Genossenschaftsverlag

Gegründet im April 1919 im Umfeld der seit 1918 erscheinenden expressionist. Zs. Daimon, die im Verlag der Brüder Suschitzky (Philip und Wilhelm) erschien, der ab 1919 den Namen Anzengruber-Verlag Brüder Suschitzky trug. Ab H. 3-4/1919 führte die Zs. Der Neue Daimon, hg. von J. Moreno Levy, den Namen ›Genossenschaftsverlag‹ im Impressum. Ferner gab es zahlreiche Querverbindungen zu anderen Zeitschriften und Verlagsprojekten. Die Rechtsform war insofern ungewöhnlich, als jeder Autor/in Mitglied und Teilhaber des Verlags werden konnte, was Ausdruck der Diskussion über den Genossenschaftsgedanken und damit verbundener Sozialisierungs-Vorstellungen jener Jahre (1918-20) war. Sichtbar wurde dies u.a. im Gründungsaufruf, veröffentlich in der Ztg. Der Neue Tag am 28.3.1919, versehen mit einem Kommentar von A. Kuh. Dieser ist in einem klassenkämpferisch-revolutionärem Ton gehalten, beklagt die Dichter und Denker als in der Hand des Kapitals befindlich, um sie künftig in der Reihe der Arbeiter zu sehen und plädiert für eine neue, jede Ausbeutung von sich  weisende Verteilungsgerechtigkeit auch der geistigen Arbeit, weshalb Kuh darin einen Aufruf in „regelrecht kommunistischem Sinne“ erblickt, verteidigt aber den „Geist, aus dem heraus der Verlag entstand“. Unterzeichner des Aufrufs waren Alfred Adler, Albert Ehrenstein, Fritz Lampl, Jakob Moreno Levy, Hugo Sonnenschein und Franz Werfel. Eine Eintragung ins Handelsregister erfolgte nicht, eine Buchhandelskonzession wurde jedoch, vermutlich zum Verkauf der eigenen Verlagsprodukte, angestrebt, die aber von den Behörden verschleppt wurde.

Die Verlagstätigkeit konzentrierte sich auf die Hg. der Zs. Der Neue Daimon, dem 1919 die Heftserie Die Gefährten zur Seite trat, in denen 1920 auch sehr prominente Autoren wie Alfred Döblin und Heinrich Mann nebst Oskar Kokoschka, Otto Stoessl, Ernst Weiß oder Albert Ehrenstein sowie den weniger bekannten wie Fritz Lampl, Isidor Quartner oder Robert Zellermayer/Stefan Tafler vertreten waren. Die Auflagen schwankten je nach Prominenz der Autoren zwischen einigen Hundert bis zu 4000 Ex. (im Fall von H. Mann). Für 1921 waren zahlreiche weitere Hefte bzw. Werke angekündigt, u.a. zu Döblin, H. Mann, Carl Ehrenstein, F. Werfel und anderen, ferner auch eine Jean Paul-Werkausgabe, aber aufgrund finanzieller Probleme und steigender Inflation, musste die Tätigkeit eingestellt werden. A. Ehrenstein bemühte sich um eine Übernahme des Programms durch den K. Wolff-Verlag, aber auch dies kam nicht zustande.


Quellen und Dokumente

Die sozialisierte Dichtkunst. Gründung eines “Genossenschaftsverlags” durch Wiener Dichter und Schriftsteller. In: Der neue Tag, 28.3.1919, S. 7.

Literatur

Murray G. Hall: Österreichische Verlagsgeschichte 1918-1938, Bd. 2: Belletristische Verlage der Ersten Republik; Wien u.a. 1995 (Online verfügbar), Annette Lechner: Die Wiener Verlagsbuchhandlung „Anzengruber-Verlag, Brüder Suschitzky (1901-38) im Wandel der Zeit (Wien, Dipl.Arb. 1994) (Online verfügbar), Armin A. Wallas: Zeitschriften und Anthologien des Expressionismus in Österreich. Analytische Bibliographie. München-New York u.a. 1995, Bd. 2.

 (PHK)