Jakob Moreno Levy gründet 1918 die Zeitschrift Daimon und setzt damit als Herausgeber bereits bestehende Bestrebungen fort, seine „Religion der Begegnung“ einem größeren Publikum zugänglich zu machen. Begleitet wird dieses Anliegen von der Suche nach neuen ästhetischen Ausdrucksmitteln, die die politischen Herausforderungen der Zeit im Kontext spiritueller Fragestellungen begreifen und abbilden können. Der Daimon steht somit in einem politischen Nahverhältnis zu anderen expressionistischen und pazifistisch ausgerichteten Zeitschriften wie etwa Benno Karpeles’ Der Friede oder Franz Bleis Summa (siehe Werbeeinschaltungen), hebt sich aber zugleich durch die heterogene, metaphysisch-religiös bestimmte Themenwahl und eine von hymnischem Pathos getragenen Sprache von anderen Zeitschriften ab. Der Daimon wird nicht zuletzt darum unter dem Stichwort des „Messianischen Expressionismus“ zur Einordung gebracht. Die hohe Dichte namhafter Schriftstellerinnen und Schriftsteller, die im Daimon Beiträge veröffentlichen, zeigt zudem seinen besonderen literaturgeschichtlichen Stellenwert im Kontext der expressionistischen Zeitschriften. Zu den Beitragenden zählen u.a.: Béla Balázs (übers. v. E. A. Reinhardt, Paul Baudisch, Petr Bezruč (übers. v. Rudolf Fuchs), Franz Blei, Otokar Březina (übers. v. Emil Saudek), Max Brod, Paul Claudel, Dawid Frischmann, Rudolf Fuchs, Iwan Goll, Albert Paris Gütersloh, Eugen Hoeflich, Francis Jammes (übers. v. E. A. Reinhardt), Georg Kaiser, Paul Kornfeld, Georg Kulka, Hetta Mayr, Robert Müller, Giovanni Pascoli (übers. v. Benno Geiger), Leopold Reissinger, Friedrich Schnack, André Suarès (übers. v. Jakob Hegner), Jakob Wassermann, Ernst Weiß, Franz Werfel, Oskar Wiener, Alfred Wolfenstein. In der Fortsetzung des Daimon erscheinen auch Texte von Martin Buber, Ernst Bloch, Alfred Döblin, Albert Ehrenstein, Carl Ehrenstein, Chajan Kellmer, Heinrich Mann, Mynona, Hugo Sonnenschein u.v.m.

Titelblatt der ersten Ausgabe, 1918

Morenos Religion der Begegnung zeichnet sich durch ein gewisses konfrontatives Moment aus, das politisch, im Sinne von sozial und ästhetisch, vom schöpferisch tätigen Individuum gesellschaftlich produktiv gemacht werden soll. Der Künstler/die Künstlerin gilt damit als Zwischenwesen (gr. daimon), das in der Sphäre zwischen Gott und Welt Kraft seiner entfesselten Spontanität (als göttliche Gabe) die Welt verändern kann. Der Titel von Morenos früher Flugschriftenreihe „Einladung zu einer Begegnung“ (1914/15), welche ausschließlich Texte von ihm selbst enthielt, kehrt im Untertitel des größer angelegten Daimon stellenweise wieder (siehe Der Neue Daimon, 1919, H. 3/4) und verdeutlicht die programmatische Linie. Die Mitarbeiter des Daimon bilden einen Zirkel; Treffpunkte sind das Café Museum und der Herrenhof (Autobiographie, 76f.)

Während Moreno alle vier Hefte des ersten Jahrgangs (unter dem Titel Daimon) herausgibt (Redaktion von E. A. Reinhardt), zieht er sich nach den ersten beiden Heften des Folgejahrgangs 1919 (unter dem Titel Der Neue Daimon) als Herausgeber zurück und verfasst nur noch einzelne Beiträge (siehe Das Testament des Vaters, in: Die Gefährten, Jg. 3 [1920]/Heft 2). Mit der Umbenennung kommt es auch zu einer Veränderung der Betriebsform. Der ab Heft 3/4 gegründete Genossenschaftsverlag erhebt die beitragenden Autoren zugleich zu Verlagsinhabern; die Produktionsmittel bleiben so im Besitz der Mitarbeiter. Gründungsmitglieder sind Alfred Adler, Albert und Carl Ehrenstein, Fritz Lampl, Hugo Sonnenschein und Jakob Levy Moreno. Neben dem Neuen Daimon, erscheinen als Ergänzung drei Hefte unter der Reihenbezeichnung „Die Gefährten“, die 1920 zum Titel der Zeitschrift wird. Als Herausgeber der nunmehr eher autorenbezogenen Hefte fungiert Albert Ehrenstein. Die Ausgaben widmen sich zunehmend einzelnen Autoren, so etwa H. 3 (1920) Heinrich Mann (Die Tote. Novelle; Der Weg zur Macht. Drama in drei Akten), H. 10 (1920) Oskar Kokoschka; H. 1 enthält Auszüge aus den Reden Gotamo Buddhos (übers. v. Karl Eugen Neumann), Albert Ehrensteins Essay zu Karl Kraus gelangt in H. 7 (1920) zur Veröffentlichung. Das letzte Heft der Gefährten, das Texte von Albert Ehrenstein enthält, erscheint 1922.


Werke

Daimon. Eine Monatschrift. Hg. v. Jacob Levy Moreno. Redaktion: E. A. Reinhardt . Wien: Verlag der Daimon Schriften Brüder Suschitzky 1918. ([Heft 1]Prolog: Februar 1918, Heft 2: April 1918, H. 3: Juni 1918, H. 4: August 1918) – erscheint zweimonatliche, insg. 4 Einzelhefte.

Forts.: Der Neue Daimon. Eine Monatsschrift (H. 1/2); Einladung zu einer Begegnung (H. 3/4). Wien: Verlag der Daimon Schriften Brüder Suschitzky 1919; ab Heft 5-7-9/10 Wien: Genossenschaftsverlag 1919. Herausgeber: H. 1/2-3/4 Jakob Moreno Levy, H. 8-11/12 Fritz Lampl, 9/10 Hugo Sonnenschein – erscheint monatlich, insg. 12 Einzelhefte. (Siehe Wallas: Zeitschriften und Anthologien des Expressionismus in Österreich, 342-344)

Forts.: Die Gefährten. Der dritte Jahrgang des „Neuen Daimon“. Hg. v. Albert Ehrenstein. Wien: Genossenschaftsverlag 1919-1922. – erscheint unregelmäßig, insg. 16 Einzelhefte. (Siehe Wallas: Zeitschriften und Anthologien des Expressionismus in Österreich, 244-247)

Einladung zu einer Begegnung. Hg. v. Jakov Moreno Levy. Wien 1914/1915 – erscheint unregelmäßig; zwei Berichte ergänzt durch einen Flugbericht.

Quellen und Dokumente

Expressionismus online: https://db.saur.de/LEX/login.jsf (Daimon [1918], Der Neue Daimon [1919], Die Gefährten [1919-1922])

Jacob Levy Moreno: Auszüge aus der Autobiographie. Hg. v. Jonathan D. Moreno. Mit einem Nachwort von René Marineau. Köln: inScenario Verlag 1995.

Literatur

Klaus Amann und Armin A. Wallas (Hg.): Expressionismus in Österreich. Die Literatur und die Künste. Wien u.a.: Böhlau 1994, S. 60f., Barbara Erlacher-Farkas und Christian Jorda (Hg.): Monodrama. Heilende Begegnung. Vom Psychodrama zur Einzeltherapie. Wien, New-York: Springer 1996, S. 26ff, Murray G. Hall: Österreichische Verlagsgeschichte 1918-1938. Bd. 2. Belletristische Verlage der Ersten Republik. Wien, Graz u.a.: Böhlau 1985, S. 144-159, Armin A. Wallas: Zeitschriften und Anthologien des Expressionismus in Österreich. Analytische Bibliographie und Register. München: Saur 1995.

(KK)