geb. 2.1.1885 in Wien, gest. 7.10.1954 in Zelking b. Melk (NÖ); Journalist, Schriftsteller, Kulturfunktionär.

Ps.: Hans Stiftegger, Robert Ader, Hans Biederhofer, Hans Christoffer, Peter Steinlieb, Hans Zelkinger

Nachdem B. bereits während seiner Schulzeit in Wien mit ersten feuilletonist. Arbeiten aufgefallen war, wurde er nach seiner Matura bei der kath.-konservativen Tageszeitung Reichspost engagiert, für die er zw. 1903 u. 1938 als Kulturredakteur tätig war. B. fungierte insb. als Theaterkritiker (Burgtheaterreferent), was J. Beniston zufolge seinen Status als „an extremely powerful figure in the Viennese theatre scene“ (Beniston, S. 106) beförderte: Als Feuilletonist und v.a. auch als Leiter der im Frühjahr 1920 eingerichteten „Kunststelle für Christliche Bildung“ setzte sich B. mit Vehemenz für einen mit den christlichsozialen (Kultur-)Agenden kompatiblen Kanon ein. Während B. Das Apostelspiel seines Freundes Max Mell z.B. als kath. Pflichtprogramm pries, ‚mied‘ er in seinem Wirken als Kunststellen-Leiter Autoren wie Fr. Wedekind, A. Schnitzler, G. Büchner, G. Kaiser, E. Toller oder G. Hauptmann aufgrund ‚moralischer‘ bzw. ideologischer Vorbehalte. „[D]em Kino und dem Schundtheater den Wind aus den Segeln zu nehmen: nämlich an Stelle des Schlechten, vor dem gewarnt wurde, die bessere Tat zu setzen und das Unterhaltungsbedürfnis unseres Volkes selber auf edlere Art zu befriedigen“, hatte B. in dem von ihm verantworteten Kunststellen-Organ Der Kunstgarten (1923-31) als Aufgabe des Unternehmens, das mit der von D.J. Bach geleiteten „Sozialdemokratischen Kunststelle“ konkurrierte, definiert (zit. ebd., S. 104); am Ende der ersten Veranstaltungssaison gab er sich dann davon überzeugt, dass „unsere besondere katholische Note“ (zit. ebd., S. 107) durch die Kunststellen-Initiative mehr Durschlagkraft erlangt habe. Besondere Unterstützung erfuhr die Kunststelle v. Franz Herterich, 1923-30 Direktor des Burgtheaters. Gemeinsam mit Herterich u. Ferdinand Krejci wurde B. v. Katholischen Volksbund – eine „kirchliche Organisation, die als Arm des ‚politischen Katholizismus‘ und als eine Vorfeldorganisation der Christlichsozialen Partei fungierte“ (Janke, S. 209) – zudem mit der Durchführung von Festspielen im steir. Wallfahrtsort Mariazell beauftragt, die im Sommer 1923 mit Krejcis Spiel von Christi und Mariä Leid unter Herterichs Spielleitung eröffnet wurden; 1924 wurden F. Schreyvogls Mariazeller Muttergottesspiele u. Mells Apostelspiel, 1925 das niederländ. Spiel Mariens siebente Himmelfahrt in der Bearbeitung B.s aufgeführt, „ein Agitpropstück in dem Sinn, daß es für den Glauben warb und gegen die Gegner agierte“ (ebd., S. 216). Mangels finanz. Ressourcen u. Publikum wurden die Festspiele, die publizistisch (mit deutlich antisemit. Untertönen) v.a. als Gegenkonzept zu M. Reinhardts Inszenierungen („Spektakel“) für die Salzburger Festspiele lanciert wurden, nach 1925 nicht weitergeführt, das eigens für 1400 Zuschauer erbaute Festspielhaus aber für andere Aufführungen vermietet, für die B. 1926 als Dramaturg tätig war (vgl. ebd., S. 209f. bzw. 214).

Sich selbst als Theaterautor zu profilieren, gelang B. nicht: „Das Volksstück ‚Die Rax‘ (1921) konnte sich bei den ungesunden Theaterverhältnissen auf der Bühne nicht behaupten“, ist in der kompendiösen Deutsch-Österreichischen Literaturgeschichte von Castle 1937 zu lesen (Castle, S. 1495). Ein Blick auf zeitgenöss. Kritiken zeigt, dass die (Theater-)Verhältnisse für B.s Volksstück durchaus ‚gut‘ waren, wenn etwa in der Neuen Freien Presse B.s Stück als Fortsetzung der „Tradition des österreichischen Volksstücks in schlicht empfundener Weise“ tendenziell wohlwollend besprochen wurde (vgl. P. W[ertheimer]) oder der Rezensent der Wiener Zeitung sich im Angesichte dieser „gute[n] Heimatkunst“ hoffnungsfroh gab, dass B. „der Mann sei, uns das zeitgemäß erneuerte wirkliche Wiener Volksstück […] endlich zu geben“ (vgl. [A.] O[rel]). „Seine ‚Rax‘ ist im besten Sinne des Wortes ein Volksstück und knüpft würdig an Anzengruber an“, war in der erwartungsgemäß hymnischen Reichspost
-Besprechung über B.s Versuch, die österr. Vormachtstellung bei der laut dem Rezensenten im Verschwinden begriffenen Gattung Volksstück („Raimund, Nestroy, Bäuerle, Karlweis, Anzengruber, in gewissem Sinne auch Schönherr u.a.“) wiederherzustellen. Angetan war der Reichspost-Kritiker auch von dem „Stifterische[n]“ bei B. („Einlenken ins Idyllische“, „unsägliche Zartheit“, „Ernst der Empfindung“) fernab von „Artisterei“ und v.a. von dessen Darstellung des „Volk[es] dort […], wo es am tüchtigsten ist, bei der Arbeit“, ohne dass die Geschichte, in der „zwei arme Lohnsklaven“ (Buchhalter Prantl u. Sekretärin Anna) zentral stehen, zu einem „Tendenzstück“ gerate. „[W]irr durchquert von falsch verstandener Sittlichkeit […], von Sozialismusersatz durch wirkungslose Raunzerei, von Unsittlichkeit im Ausgang“ und durchsetzt von „erbärmlichster Naivität“ zeigte sich die B.‘sche „Unmöglichkeit“ für O. Koenig (Arbeiter-Zeitung), der sich „die Frage stellen muß, ob dieses künstliche Produkt nicht etwa überhaupt nur vom Standpunkt des ‚christlich-germanischen Schönheitsideals‘ beurteilt werden sollte“. Die Neutralität vorschützende Rax-Kritik R. Musils („Man muß mit reiner Seele von diesem Stück berichten.“) ist grosso modo eine auffallend ausführliche Zusammenfassung d. Inhalts, „damit man weiß, was ein Volksstück ist, das Zeitungen eine tiefe und reine Offenbarung nennen. Ich füge dem höchstens noch hinzu: Das ‚[Deutsche] Volkstheater‘, welches dieses Stück spielt, ist die größte Privatbühne Wiens, die führende.“ Nicht nur auf dramaturgisch-‚handwerkliche‘ Verfehlungen des Theaterautors B. weist [no-lexicon]Musil in seinem Handlungsaufriss hin: Zum Ausflugsziel Rax, auf der (der typ. Wiener Kleinbürger) Prantl seine Sonntage zubringt, verzeichnet er „die Annahme des Arierparagraphen im D. Oe. Alpenverein“ (R. Musil)[/no-lexicon], der 1921 alle „nicht-arischen“ Mitglieder ausgeschlossen hatte (vgl. Beniston).

Bei K. Kraus finden sich weitaus weniger subtile Invektiven gegen völkische Sentiments beim „deutsch-christliche[n] Bretschka“ ([no-lexicon]K. Kraus[/no-lexicon], zit. ebd., S. 106) und dessen reaktionäres „christlich-germanische[s] Schönheitsideal“ (ders.: Nestroy und das Burgtheater, S. 16). Um „das vaterländische Fühlen des Deutschösterreichers“ zu befördern war laut J. Weingartner bereits B.s erste eigenständige lit. Veröffentlichung, der in der von der Verlagsanstalt Tyrolia (Innsbruck) herausgegebenen Reihe „Bücherei des Oesterreichischen Volksschriftenvereins“ erschienene Sammelband Unter den Fahnen Prinz Eugens (1912), besonders geeignet – auch, um „das immer wachsende Lesebedürfnis weiter Volkskreise auf gesunde und einwandfreie Art zu befriedigen“. Als „volkstümlich“ wurde B. in seinem Stammblatt zudem anlässl. seiner ersten Lesung in der Wr. Urania 1914 präsentiert, und dabei ein über das ‚Stiftersche‘ hinausgreifendes „Eigenes“ angeführt: der „Sinn und Jubel des Sportfreundes neuester Betätigung“ ([no-lexicon]Reichspost[/no-lexicon] 20.3.1914), was B. etwa mit Prosa-„Bildern aus dem Tiroler Kriege“ Die donnernden Alpen in einer vaterländ. Frontberichterstattung von der „blutgetränkte[n] Hochebene von Vielgereut[h]“ (ebd. 22.8.1915) zur Anwendung brachte. Mit seinen Feuilletons, Erzz., Kurzgeschichten aus dem bäuerlichen  Milieu fand B. bei Castle 1937 als Exponent der „katholischen Literaturbewegung“ Berücksichtigung, der mit „einfühlende[r] Naturschilderung“ und „sorgfältige[r] Sprachbehandlung“ etwa in den „besten Jugendversuchen“, d.i. der Smlg. v. 1912, und den „Bauernerzählungen“ der Smlg. Geliebte Scholle (1930) das von dem Ps. [no-lexicon]Stiftegger[/no-lexicon] als Kompositum aus „Stifter und Rosegger“ Angedeutete eingelöst habe (S. 1495).

Beniston zufolge hat B. mit seinem Wirken für die „Kunststelle für christliche Volksbildung“ diese in Richtung des „völkischen“ Lagers steuern helfen (vgl. S. 116); 1934-38 war B. denn auch der Präsident der „Österreichischen Kunststelle“ (1938 umbenannt in „Deutschösterreichische Kunststelle“, zugehörig dem Landeskulturamt der NSDAP). 1936 initiierte er gem. mit F. Schreyvogl u. R. Henz die österr. Länderbühne. Als Leiter der Theaterabteilung des „Neuen Leben“ war B. zudem in der austrofaschist. Festspielbewegung aktiv, 1936 z.B. als Jurymitglied in dem vom „Neuen Leben“ organisierten Wettbewerb um „Das vaterländische und das soziale Volksspiel“ (vgl. Janke, S. 209 bzw. 281f.). Nach 1945 Mitarbeiter der vom ehem. [no-lexicon]Reichspost[/no-lexicon]-Chefredakteur (1902-38) Friedrich Funder neugegründeten Wochenschrift Die Furche.


Werke

Die Rax. Volksstück (1921) – (Gem. mit Enrica v. Handel-Mazzetti) Unter dem österr. Roten Kreuze. Dornbekränztes Heldentum (1917) – Die Handel-Mazetti-Monographie (1922) – Geliebte Scholle (1926) – Trinke Mut des reinen Lebens (1947) – Der Pflug im Ackerfeld (1947)

Veröff. in Zeitungen, z.B.: Die donnernden Alpen. Kleine Bilder aus dem Tiroler Krieg. In: Reichspost (22.8.1915), S. 2f. Nachdrucke nachgewiesen in: Die Bergstadt (April 1916), Deutsches Nordmährenblatt (16.5.1916), Grazer Mittags-Zeitung (19.5.1916), Grazer Vorortezeitung (28.5.1916)

Quellen und Dokumente

Josef Weingartner: Eine neue Volksbücherei. In: Salzburger Chronik (17.1.1913), S. 2, N. [?]: Vorlesung Stiftegger. In: Reichspost (20.3.1914), S. 7, Robert Musil: Ein Volksstück (Die Rax. Ein Wiener Schauspiel von Hans
Stiftegger. Urauff. Am Deutschen Volkstheater in Wien). In: Ders.:
Prosa und Stücke – Kleine Prosa, Aphorismen – Autobiographisches –
Essays und Reden – Kritik. Berlin: Rowohlt 1978 (= Gesammelte Werke),
S. 1491-1495, P[aul] W[ertheimer]: Deutsches Volkstheater. In: Neue Freie Presse (7.6.1921), S. 8, O. [d.i. Alfred Orel]: Deutsches Volkstheater. In: Wiener Zeitung (6.6.1921), S. 2, drag. [?]: „Die Rax“. Ein Wiener Schauspiel in vier Akten von Hans Stiftegger. In: Reichspost (5.6.1921), S. 1f., Otto Koenig: Deutsches Volkstheater. „Die Rax“, Wiener Schauspiel in vier Akten von Hans Stiftegger. In: Arbeiter-Zeitung (7.6.1921), S. 6, Karl Kraus: Nestroy und das Burgtheater. In: Die Fackel XXVI (1925), H. 676-678, S. 1-40.

Literatur

Judith Beniston: Cultural Politics in the First Republic: Hans Brečka
and the ‚Kunststelle für christliche Volksbildung‘. In: Ritchie
Robertson/Dies. (Hgg.): Catholicism and Austrian Culture. Edinburgh:
Edinburgh University Press 1999 (= Austrian Studies X), S. 101-118. –
Eduard Castle (Hg.): Deutsch-Österreichische Literaturgeschichte. Ein
Handbuch zur Geschichte der deutschen Dichtung in Österreich-Ungarn.
Unter Mitwirkung hervorragender Facahgenossen nach dem Tode v. Johann
Willibald Nagl u. Jakob Zeidler hg. v. E. Castle. Vierter Bd. Von 1890
bis 1918. Wien: Carl Fromme 1937. – Pia Janke: Politische
Massenfestspiele in Österreich zwischen 1918 und 1938. Wien-Köln-Weimar: Böhlau 2010 [darin geführt als „Franz Brecka “].

Der Nachlass B.s befindet sich – feinerschlossen – im Österreichischen Literaturarchiv (Österreichische Nationalbibliothek): ÖLA 10/90. Zugangsdatum: 1990. Umfang: 8 Archivboxen. Zur Inhaltsübersicht (Werke, Korrespondenzen, Lebensdokumente, Sammlungen) s. http://www.onb.ac.at/sammlungen/litarchiv/bestaende_det.php?id=brecka – Ein (v.a. Zeitungsausschnitte umfassender) Teilnachlass (N1.5; 5 Boxen) ist zudem im Literaturhaus Wien, Dokumentationsstelle für neuere österr. Lit., zu finden; s. http://www.literaturhaus.at/index.php?id=7943

(RU)

Geb. 23.7. 1892 in Laibach/Ljubljana (k.k. Österreich-Ungarn, heute: Slowenien), gest. 5.6. 1974 in Altaussee (Oberösterreich). Schriftsteller, Buchhändler, Herausgeber, Antisemit.

Materialien und Quellen:

(in preparation)

Geb. 9. 11.1873 in Wien, gest. 5.3. 1946 in Claremont/Kalifornien/USA. Bankbeamter, Finanzpolitiker, Gemeinderat, Publizist, Exilant.

Materialien und Quellen:

Eintrag auf: dasrotewien; Eintrag auf: geschichtewikiWien;

(in Vorbereitung/ work in progress)

Geb. 12.8. 1896 in Wien, gest. 26.11. 1957 in Wien. Architekt

Materialien und Quellen:

Eintrag in: Architekturlexikon;

(in preparation)

Geb. 2.6. 1888 in Wien, gest. 15. 4. 1965 in Salzburg. Drehbuchautor, Filmregisseur, Schauspieler, Schriftsteller; NSDAP-Mitglied seit 1940.

Breslauer, Sohn eines Kaffeehausbesitzers, begann als Schauspieler an deutschen Bühnen bereits vor 1910 aufzutreten. Zum Film dürfte er zwischen 1910 und 1914, u.a. über Drehbucharbeiten gekommen sein, erste Regie(mit)arbeiten folgten bald und ab 1918 übernahm er, u.a. für die Sascha-Film, eigenständige Regien, bis zu seiner wohl bekanntesten, der Verfilmung der Bettauer Romanvorlage Die Stadt ohne Juden (1922) im Jahr 1924 insgesamt etwa zwanzig. 1921 war er u.a. auch Generaldirektor bei der Mondial Film (Wien). 1925 war Breslauer noch im Filmalmanach vertreten, doch sind bis 1930 keine weiteren Filme nachgewiesen. Erst wieder Ende Juli 1935 wird eine neue Filmdrehbucharbeit, gemeinsam mit Ida Jenbach, in der Österr. Filmzeitung angezeigt, eine Tonfilmfassung des O du lieber Augustin-Stummfilms. Am 4.5.1937 sendet Radio Wien sein Hörspiel Die goldene Dose. Nach dem Anschluss vom März 1938 wird Breslauer für die NS-Publizistik tätig: sein erster Beitrag erscheint bereits am 15.3. 1938 im NS-Telegraf, S. 5, weitere folgen in den Zeitungen Deutsches Echo oder im gleichgeschalteten Kleinen Blatt sowie im Wiener Magazin.

Materialien und Quellen:

Filmankündigung Das Gewissen des Anderen. In: Kinematographische Rundschau, 29.12.1917, S. 119;

H.K. Breslauer: Der Bastard oder Mein Kind ist das nicht! In: Filmwelt, H. 29/1923, S. 13-14 (über Rivalität zwischen Filmautor und Filmregisseur): F. P[orges]: Die Stadt ohne Juden. In: Filmwelt H. 14/15/1924, S. 6-7.

H.K. Breslauer: Häusliche Idylle. In: Der Tag, 23.6. 1935, S. 21.

DVD-Verfilmung von Die Stadt ohne Juden: https://www.hoanzl.at/119-die-stadt-ohne-juden-hans-karl-breslauer.html; Cover-Plakat (Original 1924): https://www.imdb.com/title/tt0016392/mediaviewer/rm108476928/ Trailer zum Film: hier.

Sabine Weber: Die Stadt ohne Juden. Ein Stummfilm, vielschichtig neu vertont von Olga Neumann. In: Deutschlandfunk, 13.7. 2020.

(PHK, in preparation)

Geb. 4.6. 1880 in Innsbruck, gest. 26.4. 1953 in Innsbruck. Beamter (Polizei), Schriftsteller, Redakteur.

Materialien und Quellen:

Eintrag in: Literatur Landkarte Tirol: hier.

Barbara Hoiß, Sandra Unterweger: Ein Lokalaugenschein in Tirol 1900–1950. In: Stefan Neuhaus, Johann Holzner (Hgg.): Literatur als Skandal: Fälle – Funktionen – Folgen. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2007, S. 314–343.

(PHK, in preparation)

geb. am 1.11.1886 in Wien – gest. am 30.5.1951 in New Haven CT, USA; Schriftsteller, Kritiker, Industrieller, Exilant

Der erstgeborene Sohn (Bruder: Friedrich) des aus Prossnitz (Mähren) aus einer armen jüdischen Familie stammenden Vaters Josef, der es im Wien der Gründerzeit zum Wollhändler und 1906 zum Fabriksbesitzer brachte und Johanna Schnabel, verh. Broch, Tochter eines Wiener Leder-Großhändlers, wuchs in Wien auf und erhielt zunächst Privatunterricht durch David J. Bach. 1897 wechselte B. in das k.k. Staatsrealgymnasium, weil ihn sein Vater für das Textilgeschäft auserkoren hatte. Nach der 1904 abgelegten Reifeprüfung besuchte er bis 1906 die Höhere Lehr- und Versuchsanstalt für Textilindustrie in Wien, parallel dazu aber auch Vorlesungen aus Philosophie und Mathematik, u.a. bei Ludwig Boltzmann. Nach einem weiteren Jahr an der Spinn- und Webschule zu Mühlhausen, wo er ein Ingenieurdiplom erwarb und eine Maschine zur Mischung verschiedener Textilien erfand, die 1908 auch patentiert wurde, trat er in die väterliche Spinnfabrik in Teesdorf ein. 1907 besuchte er u.a. auch die USA, verliebte sich in die katholische Franziska von Rothermann und begann die Vorlesungen von Karl Kraus zu besuchen. 1909 wurde B. zum Militär eingezogen, aber bereits nach fünf Monaten wegen eines Herzleidens entlassen. Inzwischen war B. aus der Israelit. Kultusgemeinde ausgetreten, um im Dez. 1909 Franziska zu ehelichen. Die Familie zog nach Teesdorf, hatte aber auch eine Stadtwohnung in Wien, 1910 wurde der einzige Sohn Hermann Friedrich, genannt Armand, geboren. Die Ehe geriet rasch wegen unterschiedlicher Interessenslagen und Lebensstile der Partner in Krise, wurde aber erst 1923 geschieden. Seit 1908-9 schrieb B. erste kulturkritische Reflexionen nieder, fing an, sich intensiv mit Weininger, Nietzsche und Schopenhauer zu befassen und nahm 1913 Kontakt mit Ludwig von Ficker und dessen Zs. Der Brenner auf, wo er 1913 eine Analyse von Thomas Manns Der Tod in Venedig veröffentlichte. Während des Ersten Weltkriegs, von dem er dispensiert war, aber auf dem Fabriksgelände ein Lazarett für das Rote Kreuz einrichtete, schloß er sich in Wien im Café Herrenhof dem Kreis um Gina Kaus und Otto Kaus, Franz Blei, Ea von Allesch und Alfred Polgar an, zu dem auch Robert Musil, Paul Schrecker, Willy Haas u.a. dazugehörten. In der von Blei redigierten Zs. Summa veröffentlichte er 1918 Eine methodologische Novelle, in der Zs. Der Friede Konstitutionelle Diktatur als demokratisches Rätesystem, das mit den Vorstellungen der austromarx. Theorie und Praxis sympathisierte. Mit Ea von Allesch verband ihn seit 1917 eine Liebesbeziehung, weitere ging er mit der ungarischen Lyrikerin Edit Rényi, die seit 1919 in Wien lebte und ihn in Kontakt mit Georg Lukács, Béla Bálazs, Karl Mannheim u.a. Exilanten brachte, sowie mit Sybilla Blei ein. Ea v. Allesch, Redakteurin der Zeitschrift Moderne Welt, vermittelte ihm dort Besprechungen zeitgenössischer Autoren (A. Polgar, Paul Leppin, Leo Perutz, Ernst Weiß u.a.). 1920 stellte er die Novelle Ophelia fertig, die gleichermaßen modernistische wie autobiogr. chiffrierte Züge trägt. In den nachfolgenden Jahren wandte sich B. wieder stärker der Mathematik zu, zuerst in Form von Privatunterricht bei Ludwig W. Hofmann, ab 1925 wieder systematisch durch Neuaufnahme des Studiums an der Univ. Wien. B.s. Lehrer waren im Fach der Philosophie Moritz Schlick und Rudolf Carnap, im Fach Mathematik Hans Hahn, Karl Menger und Wilhelm Wirtinger. Daneben besuchte er auch Vorlesungen aus Kunstgeschichte, Physik und Vergleichende Musikwissenschaft.

B.s Interesse für Fragen der Ethik brachten ihn in stärkerem Kontrast zu den neopositivist. Lehrern und führten neuerlich zur Aufgabe des Studiums, an dessen Stelle zunehmend die Literatur Ende der 1920er Jahre trat. 1927 verkaufte er seine Anteile an der Spinnfabrik, trennte sich von Ea v. Allesch und ging mit Anja Herzog, Tochter einer jüd. Kaufmannsfamilie, eine Beziehung ein. Sie wird die Manuskripte zum entstehenden Schlafwandler-Roman ins Reine tippen, der nach Zuspruch durch seine literar. Berater Frank Thiess und Ernst Polak ab 1930 erschien und trotz schwachen Verkaufs den Ruhm Brochs, unterstützt durch Stimmen wie Alfred Döblin, Ernst Fischer, Hermann Hesse, Thomas Mann, Robert Neumann, Berthold Viertel u.a. begründete. Mit der englischen Übersetzung 1932 setzte auch seine Bekanntschaft in den USA, wo ihn Thornton Wilder überaus schätzte, ein. Öffentlich präsentiert wurde die Trilogie v.a. in den Volkshochschulen Ottakring und Leopoldstadt ab Februar 1931; die Besprechungen waren wohlwollend, aber eher knapp, wenn auch z.T. euphorisch gehalten. So hielt das Prager Tagblatt z.B. in einer Notiz am 12.5.1932 fest: „Die Trilogie stellt einen neuen stil-revolutionären Romantypus dar“, und David Bach stellte sie zugleich mit Hemingways In einem fremden Land und einem Kurzverweis auf Musils Mann ohne Eigenschaften in der AZ am 19.4.1932 vor. In der VHS Ottakring trug B. im Februar 1932 anlässlich des 50. Geburtstages von J. Joyce über ihn vor und baute diesen Vortrag später zum Essay James Joyce und die Gegenwart (1936) aus. Im Rahmen der sozialdemokrat. Kunststelle präsentierte B. im Volkshaus Neubau am 16.2. 1933 außerdem erstmals seinen programmat. Essay Das Weltbild des Romans u. stellte dort den jungen Elias Canetti vor. Im August 1933 erschien sein Essay zum Kitsch Das Böse im Wertsystem der Kunst in dem bereits gleichgeschalteten, von E. Fischer scharf kritisierten Heft der Zs. Die neue Rundschau. 1934 folgten einige weitere Lesungen, u.a. aus dem Roman Die unbekannte Größe, der 1933 zuerst im Vorabdruck in der Vossischen Zeitung erschienen war, und dem Drama Die Entsühnten, das im März 1934 am Zürcher Schauspielhaus eine gelungene neusachliche Inszenierung u. künstler. Erfolg hatte. Seine letzten Publikationen in Wien blieben ein Beitrag zur Festschrift für Arnold Schönberg sowie Gedichte in der von Ernst Schönwiese hg. Zs. Patmos. In der Bücherstunde von Radio Wien vom 6.10.1935 wurde dann noch Die unbekannte Größe (unmittelbar vor der Übertr. der 2. Hälfte des Fußball-Länderspieles Österreich gegen Ungarn) kurz vorgestellt, 1937 auch noch ein Kap. aus dem schon in Arb. befindl. Tod des Vergil. 1935 arbeitete B. an seinem kulturkrit. u. antifaschist. Bergroman Die Verzauberung, nachdem er 1934 die Hochstaplerkomödie Aus der Luft gegriffen oder Die Geschäfte des Baron Laborde fertig gestellt hatte. Im Jänner 1937 lernt er über Paul Zsolnay die verwitwete Grafikerin u. Malerin Annemarie Meier-Graefe kennen, die bereits seit 1935 vorwiegend im französ. Exil lebt und Verbindungen zu dt. Exilkreisen für B. herstellt. Im selben Jahr arbeitete B. bereits an der dritten Fassung des Vergil-Romans, die durch den Anschluss Österreichs an NS-Deutschland und seiner Verhaftung am 13. März 1938 unterbrochen wurde.

Nach seiner Freilassung traf bald das Visum für England ein, wo er am 24. Juli 1938 eintraf. In London halfen ihn Anna Mahler, Robert Neumann und Stefan Zweig über die ersten Wochen; im August verbrachte er einige Zeit beim Übersetzerpaar Edwin und Willa Muir, ehe er sich am 1. Oktober Richtung USA in Begleitung von Jadwiga Judd einschiffte und nach acht Tagen in New York eintraf. Bereits am 10.10.1938 wurde er von der American Guild for German Cultural Freedom empfangen, hatte er ein Treffen mit Richard A. Bermann und Erich v. Kahler, zu dem sich bald eine Freundschaft entwickelte, ferner mit dem Verleger Benno W. Huebsch von der Viking Press, der ihm das Affidavit gegeben hatte. Ebenso traf er Albert Einstein in Princeton, der seinen Visum-Antrag begutachtet hatte. In den Folgejahren widmete sich B. einerseits der Fertigstellung des Vergil-Romans, auch dessen engl. Übersetzung, intensivierte andererseits den Kontakt zu Th. Mann u. widmete sich verstärkt demokratiepolit. u. massenpsycholog. Fragestellungen. 1942 übersiedelte B. von New York nach Princeton; im selben Jahr wurde seine Mutter, die sich nicht zur Emigration durchringen konnte, nach Theresienstadt deportiert u. verstarb dort 1943. B. begab sich in Psychoanalyse bei Paul Federn u. bearb. seine Probleme in der Psychische[n] Selbstbiographie (1942/1999). 1945 erschien sein Vergil-Roman gleichztg. auf Deutsch und Englisch, erzielte jedoch nicht die Resonanz, die sich B. erhofft hatte. 1946 lernte er Hannah Arendt kennen; 1948 zog er sich einen Schenkelhalsbruch zu und schrieb während des Krankenhausaufenthalts die Studie Hofmannsthal und seine Zeit nieder. Ab 1949 bekleidete er die Stelle eines Fellows und dann Lecturers an der Yale-University, ohne dafür ein Einkommen zu erhalten, weshalb seine Lebensumstände entspr. verschlechterten. Der Österr. P.E.N.-Club schlug B. 1950 u. 1951 vergebl. für den Nobelpreis vor; auch der österr. Staatspreis blieb ihm verwehrt. Seit 1949 arb. B. an Die Schuldlosen u. der Neufassung von Der Verzauberung, als er mitten im 5. Kap. am 30.5.1951 an einem Herzschlag verstarb.


Weitere Werke

siehe H. Broch: Kommentierte Werkausgabe. Hg. von P.M. Lützeler Bd. 1-12 sowie Bd. 13: Briefe (1975-80)

Quellen und Dokumente

D. Bach: Die Dichter und die Zeit. In: Arbeiter-Zeitung, 10.8.1931, S. 13.

Franz Horch: H. Broch (Porträt zur Eigenlesung H.B. in Radio Wien). In: Radio Wien, 2.6.1933, S. 10, Arthur Zanker: Neue Bücher (Rez. zu Patmos). In: Wiener Magazin, 12/1935, S. 92f.

Literatur

Paul M. Lützeler: H. B. Eine Biographie (2011), Michael Kessler, P.M. Lützeler (Hgg.): H. B. Handbuch (2016, mit Forschungsbibliographie 1985-2014, 549-626)

Carsten Clook: Die Wirklichkeit ist eine Traumlandschaft. H. B. als Hörspiel. In: Die Zeit, 1.3.2010, Monika M. Klinger: Zuviel für ein Leben. H. B. – ein biographischer Versuch. In: Die Zeit, 7.11.1986.

H. B. Die Wiener Bibliothek. Ausstellung an der UB Klagenfurt. Homepage des Internationaler Arbeitskreises Hermann Broch.

(PHK)

geb. am 27.5.1884 in Prag – gest. am 20.12.1968 in Tel Aviv; Schriftsteller, Kritiker, Herausgeber, Dramaturg, Komponist, Übersetzer

Ps.: Prokop, Martin Salvat

Der Sohn eines Prager Bankbeamten und einer musikbegeisterten Mutter wuchs gemeinsam mit seinen jüngeren Geschwistern Otto und Sophie in gesicherten bürgerl. Verhältnissen in Prag auf, wo er das Stefansgymnasium absolvierte und danach ein Jura-Studium mit der Promotion 1907 abschloss. Schon während der Studienzeit lernte B. anlässl. eines Schopenhauer-Vortrags F. Kafka kennen, befreundete sich mit ihm, aber auch mit Paul Leppin, Oskar Baum, Ludwig Winder u.a.m. Mit dem Novellen-Bd. Tod der Toten trat er 1906 als Schriftsteller in Erscheinung, nachdem er bereits 1905 in der Zs. „Die Muskete“ erste Texte veröffentlicht hatte. Aus der Schul- und Studienzeit datieren auch die Freundschaften mit Willy Haas u. Franz Werfel, dessen Gedichte B. um 1910 an die Wr. Ztg. Die Zeit vermittelte. Nach der Promotion arbeitet B. als Finanz-, Post- u. Versicherungsbeamter, bevor er Theater- u. Musikkritiker beim „Prager Tagblatt“ wird. Die 1908 bzw. 1909 veröffentl. Romane Schloß Nornepygge und Ein tschechisches Dienstmädchen begründeten B.s. Ruf als Schriftsteller über Prag hinaus. Im Sept. 1909 begleitete er Kafka zu einer Flugschau nach Brescia; daraus resultierte Kafkas erste Veröffentlichung: Die Aeroplane von Brescia; 1910 las er im Berliner „Neuen Club“, in dem sich express. Autoren aus dem „Sturm“-Kreis (G. Heym u.a.) trafen. In diese Zeit fallen auch Theaterstücke wie z.B. Die Höhe des Gefühls (1910), die u.a. in der Schaubühne vorabgedruckt wurden. Zwischen 1909 und 1911 hielt Martin Buber in Prag Vorträge, die Brod stark beeindruckten, insbes. seine Drei Reden über das Judentum (publ. 1911) u. seine vorher indifferente Haltung zum Judentum modifizierten. Fortan erhalten jüd. Themen u. Aspekte für sein Schreiben größeres Gewicht; B. interessiert sich für den Zionismus, hält intens. Kontakte zur Redaktion der Zs. Selbstwehr (1907-1939), dem jüd. Studentenverband Bar Kochba u. wird nach 1918 im Jüdischen Nationalrat der Tschechoslowak. Rep. als stv. Vorsitzender tätig. Dabei u. in zahlr. Memoranden setzt er sich vehement, wenn auch nur mit Teilerfolgen, für die Anerkennung der jüdischen Nationalität in der ersten tschech. Verfassung von 1920 ein (Vassogne, 132-145). Erste Station auf diesem längeren Weg war bereits der Roman Jüdinnen (1911), zugleich sein erster zum Thema Weiblichkeit u. Judentum. Lobten Besprechungen auch die Gestaltung des Schicksals jüd. Bürgermädchen, „die für keinen anderen Zweck als für die Ehe erzogen wurden“ (Jüdischen Volkstimme, Brünn) so erkannten sie die eigentl. Stoßrichtung meist nicht, d.h. Zshg. von kulturellen Rollenbildern u. neurotischen Pathologien, das Westjüdinnen-Syndrom sichtbar machen zu wollen. K. Kraus dagegen äußerte sich abfällig über den Roman, nicht zuletzt deshalb, weil B. auf dem Höhepunkt der Polemik zwischen A. Kerr u. K. Kraus zugunsten Kerrs Stellung bezogen hat, woraufhin B. von Kraus als „empfindsamer Postbeamter“ verunglimpft wurde (F. H.324,56 bzw. F.H. 326,36). B. hat das Auslösen dieser Polemik später bedauert, aber sein nicht unproblemat. Eintreten für Kerr mit dem Verweis darauf, er habe „sein Judentum nie verleugnet“ (SL,56), verteidigt.

1912 trat B. auch als Komponist und Pianist an die Prager Öffentlichkeit, 1913 gründete er die Zs. Arkadia. Jahrbuch für Dichtung, die sich dezidiert gegen Kraus richtete u. zugleich ein Versuch war, sich ein eigenes Sprachrohr für literar. Debatten zu schaffen u. Stimmen um sich zu scharen wie z.B. den jungen Lyriker F. Janowitz. In ihr publiz. neben Kafka (ED Das Urteil) O. Baum, F. Blei, H.E. Jacob, H. Janowitz, M. Mell, O. Pick, O. Stoessl, R. Walser, F. Werfel u. A. Wolfenstein. Den Juli 1914 erlebte B. in Prag in bedrückter Stimmung, ebenso seine Einberufung. Zuvor versuchte er, so in seiner Autobiogr., gemeinsam mit F. Werfel u. M. Wertheimer T.G. Masaryk um eine Vermittlung über Italien zu bitten, um den Kriegsausbruch in letzter Sekunde abzuwenden (SL, 88). Vom Militärdienst befreit, konnte B. den Krieg mit literar. u. publizist. Arbeit unbeschadet überstehen: 1915 erschien der erfolgr. Roman Tycho Braches Weg zu Gott, 1916 arb. B. an Bubers Zs. Der Jude mit, u.a., mit Blick auf die Thematik des Ostjudentums. In dasselbe Jahr datiert auch die Begegnung mit dem slowak. Komponisten Leoš Janáček (1854-1928), dessen Werk B. durch Übersetzungen zum internat. Durchbruch verhelfen wird u. eine Annäherung an die tschechoslowak. Kultur mit sich brachte. Den Beginn macht dabei die Übers. seiner Oper Jeji pastorkyña/Ihre Ziehtochter(UA 1911), die trotz (musikalischer) Eigensinnigkeit (Kanner) unter dem Titel Jenufa mit großem Erfolg am 16.2.1918 in Wien mit Maria Jeritza in der Hauptrolle aufgeführt wurde. J. Korngold verglich die „aus wirklichkeitstreuer Rede“ entwickelte Musik mit jener Debussys und Mussorgskys u. bescheinigte der Auff. „veristische Wirkungen“. Kontrovers diskutiert wurde 1918 auch sein Drama Eine Königin Esther, wobei Brods Kulturzionismus auch innerjüdisch, z.B. in der Jüdischen Korrespondenz (8.8.1918), umstritten war. 1919 erhielt B. den Fontane-Preis, nachdem im selben Jahr (mit Impressum 1918) sein utopischer, kriegskrit. u. zugleich anarchisch-ekstatischer Roman Das große Wagnis erschienen war. 1920 folgte mit Die Fälscher wieder ein auf die politisch-sozialen Wandlungen nach dem Krieg Bezug nehmendes Schauspiel, das u.a. Camill Hoffmann in der Neuen Schaubühne enthusiast. begrüßte, sowie der programmat. Essay Sozialismus und Zionismus, der auf der Basis von B.s. Verankerung in der Hapoel Hazair mit Bezug auf J. Popper-Lynkeus‘ Nährpflicht-Studie sowie den einsetzenden Palästina-Kolonisierungsdebatten eine Re-Definierung des Verhältnisses von Judentum/Zionismus, Marxismus u. Sozialismus unternahm. Große Resonanz erzielte danach auch die Schrift Christentum, Heidentum, Judentum (1921), die u.a. H. Bahr zu einer ambivalenten Besprechung im NWJ sowie in der programmkathol. Zs. Das Neue Reich veranlasste. 1922 folgte der Liebesroman Franzi oder Eine Liebe zweiten Ranges, die J. Urzidil als Wendepunkt weg von einer durch Reflexionsüberhang geprägten Romanprosa begrüßte, ihm wiederum Leben mit einer Göttin (1923) sowie der auf Rollenimaginationen fokussierte Roman Die Frau, nach der man sich sehnt. In das Jahr 1923 fiel auch B.s. Entdeckung von J. Hašek, über dessen Der brave Soldat Schwejk er noch vor der Buchveröffentlichung einen Essay verfasste. (ebf. 1923). 1924 wurde Brod, der schon vorher am PTBl. Mitarbeitete, dessen Kulturredakteur (bis 1936), eine Erfahrung, die er in Prager Tagblatt. Roman einer Redaktion (1968) aufarb. wird. Der Rückzug aus der kulturpolit. Arbeit ab 1921 ließ insges. die literar. Arbeit stärker in den Vordergrund treten, wobei jedoch seine kulturzionist., an Achad Ha’am angelehnten Positionen auch in diese Eingang fanden, inbes. in Reubeni, Fürst der Juden (1925), aber auch in Die Frau, die nicht enttäuscht (1933) u. in versch. essayist. Schriften. 1925 markiert durch die Hg. von Kafkas Prozess einen weiteren Wendepkt. In der Biogr. Bs, dem bis 1927 weitere folgten u. B.s. Status als Retter u. Verwalter des Werks von K. begründete, einschließlich problemat. Deutungsversuche wie z.B. im Zauberreich der Liebe (1928), in dem die mit K. identifizierbare Hauptfigur zionist. Züge aufweist. 1931 legt B. mit Stefan Rott oder Das Jahr der Entscheidung einen Roman über die schwül-dekadente Atmosphäre im Prag des Jahres 1914 vor, die den literar. Zeitdiagnosen seit Th. Manns Zauberberg mitverpflichtet war. In den 1930er Jahren folgten Heine- und Kafka-Biographien sowie der prägnante Annerl-Roman (1937), der Formen von Abhängigkeit, u.a. von Kokain, gestaltete. Mit dem Erstarken des NS gerät B. in einen tiefen Zwiespalt hinsichtl. seiner Haltung der dt. Sprache u. Kultur gegenüber, die er in den Begriff der ›Distanzliebe‹ fasste. 1939 flüchtete B. nach Palästina, wo er als Dramaturg am Habima-Theater bis zu seinem Tod tätig war u. seine literar. und editor. Arbeit fortsetzte, u.a. mit der wirkungsmächtigen retrospektiven Konstruktions-Schrift Der Prager Kreis (1966) sowie mit einer Reihe von z.T. nostalgischen Prag-Romanen wie Der Sommer, den man sich zurückwünscht (1952) oder Die Rosenkoralle (1961).


Weitere Werke (Auswahl)

Tagebuch in Versen (1910); Arnold Beer (1912); Die Retterin (1914); Das gelobte Land (1917); Die Einsamen (1919); Im Kampf um das Judentum (1920); Das Buch der Liebe. Gedichte (1921); Klarissas halbes Herz (1923); Sternenhimmel (1923); Zionismus als Weltanschauung (1925, gem. mit F. Weltsch); Lord Byron kommt aus der Mode (1929); Rassentheorie und Judentum (1934); H: Heine (1934); Das Diesseitswunder oder Die jüdische Idee und ihre Verwirklichung (1939); Diesseits und Jenseits (1947); Galilei in Gefangenschaft (1948)

Quellen und Dokumente

Die Volksversammlung (aus dem Roman Jüdinnen). In: Der Sturm (1911), H. 61, S. 485-487, Der Prager „Schwejk“. In: Prager Tagblatt, 24.1.1928, S. 6.

M. B. Tod den Toten. In: Prager Tagblatt, 29.12.1906, S. 9, Ein neues Prager Dichterbuch (mit dem Gedicht Der Vater). In: Prager Tagblatt, 18.6.1913, S. 7, Richard Jerie: Neues von M. B. In: Pilsner Tagblatt, 20.7.1913, S. 13, Hedwig Kanner: „Jenusa“. In: Der Morgen, 18.2.1918, S. 4, Julius Korngold: Hofoperntheater. („Ihre Ziehtochter“, Oper von Gabriele Preiß, Musik von Leo Janeczek.). In: Neue Freie Presse, 17.2.1918, S. 1-4, Hermann Menkes: Der Höhlenstaat (Rez. zu Das größere Wagnis). In: Neues Wiener Journal, 1.4.1919, S. 3, Johannes Urzidil: Neue Bücher (Rez. zu Franzi). In: Prager Tagblatt, 6.1.1923, S. 20, Hermann Menkes: Ein Roman der Eifersucht. Neue Erzählungsliteratur (Rez. zu Leben mit einer Göttin). In: Neues Wiener Journal, 20.3.1924, S. 5, Oskar Maurus Fontana: M. B. In: Radio Wien (1936), H. 39, S. 4.

Literatur

M. Pazi: Max Brod. In: Die neue Rundschau. H.1/1979; Dies.: Max Brod – von Schloß Nornepygge zu Galilei in Gefangenschaft (ED 1985); In: Dies.: Staub und Sterne. Aufsätze zur deutsch-jüdischen Literatur. Göttingen 2001, 40-63; Dies. (Hg.): Max Brod 1884-1984. Frankf./M. u.a. 1987; A. Herzog: Max Brod. In: Metzler Lexikon der Deutsch-Jüdischen Literatur (2000, 22009), 90-93; C. Vassogne: Max Brod in Prag: Identität und Vermittlung. = Cond. Iudaica, Tübingen 2009; A. S. Mirecka: Max Brods Frauenbilder. Im Kontext der Feminitätsdiskurse einiger anderer Prager deutscher Schriftsteller. Frankfurt/M. u.a. 2014; A.-D. Ludewig; St. Höhne; J. Schoeps, (Hgg.): Max Brod (1884–1968). Die Erfindung des Prager Kreises. Wien 2016; Ulrike Schneider: Der Erste Weltkrieg und das ‚Ostjudentum‘. Westeuropäische Perspektiven am Beispiel von Arnold Zweig, Sammy Gronemann und Max Brod. In: Medaon – Magazin für jüdisches Leben in Forschung und Bildung, 10 (2016), 18, S. 1–14, E. Grabovszki: Kafka geht in die Luft. Literaturkritik.de (2003).

Eintrag bei hagalil.com.

(PHK)

Geb. 21.4. 1880 in Brünn (k.k. Österreich-Ungarn, heute Brno: Tschechische Republik), gest. 27.7. 1959 in Wien. Schauspieler, Sänger.

Materialien und Quellen:

Eintrag bei filmportal.de.

(PHK, in preparation)

geb. am 19.8.1895 in Wien – gest. am 12.10.1959 in Berlin (Ost); Schriftsteller, Dramatiker, Regisseur, Kulturkritiker

In Vorbereitung