Geb. 19.3. 1873 in Brand (Deutsches Reich als: Johann Baptist Joseph Maximilian R.), gest. 11.5. 1916 in Leipzig.

Dirigent, Komponist, Pianist.

Materialien und Quellen:

Eintrag in M. Reger-Institut; Eintrag von Susanne Popp in NDB; Christoph Vratz: 19. März 1873 – Der Komponist Max Reger wird geboren. In: WDR, 19. 3. 2023;

Martina Sichardt (Hg.in): Annäherungen an Max Reger. Hildesheim: Olms 2014; Susanne Popp: Max Reger. Werk statt Leben. Biographie. Wiesbaden: Breitkopf & Härtel 2015

(PHK, in preparation)

Geb. 4.12. 1890 in Salzburg, gest. 23. 1. 1947 in Salzburg. Jurist, Politiker, Landeshauptmann, Mitglied des österr. Widerstands gegen den NS

Materialien und Quellen:

Eintrag in: ÖBL; Eintrag auf: Gedenkstätte Deutscher Widerstand; Eintrag auf: Österr. Cartellverband;

Literatur: Robert Kriechbaumer: Politiker und Impresario. Landeshauptmann Dr. Franz Rehrl und die Salzburger Festspiele (= Schriftenreihe des Forschungsinstitutes für polit.-histor. Studien der Dr.-Wilfried-Haslauer-Bibliothek, Bd. 78). Wien-Köln: Böhlau 2021

(PHK, in preparation)

geb. am 29.10. 1864 in Koritschan (Österr.-Ungarn, heute Corycány, Tschech. Rep.) – gest. am 13.12.1940 in Wien; Literaturwissenschaftler, Kritiker, Bildungspolitiker

R. wurde als Sohn einer Glasfabrikantenfamilie (Vater Ignaz R.)  jüd. Herkunft geboren, übersiedelte aber bereits 1865 mit seiner Fam. nach Wien. Nach der Matura studierte er Nationalökonomie, Geschichte u. Ästhetik an der Univ. Wien, wo er 1886 mit einer Arbeit über Schopenhauer als Philosoph der Tragödie promovierte, die 1888 in Buchform erschien. Seit 1889 war R. im Vorbereitungskommittee für die Einrichtung der ›Grillparzer-Gesellschaft‹ als Schriftführer u. danach im Vorstand maßgeblich tätig. 1890 ersch. erste Literatur-Feuilletons (über J.J. David, F.v. Saar, Lenau u.a.) in der Wiener Zeitung sowie sein zweites Buch Grillparzer als Kunstphilosoph. Im selben Jahr wurde er nach erfolgter Habilitation zum Privatdozenten ernannt. Neben Grillparzer befasste sich R. ab 1892 v.a. mit H. Ibsen, um im Herbst 1893 eines der ersten deutschspr. Ibsen-Bücher vorzulegen. 1894 kommentierte R. im Zuge der Generalvers. des Vereins der ›Deutschen Volksbühne‹ kritisch das Aufführungsrepertoire, inbes. wegen der Absenz von Saar u. Anzengruber.

Aus: Der Kampf (1919), H. 3, S. 145-154.

Seit 1895 publiziert R. auch in der Wiener WochenZs. Die Zeit, vorwiegend zu sozialpolit. Themen u. setzte sich vehement für die Einrichtung der sog. volksthümlichen Kurse der Wiener Universität ein (an denen er selbst mitwirkte u. die er mit Spenden unterstützte). Ebenso trat er für den Ausbau der Arbeiterbühne ein (AZ, 20.10.1895, 7). 1897 war R. auch im Raimund-Theater-Verein aktiv u. hielt seinen ersten Vortrag im Sozialwissenschaftlichen Bildungsverein, der Keimzelle der späteren ›Bildungszentrale‹. In den darauffolgenden Jahren intensivierte sich diese Vortragstätigkeit im sozialdemokrat. Umfeld Wiens aber auch Brünns. 1901 zählte Reich mit Ludo M. Hartmann zu den Begründern der ersten Volkshochschule im Volksheim Ottakring, 1903 wurde er in das Schiedsgericht des neugegr. Literarischen Vereins, dem Karl Glossy als Obmann vorstand, gewählt, im März 1904 zum Außerordentl. Professor für Ästhetik ernannt. Seit 1906 saß R. in der Jury des Volkstheater-Preises. 1910 erschien sein Ibsen-Buch in der 7. Aufl.; am 8. Deutsch-österr. Volksbildungstag stellte R. den einstimmig angenommenen Antrag, die mit öffentl. Mitteln subventionierten Theater mögen mind. Einmal im Jahr Vorstellungen für Arbeiter anbieten. 1913 unterzeichnete R. einen Aufruf zugunsten der seit 1905 in Russland inhaftierten polit. Gefangenen (gem. mit fast 500 anderen Stimmen des kultur.-wiss. Lebens); im selben Jahr ersch. sein Ibsen-Buch in der 10. Aufl. (erstmals bei S. Fischer).

Während der Zeit des Ersten Weltkrieges unterstützte R. versch. karitat. Fonds u. ging weiterhin seinem Engagement in der Grillparzer Gesellschaft sowie im Volksheim Ottakring nach. In der Österr. Rundschaubesprach er 1916 A. Petzolds Kriegsdichtungen, 1917-18 setzte sich Reich für eine Stabilisierung des von zahlr. Direktionswechseln u. Krisen schwer gezeichneten Dt. Volkstheater ein. 1919 veröffentl. R. in H. 3 der Zs. ›Der Kampf‹ den ausgreifenden programm. Beitr. Theater und Sozialismus, in der ›Bildungsarbeit‹ einen Grundsatzart. zur u. nahm über die Debatte über die Zukunft des (dt.) Nationaltheaters teil. 1920-21 engagierte sich R. einerseits erfolgreich für den Ausbau des Volkshochschulwesens, andererseits auch für das Jüdische Fürsorgewesen, das über die Einrichtung einer Zweigstelle des ›Joint‹ in Wien die Verelendung jüd. Massen auf dem Gebiet der ehem. k.k. Monarchie hintanzuhalten versucht, sowie für den (sozialdemokrat.) Hilfsfonds für Sowjetrussland, dem er 10.000 Kr. spendete (AZ, 30.10.1921, 7, nebst weiteren Spenden wie z.B. 1.500 Kr. für die von der NFP unterstützten öffentl. Ausspeisung von Kindern, NFP, 3.4.1921,7).

Aus: Neues Wiener Journal, 22.10.1921, S. 4.

Ebenso verf. er Feuilletons über das Russ. Künstlertheater, im bes. zu dessen Hamlet-Erarbeitung, sowie über die revolut. Theaterarbeit von Stanislawski. 1922 interess. sich R. auch für die aufkommende Radiotelephonie u. deren kulturpolit. Potentiale. Anlässl. seines 60. Geburtstages widmete ihm die AZ einen ausführl. Beitrag, in dem seine Verdienste für die Volksbildung, aber auch um die Grillparzer-Gesellschaft sowie seine Schrift Die bürgerliche Kunst und die besitzlosen Klassen als wegweisende gewürdigt wurden; im selben Jahr wurde die 14. Aufl. seines Ibsen-Buches angezeigt. 1925 war Reich maßgeblich an der Grd. des ›Gesellschafts- und Wirtschaftsmuseums der Stadt Wien‹ beteiligt (WZ, 10.3.1925, 3); ferner wurde er in die Jury des Kunstpreises der Stadt Wien berufen. Zur Ibsen-Gedenkfeier des Dt. Volkstheaters (18.3.1928) hielt Reich die Fest-u. Gedenkrede, die er in den versch. Volksbildungsinstitutionen wiederholte. Anl. des 30jähr. Bestehens der VHS Volksheim (1931) konnte R. auf die stolze Bilanz von inzwischen 11.000 Mitgliedern u. über 200 Dozentinnen u. Dozenten verweisen, die über 800 Kurse im letzten Jahr angeboten hätten. Seit 1930 veröffentl. er regelmäßig Feuilletons in der Ztg. Der Morgen, meist zu Aspekten u. Anekdoten aus dem Theaterleben oder aus dem Wissenschaftsbetrieb. 1932, anl. der Wahl von R. Jahn zum Dir. des Dt. Volkstheaters, reagierten einzelne Mitglieder ausfällig auf die obligaten krit. Worte, die Reich in solchen Gelegenheiten vorbrachte. 1933 veröff. er in der AZ noch einen Gedenkartikel über A. Petzold u. setzte sich für den Erhalt des Raimundtheaters ein, um dann 1934 im Zuge der Generalversammlung des Volksheims Ottakring gegen dessen „Faschisierung“ das Wort zu erheben. Insges. erlitt sein Wirken durch die Zäsur von 1934 einen deutlichen Rückschlag; dennoch ließ sich R. nicht nehmen, auch 1936 (wie oft zuvor) in der Gen.Vers. des Dt. Volkstheaters die Direktion wegen geringer Präsenz junger Autoren auf dem Spielplan zu kritisieren. Mit der Publikation der Vortragssammlung Grillparzers dramatisches Werk klang 1938 Reichs Wirken für die österr. Literatur u. die Volksbildung aus.


Weitere Werke

G. V. Gravina als Ästhetiker (1891); Die bürgerliche Kunst und die besitzlosen Volksklassen (Leipzig 1892); Grillparzers Dramen (1894); Ibsens Dramen. 20 Vorlesungen (1900); Kunst und Moral (1901); Aus Leben und Dichtung (1911); Gemeinschaftsethik (1935).

Quellen und Dokumente

Ferdinand von Saar. In: Wiener Zeitung, 5.4.1890, S. 3-5, Ein neues Ibsen-Buch. In: Wiener Zeitung, 26.10.1893, S. 2f., Persönliche Erinnerungen an Henrik Ibsen. In: Neue Freie Presse, 27.5.1906, S. 31-33, Das Theater und der Sozialismus. In: Der Kampf 12 (1919), H. 3, S. 145-154, Fünfundzwanzig Jahre volkstümliche Universitätskurse. In: Neue Wiener Tagblatt, 7.11.1920, S. 2, Menschenschicksale. Ein Vormittag in der Fürsorgestelle des “Joint”. In: Neues Wiener Journal, 19.5.1921, S. 2f., Russische Bühnenkunst. Gespräche mit Mitgliedern des Moskauer Künstlertheaters. In: Neues Wiener Journal, 22.10.1921, S. 4, Die Revolutionäre des russischen Theaters. In: Neues Wiener Journal, 26.10.1921, S. 5, Die ungedruckte Zeitung. Die Radiotelephonie als Konkurrentin der Presse. In: Neues Wiener Journal, 29.5.1922, S. 4f., Henrik Ibsen. (Aus der Gedenkrede der Feier der Sozialdemokratischen Kunststelle.) In: Arbeiter-Zeitung, 20.3.1928, S. 3f.,

Kurt Sonnenfeld: Besuch im Volksheim. In: Neues Wiener Journal, 21.12.1921, S. 3f.Josef Luitpold Stern: Alfons Petzold. Zur zehnten Wiederkehr seines Todes am 25. Jänner. In: Arbeiter-Zeitung, 25.1.1933, S. 6, E. R. [zum sechzigsten Geburtstag]. In: Arbeiter-Zeitung, 29.10.1924, S. 9f., Karikatur zum goldenen Doktorjubiläum. In: Der Morgen, 15.2.1937, S. 9.

(PHK)

Geb. 12.5.1888 in Wien, gest. 31.12. 1969 in New York.

Psychoanalytiker, (Literatur)Kritiker, Exilant

Nach erfolgreich abgelegter Matura nahm Reik 1907 das Studium der Psychologie und Germanistik an der Universität Wien auf. 1910 kam es zur ersten Begegnung mit Sigmund Freud, der Reik im Studium unterstützte und seine psychoanalytische Ausbildung übernahm. Nach Reiks Vortrag über Tod und Sexualität kam es 1911 zur Aufnahme in die Wiener Psychoanalytische Vereinigung. 1912 schloss er sein Studium mit der ersten psychoanalytisch fundierten literaturwissenschaftlichen Promotion über Flaubert ab und wurde in der Folge einer der engsten Mitarbeiter und Vertrauter Freuds. Im selben Jahr erschien auch seine Studie über Beer-Hofmann, die 1919 auch in einer erweiterten Ausgabe nochmals erschien. Reik unterhielt auch eine Freundschaft mit Arthur Schnitzler, aus der die Studie A. Schnitzler als Psycholog (1913) resultierte.

(in preparation)

geb. am 9.9.1873 in Baden/Niederösterreich – gest. am 30.10.1943 in New York (bis 1904 Namensschreibung: Max Goldmann); Schauspieler, Autor, Theater- und Filmregisseur, Theaterdirektor, Kritiker

M. Reinhardt, Sohn des aus Ungarn gebürtigen Kaufmanns Wilhelm Goldmann jüdischer Konfession sowie der aus Nikolsburg (heute: Mikulov/Tschechien, Mähren) stammenden Mutter Rosa Wengraf, wuchs in Wien auf, wo er 1884-88 das Realgymnasium besuchte. Anschließend begann er eine Banklehre und nahm Schauspielunterricht, um 1890 am selben Wiener Privattheater zu debütieren, an dem zuvor auch Josef Kainz (1858-1919) seine Karriere begonnen hatte. Die weiteren Stationen der nun eingeschlagenen Schauspiellaufbahn waren 1892-93 das Neue Volkstheater in Wien, 1893 Preßburg/Pozsony, wo er in Gorkis Nachtasyl spielte, und das Stadttheater Salzburg bis 1894. Im selben Jahr ging R. nach Berlin ans Deutsche Theater, dessen Ensemble er bis 1902 angehörte. Dort sammelte er erste Regieerfahrungen; sein offiz. Regie-Debüt datiert in das Jahr 1902. Bereits 1901 eröffnete er auch selbst ein Theater, die Kleinkunstbühne ›Schall und Rauch‹, aus dem 1902 das ›Kleine Theater‹ u. später das ›Berliner Ensemble‹ hervorging. Ihm stand er bis 1905 vor; zugleich übernahm er, unterstützt von seinen Brüdern Siegfried und Leo das ›Neue Theater‹ (später: Theater am Schiffbauerdamm), dessen Leitung er von 1903 bis 1906 innehatte. 1905 übernahm Reinhardt dann auch noch die Leitung des ›Deutschen Theaters‹ (bis 1920), das er 1906 käuflich erwarb und um die Kammerspiele erweiterte, sodass schon 1905/06 von einem Theaterkonzern Reinhardts die Rede war. Seit 1912 absolvierte er auch Gastspiele in anderen europäischen Ländern sowie in den USA und profilierte sich zu einem der innovativsten Regisseure im deutschsprachigen Raum. 1910 ehelichte er die Schauspielerin Else Heims, Mutter der die Söhne Wolfgang (1908-79, Filmproduzent) und Gottfried (1913-94, Regisseur u. Filmproduzent); diese Ehe wurde 1933 nach mehreren Scheidungsklagen geschieden.

Seit 1912 betätigte sich Reinhardt auch als Filmproduzent, u.a. von Unterhaltungsfilmen wie Im Traumland (2014). R. Auernheimer titulierte ihn in der NFP bereits 1914 als „Überregisseur“. 1915-18 war er auch Direktor der ›Volksbühne‹ in Berlin, und 1917 begründete er am Deutschen Theater die Versuchsbühne ›Das junge Deutschland‹, die maßgeblich an der Durchsetzung des expressionistischen Theaters und der expr. Regie im deutschsprachigen Raum beteiligt war, z.B. von R. Sorge und dessen Stück Der Bettler im Jänner 1918 oder Antigone von W. Hasenclever im Juni 1919 am Dt. Volkstheater in Wien. 1917 gastierte Reinhardt mit einer vielbeachteten Elektra-Aufführung auch in Zürich, Ende März inszenierte er die deutsche Erstauff. von F. Molnars Fasching (übers. von A. Polgar) in Berlin und publizierte ferner eine Denkschrift zur Errichtung eines Festspielhauses in Hellbrunn; im April 1918 erwarb Reinhardt Schloss Leopoldskron bei Salzburg (WrZtg., 19.4.1918, 19), womit entscheidende Weichen für die Salzburger Festspiele gestellt wurden, die offiziell am 22.8. 1920 mit Reinhardts kongenialer Inszenierung des Jedermann von H. v. Hofmannsthal inauguriert wurden. Es war bekanntlich auch Hofmannsthal, der 1919 Reinhardts Plänen entgegenkam und zu einem Propagator der Festspielidee wurde, seit er ab Februar 1919 Mitglied des Kunstrates des schon im August 1917 in Wien gegr. Vereins ›Salzburger Festspielhaus-Gemeinde‹ geworden war (dem Reinhardt seit 1918 angehörte). Hofmannsthal verfasste dann auch den ersten Programmentwurf unter dem Titel Deutsche Festspiele zu Salzburg im April 1919 (H. v. H. SW, XXXIV, 229-30). Im August 1920 gab Reinhardt nach einer kontrovers aufgenommenen Shakespeareschen Julius Caesar-Inszenierung vom Mai dess. Jahres, in dem er den Bühnenraum maximal für Massenszenen ausreizte, die Direktion seiner Berliner Theater ab, die aber weiter in seinem Besitz blieben, was u.a. H. Eulenberg in der NFP kritisch kommentierte und die NFP zu einem Leitartikel über die Problematik des Verhältnisses Kunst, Kultur- und Steuerpolitik veranlasste. 1921 bemühte sich A. Wildgans, damals Dir. des Burgtheaters, Reinhardt nach Wien zu verpflichten, was auch F. Salten publizistisch unterstützte, aber nur partiell von Erfolg gekrönt war.

1922 inszenierte er immerhin den Don Carlos und Clavigo an der Burg; zugleich verhandelte er mit dem Deutschen Volkstheater und dem Josefstädter Theater, wo er im Herbst 1922 das Lustspiel Schöne Frauen von E. Rey inszenierte. 1923 erwarb Reinhardt nach keineswegs konfliktfreien Verfahren, u.a. gegen den damaligen Direktor Jarno, das Theater und begann es im Sommer umzubauen. Er wurde dabei vom Industriellen Isidor Mautner, Besitzer der Textilfabrik Marienthal, finanziell unterstützt, was ebf. krit. kommentiert, wenngleich die Rückkehr Reinhardts von vielen begrüßt wurde, u.a. von P. Stefan, der dies in einem Reinhardt-Buch darlegte. Mit Paul Kalbeck holte er einen O. Brahms-Schüler als Regisseur (und Schwiegersohn Mautners) ans Josefstädter Theater. 1923 erwog Reinhardt auch eine Neuinbetriebnahme des Schönbrunner Schloßtheaters, allerdings verliefen die Verhandlungen zunächst ohne konkrete Ergebnisse. Im Nov. 1923 brach Reinhardt nach New York auf, um dort K. Vollmöllers erfolgreiche Tanzpantomime Mirakel zu inszenieren (UA 24.1.1924) u. Broadway-Erfahrung zu sammeln. Mit C. Goldonis Der Diener zweier Herren wurde im April 1924 das renovierte Josefstädter Theater neu eröffnet, ihm folgte eine vielbeachtete Kabale und Liebe-Inszenierung, an der Stars wie Fritz Kortner, Hugo u. Helene Thimig mitwirkten. Im Zuge des Internat. Musik- u. Theaterfestes der Stadt Wien im Sept. 1924 inszen. Reinhardt Nestroys Haus der Temperamente; unmittelbar danach kehrte der umtriebige Theatermacher wieder nach Berlin zurück u. eröffnete auch dort ein neues Theater, die ›Komödie‹ am Kurfürstendamm. 1925 setzte Reinhardt seine Regietätigkeit in der Josefstadt wieder fort u. a mit Stücken aus der neueren engl. Lit. wie Loyalties von J. Galsworthy. Die erste Jahresbilanz (NFP, 1.4.1925, 21) verzeichnete 417 Vorstellungen, darunter 30 Erstaufführungen und mit 61 Einzelvorstellungen Shakespeare als meistgespielten Bühnenautor.

In Berlin wiederum widmete sich Reinhardt 1925 zeitgenöss. experimentellen Stücken wie L. Pirandello und seinen Sechs Personen suchen einen Autor. Im Jänner 1926 stand im Dt. Volkstheater Reinhardts eigener Einakter Das Regiekollegium am Programm; kurz darauf brachte er im Budapester Renaissancetheater die Erstauff. von F. Molnars Riviera als großen, eigenwilligen Erfolg auf die Bühne. Für die Salzburger Festspiele inszenierte er 1926 neben dem Faust das Märchen Turandot von G. Gozzi (dt. Fassung: A. Polgar), das in der Kritik als mögl. Beispiel für ein ‚entfesseltes Theater‘ im Sinne Tairows aufgenommen wurde. Im November gelang ihm nach der Inszen. des Schauspiels Die Gefangene von O’Neill (im Mai) sowie Goldonis Der Diener zweier Herren (Sept.) zudem mit Hauptmanns Dorothea Angermann in der Josefstadt ein weiterer Markstein seiner Regiekunst, wie F. Salten herausstrich. Im selben Jahr eröffnete er im Mai an der Akademie einen mehrmonatigen Schauspielkurs, aus dem das sog. ›Reinhardt Seminar‹ hervorgehen sollte. 1927 hielt sich Reinhardt im März zunächst in Hollywood, auf der Rückreise in Paris auf u. thematisierte dabei u.a. die Filmindustrie und den Jazz.

Anschließend inszenierte er wieder in der Josefstadt, u.a. T. Bernards Der gute Kamerad sowie František Langers Stück Peripherie (1.6.), ein Ereignis, so F. Salten, sowie als Wiederaufnahme das Stück Mirakel im Zirkus Renz. Für die Festspiele legte er dagegen ein eher trad. Programm vor, d.h. neben Hofmannsthals Jedermann Shakespeares Ein Sommernachtstraum und Schillers Kabale und Liebe. Im Okt. 1927 berichten die Zeitungen von einem Konflikt zwischen dem Berliner Magistrat u. Reinhardts Theatergesellschaft mbH, im Zuge dessen seine Theatereinnahmen vorübergehend gepfändet wurden.

1928 erhielt Reinhardt nach längeren Verhandlungen vom Unterrichtsministerium das Schönbrunner Schlosstheater als Übungsbühne für seine Tätigkeit an der Hochschule für Musik, an der er auch eine Professur innehatte, zugewiesen, ein Signal, um ihn stärker an Wien zu binden. Dies hielt ihn nicht davon ab, noch im Juni den Vorsitz der neuggegr. ›Freie Vereinigung Deutscher Bühnen‹, eine Gegengründung zum ›Deutschen Bühnenverein‹, in Berlin zu übernehmen (R. trat im Dez. 1929 wieder in den Dt. Bühnenverein ein). Und im August 1928, während der Festspiele, schloss er einen Pachtvertrag mit Hubert Marischka für das (Wiener) Stadttheater, um sich dort dem Genre der Operette widmen zu können, wich aber dann auf das Theater an der Wien, ebf. ein Marischka-Haus, aus. 1928 sprach er sich wiederholt für die Stücke von F. Bruckner aus, so z.B. in einem Gespräch mit J. Wittner, und er wird 1929 Die Verbrecher in der Josefstadt zur österr. Erstaufführung bringen. Im Nov. 1928 folgte eine vielbeachtete Neuinszenierung von Tolstois Der lebende Leichnam, die, so F. Salten, nicht nur R.s. „große Künstlerschaft“ unter Beweis stelle, sondern auch dessen Fähigkeit, einer Figur wie dem Fedja, bislang unbekannte Facetten abzugewinnen (NFP, 2.11.192, 11). Kurz darauf inszenierte er die Varietékomödie Artisten von G. Watters u. A. Hopkins (Dt. von Ossip Dymow), die ebf. einen fulminanten Eindruck hinterließ. Anfang 1929 weilte Reinhardt wieder in Hollywood, um Filmpläne, konkret einen mit L. Gish, zu ventilieren (nach einem Drehbuch von H. v. Hofmannsthal) und beginnt nach seiner Rückkehr im April mit dem Unterricht im Schönbrunner Schloßtheater. 1929 vertiefte sich im Zshg. mit dem Salzburger Festspielprogramm die Zusammenarbeit mit Bruno Walter, der auch zum Mitglied des Kunstrates der Festspiele gewählt wurde. Im Jänner 1930 gelang Reinhardt mit Shaws Der Kaiser von Amerika, einer „politischen Extravaganz“ (F. Salten), ein durchschlagender Erfolg. Im Juni 1930 feierte Reinhardt sein 25jähriges Bühnenjubiläum, wozu ihm u.a. auch Stanislawski eine Grußbotschaft zusandte (AZ, 4.6.1930,8) sowie 10 Jahre Salzburger Festspiele; die Univ. Frankfurt/M. verlieh ihm das Ehrendoktorat (Wr. Ztg. 20.8.1930). Im selben Jahr befasste sich Reinhardt auch mit der potentiellen Konkurrenz, die von der Tonfilm-Revolution ausging, der er, u.a. mit Verweis auf den Film Der blaue Engel, so aufgeschlossen begegnete (NFP, 20.4. 1930, 19), dass er Mitinhaber der Berliner Terra-Film A.G. wurde und sich als erstes Tonfilmprojekt die Verfilmung der Offenbach-Operette Pariser Unterwelt vornahm. Auch für das Festspiel-Programm wartete Reinhardt mit einer Überraschung auf: mit W. S. Maughams Farce Viktoria, zu der u.a. Mischa Spoliansky , so R. Holzer, eine parodistische Musik komponierte. Am Berliner Theater führte er sodann im Nov. Bruckners neuestes Drama, Elisabeth von England, und kurz darauf im Schauspielhaus das zeitgemäß adaptierte Lust-Singspiel Im weißen Rößl unter musikal. Mitwirkung von B. Granichstaedten u. R. Stolz sowie Liedtexte von R. Gilbert auf. Fulminant begann auch das Jahr 1931, nämlich mit der Eröffnung seines vierten Berliner Theaters (Th. am Kurfürstendamm), u. der Inszen. von E. Bourdets Komödie Das schwache Geschlecht (dt. von B. Zuckerkandl), die er im März auch in Stockholm und im April in Wien auf die Bühne brachte. Im August trug er sich zudem mit dem Plan, das Wiener Schauspielhaus als Spielstätte für alte Operetten zu übernehmen (NFP, 20.8.1931,9), der ebenso wenig zustande kam wie im Nov. dess. Jahres das Angebot, das Burgtheater zu pachten, von ihm angenommen wurde, weil er das Josefstädter Theater, an dem gerade seine Shakespeare-Inszenierung von Was ihr wollt trotz eines Konflikts (mit nachfolgendem Bruch) mit der Tanzgruppe Bodenwieser vom Publikum wie von der Kritik begeistert aufenommen wurde, weiter entwickeln wollte.

1932 musste sich Reinhardt in Berlin aufgrund der Auswirkungen der Wirtschaftskrise einschränken u. Teile, dann bald auch die Leitung seines Theaterkonzerns abgeben; zum Nachfolger am Deutschen Theater wurde im März Rudolf Beer vom Raimundtheater designiert, der allerdings, gemeins. mit K. Martin zu Jahresende die Schließung des Theaters vornehmen musste. Nichtsdestotrotz inszenierte Reinhardt an Berliner Theatern weiterhin; in Wien brachte er nebenher auch auf der Volksoper J. Offenbachs Schöne Helena in neuer musikal. Bearbeitung durch E. W. Korngold im Juni zur Erstsaufführung, die dann auch über Radio Wien ausgestrahlt wurde. Im Dez. wurden schließlich wieder Verhandlungen seitens des Burgtheaters mit Reinhardt aufgenommen, um das Josefstädter Theater zu pachten u. Reinhardt als Gastregisseur an beiden Häusern zu haben.

1933 musste Reinhardt Deutschland verlassen, obwohl ihn Goebbels eine Zeitlang zu halten versuchte; er inszenierte danach in Florenz Shakespeare, in Salzburg und Wien zwei Varianten eines Faust im Geiste des Barock, was nicht ohne Kritik blieb. Von Okt. bis Dez. 1933 hält er sich dann in Paris auf u. lernt dabei auch die Schriftstellerin Colette kennen. Im Jänner 1934 ist er wieder in Wien, wo er einerseits für die Josefstadt Shaws Candida inszenierte und sodann mit einer Goldoni-Aufführung vom Raimundtheater aus auf Tournee nach Amsterdam, Paris u. in die Schweiz aufbrach u. im Juli an der Biennale mit einer Kaufmann von Venedig-Inszenierung mitwirkte. Im Okt. traf er in Hollywood ein, um mit Warner & Brothers einen Filmvertrag über Shakespeares Ein Sommernachtstraum abzuschließen, der 1935 auch als Film zustande kam. Im selben Jahr heiratete er Helene Thimig in zweiter Ehe und hielt sich wieder monatelang, auch 1936, in Hollywood auf. Erst 1937 kehrte Reinhardt wieder kurzzeitig in die Josefstadt sowie zu den Festspielen zurück. Im Jänner 1938 inszenierte er letztmalig in Österreich im Stadttheater Offenbachs Schöne Helena, um umgehend in die USA zurückzukehren. Nach dem Anschluss wurde bereits am 17.3. 1938 in Salzburg der M. Reinhardt-Platz umbenannt und im April 1938 Schloss Leopoldskron beschlagnahmt.


Quellen und Dokumente

Luxus und Besteuerung. Anlässlich des Rücktritts Max Reinhardts. In: Neue Freie Presse, 15.8.1920, S. 1, Der Film erwartet seinen Shakespeare. Max Reinhardt über Kino und Jazz. In: Neues Wiener Journal, 1.4.1927, S. 7, Siegfried Geyer: 25 Jahre Max Reinhardt. In: Die Bühne (1930), H. 281, S. 18f., An Max Reinhardt [zum 60. Geburtstag]. In: Neues Wiener Journal, 8.9.1933, S. 7f.

Nachlass: Darstellung auf binghamton.edu, Teilnachlass der Wienbibliothek, Bericht auf theatermuseum.at.

Literatur

Siegfried Jacobsohn: Max Reinhardt. Berlin 1910, 51921; Ernst Stern, Heinz Herald (Hgg.): Reinhardt und seine Bühne. Bilder von der Arbeit des deutschen Theaters. Berlin 1920; Julius Bab: Das Theater der Gegenwart. Leipzig 1928; John L. Styan: Max Reinhardt. Cambridge 1982; Leonhard M. Fiedler: Max Reinhardt. Mit Selbstzeugnissen und Bilddokumenten. Reinbek 41994, Peter Roessler, Susanne Gföller (Hgg.): Erinnerung. Beiträge zum 75. Jahrestag der Eröffnung des Max Reinhardt Seminars. Wien 2005; Peter W. Marx: Max Reinhardt. Vom bürgerlichen Theater zur metropolitanen Kultur. Tübingen 2006; N. Ch. Wolf: Eine Triumphpforte österreichischer Kunst. Hugo von Hofmannsthals Gründung der Salzburger Festspiele. Salzburg 2014.

Aktuell: M. Reinhardt: Regiebuch zu H. v. Hofmannsthals „Jedermann“. Bd.1 (Faksimile), Bd. 2 (Edition u. Kommentar). Wien 2020 Dazu: W. Freitag: Die Partitur und ihr Dirigent. In: Die Presse, 31.7.2020, Spectrum, S.V.

(PHK)

Geb. 29.4. 1872 in Wien, gest. 25.9. 1935 in Wien. Maler (Ehren)Mitglied des Hagenbundes.

Materialien und Quellen:

Eintrag bei Kunsthandel Widder (Werkbiographie mit Abbildungen)

A. Markowitz: Wiederbesinnung auf die Quellen der Kunst (Zur Frühjahrsausstellung des Hagenbunds). In: AZ, 22.4.1923, S. 13;

(in preparation)

Geb. 15.12.1878 in Lemberg (Österreich-Ungarn; Lwow, heute Lwiw, UKR), gest. 9. 11. 1931 in Wien. Jurist, Reichsratsabgeordneter, Vorsitzender des Jüdischen Nationalrates für Galizien 1918, Mitglied des poln. Abgeordnetenhauses Sejm 1922-1927, Redakteur, Zeitschriftenherausgeber.

(in Vorbereitung)

Geb. 1.2. 1903 in Zell am See/ Salzburg, gest. 10.1. 1972 in St. Georgen bei Salzburg. Schriftsteller, Maler und Bienenzüchter.

Rendl, Sohn eines Bahnbeamten und Bienenzüchters, arbeitete zunächst in der Bienenfarm seines Vaters, war nach deren Ende in den 1930er Jahren jedoch gezwungen, verschiedene schwere Arbeiten (Gleisbau, Bergbau, Ziegelfabrik) zu übernehmen, um sich durchzuschlagen. In diese Zeit fällt die Bekanntschaft mit Jakob Haringer und der Beginn seiner literarischen Arbeit mit dem sozialkritischen Roman Vor den Fenstern (1932) sowie Arbeiter der Faust. Erzählungen (Leipzig: Insel 1933). Unmittelbar danach fing er an Laien- und Evangelienspiele zu verfassen und avancierte zu einem der bekannteren Vertreter der katholischen Literatur des Ständestaates.

Materialien und Quellen:

Eintrag in Salzburgwiki;

Verlagsprospekt (O. Müller) der Autobiographie: Haus In Gottes Hand. G. Rendl-Symposium 2003: Programm;

(PHK, in preparation)

Geb. 14.12.1870 in Untertannowitz/Mähren (k.k. Österreich-Ungarn, heute: Dolni Dunajovice, Tschech. Republik), gest. 31.12. 1950 in Wien. sozialdemokratischer Politiker und Theoretiker (Abgeordneter, Staatskanzler, Präsident des Nationalrates, Bundeskanzler), Rechtssoziologe

Materialien und Quellen:

Eigene Schriften (Auswahl):

Staat und Nation. Wien 1899; Österreichs Erneuerung. Wien 1916; Die Rechtsinstitute des Privatrechts und ihre soziale Funktion. Ein Beitrag zur Kritik des bürgerlichen Rechts. (unter Ps. Josef Karner) Tübingen 1929; Wege der Verwirklichung. Berlin 1929; An der Wende zweier Zeiten. Lebenserinnerungen von Karl Renner, Wien 1946.

Forschungsliteratur:

Anton Pelinka: Karl Renner zur Einführung. Edition SOAK, Hamburg: Junius 1989; Walter Rauscher: Karl Renner, ein österreichischer Mythos. Wien: Ueberreuter 1995; Richard Saage: Karl Renner : Zum politischen Profil eines Austromarxisten. (= Philosoph. Gespräche. H. 41). Helle Panke e. V. – Rosa-Luxemburg-Stiftung Berlin, 2016; Michael Rosecker: Karl Renner. Ein republikanisches Fundament. Wien: Karl-Renner-Institut 2020.

Eintrag auf: dasrotewien; Eintrag in ÖBL; Eintrag auf: geschichtewiki.wien; Eintrag in NDB (E. Weinzierl); Funktionen im Parlament: hier.

(PHK, in preparation)

Geb. am 27.11.1885 in Uzice (Serbien), gest. am 7.2. 1957 in New Jersey (USA). Komponist, Musikpädagoge, Exilant, Mitbegründer der IGNM.

(in Vorbereitung)