Martina Wied: Reportage (1929)

Das ist nun der letzte Schrei der literari­schen Modenwelt, Anwendung des Begriffes „neue Sachlichkeit“ auf das Gebiet des Schrifttums, sprachlicher Bauhausstil mit der Nebenlösung, alle geistige Existenz in die Unwohnlichkeit eines Wartesaals zu verbannen, sie ambulant zu machen, unstät, zum Aufbruch bereit, in eine Vorläufigkeit geschoben, die Rückblick nicht verstattet und Behagen an der Gegenwart nicht aufkommen läßt; — ja, es manifestiert sich darin recht eigentlich ein heroischer Entschluß zur Un­behaglichkeit, ahasverischer Zwang zum Wan­dern, weil der wegmüden Kunst die Ruhestätte verwehrt wurde.

Dieser Wille zur Reportage entspricht, wie alles Heutige, einer Negation. Es steckt Auflehnung dahinter gegen jegliche Art von Im­pressionismus und Expressionismus, gegen alle stilisierende Vergewaltigung des Seienden,— die Willkür von Dada und Surrealisme mit ein­geschlossen; — Respekt vor der Realität lebt darin und der demütige Wunsch, sie, die alle künstliche Schöpfung an Großartigkeit, Wandel­barkeit übertrifft, unverändert festzuhalten.

Das Schriftentum der nächsten Epoche wird sich also, nach diesem Programm, die Leistungen des photographischen Apparates und des Mikrophons zum Beispiel nehmen und sich ihnen anzugleichen versuchen. Ein höchstes Maß von Entpersönlichung, ein Ausschalten des Berichten­ den zugunsten des von ihm Geschauten und Be­obachteten, das Streben des Reporters, seinen Blick ungetrübte Klarheit einer Linse — die nicht zufällig auch „Objektiv“ heißt — seiner Hand unbeirrbare Sicherheit eines Registrier­apparates zu geben, ist hier Voraussetzung. Wir wissen nun aber recht genau, daß für das Zu­standekommen einer guten Photographie oder einer vollkommen klaren phonetischen Übertragung außer Lichtstärke der Linse und Empfäng­lichkeit der Membran noch einige andere Mo­mente in Betracht kommen: die Einstel­lung beispielsweise und, vielleicht auch ein klein wenig, der künstlerische Geschmack der Person, die den Bildausschnitt mit technischen Mitteln abgrenzt; der Wohlklang und die Tragkraft der Stimme, die vor dem Mikrophon spricht oder singt. Die ange­strebte vollkommene Entseelung und Entpersönlichung läßt sich also nicht einmal in Bezug auf technische Hervorbringungen, nicht einmal in Hinsicht auf die Leistungsfähigkeit einer Ma­schine, die Geschwindigkeit eines Aeroplans, ganz durchsetzen; es bleibt ein Erdenrest von Indi­vidualität zu tragen peinlich, auch die Reportage wird sich mit ihm einrichten müssen, sie kann sich nicht auf die Plattform aus Asbest zurückziehen, um allen menschlichen Gebrechen entrückt zu sein.

Nehmen wir nun einmal irgend ein Ereig­nis unter das Objektiv des Reporterauges: Bei­spielsweise den Brand einer Fabrik. Es bestehen da zwei Formen der sprachtechnischen Aufnahme— entweder die Möglichkeit, das Ereignis auf sein Typisches, immer Wiederkehren­des, auf sein Skelett zu reduzieren: dann genügt eine sachliche Feststellung, die alle anderen erübrigt (wie unter dem Fascio das Regierungs­organ alle anderen Journale überflüssig macht), oder, als zweite Möglichkeit, das Einmalige, nie Wiederkehrende des Ereignisses festzuhalten; das ergäbe nun, bei sechs verschiedenen Bericht­erstattern, sechs gänzlich verschiedene Berichte, die vielleicht daran zweifeln lassen könnten, ob es sich jedesmal um das gleiche Ereignis handelt? Je scharfsichtiger nämlich, je eindrucksfähiger, je wachsamer der Reporter ist, um so weniger wird, was er sieht, dem von Andern Gesehenen gleichen! Und dabei handelt es sich hier um ein Elementar­ereignis, dem nichts  unterschoben, das durch keine politische, religiöse, philosophische Überzeugung des Betrachtenden in seiner Erscheinung und Auswirkung verändert und verfälscht werden kann — wohl aber durch ein paar ganz primitive Tatsachen: ob der Betrachtende gut geschlafen, ausreichend gefrühstückt hat, ob er nicht durch den Rauch der Brandstätte in seiner physischen, nicht durch private Erlebnisse in seiner geistigen Seh­kraft beeinträchtigt war — weil, all seinen An­strengungen zum Trotz der Reporter doch immer — wenn diese Neubildung gestattet sein möchte — durch ein Subjektiv blickt!

Der geneigte Leser, der ja weit voraussehen­der ist, als die Mehrzahl der Schreibenden es je wort [Orig!] haben möchte, wird längst erkannt haben, wo hinaus ich mit alledem will: daß es mir darum geht, begreiflich zu machen, es gäbe kein romantischeres, kein Don Quichote-ähnlicheres, kein tollkühnerer Unterfangen, als die Bemühung um eine sachlich einwandfreie Repor­tage! Es sei, vom Herodot bis zu den No­vellen von Paul Ernst, immer Absicht des guten Auges und der sicheren Hand gewesen, Wirk­lichkeit wiederzugeben, so genau, so leidenschaftslos, so unpersönlich, wie es gerade die große Persönlichkeit in ihrer Schöpferhaftigkeit sich am ehesten vornehmen darf. So betrachtet sind ja die Werke der italienischen No­vellisten, der Robinson Crusoe, der Grimmelshausensche Simplicius, sind die Unterhaltungen deutscher Ausgewanderter, Stendhals No­vellen, Manzonis Promessi sposi, der Michael Kohlhaas und das Erdbeben in Chile, Madame Bovary, das Gesamtwert Marcel Prousts — Reportage; die Reihe gestattet viele Ergänzun­gen, ja, alle Dichtung entstammt vielleicht nur dem verzweifelten Bemühen um vollkommene Wiedergabe des Wirklichen, also um vollkom­mene Reportage; eine Bestrebung, die schließ­lich doch illusorisch bleibt durch die unüberwind­liche Eigenkraft des Individuums, die un­gebrochene Lichtstärke des „Subjektivs“.

Wir brauchen uns also nicht allzusehr vor dem literarischen Bauhausstil zu graulen. Reportage hat ihr Gutes, sie ist Wille zur Säuberung des geistigen Haushalts von Staubfängern, Brokatbehängen und aus Stilblüten ge­bundenen Makartbuketts. Wille zur sprachlichen Nüchternheit, zur Ehrlichkeit, Genauigkeit, Treue gegen das Wirkliche — das ist eine adelige Absicht, der gerade der revolutionäre geistige Mensch seine Anerkennung nicht versagen wird.

Nun kann aber freilich irgend einer von den jungen Leuten kommen, die das Wort Reportage in Kurs gesetzt haben und mir erklären, ich hätte seinen Sinn und seine zeitgemäße Bedeutung völlig mißverstanden: Reportage sei nichts an­deres, als was die „New- York Sun“ oder die „Chicago Tribune“ ihren Lesern vorzusetzen für gut befinden! Das soll mir auch recht sein, denn in diesem Fall brauche ich mich an keiner Apologie des neuen Schlagwortes mehr zu versuchen und darf, wenn ich mich durchaus am amerikanischen Muster bilden soll, wieder ein­mal Edgar Allan PoesPhanta­stische Geschichten“ lesen: die zuverlässigste Reportage über das unzuverlässige Wesen des Genies.

In: Wiener Allgemeine Zeitung, 22.10.1929, S. 6.

Berta Zuckerkandl: Eine Bittfahrt um Brot (1923)

Am 12. November 1918 präsentierte die Weltgeschichte den Habsburgern ihre Rechnung. Die Kosten mußte aber auch das alleingebliebene deutschösterreichische Volk zahlen. Als die sozial­demokratische Regierung die laufenden Geschäfte übernahm, fand sie eine Situation vor, die an Elend, Verzweiflung, Hoffnungs­losigkeit kaum ihresgleichen in den Annalen zugrundegerichteter Länder finden dürfte. Stand bereits im Sommer der Hunger grinsend neben seinem damals geschäftigsten Freund, dem Tod, so trat durch den Umstand, daß die Auflösung der Monarchie mit einem Schlag Kornkammern und Kohlenschächte jenseits der neuen Grenzen ließ, eine absolute Absperrung jeder Zufuhrmöglichkeit ein. Wien besonders glich einer von einem zornigen Weltmeer umbrandeten verlassenen Insel. Und der Leiter des Auswärtigen Amtes, Dr. Otto Bauer, mußte tatsächlich als moderner Robinson die Aufgabe zu lösen versuchen, diese verwüstete Insel lebensfähig zu machen.

So trat gleich in den ersten acht Tagen der deutschösterreichischen Republik als brennendes Problem das Problem der Verproviantierung hervor. Damit war aber auch die Aufrollung der neu zu schaffenden internationalen Anlehnung gegeben. Daß diese vor allem in — Entlehnungen bestehen mußte, war die bittere Erkenntnis, aus der die deutschösterreichische Regierung bestimmende Entschlüsse zog. Der Weg über die Schweiz, von der Schweiz, durch die Schweiz allein stand offen. Aber auch dieser konnte dem sterbenden Österreich nur Nahrung zuführen, wenn das uns ethnographisch ferne Amerika, wenn das uns menschlich noch fernere Europa die Schweiz zum Transitlager einer organisierten Welthilfe erwählen würden.

Daß nun die ersten Rufe nach einer solchen Organisation nach Paris dringen, wo seit dem Endsieg der Entente die Versailler Diktatur an dem neuen Modell „Europa“ stümperte, dazu war es vor allem notwendig, sich den entscheidenden Fürsprecher zu sichern, der eben erwählt worden war, das niedergebrochene Europa durch neue Ernährungsquellen zu speisen. Hoover mußten von Österreichs Lage authentische Daten mitgeteilt und Wege gefunden werden. Aber! Wo diesen Unauffindbaren erreichen? Niemand, selbst in den neutralen Ländern wußte, wo er gerade weilte. Da aber Bern, mehr noch als während des Krieges unmittelbar nach dem Krieg der Brennpunkt aller internationalen Annäherungen geworden war und sozusagen diplomatisch als der Vorhof zum Versailler Allerheiligsten gelten konnte, so beschloß die deutschösterreichische Regierung: erstens eine neue, die eben gegründete Republik vertretende Gesandtschaft für die Schweiz zu ernennen und zweitens eine vollständig unabhängige Kommission für die einzuleitende Ernährungsaktion nach Bern zu entsenden. Als Leiter dieser Kommission wurde Baron Leopold Hennet (der nachmalige Ackerbauminister und provisorische Leiter des Staatsamtes für Äußeres) ausersehen. Hennet hatte neun Jahre hindurch in Bern die wirtschaftlichen Interessen der Monarchie in mustergültiger Weise vertreten, war in der Schweiz Persona gratissima und verfügte auch sonst über weitreichende Verbindungen. Ihm wurde ein Stab von industriellen Finanziers und Fachmännern beigegeben. Auch der ausgezeichnete Organisator Dr. Schwarz-Hiller und der in England und Amerika so populäre Slatin-Pascha, ein Freund Hoovers, waren Mitglieder der Kommission. Zu meinem Erstaunen erhielt auch ich vom Staatsamte des Äußern die Anfrage, ob ich geneigt wäre, in einer sowohl von der neuen Gesandtschaft als auch von der Kommission vollkommen unabhängigen Mission die Mitreise nach Bern anzutreten. Ich hatte diesbezüglich am 22. November im Staatsamt des Aeußern eine Unterredung mit Dr. Otto Bauer.

Was von mir verlangt wurde, war: die Lebensmittelfrage und die Kohlenfrage als Menschlichkeitsfrage vor allen jenen Faktoren ins Gewissen zu senken, die — wie man am Ballplatz zu wissen glaubte — sich vorläufig absolut jeder Hilfsaktion für Deutschösterreich verschließen wollten. Dr. Otto Bauer sagte mir: „Was von Frankreich zu erbitten ist, wäre dies: Es soll keinen Einspruch erheben gegen Amerika, das uns rasch helfen will. Im Dezember jedoch kommt diese Hilfe vielleicht schon zu spät. Das beste Volk der Welt ist auf das äußerste erschöpft — es hält es nicht mehr aus. Der Bürgerkrieg ist unaufhaltsam, wenn nicht rasch, wenn nicht von der Entente vereint, Hilfe kommt. Frankreich nun hat in Österreich große wirtschaftliche Interessen. Hat hier sehr bedeutendes Kapital. Es kann deshalb schon unmöglich im Interesse Frankreichs liegen, einen chaotischen Zustand bei uns herbeizuführen. Dieser aber muß unabwendbar kommen, wenn die Entente noch vor allem Menschlichkeit übt und das deutschösterreichische Volk von Verzweiflung erlöst.“

Welche Frau hätte in diesem Augenblick sich einer solchen Aufgabe entzogen? Ich unterschätze wohl keinen Augenblick die Schwierigkeiten, die gerade ich zu überwinden haben würde. Denn: wer Georges Clemenceau, den damals Allmächtigen, genau kannte, der mußte wissen, daß gerade ein verwandtschaftliches Verhältnis das größte Hindernis zu irgendeiner zu erlangenden Begünstigung bilden mußte. Lieber würde er als grausam gelten wollen, denn als parteiisch. Nicht also durch Georges Clemenceau die französische Hilfe unserem Lande zu sichern, sondern trotz Clemenceau sie in die Wege zu leiten – war der Versuch, den ich zu wagen unternahm.

Unsere Fahrt, ins Graue — die Abreise des neuernannten  Gesandten Dr. Haupt und aller Mitglieder der Gesandtschaft sowie der unter Führung des Baron Hennet stehenden Ernährungskommission, welcher ich mich anschloß, fand an einem düsteren Morgen des 26. November 1918 statt. Ein Schlafwagen war für uns dem einzigen nach Feldkirch verkehrenden Bummelzug angehängt worden. Unbeschreibliche Szenen spielten sich auf dem Bahnhof ab, da der Zug von Tausenden Personen bestürmt wurde. Erst bis der Gesandte Haupt in einer Anrede den Zweck unserer Reise erklärte und erzählte, welche traurige und lange Bittfahrt um Brot alle in diesem Schlafwagen Reisenden anzutreten im Begriffe seien, trat ein Umschwung ein. Zwei Tage und zwei Nächte dauerte die Reise. Sie verging mit Pläneschmieden. In Bern angelangt, fanden wir jedoch eine Situation vor, die niemand als so ernst vorausgesehen hatte.

Der neuen Gesandtschaft verweigerte vorerst die Schweizer Regierung  das Agreement. Was soviel hieß: daß eine nicht an-//erkannte Gesandtschaft an keiner offiziellen Stelle des Landes sowie auch des Auslandes Zutritt erhielt. Was aber das Schicksal unserer Ernährungskommission betraf, so schien es sich noch düsterer zu gestalten. Der Plan, den Baron Hennet mit Unterstützung seiner Mitarbeiter ins Auge gefaßt hatte, war folgender: Durch Hoovers Vermittlung sollte die Entente eine interalliierte Kommission nach Bern entsenden, die die Informationen, Daten, Vorschläge unserer Delegierten entgegenzunehmen hätte, um dann auf Grund eines solchen von Fachmännern ausgearbeiteten Materials wieder an Hoover Bericht zu erstatten. Drei Punkte waren von unserer Kommission als Verhandlungsbasis festgelegt worden: 1. Lebensmittelvorschüsse der Entente. 2. Selbstlieferungskonsens von der Entente an die Schweiz zu erteilen. 3. Zuschübe der Lebensmittelvorschüsse nach Wien, ohne daß Österreich dafür sofort Geld zu erlegen hätte.

Wir aber fanden hermetisch verschlossene Türen.

(Ein zweiter Artikel folgt.)

In: Neues Wiener Journal, 17.2.1923, S. 4-5.

Karl Tschuppik: Goethe, ein Zwischenfall ohne Folgen (1932)

Es wird heute und morgen nicht an tausenden Versuchen fehlen, die sich darum bemühen, das Bild Goethes zu dem Bilde der deutschen Gegenwart in eine praktisch-politische Be­ziehung zu setzen. So grob dies Beginnen scheinen und jeden zarteren ästhetischen Sinn verletzen mag, so darf es doch fordern, ver­standen und als Zeichen einer allgemeinen Not und vielleicht auch Scham erkannt zu werden. Wie anders könnte sich auch die um­fassendere Anteilnahme an dem Gedenken ausdrücken, als durch ein Verlangen, welches in die Frage mündet, ob es eine Berührung mit dem Geiste Goethes gibt und wie weit sie reicht?

Als vor dreiundachtzig Jahren die hundertste Wiederkehr des Geburtstages Goethes den deutschen Kalender schmückte, ging dieses Datum an der Nation fast spurlos vorüber; es versank in der Grabesstille der Gegenrevolution, die eben mit dem Versuche der Europäisierung des deutschen Bodens er­barmungslos aufgeräumt hatte. Der hundertundfünfzigste Geburtstag fiel in eines der üppigen Jahre des wilhelminischen Zeitalters. Es war ein Fest der Würden, bei dem der Optimismus der neudeutschen Reichsherrlichkeit Goethes Büste bekränzte. Es war eine Huldigung vor der deutschen Bibliothek, der man den Gruß nicht verweigerte, die aber als Requisit aus Kindheitstagen in dem Glanz der Gegenwart entbehrlich schien. Die angstvolle Ahnung, daß der Mißbrauch des Erfolges nach 1871 die Absage an den deutschen Geist zur Folge haben werde, hatte sich erfüllt. Dem Gebildeten genügte es, Goethe als Besitz zu empfinden; er suchte das Kleine und Alltägliche aus dessen Leben, um seiner eigenen Kleinheit und Alltäglichkeit eine Weihe zu geben, er verniedlichte ihn und paßte ihn dem eigenen Behagen an, womit er meinte, den Sinn der Goetheschen Har­monie gefunden zu haben.

Es wäre nicht das schlechteste an dieser Zeit, wenn Goethes Todestag den Anreiz dazu gäbe, die Frage nach seiner Geltung in der deutschen Gegenwart ohne Selbstbelügung zu beantworten. Jede solche Betrachtung // wird von einem Gedanken ausgehen müssen, den am besten Nietzsche in Worte gefaßt hat, als er den Begriff „deutscher Klassiker“ auf dessen Lebendigkeit prüfte. Ihm schien es, daß die deutsche literarische Begabung nur dreißig Jahre tot zu sein und als erlaubte Beute öffentlich dazuliegen brauche, um unversehens plötzlich als Klassiker die Trompete der Auferstehung zu hören. Er sah in dieser Totenverklärung das eigentliche Begräbnis, gestand aber den Deutschen zu, daß sie, ohne sich dessen schämen zu müssen, von den sechs großen Stammvätern ihrer Literatur fünf als veraltet ansehen dürfen: Klopstock, der schon bei Lebzeiten auf ehrwürdige Weise ver­altete; Herder, der das Unglück hatte, daß seine Schriften immer entweder neu oder veraltet waren; Wieland, der als kluger Kopf dem Schwinden seiner Geltung durch den Tod zuvorkam; Lessing, der vielleicht noch unter jungen und immer jüngeren Gelehrten lebt; und Schiller, der aus den Händen der Jünglinge in die der Knaben geraten ist. Nietzsche schreibt es gewissen Tugenden zu und er hat darin vor den philologischen Schönfärbereien recht! —, daß diese Fünf in der Gunst zurückgedrängt worden sind: das bessere Wissen und die größere Achtung vor dem Wirklichen, also Tugenden, welche gerade durch diese Fünf erst wieder in Deutschland angepflanzt wurden, haben auch zu deren Vergessen beigetragen; sie stehen als hoher Wald über den Gräbern der Fünf und breiten neben dem Schatten der Ehrfurcht auch etwas vom Schatten der Vergessenheit darüber.

Nur von Goethe sieht er ab, nur ihn nimmt Nietzsche aus; Goethe gehöre, so sagt er, in eine höhere Gattung von Literaturen, als „National-Literaturen“ sind: deshalb steht er auch zu seiner Nation weder im Verhältnis des Lebens, noch des Neuseins, noch des Veraltens. Nur für wenige hat er gelebt und lebt er noch: für die meisten ist er nichts, als eine Fanfare der Eitelkeit, die man von Zeit zu Zeit über die deutsche Grenze hinüber bläst. Goethe ist, so faßt Nietzsche sein Urteil zusammen, in der Geschichte der Deutschen ein Zwischenfall ohne Folgen.

Das ist die Wahrheit, die kein Ännäherungsbedürfnis zu trüben vermag. Wer wäre auch imstande, in der deutschen Politik der letzten hundert Jahre ein Stück Goethe aufzuzeigen; wem gelänge es, in der Gestaltung des deut­schen Lebens dieser Zeit einen Hauch Goetheschen Geistes aufzuspüren? Bei solchem Be­mühen wird jede Kunst, jede Deutung ver­sagen. Es genügt, sich das Bild der deutschen Geschichte vor Augen zu halten, um zu ver­stehen, daß Goethes Haus abseits von jenem Wege stand, den sein Volk zu gehen gezwun­gen war. Als der junge Goethe in seiner Hei­matstadt das altfränkische Schaugepräge der Kaiserkrönung schaute, war die Herrlichkeit des alten Reichs eine farbenreiche Täuschung, hinter der sich die nackte Tatsache verbarg, daß die Deutschen seit dem Westfälischen Frieden aus dem Wettkampf der großen Mächte aus­geschieden waren. Noch immer empfing der kaiserliche Oberlehnsherr die Huldigung seiner knienden Untertanen und übte die Gerichts­barkeit durch seinen Reichshofrat; noch immer schwenkte der Herold bei der Krönung das Kaiserschwert nach allen vier Winden, als ge­horche die Christenheit dem Befehl des Doppel­adlers; noch sprach das Reichsrecht mit feier­lichem Ernst von den Lehen des Reichs, die auf den Felsterrassen von Genua und in Toscana lagen. Die ganze zeremonielle Herr­lichkeit des deutschen Kaisertums war aber, wie es Treitschke sagt, ein Mummenschanz, ebenso lächerlich, wie das Schwert Karls des Großen, das den böhmischen Löwen auf der Klinge trug. Es gab keinen deutschen Staat, es gab keine deutsche Nation. Das Reich be­stand aus einer Unzahl souveräner Landes­obrigkeiten, Königen, Fürsten, Reichsrittern, Grafen, Bischöfen und kleinen Stadtrepubliken, aus einem Chaos von Widersprüchen, in welchem jede Institution des Reichs ihren Sinn, jedes Recht seine Sicherheit verloren hatten. Außerhalb des Reichs, auf dem Bo­den eroberten Slawenlands, wuchs die neue Macht Brandenburg-Hohenzollern.

Es gibt eine borussische Literatur-Legende, die sich auf eine beiläufige Bemerkung Goethes beruft, wonach die deutsche Dichtung ihren ersten und wesentlichen Auftrieb von Friedrich dem Großen und den Schlachten des Sieben­jährigen Krieges empfangen habe. Es ist müßig, darüber zu streiten, wie Goethe jene berühmt gewordene Stelle gemeint hat. Da Friedrich die deutsche Literatur verachtet und auch Goethe nicht mit abfälligem Urteil verschont hat, bleibt nur die Deutung, daß diese königliche Verachtung sich als ein förderndes Element erwiesen habe. Daran ändert auch Lessings Minna nichts, und gerade die geborenen Preußen, Klopstock, Herder und Winckelmann, suchten je eher, je lieber den Staub der Heimat von sich zu schütteln; Klopstock floh nach Dänemark, Herder nach Rußland, Winckelmann rettete sich nach Sachsen und von dort nach Rom. Nur die Unkenntnis der deutschen Geschichte und die spätere Glori­fizierung Friedrichs haben den Glauben er­zeugt, daß dieses eigenartigen Mannes Taten der Auftakt gewesen seien zu einem sinnvollen Lauf der Preußischen Historie, der in die Siege von 1866 und 1870, endlich in die Grün­dung des Hohenzollernschen Kaiserreiches mün­dete. In Wahrheit war die Schöpfung Fried­richs II. von kurzer Dauer; sie verfiel nach einem Tode und zerbrach völlig auf dem Schlachtfelde von Jena und Auerstädt. Das andere Preußische Heer, das vom Geiste Scharnhorsts und Gneisenaus belebt, vom Mißtrauen des Königs begleitet, später dazu beiträgt, die Macht Frankreichs zu beugen, hat mit der Schöpfung Friedrichs allenfalls die alten Märsche gemein, sonst aber nichts.

Nach der Französischen Revolution bis zu den Befreiungskriegen schreitet eine Gestalt durch die deutsche Welt, die Goethes Blick ganz anders angezogen hat, als Friedrich II.: Napoleon. Goethes Verehrung für Napo­leon, nicht erst vom Tage der Begegnung in Erfurt an, ist eine so unumstößliche, durch Aufzeichnungen und Gespräche belegte Bestimmtheit, daß es vor ihr nur eine Ent­scheidung gibt: sie zu begreifen und zu be­jahen, oder sich entrüstet abzuwenden. Und hier scheiden sich denn auch die Geister. Nicht zwar, als ob auf der einen Seite der Patrio­tismus und seine Geschichtschreibung, auf der andern der dem Westen zugewandte Radika­lismus stünden: hier finden sich Ludwig Börne und der Turnvater Jahn, Humboldt und Ernst Moritz Arndt, Mundt und Menzel auf einer Linie. Hätte Goethe an Napoleon „den größten Verstand gelobt, „denn je die Welt gesehen“, oder ihn „einen der produktivsten Menschen“ genannt, „die je gelebt haben“, es wäre ihm verziehen worden: auch die unpazifistische Gesinnung in dem Gedicht Politika, in dem Gott die Verlesung der Sünden Napo­leons mit den Worten abschneidet:

„Wiederhol’s nicht vor göttlichen Ohren!
Du sprichst wie die deutschen Professoren.
Wir wissen alles, mach‘ es kurz!
Am Jüngsten Tag ist’s nur ein …“

Es war nicht dies und war nicht Goethes Abkehr vor der patriotischen Erhitzung, was Humboldt zu dem Tadel verleitete, „Egois­mus. Kleinmut und zum großen Teil Menschenverachtung“ trügen zu „Goethes Gleich­gültigkeit für alles Deutsche bei“. Goethe trennte von seinem Volke der unbeirrbare Blick in die Wirklichkeit der deutschen Welt. Er sah an Napoleon den „do­minierenden Genius“ und die „Tyrannis wirklicher Kulturforderungen“ bei seinem Volke ein heroisches Bemühen, ohne die Aussicht auf ein wirkliches Ziel. Es ist trotz der eifrigen Pflege und der ansehnlichen Entfal­tung des „historischen Sinns“ bis heute noch nicht geglückt, ein nur halbwegs wahres Bild der deutschen Befreiungskämpfe zu erhalten, ihrer treibenden Kräfte, dem klaren und dem unklaren Wollen, das aus dem Prügelsoldaten von 1806 den freiwillig kämpfenden Land­wehrmann von 1813 gemacht hatte. Es war eine deutsche Revolution. Verwunderlich in ihrem Widerstreit rumorender Gedanken und Gefühle, rührend in der Einfalt und Ver­trauensseligkeit des deutschen Menschen, trostlos am Ende bei dem Betrug, der an den Kämpfern begangen wurde: „die größte Zech­prellerei der Geschichte“. Wie die Reform des preußischen Staates auf halbem Wege steckengeblieben war, so blieb der König alle Ver­sprechungen schuldig, die er in dem Aufruf von Kalisch feierlich gegeben hatte. Goethe war während dieser Zeit in die Geschichte des chinesischen Reiches vertieft.

Ist es ersprießlich weiter zu denken und danach zu fragen, was Goethe hundert Jahre später gesagt, was er getan hätte? Die Ver­ächter der Wirklichkeit haben der deutschen Katastrophe ihre Deutung gegeben. Sie prei­sen die Verschwommenheit des Denkens als heilige „Anti-Ratio“; das höchste Gut, die Vernunft, mißachtend, folgen sie, scheuen Pfer­den gleich, ihrem dunklen Drang. Sie nennen’s „faustisch“. Nicht wissend, daß Goethe diesen Typus noch in der subtilsten Ausgabe gehaßt, und wie die Pest gemieden hat.

Goethes Auge sucht noch immer die Aufhellung Deutschlands.

In: Der Tag, 19.3.1932, S. 1-2.

G.[isela] U.[rban]: Die Erziehung der Frau zur Politik. Ein Nachklang zu den Wahlen. (1919)

Der große Tag ist vorüber, die Würfel sind ge­fallen. Im Flügelschlage eines geschichtlichen Geschehens, dessen Schoß das Zukunftsschicksal der Heimat birgt, haben unsere Frauen zum erstenmale die Feierlichkeit einer Stunde erlebt, in der das Einssein mit dem Ganzen das innerste Wesen eines jeden mit der Ge­meinschaft Fühlenden durchdringen muß. Zum erstenmale haben unsere Frauen den Puls des öffentlichen Lebens unmittelbar beeinflußt, zum erstenmale haben sie — zumeist mit ernster und bewußter Freudigkeit — die Wagschalen für die Verteilung der politischen und gesetzlichen Macht im Staate mit ihren im vollen bürgerlichen Worte erklingenden Stimme erfüllt. Die Ouvertüre zur gewaltigen Sinfonie des neuen staat­lichen Werdens ist verrauscht. Bald müssen die ersten Töne des sehnsüchtig erwarteten Werkes uns umfangen. Werden sie unsere Seelen erheben und stärken oder werden sie uns die Gegenwartslasten des Lebens noch drückender empfinden lassen…

Viele Frauen, die im Fieber der letzten Zeit aus der Gleichgültigkeit, die sie den politischen Angelegenheiten bisher entgegenbrachten, aufgescheucht wurden, glauben, daß sie mit dem Gange ins Wahllokal ihrer staatsbürgerlichen Pflicht Genüge getan haben. In diesen stürmischen Wochen, da alles zum Entscheidungskampfe rüstete und drängte, wurde ihnen die Pflicht des Wählens so eindringlich gepredigt, daß sich in ihnen die Meinung bilden mußte, der Wahlakt bedeute das Um und Auf ihrer politischen Betätigung. Nun, da die Erregung der letzten Tage so stark in uns nachzittert, daß wir das Gleichmaß des Alltagslebens noch nicht wiederfinden konnten, da die Frauen noch unter dem Eindrucke der leidenschaftlichen Werbe- und Weck­arbeit stehen, muß die volle Kraft und die unermüdliche Arbeit der Führenden mit der geistigen Schulung der Frau zur Politik beginnen. In der bildnerischen Schnellpresse der Wahlpropaganda wurde den vorher politisch ungeschulten Frauen das Wissen von der Politik nur im Lichte der Parteianschauungen und Parteiziele vermittelt. Ist es nun, da die praktische Arbeit der neuen Nationalversammlung Form und Inhalt der künftigen Staatspolitik bald erkennbar machen muß, nicht an der Zeit, die Allgemeinheit der Frauen mit dem wahren Wesen der Politik, mit ihrer konkreten Bedeutung für den Aufschwung und Nieder­gang, für Stärke und Schwäche des Staates, für Glück und Unglück der Gesamtheit und des Einzelnen im Staate vertraut zu machen, sie durch eine systematische Erziehung dazu zu führen, daß sie die Gedanken und Taten staats- und weltbewegender Politik in ihrem Inbegriff erfassen?

Wie sehr die Erziehung der Frau zum All­gemeinverständnis der Politik notwendig ist, dafür spricht das folgende kleine Erlebnis. Eine junge Frau mit der sogenannten Bildung der „höheren“ Töchter, also ohne jede Ahnung von den gestaltenden Mächten und den Ausstrahlungen der Politik, besuchte eine der vielen Wählerinnenversammlungen, weil die Referentin ihr persönlich nahestand. Nachhausegekommen erklärte die Frau ihrem Gatten: „Nun bin ich politisch ge­bildet. Ich habe das gehört, was wir Frauen wissen sollen, mehr interessiert mich nicht.“ Ist das nicht ein typisches Schulbeispiel für die oberflächliche Betrachtung des politischen Bildungsganges, für die Verkennung des politischen Wissens seitens der Frauen?

Wenn in einer Wählerversammlung die Forderungen des Augenblicks parteipolitisch gestreift werden, wenn Schlagworte durch die Luft schwirren und die Gemüter gefangen nehmen, dann meinen die Zuhörerinnen — und auch die Zuhörer — daß sie politische Hochschulweisheit aufnehmen, daß sie ihre politische Bildung vollenden. In ihrer ausflammenden Geistesbereitschaft nehmen sie sich zumeist gar nicht die Mühe, an ihre Lebensverhältnisse zu denken, ihrer persönlichen Lebens­auffassung, den Grundelementen und Neigungen des eigenen Wesens nachzuspüren und sich zu fragen, ob die Ergebnisse dieser Erforschung des persönlichen Seins und Werdenwollens, der eigenen Erfahrungen und Wünsche sie in den Strom der Parteipolitik drängen, die ihnen als die allein seligmachende gepriesen wurde. Wie können diese Frauen, die nicht einmal die Vorbedingung eines politischen Elementarunterrichtes zu erkennen vermögen, die Reife für die Einsicht aufbringen, daß politische Bildung nicht in einer Wähler­versammlung allein erworben werden kann? Daß dazu mehr gehört. So der feste Wille, alle Fragen der Gemeinschaft eifrig zu verfolgen, das Bemühen um ein eigenes Urteil, das Streben, aus allen gesetzgeberischen Entscheidungen und sonstigen staatlichen Entschließungen die Rückwirkung auf das eigene Ich und aus die Lebens­lage Anderer empfinden und formulieren zu können, und schließlich die Erkenntnis, daß in dem Ringen um politisches Verstehen das eigene Ich sich als Teil des großen Ganzen den zentralen Ideen des allgemein­menschlichen, wirtschaftlichen, sittlichen und gesellschaft­lichen Fortschrittes unterordnen muß.

Der überwiegende Teil der Frauen muß Politik erst begreifen lernen. Wie kann dies geschehen? Selbst­verständlich werden alle berufenen Organisationen durch Vorträge und Kurse, durch Diskussionen im kleinen Kreis und durch Versammlungen in größerem Stile, durch Wort und Schrift viel Aufklärungsarbeit in die noch ungebildete oder gleichgültige Menge tragen müssen. Der Kern aller dieser Belehrungen muß aber der Anschauungsunterricht sein. Die politische Seite all der Fragen, die die Frau direkt berühren, die sie in ihrem fraulichen und mütterlichen Wirkungskreise verspürt, all der Fragen, die als Frauensphäre gekennzeichnet werden, weil Frauennot und Frauenarbeit sich in ihnen widerspiegelt, muß im Anschauungsunterrichte vorerst beleuchtet und in ihren Wechselbeziehungen zu den all­gemeinen Staatszwecken erörtert werden. Aber nicht die Gedanken einer bloßen egoistischen Interessen- und Rechtsvertretung dürfen den Frauen eingegeben werden. Die Tatsache, daß alle Frauenfragen nicht Grenzgebiete, sondern Probleme der Gesamtheit sind, muß ihr Ver­ständnis für jene polit[i]schen Fragen steigern, die aus der eigenen Sphäre ins Weite hinausstreben, die im Höhenflug der inneren und äußeren Staatskunst die Stellung des Staates in der Welt bestimmen und die Entwicklung der allgemeinen Kultur beeinflussen. Und mit diesem Verständnis muß die Objektivität ihres Urteils wachsen, damit sie Fehler und Mängel, Irrtümer, Einseitigkeiten und Halbheiten richtig einschätzen lernen und zu einer Gesamtbetrachtung der tieferen Forderungen gelangen, die an die Politik gestellt werden müssen, damit sie das heiß ersehnte Königreich wahrer Menschlich­keit errichte und verwirkliche.

Die politische Schulung der Frauen ist eine Notwendigkeit im Sinne des persönlichen Vorwärtsschreitens der Frau und des staatlichen Werdeganges. Die Frauen sollen sich nicht nur als Wählerinnen fühlen, sie dürfen durch eine weitere Abschließung vom politischen Leben nicht zum „Stimmvieh“ werden, dessen Existenzberechtigung nur in Wahlperioden anerkannt wird. Als wahre Bürgerinnen des Staates müssen sie das Wirken der Politik nach neuen, eigenen Maßstäben werten lernen und mit Würde und Besonnenheit dafür sorgen, daß ihre Wertbemessungen kraft ihres Rechtes als Wählerinnen im politischen Leben Geltung erringen.

In: Die Frau, 19.2.1919, S. 2.

Sozialdemokratisches Frauenreichskomittee: Frauen und Mädchen des Proletariats! (1918)

In ernster Stunde sprechen wir zu euch, um euch aufzufordern, die Notwendigkeit der Zeit zu erkennen. Alles Alte wankt und stürzt, Einrichtungen, die im Sinne des Volkes als ewig feststehend, als unab­änderlich galten, versinken, Neues entsteht und wächst heran. Die Wucht des schon über vier Jahre währenden schreckensvollen Krieges, unter der so viele Menschenleben verblutet sind, die Elternfreude und Eheglück begraben hat, die das Wohl von Millionen zerstampft und unermeßliche Werte vernichtet hat, diese Wucht zertrümmert auch Staaten und reißt auseinander, was ewig zusammenzugehören schien.

In dieser Zeit der Neugeburt von Nationen können und dürfen die einzelnen nicht untätig bleiben. Wenn aus Blut und Rauch eine neue Welt entsteht, dann muß es eine bessere Welt werden. Eine bessere Welt für das so lange gepeinigte Proletariat, für die in vielfacher Knechtschaft lebenden Frauen. Die Weltgeschichte kennt schon viele Umwälzungen, aber noch keine hat vermocht, die Frau zu einem gleich­berechtigten Wesen zu machen. Immer ist die Frau eine minderwertige Staatsbürgerin geblieben. Und weil sie als Staatsbürgerin minderwertig war und bis heute ist, ist sie auch als Arbeiterin unterdrückter, ausgebeuteter als der Arbeiter.

Überall, wo immer wir den Blick auf Frauen lenken, sehen wir sie in größerer Unfreiheit, Unterwürfigkeit und Abhängigkeit als den Mann. Das Zeitalter der Fabriken hat zwar der Frau das Recht eingeräumt, ihre Arbeitskraft zu verkaufen und überall tätig zu sein, wo menschliche Arbeitskraft notwendig ist. Aber die Frau ist überall eine schlechter bezahlte Arbeitskraft. Selbst wenn sie die gleiche Arbeit leistet, gibt es Mittel und Wege, ihr den gleichen Lohn vorzuenthalten.

Man hat mit dem System der schlechteren Ent­lohnung die Frauen zu größerer Genügsamkeit, zu größerer Entbehrung, und damit zur Schwächung ihres Körpers, zum früheren Schwinden der Jugendblüte und Gesundheit verurteilt.

Die Frauen sind durch Jahrhunderte zu Märtyrerinnen erzogen worden. Sie nehmen das Dulden und Entbehren als etwas hin, das nicht abzuändern ist. Damit werden aber die Frauen als Arbeiterinnen zu Schädigerinnen der Arbeiterschaft überhaupt. Die geduldigen und billigen Arbeiterinnen sind dem Arbeitgebereine willkommene Gelegenheit, um auch den Lohn der Männer zu drücken.

Arbeiterinnen! Wir stehen vor dem Ende des Krieges. Der Friede kommt endlich, endlich in sichtbare Nähe. Das Kriegselend wird ein Ende nehmen. Sollen wir es nur eintauschen gegen vermehrtes, ebenso drückendes, würgendes Elend im Frieden? Die Menschheit ist erschöpft, die Kraft jedes einzelnen durch die Hungerjahre geschwächt, nicht fähig, noch länger Elend zu ertragen.

Da ist es Pflicht, daß die Arbeiterinnen sich aufraffen, daß alle, die den Reihen der Organisation der sozialdemokratischen Partei noch fernstehen, das Versäumte nachholen. Jede Arbeiterin, die will, daß nach dem Krieg nicht wieder Ausbeutung und Hunger, Not und Elend die Welt beherrschen, muß Mitglied der sozialdemokratischen Frauenorganisation werden!

Jede Frau, die entschlossen ist, der knechtischen Stellung der Frau ein Ende zu machen, muß in den Reihen der sozialdemokratischen Partei für die neue Gesellschaftsordnung, für den Sozialismus kämpfen.

Man hat die Jahre des Krieges die „große Zeit“ genannt. Welch eine Verhöhnung, einen Zustand „groß“ zu nennen, wo Millionen Menschen hingeschlachtet werden und hunderttausende Frauen in den Dienst des Krieges gestellt werden, täglich, ja stündlich, ebenfalls dem Tode entgegensetzend.

Groß ist die Zeit, die jetzt angebrochen ist. Die Zeit der Umwälzungen, die Zeit, wo das Alte stürzt und das Neue geboren wird. Da wollen und müssen sich die Frauen der Aufgaben bewußt sein, die diese Zeit auch ihnen stellt. Wenn neue Staaten gebildet werden, wollen und müssen die Frauen mutig, entschieden und selbstbewußt sich erheben und für die Forderung, eintreten, daß die neue Zeit auch ihnen gibt, was ihnen nach Recht und Billigkeit zukommt. In den demokratischen Staaten, die im Entstehen sind und zu denen sich auch das alte Österreich umbildet, müssen Freiheit und Gleichheit, Bürgerrecht haben. Auch für die Frauen. Wenn gedrückte und geknebelte Völker auferstehen zur Freiheit, dürfen die Frauen dieser Völker nicht in Knechtschaft und Unfreiheit bleiben.

Frauen, wacht auf! Sammelt euch um die Fahne, die euch zur Gleichheit und Freiheit, zur Menschenwürdigkeit führen soll!

Frei und gleich sei das Ziel der Frauen!

Frei und gleich als Staatsbürgerin und Arbeiterin!

Wir laden euch ein, zu uns zu kommen, als unsere Mitglieder und Kampfgenossinnen.

Das sozialdemokratische Frauenreichskomitee

In: Arbeiterinnen-Zeitung, Nr. 21, 22.10.1918.

Elsa Tauber: Neu-Österreich und die Frauen (1918)

Umgestaltung, wohin man blickt und hört. Alles Alte ist unbrauchbar geworden, der Umsturz hat kommen müssen, nicht weil ihn einzelne oder selbst ganze Völkerklassen gewollt haben, sondern weil er ein Zwang der Notwendigkeit war. Alle traditio­nellen Begriffe von Herren und Dienern, von niedriger und höherer Bevölkerungsschichte haben ihre Geltung verloren, das Volk läßt sich nicht mehr regieren, will nicht mehr blindlings gehorchen müssen, wenn man das Blut seiner Kinder für imaginäre Werte von ihm fordert. Selber will es sein Schicksal bestimmen und nur seine eigenen Beschlüsse sollen maßgebend sein für die Gestaltung seiner Zukunft. Das Volk — es besteht aus Männern und Frauen. Schon ist an bedeutungsvoller Stelle das Wort ausgesprochen worden, ein von Männern und Frauen gewählter Rat soll Österreichs Geschicke steuern. Ob auch ein aus Männern und Frauen zusammengesetzter Rat? Es liegt kein Grund vor, an dieser Annahme zu zweifeln. Der heilsame Sturm, der jetzt durch das Bestehende fährt und alte Traditionen um­reißt, daß sie an ihrer Morschheit krachend zusammenbrechen, wird hoffentlich auch die unsinnigen und unbegründeten Vorurteile gegen die offizielle Betätigung der Frauen hinwegfegen.

Seien wir ehrlich: Schlechter hätte es, auch dann nicht kommen können, wenn Frauen schon bisher ein mitbestimmendes Wort zu reden gehabt hätten. Auch sie hätten nicht kurzsichtiger und verständnisloser den unausweichlichen Anforderungen des Tages gegenüberstehen können, als es gewiegte österreichische Staatsmänner taten. Wenn es froh macht, nicht mitverantwortlich an schlechten und falschen Maßnahmen zu sein, dann können Österreichs Frauen heute jubeln. Aber sie sind viel zu lange schon politisch reif, als daß sie sich, darüber freuen könnten, unbeteiligt an dem gegenwärtigen Debacle zu sein. Denn diese Frauen sind auch Hausfrauen, die jetzt mit vorwurfs­vollsten Zweifeln fragen: Wäre es so weit mit unserer Ernährung gekommen, wenn wir im Rate der Gemeinde und des Staates eine Stimme gehabt hätten? Diese Frauen sind Mütter, deren verzweifelte Anklage dahin geht, daß sie ihre Söhne widerspruchslos für längst entwertete Phantome opfern mußten.

Das alte Österreich ist tot. Niemand wird dem, was damit starb, eine Träne nachweisen, es sei denn jene Kaste, der nun die Führung aus den längst altersschwachen Händen ge­nommen wurde. Aus den Ruinen soll neues Leben entstehen und nun harren die Frauen, ob sich die Erkenntnis Bahn brechen wird, daß auch sie ihren Platz in der Öffentlichkeit verdienen. Die Erkenntnis besteht eigent­lich längst. Aus ihr stammt die immer lauter zum Ausdruck gelangende, Sorge, die Frauen würden sich mit dem bescheidenen Platz in der Häuslichkeit nicht mehr begnügen, nachdem sie einmal im Erwerbsleben ihre Kräfte erprobt haben. Nur Böswilligkeit kann der Frauenarbeit Unzulänglichkeit nachsagen. Und wenn nicht jede einzelne ihren Platz musterhaft ausfüllte, so liegt dies daran, daß nicht jeder Mensch ein Muster an Pflichterfüllung ist, die Männer genau so wenig wie die Frauen. Der Beweis aber, daß der Durchschnitt der Frauen ihre Arbeit schlechter versieht als der Durchschnitt der Männer bei gleichem Alter und gleicher Bezahlung — dieser Beweis wäre erst zu erbringen.

Jene Demokraten, die Österreichs Verwaltung jetzt hoffentlich in die Hand nehmen und zum allgemeinen Heile durchführen werden, schätzen Frauenarbeit und  Frauenverständnis schon lange richtig ein. In ernster Stunde sei es aber in Erinnerung gebracht, daß die Frauen nicht mehr und nichts anderes sein wollen, als was sie sind. Den Frauen ist es nicht darum zu tun, den Mann vom Arbeitsmarkt zu verdrängen und sich dadurch jede Aussicht auf eine gutfundierte Ehe zu zerstören. Sie will nur nicht als Hausfrau in die voll­ständige Abhängigkeit vom Manne geraten, und weil die richtige Wertschätzung der Frau offiziell noch nicht besteht, versuchen die meisten instinktiv oder bewußt, sich im Kleinkampf persönlich die Stellung zu erwerben, die ihnen zukommt. Eine politische Anerkennung der Frauenrechte würde daher nicht, wie häufig be­fürchtet, eine Vernichtung aller vielgerühmten weiblichen Eigen­schaften, sondern deren neuerliche Entfaltung bringen. Der Besitz überhebt des Kampfes darum, und eine Selbstverständlichkeit, wie es die anerkannten politischen Frauenrechte in absehbarer Zeit hoffentlich sein werden, verursacht nicht einmal Aufmerksamkeit, geschweige denn Beachtung.

Es widerstrebt beinahe heute schon, die Widersinnigkeit der Verknüpfung politischer Rechte mit dem Geschlecht an dem Analphabeten irgendwo in einer Dorfhütte des Hochgebirges und der akademisch graduierten Frau zu beweisen. Dieses Beispiel hat jedoch im Laufe der letzten Jahre nur an Schlagkraft gewonnen, denn immer größer wird die Anzahl der Frauen, deren geistige Entwicklung steigt, immer größer wird leider auch die Zahl derer, die nicht mehr damit rechnen können, in der Ehe Schutz und Zuflucht zu finden, sondern den Kampf ums Dasein aus eigenen Füßen stehend ausfechten müssen. Sie alle haben ein Recht darauf, als vollwertige Staatsbürger endlich auch in anderer Weise anerkannt zu werden, als dadurch, daß sie die volle Steuer plus 10% für Alleinstehende zu entrichten haben. Sie dürfen in einer Volksvertretung einen Platz für sich fordern, ebenso die Frauen, die in ihren Haushaltungspflichten auf­gehen, und alle anderen, die einer Kategorie von Männern mit politischen Rechten entsprechen. Das Dienstmädchen, das zur Wahl­urne geht, bietet dem logischen Denker nicht mehr Stoff zur Verspottung wie der Hausknecht im gleichen Fall, und schon oft hat eine Sache von der Karikatur in den Witzblättern aus ihren Siegeszug durch die Weit genommen.

Über die politischen Forderungen der Frauen wird übrigens schon lange nicht mehr gelacht. Sie sind gewissen Kreisen höchstens so unangenehm gewesen wie die Forderungen der Demokraten. Mit diesen zugleich werden sie hoffentlich jetzt an­erkannt werden.

In: Neues Wiener Journal, 26.10.1918, S. 4.

N.N.: Rasse und Wissenschaft. Die fortschreitende Verjudung unserer Hochschulen. (1929)

Wir erhalten folgenden Aufruf:

Deutsche Studenten!

Immer wieder gebot uns die vaterländische Pflicht und das völkische Verantwortungsbewußtsein an der Befrei­ung unserer höchsten Kulturstätten vom fremdrassigen Judentume mitzuarbeiten!

Ebensowenig wie deutsche Professoren an der jüdischen Universität in Palästina lehren, eben­sowenig sollen im deutschen Vaterlande Professoren jüdischer Volkszugehörigkeit die Lehrer deutscher Studenten sein!

Dazu ist vor allem notwendig zu wissen, wer von den Hochschullehrern Jude ist und wer Deutscher, denn es ist nicht nur unser Recht, sondern unsere völkische Pflicht, den deutschen Lehrer zu hören, dem Heimat, Volk, Rasse, Vaterland und Deutschtum heilige Begriffe und für den Heimatschutz und Heimatliebe, Vater­landssinn und Vaterlandsverteidigung ewige und sittliche Werte und angeborene Pflichten eines deutschen Kulturmenschen sind!

Und so tragen wir einem allseitigen Wunsche Rechnung und geben Euch die Namen der Professoren jüdi­scher Volkszugehörigkeit oder jüdischer Abstammung bekannt. Ihr wißt, was Ihr anläßlich der Einschreibung zu tun habt!

Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät:

Adler E., Adler M. (Marxist), Braßloff, Ehrenzweig, Gal Alex., Goldmann, Henrich, Herrnritt, Hupka, Kauf­mann, Kelsen (Marxist), Klang, Kornfeld, Kunz, Lehnhoff, Wenzel, Mises, Petschek, Pisko, Pollak Rud., Pribram Karl, Rappaport, Redlich Josef, Schilder, Schiff, Schlesinger, Schreier, Sieghart, Strisower.

Philosophische Fakultät:

Abel Emil, Arnold, Billiter, Bühler, Ehrenhaft, Eisler, Ewald, Feigl, Figdor, Fischer, Geiger, Grafe, Grienberger, Gal Hans, Hanslik, Helly, Herz, Hock, Jellinek, Jokl, Joseph, Kappelmacher, Kohn, Konstantinowsky, Kubitschek, Lieben, Löwy, Mayer Walt., Menger, Oppenheim, Pollak Jak., Pribram Franz, Przibram H., Reich Emil, Richter, Scarlates, Schlick, Tauber Alf., Tietze, Welesz Egon.

Medizinische Fakultät!

Alexander G., Abels, Adler, Aschner, Bauer, Beck, Mach, Blau, Blum, Bondi Sam., Bondy Gust., Braun, Breuer, Brünauer, Donath, Eisler, Eisler-Terram, Elias, Engelmann, Erben Siegm., Erdheim, Erdheim, Fischel, Fischer, Fleischmann, Fraenkel, Friedjung, Freud Siegm., Freund Ernst, Freund Leop., Fraenkel, Freund, Fröhlich, Fröschels, Fürth, Gerstmann, Glas, Gläßner, Goldschmidt, Gomperz, Hajek, Halban, Hammerschlag A., Hammer­schlag V-, Haudek, Hecht, Herz Albert, Herz Paul, Her­mann, Herschmann, Heß, Hochfinger, Holzknecht, Karplus, Knöpfelmacher, Latzko, Leimdörfer, Lenk, Liedesny, Lipschütz, Löwenstein, Mannaberg, Marburg, Neuburger, Neumann H., Nobel Edm., Nobel Gabor, Oppenheim, Pal, Paschkis, Pauli, Pick, Pick Al., Pineles, Pollak E., Pollak L, Popper, Pordes, Porges, Pribram, Redlich, Rothberger, Sachs, Saxl A., Saxl P., Schacherl, Schilder, Schiff, Schiffmann, Schlesinger, Schlesinger, Schnitzler, Schüler, Schur, Schütz, Schwarz Em., Schwarz G., Schwarz Os., Sgalitzer, Silberstein, Singer, Spiegel, Spitzer, Spitzer, Stein Konr., Stein Rob., Stern Hugo, Stern Rich., Sternberg, Sternberg, Strasser, Strisower, Tandler, Wagner R., Wechsberg, Weinberger, Weiß, Weltmann, Wiesel, Wilhelm, Zappert, Zweig.

Fast 40 Prozent der Lehrkanzeln an den höchsten deut­schen Kulturstätten wurden durch den Geist des fluch­beladenen Liberalismus von einem rassen- und wesens­fremden Volke erobert, das kaum 10 Prozent des boden­ständigen deutschen Volkes erreicht! In letzter Stunde sollen die deutschen geistigen Verwaltungsstellen durch den Geist der Abwehr und Verteidigung dem deutschen Volkstume zurückgewonnen werden! Wir wissen

uns eins mit der deutschen Professorenschaft, deren aka­demisches Oberhaupt

Hofrat Professor Karl Diener

einst mit folgenden Worten an Pflicht und Gewissen aller Verantwortlichen appellierte:

Der Abbau der Ostjuden muß heute im Programm jedes Rektors und Senates einer Deutschen Hochschule einen hervorragenden Platz einnehmen. Der Fort­schreitenden Levantinisierung muß wenigstens an den Hochschulen Einhalt geboten werden. Hier müssen die Rektoren und Senate aller österreichischen Hochschulen eingreifen und dieser Veröstlichung des besten Gutes unseres Volkes einen Riegel vorschieben, damit unsere deutschen hohen Schulen das bleiben, was sie uns bisher waren:

Ein Hort deutschen Geistes, deutscher Wissenschaft und deutschen Wesens.“

Deutsche Akademiker! Wahret das geistige Erbe Eurer deutschen Vorfahren durch die Tat!

In: Ostdt. Rundschau, 13.10.1929, S. 5.

Edwin Rollett: W. U. R.

(Utopistisches Kollektivdrama von Karel Capek. – Erstaufführung in der Neuen Wiener Bühne am 10. Oktober 1923)

Es ist eine beliebte, oft wiederholte These der Literaturgeschichte, daß der politische Aufschwung eines Volkes einen, literarischen nach sich zieht. So vieI auch im genießenden Menschen sich dagegen auflehnen mag, das klassische französische Drama mit dem Sonnenkönig, Goethe und Schiller mit Friedrich dem Großen in Beziehung gesetzt zu sehen und das höchste Kunstprodukt so letzten Endes einer Kanonenkugel oder einem Korporalstock, einem wohlgelungenen diplomatischen oder strategischen Schachzug verdanken zu sollen, die Geschichte scheint überall Bestätigungen zu bieten. Goethe selbst hat seine Jugenddichtungen, ja den ganzen Sturm und Drang auf solche Wurzeln zurückgeführt. Und schließlich ist es ja auch gleichgültig, welcher Art die Zusammenhänge sind, ob Ursache ober Zufall diese Erscheinungen bedingt haben, das Faktum bleibt.

Soll man dieser historischen Wahrheit zuliebe das Auftreten der Brüder Čapek und die rasche Steigerung ihres Ruhmes als den Auftakt zu einer neuen Hochblüte der tschechischen Literatur werten? Sind sie es, die dem jungen, so ungemein erstarkten Selbstgefühl dieses noch unverbrauchten Volkes den poetischen Ausdruck zu geben berufen sind? Führen sie einen neuen unbekannten Ton, originale Gedankengänge und eigene Kunstformen in die Weltliteratur ein? Bereichern sie unseren künstlerischen Besitz um ein typisch slawisches, bodenständig tschechisches Element, wie es die großen Nüssen in der zweiten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts getan? Solche Fragen drängen sich bei der ersten Auseinandersetzung mit einem Werke eines der beiden Brüder ganz von selbst auf, die, verhältnismäßig spät, nach einer ganzen Reihe anderer europäischer Hauptstädte gestern auch endlich in Wien erfolgen konnte.

„W. U. R.“ — Verstands Universal Robots — nennt sich ein utopistisches Kollektivdrama. Mit dem zweiten Teil dieses Untertitels ist wohl eine Allgemeingültigkeit in Anspruch genommen, wie sie die moderne Seelenliteratur so ungemein liebt. Der erste benennt Wesen und Art der Dichtung und hängt dem Drama seinen literarischen Familiennamen um.

Die Utopie als solche ist eine verhältnismäßig primitive Dichtungsgattung, ein Verstandesspiel. Jeder Gedanke, aus seinem natürlichen Geltungsbereich heraus bis in die letzten Konsequenzen zu Ende gedacht, führt je nach der gegebenen Richtung und Schattierung entweder ins Utopische oder ins Parodistische. Karel Čapek verfährt mit einer der brennendsten Fragen unserer Zeit nach diesem Rezept. Das Problem der Arbeit und ihres Wertes, das Recht des Arbeiters auf Lebensanspruch und Menschentum, der Kampf der arbeitenden und dirigierenden, der manuellen und der geistigen Menschheit gibt ihm die Unterlage und er führt die Menge seiner Gedanken so weit, bis die Trennung reinlich durchgeführt ist, bis es nur mehr bloß Arbeiter und bloß Denker und Konstrukteure gibt, bis die Menschheit ganz von allem „sozialen Kram“ befreit ist und an ihrer Stelle die Automaten in Menschengestalt, „Verstands Universal Roboters“, alle Arbeit verrichten, Kriege führen und die ganze Last der Erbsünde tragen, während die Menschheit, gefühllos gegen die Produkte ihres Geistes, verwöhnt durch lange Entlastung ein gottähnliches Leben zu führen beginnt und aus Bequemlichkeit sogar sich zu vermehren vergißt.

Aus männlicher Kombination sind die Roboter entstanden, durch reine Geistesarbeit zweckentsprechend vereinfacht und hergerichtet. Gefühllos, geschlechtslos, nur äußerlich als Männer und Weiber zu unterscheiden, innen jedoch bei aller Menschenähnlichkeit alles höheren und sogar der lebenerhaltenden Triebe beraubt. Die Männer, von bloßen Nützlichkeitserwägungen beherrscht, hätten höchstens Steigerung der Arbeitsleistung, Verbesserung des Mechanismus und sparsamere Betriebsbedingungen angestrebt. Das Weib aber, die einzige Frau auf der einsamen Insel, von der aus nach der ganzen Welt Roboter geliefert werden, wird von anderen Plänen geleitet; ihrem Mitleid entspringt die Idee, die Konstruktion der künstlichen Menschen den natürlichen immer mehr und mehr zu nähern, ihnen auch einen Teil dessen zu geben, was den Menschen zum Menschen macht, der Seele.

Eine fürchterliche Katastrophe ist die Folge. Kaum ein paar hundert höher organisierter solcher Lebe-// Wesen sind erzeugt, so bricht die Katastrophe herein und die Weltherrschaft gleitet nach einem furchtbaren Gemetzel aus den Händen der aussterbenden Menschheit in die der Roboter. Auch die Robinsoninsel der Konstrukteure wird entvölkert und damit verschwindet das Geheimnis der Erzeugung solcher Lebewesen.

Ein einziger, der älteste der Direktoren, der nichts von der Herstellung weiß, bleibt übrig. Von ihm nun fordern die neuen Weltbeherrscher, als das große Sterben unter ihnen beginnt, neue Geschöpfe, und er kann es nicht. Trotz Versuchen an lebenden Robotern kommt er nicht hinter das Geheimnis. Zum zweiten Male droht die Welt auszusterben. Da aber ereignet sich das Wunder. In einem jungen Roboterpaare erwacht, was ihnen bisher fremd geblieben — die Liebe.

Das doppelte Weltgericht ist überwunden und zum anderen Mal sollen Menschen die Erde bevölkern. Mit den Worten der Bibel schließt das Drama. Mit einem Ausblick auf ein neues Zeitalter, in dem der Beistand nicht mehr die alleinige Macht haben wird.

„Dann kommt die Zeit, die jetzt vorübergeht,
Die Zeit der Seher wieder und Bigotten.“

So hat vor rund 80 Jahren ein anderer, größerer Dichter seine Kritik am Bestehenden und seine Hoffnungen für die künftige Entwicklung formuliert. In einem Märchendrama, das zufällig gerade mit Böhmen, mit der Urgeschichte des Tschechenvolkes zu tun hat, stehen diese Verse, und es mutet wie eine Bestätigung von Grillparzers Lieblingsgedanken, dem ewigen Gleichbleiben der Welt bei nur äußerem Wechsel der Formen an, daß ein Heutiger diesen Gedankengängen so getreu nachgeht.

Allerdings sind es nur die Gedankengänge. Das Gefühl kommt zu kurz. Die Utopie bleibt in ihren Grenzen als rein verstandesmäßiges Spiel. Die Einrichtungen des Bienenstockes und des Termitenstaates sind auf die Menschheit übertragen. Die scharfe Differenzierung von Arbeitstieren, beziehungsweise Arbeitern und Soldaten, die dem Mitdichter des erfolgreichen Insektenstückes wohl von dorther geläufig ist, hat an dem Drama mitgedichtet. Die Ereignisse und das Fiasko der russischen Revolution, in deren Wechselfällen ein Teil des Tschechenvolkes eine so schwere und bedeutende Rolle gespielt hat, liegen dem Tschechen nahe, näher vielleicht als manchem anderen Europäer. Die stark konstruierte, utopisch phantastische Abenteuerdichtung, die aus vielen Prager Schriftstellern geläufig ist, hat ihren Teil. Georg Kaisers Erfolge, vor allem Gas, sind aus der Arbeit zu erkennen. Schließlich muß darauf verwiesen werden, daß wir vor rund drei Vierteljahren auf derselben Bühne ein anderes Weltuntergangsdrama sehen konnten, das im Ablauf eines Alkes die Uridee dieses Dramas, die Weltkriegstatastrophe mit ganz ungleich größerer poetischer Kraft und Konzentration, mit Verstandesschärfe und Gefühlswucht behandelt: Die letzte Nacht von Karl Kraus.

Wo man die Analyse der Dichtung beginnt, man trifft Verstand, Verstand. Mitzufühlen, mitzuerleben vermag man selten, vielleicht nie, vielleicht nur bei den Bibelworten. Interessant, geistreich, scharfsinnig ist dieses Kollektivdrama zweifellos. Poetisch ist es nicht. Dazu ist die Symbolik zu dick, zu eckig, zu deutlich. Dazu fehlt der Wärmegrad des Herzens, der einer solchen Tragödie notwendig wäre, dazu ist die Konstruktion zu offensichtlich, dazu ist das Stück zu sehr selbst ein literarischer „Roboter“.

Auch die Szenen von theatralischer Stärke ändern diesen Eindruck nicht. Stellen wie der erste Aktschluß und viele Partien des zweiten Aktes, die in einem Drama von ungemeiner, vielleicht tiefer Wirkung sein müßten, bleiben in diesem Zusammenhang Effekt, wenn auch starker und aufregender, aber immerhin, bloß Effekt.

Die Darstellung war über Erwarten. Herr Stahl-Nachbaur als Direktor scharf, schlank und dezidiert, Frau Eis als seine Partnerin graziös und intelligent, Herr Forest als ein Führer der Roboter von jener Eindringlichkeit und Stärke, die äußerste Schlichtheit und Sparsamkeit so oft mit sich führen. Die Darsteller der Direktoren plastisch und gut kontrastierend. Das übrige Ensemble bis zur kleinsten Rolle bei der Sache, geschult und glücklich besetzt. Die Regie zeugte von Routine und Leistungsfähigkeit, aber ebenso von Einfühlungsvermögen und Verständnis und verdient ihren Teil des Premierenerfolges.

In: Wiener Zeitung, 11.10.1923, S. 1-2.

N.N. [Friedrich Austerlitz]: Der Parteitag des Parteiprogramms (1926)

Der Parteitag ist geschlossen. Er ist beendet worden in Begeisterung und Ergriffenheit. Die Ver­trauensmänner des deutschösterreicchischen Proletariats sind auseinandergegangen im Bewußtsein, daß das ein ganz außergewöhnlicher Parteitag, ein Parteitag von ganz außerordentlicher Bedeutung gewesen ist.

Denn dieser Parteitag hat uns unser neues Parteiprogramm geschaffen, das Programm, das fortan als das Linzer Programm in der Geschichte unserer Partei leben und wirken wird — wirken als die Richtschnur der Erziehung unserer Jugend, wirken als das geistige Band, das die Hunderttausende unserer Parteigenossen zu enger Gemeinschaft des Denkens, Wollens, Handelns verknüpft, wirken als der Weg­weiser zu den großen, begeisternden Zukunftszielen des Sozialismus, die kleinen Kämpfe unseres Alltags einordnend dem geschichtlichen Ringen der Arbeiterklasse der Welt um eine neue Menschheit.

Aus ernstem, schwerem Ringen um die großen Gegenstände des Sozialismus ist unser neues Pro­gramm hervorgegangen. Aber der Parteitag hat das Ringen der Meinungen geführt zur Einheitlichkeit des Wollens. Er hat den ursprünglichen Entwurf unseres neuen Parteiprogramms an vielen Stellen wesentlich abgeändert. In dieser neuen Fassung ist das neue Programm einstimmig, ist es von allen in heller Begeisterung beschlossen worden.

Es ist, wie Otto Bauer sagte, ein gut demo­kratisches und doch zugleich ein gut revolutionäres Programm, das wir uns gegeben haben. Klar, unzweideutig sagt dieses Programm: Wir wollen mit den Mitteln der Demo­kratie die Macht erobern; wir wollen, wenn erst die Macht unser ist, unter voller Aufrechterhaltung der demokratischen Verantwortung der Regierung vor der Volksmehrheit, unter voller Wahrung der demokratischen Freiheitsrechte die Macht ausüben. Aber so demokratisch unser Wollen, so revolutionär bleibt unsere Bereitschaft. Wir wissen: wir werden mit den Mitteln der Demo­kratie die Macht nur erobern können, wenn wir wehrhaft genug bleiben, die Demokratie ver­teidigen zu können. Wir wissen: wir werden die er­oberte Staatsmacht nur dann zum Aufbau des Sozialismus gebrauchen können, wenn wir die Kraft haben werden, jede gewaltsame Auflehnung der Bourgeoisie gegen die Staatsmacht des Proletariats gewaltsam niederzuwerfen. Entschlossen, den Weg der Demokratie zu gehen, aber auch bereit, uns mit revolutionärer Tatkraft zu wehren, wenn es die Bourgeoisie wagen sollte, uns den Kampfboden der Demokratie, uns dereinst das Machtwerkzeug der von uns eroberten Demokratie zu sprengen, so führen wir den Kampf um die Herrschaft des Proletariats in der Republik — die Klassenherrschaft des Prole­tariats, die selbst uns nur das Mittel ist, die Kapitalsherrschaft über die Produktionsmittel zu überwinden, die Scheidung der Gesellschaft in Kapitalisten und Besitzlose, in Reiche und Arme auf­zuheben und damit erst die wahre, die soziale Demo­kratie zu begründen, in der es keine Klassen mehr, also auch keine Klassenherrschaft mehr geben wird.

Und so wie der Parteitag in dieser Frage, alten Streit beendend, alle geeinigt hat zu klarer Bewußtheit des Weges und des Zieles, so sind auch all die andern Streitfragen in voller Einheit beantwortet worden. So hat der Beschluß des Parteitages unsere Stellung zur Religion und Kirche viel glück­licher als der ursprüngliche Entwurf umschrieben. So hat er klar ausgesprochen, daß wir dort, wo die Sach­walter der Arbeiterklasse Betriebe leiten, nicht etwa das Streikrecht wegdekretieren, sondern durch plan­mäßigen Ausbau der Betriebsdemokratie, der Mitbestimmung und Mitverwaltung der Arbeiter und Angestellten dieser Betriebe sie allmählich zu einer sozialistischer Solidarität entsprechenden Einstellung zu ihrem Betrieb, zu den Notwendigkeiten sozialistischen Aufbaues entsprechender friedlicher Schlichtung von //Konflikten in ihren Betrieben führen und erziehen wollen. So hat der Parteitag vor allem das Kapitel des Programms, das von der Internationale handelt, wesentlich verbessert und ausgebaut; sein Beschluß über unsere Stellung zum Völkerbund vor allem wird wohl dazu beitragen, auch außerhalb Österreichs die noch schwankenden Urteile der sozia­listischen Parteien über die Stellung des internationalen Proletariats zum Völkerbund zu klären. Über alle diese Lösungen strittiger Probleme, die der Parteitag im Streite der Meinungen schließlich durch ein­stimmigen Beschluß geklärt hat, werden wir oft, sehr oft noch sprechen müssen.

Denn nun ist, was die Sozialdemokratie in unserer Geschichtsepoche ist und will, in gemeinverständlicher Sprache programmatisch zusammengefaßt. Nun wird es gelten, die Gedankengänge unseres neuen Programms zu den Massen zu tragen, die Massen mit diesen Gedanken vertraut zu machen, die Massen so zu erfüllen mit dem Bewußtsein der großen geschichtlichen Weltaufgabe des Sozialismus!

Der Parteitag hat, wie in jedem Jahre, auch heuer notwendige Gegenwartsarbeit geleistet. Er hat unser Organisationsstatut, die Verfassung der Partei, ausgebaut. Er hat unsere Kampfparolen ausgegeben für den Kampf des Tages. Er hat unseren Entschluß bekräftigt, die Regierung und die bürgerliche Mehrheit vor die Wahl zu stellen: Endlich die Alters- und Invaliditätsversicherung oder sofort Auflösung des Parlaments! Er hat gegenüber der Flut der Beschimpfungen und Verleumdungen, die Rene­gaten und Erpresser im Dienste der kapitalistischen Parteien gegen uns schleudern, den angegriffenen Genossen das Vertrauen der Vertreter unserer ganzen Parteigenossenschaft aus­gedrückt. Aber so wichtig und notwendig alle diese Tagesarbeit war, die wichtigste Leistung des Partei­tages war darum doch nicht die Arbeit für den Tag, sondern die Arbeit für die Zukunft: die Schaffung des Parteiprogramms als der Richtschnur der Erziehung der Generation, die die Macht zu erkämpfen, den sozialistischen Ausbau zu beginnen haben wird, ihrer Erziehung zu klarer Erkenntnis des Zieles, zu verantwortungsbewußter Wahl der Mittel, zu dem ehernen Machtwillen und dem faustischen Kulturwillen, die allein das große Ziel erkämpfen, erreichen können.

 In: Arbeiter-Zeitung, 4.11.1926, S. 1-2.

N.N. [Felix Kanitz]: Arbeitslos und ausgesteuert (1934)

Genosse Felix Kanitz hielt im Bundes­rat eine Rede, in der er die Not der arbeitslosen Jugend schilderte. Er for­derte die Einstellung der Aussteuerungen für die arbeitslosen jungen Arbeiterinnen und Arbeiter. Wir bringen einen Teil der Rede des Genossen Kanitz:

Es gibt in dem Arbeitslosenversicherungs­gesetz und in der Praxis der Industriellen Bezirkskommissionen eine Reihe von schwerwiegenden Ausnahmebestimmungen, die sich gerade gegen die Jugend richten. Schon bei der ordentlichen Unterstützung ist es so. Sie kann nur dann im Normal­ausmaß von 30 Wochen gewährt werden, wenn der junge Mensch innerhalb der letzten 10 Jahre 7 Jahre voll gearbeitet hat. Ich frage, wie etwa ein Zwanzigjähriger, der ja im besten Fall mit 14 Jahren zu arbeiten beginnen kann, diese 7 Jahre aufbringen soll! Er hätte ja mit 13 Jahren zu arbeiten beginnen müssen! Aber noch schlimmer ist es bei der Notstandsaushilfe. Bis zum 18. Le­bensjahr wird sie in der Zone A, das sind die größeren Städte, durch 82 Wo­chen gewährt, dann wird der Betreffende ausgesteuert. In der Zone B durch 40 Wochen, dann wird er ausgesteuert. In der Zone C durch 20 Wochen, dann wird er ausgesteuert.

Die seelische Entwicklung eines jungen Arbeitslosen ist furchtbar. In der ersten Zeit, wenn er aus seinem Betrieb heraus­kommt, hat er noch Hoffnung, er kriegt noch ein paar Groschen Arbeitslosen­unterstützung, er besucht Kurse, lernt Sprachen, lernt Stenographieren, er arbeitet also an seiner Fortbildung. Aber allmählich kommt das Furchtbarste, die Erschlaffung. Er bringt nicht mehr die Energie auf, etwas zu tun, er sagt sich, es habe ohnehin keinen Zweck. Ich fragte die jungen Menschen bei einer Bespre­chung, wann sie aufstehen, und der eine sagte, um 12 Uhr mittags und der andere um 1 Uhr, der dritte um 11 Uhr. Nicht// aus Faulheit tun sie das, sondern weil sie keine Kohle haben, teils weil sie Nah­rung sparen wollen, teils weil sie über­haupt keine Energie mehr in sich haben; sie ist in dieser jahrelangen Arbeits­losigkeit ertötet worden!

Und dann packt diese jungen Menschen manchmal, wenn sie zu grübeln an­fangen, die furchtbarste Verzweiflung. Es kommt ihnen das furchtbare Unglück zum Bewußtsein, das furchtbare Unrecht, das ihnen geschieht, die da in eine Welt hineingeboren wurden, wo ohne ihr Ver­schulden ihr Leben, dieses einzigartige Phänomen eines Menschenlebens, zertreten wird in nichts und abermals nichts. Sie wissen nicht, wozu sie auf der Welt sind, klagen alle an und können den Schuldigen nicht fassen und gehen durch dieses Leben als gebrochene und aus­gestoßene Menschen!

In: Der jugendliche Arbeiter, Nr. 2/1934, S. 1-2.