Aufstand der Matrosen der k.u.k. Kriegsmarine in Cattaro

Der Aufstand von 4.000-5.000 österreichisch-ungarischen Matrosen fand von 1. bis 3. Februar 1918 in der montenegrinischen Bucht von Kotor/Cattaro statt. Er stand unter dem Eindruck der russischen Februarrevolution sowie des von den Linksradikalen um Franz Koritschoner, Leo Rothziegel und Johannes Wertheim initiierten Jännerstreiks in Österreich, über dessen Verlauf – den raschen Abbruch – die Matrosen nur unzureichend informiert waren. In einer koordinierten Aktion ging die Revolte von der Besatzung des Flaggschiffs SMS Sankt Georg aus, auf dem die rote Flagge gehisst wurde. Die Matrosen veröffentlichten einen Forderungskatalog, der sowohl Friedensverhandlungen, Neutralität und Abrüstung wie auch persönliche Erleichterungen vorsah. Eine Abstimmung auf der SMS Sankt Georg führte am dritten Tag zur Aufgabe, Standgerichtsprozesse hatten die Hinrichtung der Rädelsführer Franz Rasch, Anton Grubar, Jerko Sisgorić und Mate Berničevič am 11. Februar 1918 zur Folge. Trotz seines Scheiterns besaß der Aufstand große Symbolkraft. Der SDAP-Abgeordnete und spätere Chefredakteur der Arbeiter-Zeitung Michael Schacherl hob in einer Parlamentsrede am 11.10.1918 hervor, die „Matrosen wollten ihren Friedenswillen zum Ausdruck bringen“ (neuerlich in AZ, 27.11.1930, S. 5).

1927/28 legten Julius Braunthal mit Tagebuchblättern und Aufzeichnungen im Arbeiterkalender 1928, Franz Swoboda mit Traurige Helden des Umsturzes in der Adria und Bruno Frei mit Die roten Matrosen von Cattaro. Reportage erste umfassende Darstellungen der Ereignisse vor. Freis Werk, das im Verlag der Wiener Volksbuchhandlung erschien, wurde als Verständnishilfe für die Vergangenheit „und Waffe für die Zukunft“ beworben. Es diente als Vorlage für das Drama Die Matrosen von Cattaro des deutschen Pazifisten, KPD- und BPRS-Mitglieds Friedrich Wolf (1888-1953). Sein Cattaro-Drama stand im Zeichen des neuen revolutionären Aufschwungs in Deutschland sowie des verstärkten öffentlichen Auftreten der Nationalsozialisten und diente der Erörterung von Fragen revolutionärer Praxis. Von der zeitgenössischen kommunistischen Literaturkritik wurde es als „Lehrstück für künftige proletarische Revolutionen“ (Alfréd Kemény in Die Linkskurve 2 (1930), 12, S. 31) aufgenommen und galt als erstes deutsches Drama des sozialistischen Realismus von künstlerischem Wert. Es präsentiert nicht nur die Haltung des durch die Offiziere verkörperten Klassengegners, sondern auch die Notwendigkeit der festen Führung zum Erreichen der eigenen Ziele und damit den Zwiespalt zwischen der Sicherung der revolutionären Macht und der Entwicklung und Anwendung demokratischer Strukturen. Wolf, der für seine Kritik am Abtreibungsgesetz im Stück Cyankali 1931 vorübergehend festgenommen wurde, schrieb nach den Februarkämpfen 1934 mit Floridsdorf ein weiteres revolutionäres Drama mit österreichischem Hintergrund (UA im Arbeitertheater Toronto 1936). Sein Cattaro-Stück wurde auf Betreiben der Sozialdemokratischen Kunststelle auf der Wiener Renaissancebühne in einer von Friedrich Oppenheimer bearbeiteten, von Maria Gutmann inszenierten Fassung mit Eduard Loibner in der Hauptrolle aufgeführt.

Nach 1945 verarbeiteten u.a. Eva Priester (Begegnung im Morgengrauen, 1955), Franz Xaver Fleischhacker (Cattaro. Roman aus den letzten Tagen der k. und k. Kriegsmarine, 1957) und Alfredo Bauer (in der Pentalogie Die Vorgänger, auf Deutsch 2012) die Thematik. Zudem veröffentlichte B. Frei 1963 nach der Öffnung des Kriegsarchivs unter dem Titel Die Matrosen von Cattaro. Eine Episode aus dem Revolutionsjahr 1918eine überarbeitete Darstellung.


Quellen und Dokumente

Prozessakten digitalisiert bei wk1.staatsarchiv.at.

Der Prozeß in Cattaro. In: Arbeiter-Zeitung, 19.10.1918, S. 4, Die Schuldigen am Weltkrieg. In: Die Rote Fahne, 6.10.1923, S. 1f., N.N.: Der Matrosenaufstand in Cattaro. In: Arbeiter-Zeitung, 31.1.1928, S. 2, Cattaro und der Jännerstreik. In: Die Rote Fahne, 1.2.1928, S. 1f., Cattaro. In: Arbeiterwille, 1.2.1928, S. 1f., Michael Schacherl: Märtyrer des Friedens. In: Arbeiter-Zeitung, 27.11.1930, S. 5.

Zu Bruno Frei: Die roten Matrosen von Cattaro. Eine Episode aus dem Revolutionsjahre 1918 von Bruno Frei. In: Arbeiterwille, 11.10.1927, S. 4, Ludwig Pribil: Die roten Matrosen von Cattaro. Erinnerungen eines Mitkämpfers. In: Die Rote Fahne, 5.2.1928, S. 7, Hermann Wendel: Der Matrosenaufstand von Cattaro. In: Volkspost, 10.3.1928, S.4f., Inserat in: Oesterreichische Buchhändler-Correspondenz, 28.10.1927, S. 4.

Zu Friedrich Wolf: Monty Jacobs: Die roten Matrosen von Cattaro. Volksbühne. In: Vossische Zeitung, 10.11.1930, S. 2, Kunst und politische Verhetzung. Krach während der Aufführung eines Umsturzstückes in Berlin. In: Linzer Tages-Post, 11.11.1930, S. 8, Dur. (d.i. Alfréd Kemény): „Die roten Matrosen von Cattaro“. In: Die Linkskurve 2 (1930), 12, S. 30, Der.: Eine Woche politisches Theater. In: Die Rote Fahne [Berlin], 19.11.1930, S. 13, Schiller Marmorek: „Die roten Matrosen von Cattaro.“ Veranstaltung der Sozialdemokratischen Kunststelle in der Renaissance-Bühne. In: Das Kleine Blatt, 4.12.1930, S. 9, Otto Koenig: „Die Matrosen von Kattaro“. In: Arbeiter-Zeitung, 4.12.1930, S. 6, Edwin Rollett: Renaissancebühne. „Die roten Matrosen von Cattaro“. In: Wiener Zeitung, 5.12.1930, S. 5f., Friedrich Wolf. Die roten Matrosen von Cattaro. In: Die Rote Fahne, 25.12.1930, S. 8, Alfred Alpsler: Friedrich Wolf: Die roten Matrosen von Cattaro. In: Bücherschau. Beilage zur Bildungsarbeit XVIII (1931), S. 59, Die roten Matrosen von Cattaro. Sonderaufführung für IFA im Stuttgarter Schauspielhaus. In: Die Linkskurve 3 (1931), 4, S. 32.

Literatur

Bruno Frei: Neue Forschungen über die Matrosen von Cattaro. In: Weg und Ziel 20 (1962), H. 3, 522f, Simon Loidl: “Zweianhalb Tage waren wir frei.” Zur literarischen und politischen Rezeption des Matrosenaufstands von Cattaro in Österreich. in: JahrBuch für Forschungen zur Geschichte der Arbeiterbewegung (2014), H. 3, 131-152, ders.: Gehorsamsverweigerung – der Matrosenaufstand von Cattaro. In: Mitteilungen der Alfred-Klahr-Gesellschaft 21 (2014), H. 3, 1-5, Sascha Kiefer: „Mehr als erlebt“ – Flottenkrieg und Matrosenrevolte bei Theodor Plivier, Ernst Toller und Friedrich Wolf. In: Sabine Kyora, Stefan Neuhaus (Hg.): Realistisches Schreiben in der Weimarer Republik, 181-192 (2006), Richard G. Plaschka: Avantgarde des Widerstands. Modellfälle militärischer Auflehnung im 19. und 20. Jahrhundert. Bd. 1, 246-256 (2000), Gudrun Klatt: Wolf, Friedrich. In: Simone Barck (Hg.): Lexikon sozialistischer Literatur. Ihre Geschichte in Deutschland bis 1945, 530-533 (1994), Lawrence Sondhaus: Austro-Hungarian Naval Mutinies of World War I. In: Jane Hathaway (Ed.): Rebellion – Repression – Reinvention. Mutiny in Comparative Perspective, 195-212 (2001).

(ME)