Kreise niemals der wahren Grundlagen ihrer Macht bewußt, und haben, scheint es, auch durch den Zusammenbruch keine bessere Klarheit gewonnen. Weil sich in diesen beiden Städten eine Großmacht darstellte, in allen ihren Attributen sichtbar war, meinte man, hier sei ihr Sitz und ihre Grundlage. Doch nicht einmal Herzpunkte der großstaatlichen Macht, wie dies doch die Kulturzentren nationaler Staaten sind, waren jemals Budapest und Wien. Die Gebiete, aus denen Österreich ausschließlich, Ungarn zum großen Teil ihren wirtschaftlichen Reichtum, ja ihre wirtschaftliche Daseinsmöglichkeit zogen: die Sudetenländer, Galizien, Siebenbürgen, Kroatien, das Banat, sie lagen stets und liegen heute erst recht außerhalb der geistigen Einflußphäre der einstigen Hauptstädte, ehedem nur durch äußere Machtmittel an diese Mittelpunkte, die nie Anziehungspunkte ihres inneren Lebens und Werdens sein konnten, gebunden. Weil dem aber so ist, so fallen auch die Hoffnungen, die in Deutschösterreich die reaktionäre auf die horthysche Reaktion setzen, in nichts zusammen. Mag die monarchistische Intrigue über die deutschen und magyarischen Sprachgebiete hinaus an der Eifersucht einzelner slowenischer Volkskreise, an der slowenischen Unzufriedenheit Anhalt und Anknüpfung suchen: indem sie hier überall die reaktionär=klerikalen Strömungen aufsucht, regt sie den tschechischen und den südslavischen  Selbstständigkeitsdrang um so lebhafter gegen sich auf und erweckt sie zu desto früherer und kräftigerer Abwehr. Eine habsburgische Monarchie auf das wirtschaftliche Unvermögen der Magyaren und der deutschen Alpenlande, auf die beiden ihrer Existenzgrundlagen beraubten Millionenstädte ohne Hinterland, Wien und Budapest, gegründet, wäre ein Unding, eine Todgeburt. Aber der Habsburger könnte die Budapester oder die Wiener Hofburg nicht betreten, ohne dass sein Erscheinen an diesen alten Städten der Macht, in den alten Zentren einer Herrschaft der Völkerbedrückung, alle die einst bedrückten Völker zu einem Bunde der Abwehr zusammenschweißte.

Eine habsburgische Restauration mag sogar gewissen nationalistischen reaktionären Kreisen in Paris wohlgefällig sein, sie mögen ein wiederhergestelltes Habsburgerreich als Glied an der Kette wünschen und denken, die sie würgend  dem deutschen Volke um den Laib legen wollen. Aber darum ist dieses alles doch nur ein Traum ohne alle Möglichkeit der Verwirklichung. Am Eingang der Monarchie stünde ein Krieg an allen Grenzen, stünde der Kampf gegen eine Koalition, unter deren Druck am ersten Tag die Kraft der beiden verstümmelten, lebensunfähigen Rumpfstaaten zusammenbräche. Im Blut eines Weltkrieges ist das völkerknechtende Haus der Habsburger untergegangen. Den Versuch seines Wiederaufbaues würden die Fluten eines neuen Koalitionskrieges wegschwemmen.

In: Arbeiter-Zeitung 23. November 1919, S. 1f.

Max Brod: Ausschaltung der Frau?

             Die neueste Literatur bekommt mehr und mehr einen harten, kalten, männlichen Zug. Ganz ebenso wie die moderne Musik antiromantisch, antisentimental klingt. Von Liebe darf weder geredet noch gesungen werden. Das verträgt sich nicht mit der „Sachlichkeit“, dem obersten Postulat der Zeit. Die merkwürdige Schwenkung besteht eigentlich in folgendem: Hart und maschinenmäßig formt sich die Zeit seit Beginn des 19. Jahrhunderts, seit damals jedenfalls in immer deutlicherem Ausdruck – die Dichtung nahm jedoch eine Proteststellung ein, Flaubert erkannte wohl den erbarmungslos nüchternen Mechanismus unserer Epoche, seine Helden aber (die Bovary wie der sentimentale Frederick) zerreiben sich, weil sie sich diesem Mechanismus nicht anpassen können. Dies war im wesentlichen durch Dezennien die Grundhaltung des Dichters. Im Geheimen blieb er Feind der Zeitentwicklung, Feind des Amerikanismus. Das Problem taucht auf: Haben die neuen Dichter submittiert, haben sie ihren Kampf im Namen des Geistes aufgegeben, hat die nüchterne Zeit jetzt endgültig über alle Proteste weg gesiegt?

             Liebe, Liebessehnsucht galt ehedem als Einblick in den tieferen Sinn des Daseins, Leidenschaft für eine Frau erhellte zauberhaft jene Zusammenhänge, die sich in den bloß egoistischen Beziehungen zwischen Menschen des Alltags den stumpferen Sinnen entziehen. (Was hier von Liebe gesagt wird, gilt von jeder über den Alltag hinausschlagenden adeligen Herzenswallung.) –  Die junge Generation hat aus dem Krieg ein sehr berechtigtes Mißtrauen gegen allen, was Herzenswallung ist, mitgebracht. Hinter wie vielem, was edle Leidenschaft schien, hinter wie schönen Farben von Patriotismus, Ver sacrum, nationalem und erotischem Aufschwung lag nichts als Phrase, lag Aergeres als Phrase: niedrigstes Interesse von Kriegsverdienern, politisierenden Kapitalisten! Da ist es zunächst höchst richtig und gesund, wenn eine Generation von Desillusionierten heranwächst. Wenn man mit Remarque und Glaeser erlebt hat, wie alles sich auf den einfachen Nenner der Todesangst und eines Gänsebratens bringen läßt – wenn man solche Not und nie zu vergessende Erniedrigung der Menschenkreatur erlebt hat, dann hat man das gute Recht, alles für Schwindel zu halten – mit einziger Ausnahme des Triebes, derartige Greuelzeiten in Hinkunft von der Menschheit abzuwehren.

             In dieser auf elementare Defensive vereinfachten Situation hat in der Tat Liebe und Frau und Herz und Seele nichts zu suchen. Diese Jugend verteidigt sich nur; Erlebnisse des Herzens waren stets Eroberungszüge in unbekanntes Land – im Sinne der heutigen Autoren also Luxus, Distraktion von wesentlicherem Ziel.

             Die jungen Autoren sehen nur den Alltag, das Dokument, die Photographie, Reportage, Sachlichkeit, über die hinaus es nichts zu erobern, hinter der es keinen Sinn zu erschließen gilt. Religiöse Deutung irgendwelcher Art erschienen ihnen als Illusion. (Dies der deutliche Abstand der „neuen Sachlichkeit“ vom älteren Realismus etwa dem Gerhart Hauptmanns.) Die modernen Autoren haben vor nichts so sehr Angst wie vor Illusionen. Durch Illusionen wurden wir in den Krieg hineingezerrt. Den Alltag nicht etwa bejahen, ihn in seiner ganzen Scheußlichkeit, Chaotik, Unmoral sehen – das erscheint als Gesetz. Vom Alltag, der als das einzig Wirkliche betrachtet wird, hinter dem es nichts Wirklicheres, Gütigeres, Liebenderes (Frauenhafteres) gibt, kann man sich nur durch Witz und Ironie distanzieren. Demgemäß wird Ironie zum einzigen Kunstmittel der jüngsten Generation. In der Dichtung wie in der Musik.

                                                                                 *

             Die drei großen Erfolge der letzten Berliner Theatersaison zeigen genau in diese Richtung: „Dreigroschenoper“, „Verbrecher“, „Rivalen“. Die beiden ersten konnte man auch in Prag kontrollieren. „Rivalen“ gab es hier zunächst nur im Film. Von der „Ausschaltung der Liebe“ kann man keinen deutlicheren Begriff bekommen, als wenn man im „Theater der Königgrätzerstraße“ das amerikanische Kriegsstück in der Bearbeitung Zuckmeyers [!] über sich hinwegexplodieren läßt. Zwei Männer streiten in der Etappe um die Schenkwirtstochter. Geht der eine an die Front, gehört sie dem andern. Die Frau als Gebrauchsgegenstand, als ein Stück Wäme und Lust ohne den geringsten Schein innerer Bindung. Wie wertlos sie im Grunde den beiden Männern ist, zeigt die Schlußszene: beide müssen an die Front in demselben Augenblick ist ihnen die Frau ein Dreck, sie sehen sie gar nicht mehr, der Appell der Kameradschaftlichkeit siegt über alle Rivalität, Schulter an Schulter marschieren die beiden Männchen, wieder zu Männern geworden in den Schützengraben.

             Zwar sind im Akt zuvor alle Schrecken des Schützengrabens mit Piscatorscher Eindringlichkeit gezeigt worden (Nie zuvor hat sich Piscators Regiekunst zu solcher Einfachheit, Geschlossenheit der Wirkung erhoben; es ist als Regieleistung ein klassisches Werk.) Man hört Granaten heranpfeifen, Schallplatte und Megaphon, Lärmmusik aller Art überfällt dein Hirn, rhythmisch gegliederte Angst strebt Höhepunkten zu, die man kaum mehr für physisch erträglich hält, das Ineinandergreifen der Schreckensszenen steigert sich, Geschoßwind heult, die Deckungen flattern, die Latten biegen sich, rechts stürzt ein Unterstand ein, in der Mitte wimmert ein Sterbender, selbst der Kommandant schreit: „Nie wieder Krieg!“ – das alles ist von heilsamster Tendenz der Abschreckung. Nein, sinnlich erlebt, wirkt es so. Der Idee nach aber, die schließlich das längerhin Wirksame bleibt, …was erleben wir der Idee nach? Gar nichts. Zwei außerordentlich männliche Offiziere, die sich um ein Weibstück raufen, männlich, falls man unter „männlich“ Fluchen, Saufen, Kartenspielen, Fressen, Puffen, Stoßen, Boxen, Ohrfeigenausteilen versteht. Und ein Schimmer von Sympathie ruht auf den beiden ja doch erst, sobald sie die Frau um der Front willen aufgeben. Klingt aber nicht in diesem Moment (die Gegensätze berühren sich) eine alte, höchst verderbliche idealistische Rattensängerweise herein, etwa so – ganz von Ferne her – : „ Im Felde, da ist der Mann noch etwas wert… frischauf, Kameraden, aufs Pferd, aufs Pferd!?“

             Und das ist es, weshalb ich diese Bemerkungen schreibe. Der Stil der Sachlichkeit, der Herzlosigkeit hat seine Gefahrenzone erreicht. Er steht im Begriff, umzukippen, das Gegenteil von dem zu erzielen, was er angestrebt hat. Er steuert, allen Illusionen ausgewichen, einer neuen und viel schlimmeren Illusion zu: der Apotheose des rüden, rein animalischen Menschen. Das Herz und die Sehnsucht hat man ausgeschaltet. Was bleibt übrig: Animal! („Dreigroschenoper“ und „Verbrecher“ weisen, wenn auch nicht so kraß, auf das gleiche Endziel hin.) Nun wäre ernstlich die Frage aufzuwerfen: Wer hat die ärgere Schuld am Krieg, jener Menschentyp, der seine gemeine Gesinnung hinter gleißenden Illusionsphrasen von Gemeinschaft, neuer Zeit, Vaterlandsliebe (im Stil des alten romantischen Idealismus) verbarg und heute noch (teilweise auch vor sich selbst verbirgt oder jene frischfröhlichen Gesellen nach Art der Zuckmeyerschen „Rivalen“, die unter Ausstoßung herzhafter Dialektscherze Revolver zücken und ein Menschenopfer für das wohlfeilste aller Argumente halten? Man kann es auch anders formulieren: Ist der Krieg wirklich infolge eines Zuviel an Herz und Liebe entstanden, so daß man den Heranwachsenden diese romantischen Utensilien gewaltsam aus dem Kopf treiben muß –, wäre nicht vielmehr durch echte Liebe und Verbundenheit, deren Karikaturen allerdings im Nationalismusrausch aufs Gefährlichste kriegsfördernd wirkten, all die Scheußlichkeit nackter Interessenkämpfe, die man als Kampf um höhere Güter der Menschheit aufputzt, einzudämmen gewesen?

             Der überzeugte Ironiker von heute wird einwenden, daß es diese echte Liebe und Menschlichkeit, daß es die Frau, nach der man sich sehnt, in Wahrheit eben nicht gibt, daß sie romantische Illusion und als solche auszurotten ist – daß der Dichter nur die grauenvoll lieblose Wirklichkeit zu zeigen hat.

             Ich werde nicht mit einer Analogie des alten Bonmots antworten: Wenn es keinen Gott gäbe, so müßte man einen erfinden. Dieser gerühmte Satz ist mir nie sehr weise erschienen. Denn ein erfundener Gott ist keiner.

             Ich werde dem Ironiker vielmehr antworten: Seien Sie zynisch, so viel Ihnen behagt, aber seien Sie dabei nicht so sicher! Lassen Sie „Liebe“ zumindest als Problem offen. Mehr als ein schmerzliches, immer wieder schmerzlich erlebtes Problem ist sie ja auch mir nicht. Die Problemlosigkeit ist es recht eigentlich, die ich an den „sachlichen“ Autoren auszusetzen habe; nicht die „Sachlichkeit“, nicht die Wahrheitsliebe, die mir, einem Schüler Flauberts, als Methode und Substanz der Kunst lieb sein müssen. Was bei dieser Problemlosigkeit herauskommt, das zeigt gerade der Fall der „Rivalen“ mit erschreckender Eindeutigkeit. Man zeichnet die Kriegsrüpel objektiv, man zeichnet den Krieg sogar als das unmenschliche Grauen, das er ist, aber in dieser bewußt unmenschlichen, herzausschaltenden Darstellung erscheint mir einem dämonischen Ruck ganz zuletzt, den Autoren gewiß selbst unwillkommen und unheimlich, der Krieg als so etwas wie das verrucht angepriesene „reinigende Stahlbad“. Man hat die Romantik jeglicher (auch der tief berechtigten) Observanz so lange bekämpft, bis man vom äußersten Gegenpol ihrer bösesten Spielart zutaumelt. Wer andern eine Ideologie gräbt fällt selbst hinein.

In: Prager Tagblatt, 11.6.1929, S. 3

Marianne Pollak: Vom Reifrock zum Bubikopf. Revolution und Mode

Die Mode ist seit jeher die besondere Domäne der Frau gewesen. Durch Schminke und Haartracht, durch Halsausschnitt und Faltenwurf haben die Frauen jahrtausendelang verstanden, dem Mann zu gefallen. Die Tracht ist vor allem ein lebendiger und sinnfälliger Ausdruck der jeweiligen  E r o t i k  einer Zeit. Immer haben Revolutionsepochen in der Geschichte strenge Kleiderordnungen gelockert und einer ungezwungenen und freieren Kleidung Raum geschaffen. Denn das Kleid ist zugleich eines der wichtigsten Mittel der  K l a s s e n s ch e i d u n g. Jede neue Mode geht von der herrschenden Schicht in der Gesellschaft aus, die darauf sieht, daß die Masse des Volkes ihr es in Schnitt und Ausführung der Gewänder nicht gleichtue. Die höhere Vernunft der menschlichen Kleidung aber liegt schließlich in ihrer  Z w e ck m ä ß i g k e i t, indem sie den Körper vor Wetterunbill schützt und den Gebrauch der Glieder nicht hemmt.

Als am Ausgang des fünfzehnten Jahrhunderts Europa, aus der Enge bäuerlicher und zukünftiger Wirtschaft erwachend, die grandiose Entwicklung zum Welthandel durchmachte, da brach eine Zeit ungehemmter Lebensfreude für die besitzenden Klassen an: die  R e n a i s s a n c e. Die grobe, die Körperformen entstellenden und verhüllenden Trachten des asketischen  Mittelalters waren kein richtiges Kleid für den machterfüllten Handelsherrn, dem die Schätze des Erdballs zuströmten. Die reiche Bürgersfrau der Renaissance – Rubens hat ihr unvergängliches Porträt geschaffen – trug nicht nur bei Festlichkeiten, nein auch daheim, ja auf der Straße und selbst in der Kirche, unter den Augen der Geistlichkeit, den tiefen  B r u st a u s s ch n i t t. Weit ausladende  W u l st e n r ö ck e  verbreiterten die Hüften durch Umlegen von schweren Stoffrollen, die nicht selten bis zu fünfundzwanzig Pfund schwer waren. Obendrein wurde die weibliche Brust mit Hilfe des Mieders, ja oft durch Wattierungen hervorgehoben. Strotzende Kraftfülle war das Schönheitsideal der Renaissance.

Im darauffolgenden Zeitalter der uneingeschränkten Macht des Landesfürsten wurde sozusagen der angedeutete Körper modern. Die Renaissance hat das Starke und Nackte geliebt. Das  R o k o k o  schwärmt für das Zarte und Ausgezogene. Der französische Hof wurde das Modevorbild für ganz Europa, Ludwig XIV., „der größte Komödiant der Gottesgnadenidee“, der erste Geck seiner Zeit. Die Mode spiegelt die ökonomischen Verhältnisse sehr deutlich wieder. Da im  A b s o l u t i s m u s  eine ganz besonders schroffe Klassenscheidung die Masse der arbeitenden Untertanen von der Gesellschaft der herrschenden Genießer trennte, machte die vom Adel ausgehende Mode den Körper zu jeder Art Arbeit völlig untauglich. Die Damen in ihren unnatürlich hohen  S t ö ck e l s ch u h e n, mit ihren  W e s p e n t a i l l e n  und riesenhaften  R e i f r ö ck e n – eine Fortführung des Wulstenrockes der Renaissance – konnten sich nur gravitätisch und tänzelnd fortbewegen, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren. Ihr Vorbild war ja auch die majestätische Steifheit des Monarchen, und oberstes Sittengesetz jener Tage, da die „Gesellschaft“ dem Abgrund entgegentaumelte, war: Körperliche Arbeit schändet.

Wieder stößt eine große geschichtliche Umwälzung die steifgraziösen Formen des Rokokos um:  d i e  f r a n z ö s i s ch e  R e v o l u t i o n. Die Adeligen in ihren Allongeperücken und edelsteinbesetzen Jabots, die gebrechlichen Luxuspüppchen königlicher Sinnenfreude mußten ihre gepuderten Köpfe auf der Guillotine lassen. In wilden Sturm fegte das Pariser Volk durch die Gassen. Dazu kann man keine Reifröcke brauchen. Die fließenden Gewänder der Antike wurden die Revolutionsmode: das  E m p i r e, die  m i e d e r l o s e  g r i e ch i s ch e  T r a ch t der Tunika, die, unter der Brust abgebunden, in weichen Falten den Körper schmeichlerisch umfließt.

Die regungslosen Jahre des  V  o r m ä r z , vom Wiener Kongreß bis 1848, und nach einem kurzen Revolutionsrausch die  R e a k t i o n  der fünfziger Jahre sind in der Frauenmode die eigentliche  B l ü t e z e i t  d e s  K o r s e t t s. Der weibliche Körper wird – gleich dem menschlichen Geist – in der unsinnigsten Weise eingeschnürt und mißhandelt. So wie der bis oben zugeknöpfte Mann in Zylinder und steifer Halsbinde als das Symbol staatserhaltender Zuverlässigkeit galt, so die Frau mit ihrer eingepreßten Taille und der Unzahl der gestalteten Unterröcke, die endlich zum Ungetüm der  K r i n o l i n e  entarteten: sie sollte in jeder Lebenslage würdig und geruhsam erscheinen.

Was folgt, ist nur eine Änderung im Verunstalten der natürlichen Formen. Als die Krinoline in ihrem grotesken Umfang nicht mehr überboten werden konnte, wurde das Drahtgestell zum alten Eisen geworfen. Aber das Mieder blieb und behauptete seine Macht noch durch mehr als fünf Jahrzehnte. Erbarmungslos mußte jede Frau, die etwas auf sich hielt, in  den Schnürleib, und die Mode verlangte von ihr, sich in der wahnwitzigsten Weise zusammenzupressen. Geraffte Röcke mit der besonderen Pikanterie des Cul de Paris wurden letzte Mode. F e st s i tz e n d e  „T a i l l en“, in denen obendrein noch Fischbeine sonder Zahl eingenäht waren, machten jeden freien Atemzug unmöglich. Die Alltagskleidung war hochgeschlossen; bis zum Hals hinauf quälten Steifheit und Enge. Nur im Ballsaal durfte die Dame im tiefen Ausschnitt erscheinen.

Es ist kein Zufall, daß die niederträchtige Herrschaft des Mieders wieder erst durch eine geschichtliche Epoche des  U m st u r z e s  gebrochen werden konnte. Unser eigenes Geschlecht ist Zeuge und Nutznießer der tiefgehenden  R e v o l u t i o n i e r u n g  d e r  F r a u e n m o d e  geworden.

Noch vor zwanzig Jahren war es im Bürgertum bis tief hinein in die Reihen der Arbeiterschaft gang und gäbe, den Töchtern Stück für Stück eine Ausstattung vorzubereiten und anzuschaffen. Aber wie hat diese  W ä s ch e  ausgesehen! Da wurde meterlang Zacke um Zacke für den Hemdansatz mit der Hand geschlungen, solide schwarze Strümpfe eingekauft, steifsitzende, geschwungene Miederleibchen, die gerade nur den Hals freiließen, zugeschnitten und flaumiger Flanell zu Unterröcken verarbeitet. Man stelle sich nur ein Sportsmadel von heute mit einem solchen Flanellunterrock vor!

Nicht anders ist es um die  F r i s u r  bestell. Nur mit grenzenlosem Staunen kann man der vielen „Einlagen“ gedenken, die für einen ordentlichen Schopf notwendig gewesen sind. Sie waren der letzte Ausklang jenes Perückenmonstrums, das die Damen des achtzehnten Jahrhunderts auf ihren – leeren! – Köpfen spazierengeführt hatten und das mit den verrücktesten Symbolen aller Art schwer behangen war: der „Fontange“. Die Schopfeinlagen um die Jahrhundertwende und später – Kopfmatratzen hat man sie in gerechtem Gott genannt – haben zwar nicht mehr die stattliche Höhe eines Meters erreicht wie ihr Vorbild, aber sie waren darum nicht weniger ungesund und machten das freie Ausatmen der Kopfhaut unmöglich. Jedes Haar mußte bei der morgendlichen Frisur fein säuberlich über den Wulst gelegt werden, um die künstliche Unterlage ordentlich zu verdecken. Und doch verschob sich der Bau bei jeder unvorhergesehenen Bewegung! Wie ungern entschloß man sich in jenen Tagen, das Haar am Nachmittag ein zweitesmal zu frisieren. Es war eine wirklich zeitraubende und schwierige Beschäftigung. In der rhythmischen Frauenturnstunde von heute könnte eine Dame mit auffrisiertem Schopf nicht mittun . . .

Der  K r i e g, der unsere Männer in die Schützengräben zwang, hat der Frau alle Gebiete des Arbeitslebens geöffnet. Sie fand Einlaß im Ministerium und in der Munitionsfabrik, kam zum Schreibtisch und auf den Kutschbock, ins Geschäft und in den Straßenbahnwagen. Überall mußte weibliche Arbeitskraft den eingerückten Mann ersetzen, ja es war die Frauenarbeit allein, die den halbwegs geregelten Fortgang der Wirtschaft möglich gemacht hat. Diese Zeit der unerhörtesten Kraftanspannung, des Hungers und der schamlosen Unterordnung der arbeitenden Menschheit unter das Gesetz des Massenmordes hat die bis dahin schlafenden Frauen zum Erwachen gepeitscht: Sie haben arbeiten müssen – und diese Arbeit hat sie denken gelehrt!

Und wieder hat eine Revolution mit eisernem Besen alte, strenge, steife Modeformen weggefegt. Wieder ist eine Revolutionsmode aufgetaucht. Aber diese letzte grundlegende Wandlung in der Frauenmode mußte sich – obwohl noch immer von Pariser und Londoner Modekönigen ausgehend und von ihnen ausgebeutet – wohl oder übel doch der geänderten gesellschaftlichen Funktion des weiblichen Geschlechts anpassen und  d a s  K l e i d  d e r  a r b e i t e n d e n  F r a u  schaffen: Das beengende Mieder ist verschwunden, der Hals frei, der Rock gekürzt und das lange Frauenhaar geschnitten.

Ist auch das nur ein revolutionärer Augenblickseinfall der wankelmütigen Modegöttin? Gewiß, in der kapitalistischen Wirtschaft wird der gesellschaftliche Geschmack in kurzen Zwischenräumen Extremen zugetrieben, um den Absatz künstlich zu steigern. Aber  k u r z e r  R o ck,  f r e i e r  H a l s,  l o s e  T a i l l e  u n d  B u b i k o p f,  diese vier wesentlichen äußeren Merkmale der modernen Frauenerscheinung, gehen über die gewöhnlichen Modeschöpfungen weit hinaus. Denn zum erstenmal verbindet sich hier der Wunsch nach Schönheit mit wirklicher Zweckmäßigkeit.

Für das Verwurzeltsein der heutigen Frauentracht in dem gesellschaftlichen Prozeß der Revolutionierung, der ganz besonders die Frau erfaßt, ist es bezeichnend, daß heute der  M a n n  auf dem Gebiet der Kleidung rückständiger ist. Er bleibt bei dem dunklen, dicken und dumpfen „Anzug“, dessen Weste, ein sinnlos gewordenes Überbleibsel, überhaupt nur dazu dient, daß sich kein Lufthauch bis zur Haut verirre. Auch der im Kriege aus Sparsamkeitsgründen zeitweilig verschwundene steife Kragen taucht immer öfter wieder auf und ist heute schon wieder das Sinnbild der Respektabilität geworden.

Die Frauen sind in ihrer Kleidung fortschrittlicher. Die heutige Mode entspricht wirklich den Anforderungen der Zeit. Wie herrlich können unsere Mädel in ihren kurzen Röcken laufen und springen! Wie natürlich schön ist es, wenn ihre losen Haare im Winde flattern! Wieviel leichter und gründlicher ist heute die Pflege und Reinigung der Haare! Wie praktisch ist der Bubikopf beim Sport, bei der Arbeit, in der Küche! Wie angenehm für die arbeitende Frau, sich bücken und wenden zu können, ohne daß Schnürbänder ihr den Magen zusammenpressen! Bei allen diesen großen praktischen Vorzügen entbehrt die moderne Frauenkleidung aber keineswegs der Grazie. Sie ist schön, weil sie vernünftig ist. Diese Elemente des Fortschritts wird keine Laune der Mode, kein Interesse des Konfektionskapitals mehr vollständig aus der Frauenkleidung zu tilgen vermögen. Und diese Errungenschaften der Freiheit des menschlichen Körpers soll uns keine Reaktion, die die Frauen zurück in Kirche, Küche und Mieder pressen will, mehr rauben!

In: Arbeiter-Zeitung, 5. Dezember 1926, S. 10.

Erhard Breitner: Die Br-Generation. Bronnen und Bruckner in Berlin.

KATALAUNISCHE SCHLACHT.

            Vier Jahre lang hat Arnolt Bronnen darauf warten müssen, daß Jessner sein für das Staatstheater erworbenes Stück auch aufführe. Wenn das einem Akkreditierten zustößt, mit welchen Fristen haben dann Außenseiter zu rechnen? Oder mißtraute Jessner der Erfolgmöglichkeit? Niemand wird je dieses Geheimnis lüften, man muß sich begnügen, bedauernd festzustellen, daß Bronnens Werk während der Lagerung Schimmel angesetzt hat – kein gutes Zeichen für die Dauerhaftigkeit dramatischer Erzeugnisse. Zum Welken verurteilt, ehe man blühen durfte, ein hartes Los!

            Der Krieg, hier Gevatter des Handlungsymbols, ist inzwischen selbst zum Symbol geworden, sein Schatten hat sich verkürzt, man empfindet ihn – wie ehedem – schon wieder fast wie eine Begriffshülse. Daran ist Bronnen schuldlos. Auch konnte er nicht wissen, daß eine Serie amerikanischer Filme das immerhin vorhanden gewesene Bedürfnis nach kriegsuntermalten Themen bis zum Überdruß decken werde.

            Dennoch ist zu sagen, auch heute noch, daß des Verfassers Grundidee, stark, rein, tragend und voll Schwungkraft ist, und ihm ein erster Akt gelingt, der sich einhämmert, der die Schauer des Gepacktwerdens, der Anteilnahme, der heftigsten Bejahung hervorruft.

            In der Hölle eines Unterstandes – Jahr 1928 – Giftgas, Granaten, Tod. Der Leutnant hat seine als Burschen verkleidete Frau bei sich. Trifft auf seinen Bruder, den Hauptmann, der ihn, um ihm das Weib abzujagen, hinausschickt zum Beobachtungsposten, von wo es keine Wiederkehr gibt. Sie fliegt dem Überlebenden an den Hals, indessen noch drei andere sie umlauern. Zweiter Akt in der Loge eines Pariser Kinos: Dieselben drei jagen der Frau nach, die, verfolgt vom Gespenst des toten, in seiner letzten Stunde betrogenen Gatten, den Hauptmann niederschießt. Dann zuletzt: am Bord eines Atlantikdampfers. Die Frau, von drei Lebenden und zwei Toten verfolgt, nimmt Gift. Materialisiert ist das Gespenst in einer Grammophonplatte, die die Stimme der Sterbenden aufzeichnete.

            Seelische und leibliche Wirrnis, gewachsen aus dem großen Morden und die Zeit nach ihr zeichnend, ist der Akkord, auf den die Geschehnisse gestimmt sind. Diese, in ihrer Atemlosigkeit und grellen Färbung, tragen geflissentliches Gepräge der Kriegstage. Aber das sollte bloß Gerüst sein, Stützbalken der Bühnenwirksamkeit. In der Aufführung jedoch treten nur die Knallszenen hervor, man sieht sich einem zügellosen Sketch gegenüber, die Idee verschwindet. Denn man hat Bronnen zwiefaches Unrecht getan: nicht nur, daß man ihn allzulange warten ließ, sein Drama wurde auch durch brutale Kürzungen verstümmelt, was übrig blieb, war eine Andeutung dessen, was er sagen wollte, und allenfalls blieb das Tempo. Wer das Buch gelesen hat, weiß, daß hier ein zweifellos wertvolles Werk, das besseres Los verdient hätte, zugrunde gerichtet worden ist. Schließlich wird der Fall durch das Malheur erschwert, daß Heinz Hilpert, der Regisseur, unter seinem sonstigen Niveau blieb: ihm gelingt straffe Zusammenfassung des ersten Aktes; Walter Frank und Lothar Müthel – die beiden Brüder – und Maria Bard vereinigen sich zu geradezu beklemmend wuchtiger Wirkung. Hernach aber flattert das Spiel auseinander, verblaßt und man wird Zeuge des Verlustes dieser Katalaunischen Schlacht.

„KRANKHEIT DER JUGEND.“

            Der Verfasser spielt ein neckisches Versteckspiel: sein Name – Ferdinand Bruckner – soll ein Pseudonym sein. Auch wird geflissentlich Dunkel darüber gebreitet, wo er lebt. In Wien als Arzt? In Reims bei einem Patienten? Jedenfalls, als er zum Schluß gerufen wurde, zeigte er sich nicht, und das ist immer ein Mittel, sich interessant zu machen, wenn auch kein neues.

            Das Werk (das in Wien, Breslau, Hamburg bereits gespielt wurde) soll etliche Jahre alt sein, aber man wäre nicht überrascht, zu erfahren, es sei um die Jahrhundertwende geschrieben. Denn diese „Krankheit der Jugend“, ihre erotische Not, besteht heute kaum mehr oder doch nur in solchen Einzelfällen, daß sie den typisierenden Titel nicht rechtfertigt. Die sportentflammte Jugend unserer Zeit ist von einer verblüffend glatt funktionierenden, fast maschinell funktionierenden Sexualität, bei der Eros eine überflüssige Figur geworden ist und längst entlassen wurde. Was sich hier in der Studentenpension von Frau Schimmelbrodt vollzieht, sind verklungene Katastrophen, und wenn auch in ihrer tragischen Abwandlung modernste wissenschaftliche Nomenklatur auftaucht, so muten sie dennoch an wie Historik.

            Gustav Hartung als Regisseur des Abends machte in seiner Renaissance-Bühne dort, wo es darauf ankam, aus dem Drama handfestes Theater, erreichte aber zugleich vollendete Abtönungen und per saldo eine ausgezeichnete Aufführung, die wiederholt Beifall auf offener Szene hervorrief, besonders bei der Darstellerin des Dienstmädchens, Fräulein Hilde Körber, die, bisher kaum bekannt, trotz ihrer kleinen Rolle eine starke Begabungsprobe ablegte. Auch Fräulein Lennartz, Frau Mewes und Erika Meingast fanden, jede für sich, überzeugende Ausdrucksmöglichkeiten. Einige Grade darunter die Herren: Adalbert v. Schlettow gibt breite Brutalität, Herr v. Rappard schlichtes Sentiment.

            Der Erfolg des Abends war wohl zum großen Teil, dank der Darstellung, überaus lebhaft.

In: Die Bühne (1928), Nr. 183, S. 10.

Felix Salten: „Der Zauberberg.“

Roman von Thomas Mann. – S. Fischer Verlag, Berlin.

Das ist nun allerdings ein ganz ungewöhnliches Werk.

Einmal, weil es Thomas Mann zum Verfasser hat, der heute als der Erste unter den deutschen Erzählern gilt. Ferner, weil dieser Roman zwölfhundert Buchseiten füllt, was eine starke Leistung für den Autor ebenso wie für den Leser bedeutet. Besonders aber, weil alle Geschehnisse sich da zwischen Lungenkranken zutragen, abseits von der Welt der Gesunden, in einem Sanatorium zu Davos.

Dieser Schweizer Höhenort ist der „Zauberberg“. Ein junger Mann erklimmt ihn eines Sommertages, nur für drei Wochen, nur um seinen Vetter zu besuchen, der schon monatelang hier oben weilt und sich kuriert. Aber der junge Mann bleibt nun gleichfalls auf dem Zauberberg, nicht bloß drei Wochen, sondern an die sieben Jahre. Erst als der Krieg ausbricht, im August 1914, eilt er zu Tal, kehrt heim in die Welt der Gesunden, die nun so schwer erkrankt ist und in Fieberparoxysmen erbebt.

Wahrscheinlich ist er heute tot, der brave Hans Castorp, entweder gefallen oder den Strapazen erlegen. Thomas Mann gibt über Leben oder Sterben dieses jungen Mannes keinen Bescheid, aber er läßt nur wenig Hoffnung. Hans Castorp stammt aus einer Hamburger Senatorenfamilie, ebenso wie sein Vetter Joachim Ziemßen. Er ist ein netter, inwendig reiner, sympathischer Durchschnittsmensch, lernbegierig, duldsam, angenehm gesellig, wenn auch gehalten und maßvoll. Joachim Ziemßen, der Offizier werden will, wenn er geheilt ist, stellt die Ergänzung von Hans Castorps Wesen vor. Er hat noch viel mehr „innere Zucht“, noch viel mehr Schweigsamkeit und birgt unter straffer Haltung zartes, schamvolles Empfinden. Es ist wahrscheinlich die Absicht Thomas Manns, an diesen beiden jungen Leuten den Typus des deutschen Bürgers zu schildern, geteilt in zwei Spalten, in eine zivilistische und eine militärische, im ganzen jedoch von einheitlicher Art: anständig, unpolitisch, naiv und, wenngleich nicht hervorragend, so doch hinlänglich geistig. Merkwürdig bleibt, daß Joachim Ziemßen, der sich’s so aus ganzer Seele gewünscht hat, Offizier zu werden, noch im Frieden auf dem Zauberberg stirbt, indessen Hans Castorp, der immer friedlich gedacht hat, diesem Zwölfhundert-Seiten-Roman als bewaffneter Krieger entschreitet, um in den Kampf zu ziehen.

Man wird nun fragen, was in den sieben Jahren Sanatorium an Ereignissen eigentlich vorgehe, daß zwei exemplarisch umfangreiche Bände damit gefüllt werden. Die Matrosen in den Romanen des Kapitän Marryat, in diesen schnurrigen Romanen, die vor drei, vier Generationen das Entzücken aller Knaben waren, der jungen wie der erwachsenen, die Matrosen also forderten darum einen Kameraden zum Erzählen seiner Abenteuer regelmäßig mit den Worten auf: „Nun, so spinne dein Garn.“ Und der also Herausgeforderte fing seine Geschichte regelmäßig mit den Worten an: „Ach was … es ist eine lange Gasse, die keine Wendung hat.“ Diese Erinnerung aus fernen Jugendtagen kommt mir jetzt wieder in den Sinn. Thomas Mann hier sein Garn gesponnen, gelassen, ausführlicher noch und reifer, selbstverständlich, als in seinem Erstlingsroman „Die Buddenbrooks“. Und es ist richtig eine lange Gasse geworden, die keine Wendung hat. Was in den sieben Jahren, die Hans Castorp auf dem Zauberberg verbringt, vorgeht, ist Menschentum. Auch in all der Zeit, die vor diesen sieben Jahren liegt, wie in der Zeit, die nachher abrollen wird, geht immer Menschentum vor. Nicht mehr und nicht weniger, nicht gewöhnlicher und nicht außerordentlicher als es in diesen beiden Bänden verzeichnet steht. Damit rückt jedoch die Kunst des Erzählers ganz dicht an die Wirklichkeit, fügt sich ihr vollkommen ein und überragt sie trotzdem. Es ist ein Stück poetisch durchleuchteten Menschtums, das ein helles Glänzen sanft um sich her verbreitet.

Die Ereignisse zu wiederholen, bleibt eigentlich überflüssig und wird beinahe unmöglich. Hans Castorp sieht viele junge Menschen sterben, qualvoll die einen, in Euphorie und schmerzlos die anderen. Auch Joachim Ziemßen, sein Vetter, stirbt sanft, nach einem kurzen Aufenthalt in der Heimat, während dessen es ihm gelingt, Leutnant zu werden und sich total zu ruinieren. Viele Menschen lernt Hans Castorp kennen und sie sind alle durch ihre Krankheit, durch die beständige Todesnähe gelöster, freier, menschlicher als die Normalen. Da ist Settembrini, der eine Art letzten Ritter der bürgerlichen Revolution vorstellt. Dann Elia Naphta, ein Vorkämpfer der Protestantischen Revolution, der sich in einem seltsamen Duell, das er mit Settembrini hat, selber tötet. Da ist Clawdia Chauchat, die reizvolle Russin, die Hans Castorp lange schwärmerisch liebt und die ein einziges Mal sein eigen wird. Da ist Peeperkorn, der königliche Holländer, der so viel Macht über den Willen der anderen besitzt, der die schöne Clawdia als Geliebte besitzt und der Selbstmord verübt, da er seine Manneskraft schwinden fühlt. Die Aerzte sind da, Hofrat Behrens mit seiner massiven Sachlichkeit; sein Assistent, Dr. Korowski [recte: Krokowski], der Vorträge über die Liebe hält und offenbar von Freuds Lehre beeindruckt ist, bis er endlich mit Medien und Séancen ganz auf die Seite von Schrenk-Notzing fällt. Ein Schwarm von Schicksalen und Gestalten zieht langsam vorüber. Alle von einer unerhörten Plastik, alle von einer fabelhaften Lebendigkeit, einprägsam und vorstellbar. Denn wie bei Homer jede Figur immer mit ihren malenden, merkzeichnenden Attributen genannt wird, so daß sie sich der Phantasie einstempelt, wie da Odysseus immer der Listenreiche heißt, Hektor beständig der Helmbuschumflatterte, Juno die Anhängige usw., so gibt Thomas Mann die gleichen bezeichnenden Merkmale, mit denen er sie bei ihrem ersten Erscheinen geschildert hat, jedesmal wieder, so oft sie erscheint.

Es ist nicht zu leugnen, daß er seine Geschöpfe alle, ohne Ausnahme, ein wenig von oben herab behandelt; ungemein sorgfältig, meisterhaft im formenden Zugreifen, aber doch von oben herab, wie ein Souverän, oder wie ein Großmeister der Arzneikunde, was ja die Dichtkunst auf ihre Art auch ist. Er hat, wie ja ein großer Arzt auch, so viele Menschen dem Dunkeln entrissen, hat so viele Menschen ins Dunkle stürzen gesehen, daß er kein Aufhebens mehr davon macht. Sein Ton ist ruhig, harmonisch kühl, ohne jede Sentimentalität, und von einer pikanten ironischen Untermalung fast immer durchschimmert. Spricht er, was oft geschieht, persönlich, oder redet er, ganz im Stil der großen alten Erzähler, den Leser geradezu an, dann wird seine reine Objektivität fast schmerzhaft deutlich und ein Distanzhalten wird erkennbar, das ebenfalls beinahe schmerzhaft wirkt. Manchmal, sehr selten, dringt Wärme in seinen Ton. Der Reiz, den er dadurch gewinnt, ist unbeschreiblich stark, und an der Intensität solcher Stellen fühlt man, was es mit seiner Objektivität und mit seinem Distanzhalten für eine Bewandtnis hat.

Gespräche breiten sich in diesem Roman so ausführlich, so gelassen hinströmend, daß man die nur mit den ruhig fließenden Dialogen im „Stechlin“ vergleichen kann, wie ja Thomas Mann so manche Wesensähnlichkeit mit Theodor Fontane besitzt, als dessen Fortsetzer und Vollstrecker man ihn ansprechen darf. Was diese Zeit bewegt und beschäftigt, wird in den Gesprächen erörtert, die man auf dem Zauberberg führt. Demokratie und Monarchismus, Probleme des Liebeslebens, Sternkunde, Sozialwissenschaft und sehr viel Tuberkulose. Es ist zu sagen, daß diese gründliche Beschäftigung mit den Zuständen tuberkulöser Erkrankungen, mit Fieberkurven, Sputum, Bazillentabletten, Injektionen, chirurgischen Eingriffen, Todeskämpfen und Sterbestunden, daß alle diese fabelhaft eindringlichen und wunderbar plastischen Schilderungen im Anfang Grauen, ja Entsetzen erregen. Das Empfinden, das man von der hinfälligen Gebrechlichkeit den menschlichen Körpers erhält, das Bewußtsein der vielen Gefahren, das in einem wachgerüttelt wird, ist so alarmierend, daß ich mich während der Lektüre des ersten Bandes hypochondrischer Anfälle nur mühsam erwehren konnte. Und es bleibt bis zum Schluß des Romanes im Leser ein fortdauerndes, leises Erstaunen, daß es überhaupt noch gesunde Menschen auf der Welt gibt.

In den Jahren, in denen er sich dem Fünfziger nähert, den er binnen wenigen Monaten erreichen wird, in diesen entscheidenden Jahren hat Thomas Mann das Werk gearbeitet, das für sein ganzes Schaffen entscheidend und charakteristisch bleibt. Er hat im Brennspiegel des abgesonderten und engen Krankendaseins die Fülle der Menschlichkeit eingefangen, hat am Rand des Todes den großen Reichtum des Lebens entstehen lassen. Man kann diesen Roman, der gar kein Tempo der Handlung, dafür aber einen starken Pulsschlag der Gedanken und ein großes Tempo an Lebensweisheit hat, nicht so rasch durchfliegen wie irgendein Unterhaltungsbuch. Aber man wird den „Zauberberg“ in vielen stillen Stunde mit Ergriffenheit, mit Zustimmung und Widerständen lesen und wird ihn, aufgewühlt und erregt, wie man ihn schließlich aus der Hand legt, mit allen Einwänden und mit aller Bewunderung, die man ihm entgegenbringt, niemals wieder vergessen können.

In: Neue Freie Presse, 7.12.1924, S. 1-3.

Paul Wertheimer: Georg Kaisers „Gas“

(Erstaufführung des ersten und zweiten Teils an einem Abend im Raimund-Theater)

Das Raimund-Theater hat den von Georg Kaiser selbst gebilligten Versuch unternommen, die beiden Teile des sozial-revolutionären Dramas „Gas“ zu einem Abend zusammenzuschließen, zu ballen wie man in der Expressionistensprache sagen müßte. Auf der Bühne rasen die Explosionen, die äußeren und die inneren, stürmen in überhitzt glühender Atmosphäre fieberhaft erregte Menschen durch sieben Akte gegeneinander, gegen jede Gewaltherrschaft, auch gegen die der Natur – beklommen, angeregt und erregt, menschlich und künstlerisch zweifelnd und zuletzt widersprechend, sieht man vor diesem Getöße, ohne darum die dramatische Stoßkraft vieler dieser Szenen und die Bedeutung des ganzen Werkes zu verkennen, die Bedeutung eines wichtigen künstlerischen Zeitsymptoms.

Ein Werk, nicht wie „Die Weber“, oder selbst noch Tollers „Die Maschinenstürmer“, geboren aus Strömen der Gestaltenfülle oder aus mitleidigem Weltverstehen, vielmehr, selbst chaotisch-ideologisch, kraft- und willensbewußt, aus dem Chaos einer gärenden Zeit. Ein Werk, das sich eine über alle klaren Theatermöglichkeiten hinausgreifende Doppelaufgabe gesetzt hat; die soziale Revolution soll mit den Errungenschaften der künstlerischen auf dem Theater aufgezeigt, ja, das soziale Problem soll mit dem künstlerischen zugleich in einem mehr gedachten, als geformten Werk gelöst werden. Ein Versuch, unternommen mit den Mitteln einer großen Begabung, als die wir Georg Kaisers schätzen – er ist doch wesentlich anders als seine Mitläufer im Expressionistischen und bei allem Kalt-gedanklichen seiner Art doch nicht bloß ein „Hirnhund“, wie sich seine Genossen selbst verzweifelnd nennen. Gestützt wird dieser Versuch durch einen scharf intellektuellen, zu jedem kühnsten Experiment aufgelegten und dabei praktisch bühnenkundigen Regisseur, wie es Dr. Rudolf Beer ist. Dennoch konnte ein solches Wagnis nicht zur Gänze gelingen, weil abstrakte Gebilde, seien sie noch so mutig gedacht, auf dem Theater trotz aller explosiven Heftigkeit uns nie innerlich aufwühlen, weil sie doch nur wie gewalttätige Schemen an uns vorüberziehen.

Man erinnert sich aus der Darstellung des ersten, stärksten Teiles dieses Dramas im Deutschen Volkstheater an die Umrisse des Geschehens. Umrisse, die wie aus einem feurigen Gedankennebel auftauchen. Georg Kaiser hat den „Milliardärssohn“, dessen Geschicke im ersten Teil seines Schauspiels „Gas“ gezeigt werden, aus seiner Tragödie „Die Koralle“ übernommen. Dort sieht man den zu ungeheurem Reichtum hinaufgeklommenen Emporkömmling. Dessen Sproß  ist eben jener Milliardärssohn mit dem sozialen Gewissen. Er ist Herr über einen Riesenbetrieb, in dem er sich selbst nur als Arbeiter betrachtet. Der Gewinn wird gleicherweise verteilt, ohne daß darum die Anklagen, Leidenschaften, Wünsche rings zur Ruhe gebracht werden.  Da ereignet sich während des Hochzeitsfestes seiner Tochter mit einem Offizier die Katastrophe, jene Explosion im Gaswerke. Wer ist daran schuld? Der Ingenieur, dessen mathematische Formel ohne Zweifel richtig gewesen ist? Irgend ein Zufall? Nein, die Natur selbst, nicht immer durch eine Formel zu binden, hat gegen ihre Versklavung aufbegehrt, wie es diese Menge gegen den Erfinder der Formel, den Ingenieur, unternimmt. Der Milliardärssohn deckt seinen Helfer vor den Ausbrüchen der Waffe. Ihm, diesem unbeirrbaren, wenig klaren Ideologen, ist nun ein anderer Plan aus der Schule Tolstois oder Henry Georges gekommen: die Arbeiter sollen Bauern werden. Doch jener Ingenieur reißt die Menge durch seine hymnischen Lobpreisungen der Arbeit mit; sie helfen das Werk wieder bauen. Inzwischen ist der Krieg aufgeflammt, der Staat verlangt das Werk für sich: der Milliardärssohn sieht solcherart auch seinen Beglückungsplan zerstört, er bricht in dem Augenblick zusammen, da die Tochter heimgekehrt ist. Ihr Gatte, der Offizier, hat sich wegen schimpflicher Schulden erschossen, ein letzter Traum lockt und narrt den phantastischen Unternehmer: das Kind, das die Tochter im Schoße trägt, soll der neue Menschenheiland werden….

Dieses Kind, zum Mann herangewachsen, steht im zweiten Teil des Dramas „Gas“ im Mittelpunkt der ungewissen Ereignisse. Jener Krieg, dessen blutige Schatten Kaiser in den ersten Teil seines Werkes warf, ist in dem zweiten noch nicht zu Ende. Der staatliche Betrieb, dem das Gaswerk jetzt untergeordnet wurde, bringt nur Enttäuschungen hervor. Georg Kaiser ist doch zu sehr Dichter und darum Individualist, um das sozialistische Programm vorbehaltlos anzuerkennen. Er zeigt oder deutet viel mehr nur skizzenhaft an, wie sich auch hier sehr rasch Uneinigkeiten und Streits entwickeln. Der Milliardärarbeiter, Enkel jenes ersten Besitzers, wird Führer der Waffe, in Weltbrüderschaft will er sich mit dem bisherigen Feind zu einem Menschheitsbund vereinen. Aber der Feind selbst besetzt das Werk und bestellt den Großingenieur, der es bisher geleitet hat, zum Bürgen für die Kriegsschuld. Als Frondienst wird die Arbeit nunmehr unter ehernem Kriegsgebot – Arbeit noch dazu den Feind – betrieben. Kaiser ist auch hier Dichter und Individualist genug, um das nationale Element gegenüber der sozialistischen These nicht zu verkennen. Neuer Unfrieden, neuer Haß, neue Debatten und, wie sein Großvater der Milliardärssohn, steht jetzt dessen Enkel, der Milliardärarbeiter, zwischen der Waffe, und rät, eine Giftgasbombe, die der Großingenieur konstruierte, gegen die feindliche Besetzung zu schleudern und so die hier Eingeschlossenen und, symbolisch, die Welt zu befreien. Aber sein Ruf bleibt ohne Widerhall. Nun greift er selbst nach der Bombe und schleudert sie gegen sich. In Dampf und Feuer lodert das Werk: der Tod schreitet über der vernichteten Welt….

Diesem zweiten, ganz gedankenhaften Teil, sind nicht mehr die erregenden Kräfte des ersten eigen. Was hier geschieht, sind nur Gedankenkämpfe, Debatten, die trotz der hitzigen Explosionsatmosphäre nur doktrinär ausgefochten werden. Und künstlerisch-doktrinär erweist sich hier die expressionistische Technik, die anfangs mit ihrem Telegrammstil, den stoßweisen Worten, den in hitzigen Ekstasen aufgetürmten Bildern steckt. Aber eine Ermüdung des Interesses tritt bald, zumal in dem zweiten Teile, in jeder Weise ein. Auf dem Theater, modern oder nicht, mit jeden „Ismus“ oder davon befreit, wie wir für die Zukunft erhoffen, immer gibt es hier nur ein Gesetz: alles ist erlaubt, wenn es sich nicht wiederholt. Aber hier wiederholt sich alles: die Debatten, in das Endlose geführt, das Nebulose der Weltbeglückungspläne, die Atmosphäre bleibt die gleiche. Hier steht alles, so heftig auch die Worte prasseln, dramatisch still, und selbst die Detonation zum Schluß erschüttert oder entsetzt nicht mehr, weil sie ja nur Wiederholung ist, benutzte Wiederholung diesmal. Wie anders hat sie einmal bei Björnson in „Ueber unsere Kraft“ gewirkt, wo man grauenhaft ihr Herannahen fühlte. Wie selbst noch in diesen ersten Szenen dieses Schauspiels „Gas“, in dem zuletzt Schemen statt Menschen durch Dampf und Rauch und Gedankennebel irren. So ist das Spiel, die Waffe dramatisch zu packen, trotz redefrohen Antagonisten nicht erreicht.

Dennoch bleibt dieser ersten Wiener Aufführung der beiden Teile des Kaiserschen „Gas“ der Eindruck eines Ereignisses von einer gewissen theatergeschichtlichen Wichtigkeit. Dieses Schauspiel bedeutet den Gipfelpunkt einer ganzen Richtung, einen Gipfel, der bereits zum Abstieg führt. Heute ist, wie jeder praktische Theatermann weiß, der Expressionismus, dieser Schrei des Theaters von morgen, bereits eine Formel von gestern geworden. Nur das Dichterische auch an den Werken dieser Epoche hat Bestand. Aus einem Werk wie „Gas“, so stark man auch daraus die nervös zuckende Faust eines Dramatikers – eines Dramatikers von preußischem Zuschnitt trotz der Revolutionsgeste – spürt, erwächst doch nur die Sehnsucht nach Menschen und ihren Schicksalen, nicht nach Schemen und explodierenden Ideen. Aus diesem Nebelland geballter Zeitgedanken wird auch Georg Kaiser den Weg in das Menschenland, mit dem er vielverheißend begonnen, zurückfinden. Er hat ihn bereits in Werken, die „Gas“ nachfolgten, gefunden.

Regie und Darstellung sahen sich hier vor einer nicht geringen Aufgabe. Das unheimliche Tempo mußte bewahrt und dabei der Eindruck der Gehetztheit vermieden werden. Er ist im zweiten Teil, der dadurch ungewollt zu einer leichten künstlerischen Persiflage des ersten wurde, nicht ganz, trotz Dr. Beers wieder höchst kluger Führung, vermieden worden. Die Darstellung hatte die eine Aufgabe, sich auf Stil, den expressionistischen Stil, zu stellen. Der Eindruck des linienhaft Typischen, nicht das Individuell-Menschliche, mußte im Gesamtbilde dieses Abends festgehalten werden – man sieht, daß diese auf Schrei und seelische und Wortexplosion gestellte expressionistische Kunst auch den Schauspieler typisieren und um sein Eigentümlichstes, das persönliche Gestalten, bringen muß. Hans Ziegler, Rudolf Zeife, Richard Duschinsky, Hermann Wail, Louis Böhm, Grete Witzmann, Lilly Karoly, Lina Loos, Karl Ehmann, Heinrich Schnitzler, Friedrich Rosenthal, Wolf B. Kersten, Eduard Loibner, Rosa Fasser, Alfred Neugebauer,  und Karl Skraup wußten stilecht zu typisieren und fast, immer verständlich, „gebrüllt“ zu sprechen. Der Heftigkeit der Wirkungen entsprach die Heftigkeit des Erfolges. Die Beifallsdetonationen begannen auf der Galerie und setzten sich, freilich zuletzt sehr wesentlich abgeschwächt, nach unten fort.

In: Neue Freie Presse, 9.3.1924, S. 14f.