Geb. 9.4.1874 in Wien, gest. 9.1. 1939 in Wien. Komponist, Librettist, Musikkritiker, Redakteur, Richter.

Materialien und Quellen:

Eintrag von B. Boisits im Musiklexikon: hier.

Bittner im Spielplanarchiv der Wiener Staatsoper: hier.

(In Vorbereitung)

Geb. 19.3.1883 in Wien, gest. ? Schriftsteller, Kritiker, Exilant

(in Vorbereitung)

Geb. 9.4. 1874 in Wien, gest. 9.1.1939 in Wien; Komponist, Musikkritiker, Musikfeuilletonist, Librettist, Beamter

In einer Richter-Familie geboren und aufgewachsen absolvierte B. zunächst ebenfalls ein Jusstudium, interessierte sich aber auch für Musik, die er bei Josef Labor (1842-1924; https://www.musiklexikon.ac.at/ml/musik_L/Labor_Josef.xml)  nebenher studierte. Seine Wagner-Begeisterung führte ihn zum ›Wiener Akadem. Wagner-Verein‹; alsbald wandte er sich auch der Musik G. Mahlers zu sowie der Tradition des Wiener Singspiels und der Volksoper, was ihm den Beinamen ›Anzengruber der Musik‹ eintrug. Seit 1910 arbeitete er an der Musik- und Kulturzs. Der Merker mit, 1917-22 war er auch dessen Mitherausgeber. Mit der Oper Die rote Gred, einem effektvollen Werk über eine fahrende Dirne, erregte er 1907-08 erstmals größere Aufmerksamkeit und mehrheitl. Zustimmung, ausgenommen von Seiten D. Bachs, mit dem er später in der Herausgabe des Merker jedoch gut zusammenarbeiten wird. Milder urteilte Elsa Bienefeld im NWJ, die das Libretto als „ausgezeichnet“ fand, in der Komposition jedoch trotz einzelner effektvoller Lieder und noch den Dilettanten erblickte. Immerhin wurde das Werk von G. Mahler für das Hofoperntheater angenommen. Mit den nachfolgenden Opernstücken Der Musikant  (1910) bzw. Der Bergsee, letzteres 1911, sowie mit Das höllisch Gold (1916) gelang ihm der Durchbruch als Dichter und Komponist. Insbes. letzteres wurde z.T. hymnisch aufgenommen, obwohl bzw. weil es inmitten des Ersten Weltkriegs auch antisemitische Klischees (Wucherjude) bediente und zugleich in legendenhafter Weise zu relativieren suchte. Zum Erfolg der Uraufführung in Darmstadt im Okt. 1916 trug maßgeblich auch das Dirigat von F. Weingartner bei; bis 1918 wurde Das höllisch Gold auf fast allen größeren und mittleren Opernbühnen im deutschsprach. Raum aufgeführt. 1917 folgte mit dem Singspiel Der liebe Augustin eine typische Wiener Komposition, für die er 1919 den Raimund-Preis erhielt. Die Kritik sah in ihm zunehmend einen ›Dichterkomponist‹ (B. verfasst die Libretti selbst). Im Mai 1919 wurde Bittner, seit längerem im Gerichtsdienst tätig, neben K. Schönherr zu einem der Vorsitzenden der neu gegr. ›Genossenschaft der dramatischen Schriftsteller und Komponisten‹ gewählt, in deren Vorstand auch F. Dörmann, L. Jacobson, E.W. Korngold, F. Lehar, F. Salten, A. Schnitzler u. andere Künstler und Autoren vertreten waren. Im selben Jahr engagierte sich B. auch für die Neufassung des Urheberrechts und legte dazu eine Denkschrift in der Zs. Der Merker (H.1/1920-3-6) vor. Im April 1920 richtetet B. namens der Genossenschaft an alle Theaterdirektoren ein Schreiben, in dem er die Abrechnungspraxis der Tantiemen, meist zu Ungunsten der Autoren/Komponisten ausgelegt, beanstandete und um entsprechende Korrekturen ersuchte. Ab Sept. 1920 tritt B. auch als Feuilletonist der NFP in Erscheinung. 1921 legt er mit der Oper Die Kohlhaymerin wieder ein dem Genre der Volksoper aus dem alten Wien zurechenbares Werk vor. Sowohl J. Korngold als auch F. Scherber für die dt. Zs. ›Signale für die musikalische Welt‹ lobten das Libretto; insbes. Korngold strich heraus, dass Bittner das Wienerische opernfähig gemacht habe, aber beide äußerten hinsichtlich des Musikalischen leichte Vorbehalte, wenn sie sich auch vom Erfolg der UA am 9.4. 1921 in der Staatsoper beeindruckt zeigten. Anlässlich der Republikfeier 1922, die dem Andenken an V. Adler gewidmet war, wurden auch einige Orchesterlieder Bittners, neben Werken von F. Salmhofer und A. Schönberg (!) im Zuge eines Arbeitersymphoniekonzerts aufgeführt. Zugleich mit der von B. erbetenen Versetzung in den Ruhestand wurde ihm am 16.12. der Titel Hofrat durch den Bundespräsidenten Miklas verliehen. 1923 zog es B. erstmals ins Genre der Operette, er komponierte die Musik für Die arme Kaiserin; das Libretto kam von Paul Frank sowie für Die silberne Tänzerin (Libretto: Hirschfeld/Frank). Im Sept. dess. Jahres kam der neueingerichtete Liebe Augustin im Raimundtheater zu seiner zweiten Wiener Aufführung und erzielte einen bedeutenderen Erfolg als 1917 (am 28.2.1925 wurde er auch via Radio Wien ausgestrahlt). 1924 folgte, nach einem symphonischen Werk (F-Moll), die Wachau-Opernlegende Das Rosengärtlein; 1925 komponierte er die Große Messe mit Te Deum, erhielt den Kunstpreis der Stadt Wien für sein Lebenswerk, wurde Mitglied der Preußischen Akademie der Künste und feierte mit einer Neuinszenierung von Höllisch Gold einen weiteren, späten Erfolg, einen, in dem P. Stefan eine Entwicklungslinie hin zur „Oper von Morgen“ zu erblicken wähnte. Den Blick in die Zukunft verknüpfte B. in den 1920er Jahren oft auch mit einem Eintreten für eine Öffnung der Musik hin zum Volk und der Förderung von Talenten aus diesem wie ein programmat. Beitrag unter dem Titel Proletarische Musik deutlich macht (AZ, 22.6.1926). Im Okt. 1926 stellte er sein erstes Ballett, Stock im Eisen, fertig, das er der Staatsoper übergab (Auff. nicht nachgewiesen), im Nov. wurde ihm eine Stelle als Musikkritiker in Berlin angeboten, die er dann aber nicht annahm. Im selben Jahr übernahm er auch den Vorsitz des in Wien gegr. Verein für neue Musik, der österr. Sektion der IGNM. 1927 komponierte er eine neue Musikfassung zu Nestroys Zu ebener Erde und erstem Stock unter Benützung von A. Müller-Motiven für das Burgtheater, zu Jahresende folgte die Musik zur neu bearb. Fassung von Raimunds Der Diamant des Geisterkönigs (UA, 31.12.1927) und im Nov. nahm er an der Protestaktion gegen die Ravag (zum Schutz des geistigen Eigentums) an der Seite von R. Auernheimer, O. M. Fontana, E. Lothar, R. Musil u. A. Schnitzler teil. Als Beitrag zum Schubertjahr 1928 legte B. (gem. mit E. Decsey, Libretto) das Singspiel Der unsterbliche Franzl vor, das in der Volksoper mit großem Erfolg über fünfzigmal aufgeführt wurde. Im Sommer 1929 beendete er das Werk Theater, das jedoch nicht zur Aufführung kam. 1930 legte er mit Walzer aus Wien eine J. Strauß- Hommage vor, die von E.W. Korngold dirigiert wurde. Im Okt. 1931 erkrankte B. zum wiederholten Mal schwer; infolgedessen musste ihm ein Bein amputiert werden. 1933 stellte er die Oper Das Veilchen fertig, die 1934 uraufgeführt wurde. Danach wurden bis 1937 keine weiteren Werke von Bittner an österreichischen Opernbühnen mehr aufgeführt, obwohl er 1936 die Oper Der blaue Diamant Staatsoperndirektor Weingartner übergeben hatte; Radio Wien hingegen sendete regelmäßig aus dem Lieder-, Kammermusik- und Singspielrepertoire Bittner-Stücke. Am 23.12.1937 wurde ihm der Österr. Staatspreis für Musik zuerkannt. Nach dem Anschluss vom März 1938 blieb Bittner weiterhin im Radio-Repertoire und einzelne seiner Volks-Opern wurden sowohl in Wien wieder als auch an deutschen Bühnen aufgeführt, u.a. im Rahmen des sog. Ostmark-Zyklus am Nationaltheater Mannheim 1938 Der Musikant (neben Stücken von Grillparzer, Nestroy u. Billinger). Anlässlich seines Todes würdigte der Wiener Musikreferent des Völkischen Beobachters, Friedrich Bayer (1902-54, NSAP-Mitglied seit 1932), Bittner als „deutschen Romantiker“, während der auch als Komponist bekannte Carl Lafite (1872-1944) in einem Nachruf trotz unbestrittener tiefer Verankerung im „Wiener Boden“ vor allem das Überraschende, Unkonventionelle an Bittner hervorhob.

Weitere Werke

Hermann (1898), Alarich (1899); Général d’amour (Operette, 1926); Mondnacht (1928); Lied von den Bergen (1930, Konzertlied); J. Nestroy: Haus der Temperamente (Neueinrichtung durch J. Bauer, Musik: J. Bittner, 1932); Sonate für Violoncello (1934, Radioauff. 1935)

Quellen und Dokumente

Julius Bittner. In: https://www.musiklexikon.ac.at/ml/musik_B/Bittner_Julius.xml; W. Sinkovicz: Ein Spätromantiker und sein Vaterland. In: Die Presse, 27.3.2019; https://diepresse.com/home/kultur/klassik/5602343/Julius-Bittner_Ein-Spaetromantiker-und-sein-Vaterland, online-Ausgabe;

D.J. Bach: Die rote Gred. In: AZ, 11.4.1908, S. 1; E. Bienenfeld: Die rote Gred. In: NWJ, 11.4.1908, S.1-2; W. Nagl: Das höllisch Gold. Singspiel von Bittner. Uraufführung in Darmstadt. In: Signale für die musikalische Welt, Nr. 43/1916, S. 726-727; R. Specht: Das höllisch Gold. Darmstädter Uraufführung. In: Fremden-Blatt, 19.10.1916, S. 1-2; R. Kastner: Das höllisch Gold. In: Neues Wr. Tagblatt, 20.10.1916, S. 4-5;Bittner an Wiener Theaterdirektoren. In: Wiener Morgenzeitung, 6.4.1920, S. 3; J. Bittner: Das Recht auf Ruhe. Feuilleton. In: NFP, 3.9.1920, S.1-2; F. Scherber: Die Kohlhaymerin. In: Signale für die musikalische Welt, Nr. 16/1921, S. 429-430; J. Korngold: Staatsoper. Die Kohlhaymerin. In: NFP, 10.4.1921, S.1-4; N.N. Operettenprojekt Die arme Kaiserin. In: Die Stunde, 31.8.1923, S. 5; -r [Holzer]: Der liebe Augustin. Neuinszenierung. In: NFP, 7.9.1923, S.7; Plakat-Ankündigung: Die silberne Tänzerin. In: Österr. Buchhändler-Correspondenz, 1.2.1924, S.59; M. Graf: Das Rosengärtlein. In: Der Tag, 28.6.1924, S. 6; P. Stefan: Die Oper von Morgen. In: Die Bühne, H.57/1925, S. 6-7; M. Graf: Große Messe von J. Bittner. In: Der Tag, 6.2.1926, S. 4; J. Bittner: Proletarische Musikkultur. In: AZ, 22.6.1926, S.7; Schreiben der Genossenschaft dramatischer Schritsteller u. Komponisten an die Concordia betr. Schutzfristverlängerung. In: NFP, 9.2.1929, S.5-6; J. Reitler: Walzer aus Wien. In: NFP, 4.11.1930, S. 1-3; N.N.: Hofrat Julius Bittner. In: NWJ, 12.7.1936, S.24; Carl Lafite: Der Künstlermensch Julius Bittner. In: Neues Wr. Tagblatt, 22.3.1939, S.12.

(PHK)

geb. am 18.1.1871 in Wien – gest. am 10.7.1942 in New York; Schriftsteller, Essayist, Kritiker, Satiriker, Herausgeber, Übersetzer, Librettist, Schauspieler

Aus: Neues Wiener Journal, 30.9.1922, S. 3

B., Sohn aus einer kathol. bäuerlichen Familie, absolvierte das Stiftsgymn. Melk und studierte danach in Zürich u. Genf, wo er zum Dr. phil. promoviert wurde. In den späten 1890er Jahren stand er im Kontakt zu V. Adler, lebte 1898-1900 in den USA, anschießend kurz in Paris, ab 1901 in München und 1911-14 vorwiegend in Berlin. Seit 1903 war B. mit A. Gide in Kontakt, übersetzte mehrere seiner Werke u. baute ein Netzwerk zur mod. französ. Lit. auf. 1906-7 gab er die Zeitschr. Der Amethyst u. Die Opale heraus, Zss., die aufgr. ihrer erot. Themen u. Illustrationen, u.a. von Beardsley u. Kubin, „nur für Subscribenten“ erhältlich waren, Zss. in denen aber auch Texte wie R. Musils Törleß besprochen wurden. Seit 1908 mit M. Brod befreundet knüpft B. Kontakte zum sog. Prager Kreis u. veröffentl. in deren Zs. wie z.B. in Hyperion. Den Ersten Weltkr. verbrachte er bis 1916 im Kriegspressequartier, im Auskunftsbüro des Roten Kreuz u. ab 1917 als Sekr. des Kriegsspekulanten Josef Kranz, der die finanz. Mittel für Zs.-Projekte bereitstellte. Zugleich brachte B. in Berlin sein kontrovers aufgenommenes Lustspiel Logik des Herzens zur Aufführung (EA in Wien: 1919), war in der express. u. kriegskrit. Zs. Die Aktion vertreten u. veranstaltete literar. Matinees in Wien, über die u.a. A. Kuh berichtete. Aufgrund einer Rede vor der Roten Garde im Nov. 1918 wurde B. im Neuen 8-Uhr-Blatt als Gründungsmitglied derselben tituliert, woraufhin er eine Verleumdungsklage einbrachte. Gemeins. mit A. P. Gütersloh gab er die Zs. Die Rettung heraus, die sich unter dem anarch. Motto ›Es lebe der Kommunismus und die katholische Kirche‹ utopist. Zeitdiagnostik widmete. Blei zählte 1919 auch zu den Unterzeichnern einer Petition gegen die Hinrichtung von Ernst Toller aufgr. seiner Rolle in der Münchener Räterepublik u. war im August 1919 für die Ballettauff. d. Burgtheaters im Schlosstheater Belvedere mitverantwortlich, an denen u.a. G. Wiesenthal mitwirkte. 1920 folgten das Libretto für das von Hindemith vertonte, 1931 überarbeitete  Nusch-Nuschi. Spiel für burmanische Marionetten, ferner mehrere Novellenbände u. die dt. Übersetzung der Intimen Tagebücher von Ch. Baudelaire, womit sich B. als vielseitiger und medial hochpräsenter Autor positionieren konnte. Den endgültigen Durchbruch erlebte B. mit seiner satir. Autorenzeichnung Das große Bestiarium der deutschen Literatur (1923), das auszugsweise im Neuen Wiener Journal  bereits im Sept. 1922 erschien. In diesem veröffentl. B. regelmäßig Kurzprosa, ferner auch in der Zs. Die Muskete. 1923 erschien bei Rowohlt die Slg. Ganymed, die u.a. J. Urzidil hoch geschätzt hat. 1924 positionierte er sich in der von H. Eulenberg losgetretenen Debatte über die für Autoren nachteiligen Verlagsbedingungen gegen die Autoren, denen er Talentlosigkeit vorwarf. Im selben Jahr begann er wieder erfolgreich das Thema der Erotica zu bespielen, u.a. mit dem Bd. Der buntfarbige Eros, den E.E. Kisch aus der Flut zeitgenöss. Publ. als „Kunstwerk“ hervorhob. 1925 firmierte B. neben F. Th. Csokor, O. M. Fontana, E. Friedell, R. Musil, L. Perutz, H. Kelsen, H. Scheu-Riesz, A.v. Webern u.a. als Unterzeichner einer im Arbeiterwille (Graz), in der AZ u. im Tagblatt (Linz) veröff. Petition gegen die Unterdrückung der Arbeiterbewegung im faschist. Ungarn, übernahm die Hg. der renom. Berliner Wochen Zs. Der Roland, verf. Einleitungen zu Casanova-Memoiren. sowie einer Baudelaire-Werkauswahl. 1926 trat er mit Pamela Wedekind im Wiener Kabarett Pavillon auf, beteiligte sich an der Debatte Operette vs. Revue-Theater in der Zs. Die Bühne, zu der u.a. auch B. Balázs u. F. Salten Stellung bezogen, u. gab bei Rikola die Slg. Der persische Dekameron heraus. 1927 spielte B. im Film Die Königin von Schottland von L. Jessner, zu dem A. Kuh das Drehbuch mitverf. neben F. Kortner u.a. mit, u. veröffentl. den Bd. Glanz und Elend berühmter Frauen bei Rowohlt. Im Sept. 1927 kam auf der Prager Kleinen Bühne die von ihm übertr. Komödie Bunbury von O. Wilde zur Auff. 1928-32 wird B. als regelm. Mitarb. der Zs. Die Bühne fassbar, v.a. mit Beitr. über die Ehe, Liebe u. Erotica, z.B. mit den Texten Flirt oder Das Erotische. 1929 folgte in B.s. Übersetzung der vielbeachtete psycholog. Roman Der jungfräuliche Mann von M. Prévost. Im Folgejahr 1930 erschienen gleich mehrere Bücher, darunter Die göttliche Garbo, Formen der Liebe und Männer und Masken, 1932 der Bd. Gefährtinnen und eine Talleyrand-Biographie. 1932 emigrierte B. nach Mallorca, kehrte 1936 wieder nach Wien zurück, wo er nicht mehr Fuß fassen kann, übersiedelt 1937 nach Italien u. 1938 nach Fürsprache von J. Giradoux in die Nähe von Nizza. Über die American Guild erhält er im Nov. 1940 ein Affidavit für die USA, kann aber erst im Juni 1941 via Lissabon New York erreichen, wo er in Hotels und Studentenheimen dank Unterstützung H. Broch u. A. Kolb bis zu seinem Tod lebt.


Weitere Werke (Auswahl)

Der Geist des Rokoko (1924); Das Kuriositäten-Kabinett der Literatur (1924). Frauen und Abenteurer (1927); Ungewöhnliche Menschen und Schicksale (1929); Das Lesebuch der Marquise (1931), Etwas über Rokoko (1934), Zeitgenössische Bildnisse (1940), Das trojanische Pferd. Hg. von H. Mitterbauer (2022).

Quellen und Dokumente

Beiträge F. B.s: Das große Bestiarium der deutschen Literatur. Satirische Charakterbilder [Vorabdruck]. In: Neues Wiener Journal, 30.9.1922, S. 3, Das Geheimnis der Liebe. In: Die Bühne, 18.10.1928, S. 23, Flirt. In: Die Bühne, 25.10.1928, S. 42, Erotische Geschichten. In: Die Bühne, 15.11.1928, S. 52, “Das Erotische”. In: Die Bühne, 18.4.1929, S. 35.

N.N.: F. B. über das deutsche Theater [Vortrag in Leipzig]. In: Neues Wiener Journal, 6.10.1915, S. 8, Anton Kuh: Matinee an der “Neuen Wiener Bühne”. In: Der Morgen, 8.10.1917, S. 4, Johannes Urzidil: Eine Handvoll neuer Bücher [Rez. zu Ganymed]. In: Prager Tagblatt, 21.10.1923, S. 18, Egon Erwin Kisch: Über verbotene Bücher. In: Prager Tagblatt, 23.5.1925, S. 3, Fritz Rosenfeld: Filmbilderbücher [Rez. zu Die göttliche Garbo]. In: Arbeiter-Zeitung, 12.10.1930, S. 16, Walther Rode: Talleyrand und sein Plutarch. In: Prager Tagblatt, 3.11.1932, S. 3.

Literatur

E. Schönwiese: Franz Blei. Zwischen Orpheus und Don Juan.
(= Stiasny Bücherei 154, 1965); M. Hall: Der unbekannte Tausendsassa.
Franz Blei und der Etikettenschwindel 1918 [Online verfügbar],
Ders.: Franz Blei und der Etikettenschwindel. Ein
Ehrenbeleidigungsprozeß in der Umsturzzeit mit Adolf Loos als Zeugen.
In: Die Presse (Wien). Sa./So., 29. März 1981. Literaricum, S. V.; E.
Kiss: Franz Blei als Repräsentant der europ. Moderne. In: Trans 4/1999 [Online verfügbar], H. Mitterbauer: Die Netzwerke des Franz Blei. Kulturvermittlung im frühen 20. Jahrhundert. Tübingen-Basel 2003.

Joachim Kalka: Der Trüffelfisch [Rez. zur neuaufgelegten Autobiographie]. In: Der Spiegel, 28.9.2004.

Erinnerungen eines unbekannten Emigranten. In: Deutschlandfunk 2005; H. Walravens, A. Reinthal (Hgg.): F. Blei als Berater des Verlages Georg Müller. Wien: Verlag Akademie d. Wiss. 2016.

(PHK)

Geb. 25.6. 1881 in Nagybocskó (k.k. Österreich-Ungarn, heute Velykyj Byckiv, Ukraine), gest. 23.1.1973 in New York. Rabbiner, Publizist, Schriftsteller, Exilant.

Bloch kam 1914, nachdem er zuvor die Rabbinerschule in Stanislau (heute: Ivano Fankivs’k) absolviert hatte, nach Wien. 1915 war er in der k.k. Armee als Feldrabbiner tätig, danach, bis 1918 als Dolmetsch in Kriegsgefangenenlager in Ungarn. Von 1918 bis 1920 bekleidete er die Rabbinerstelle im Wiener Bezirk (damals Vorort) Liesing. Danach widmete er sich seinen jüdisch-kultur- und religionsgeschichtlichen Studien, insbesondere dem Chassidismus, der jüdischen Mystik und dem Jüdisch-Jiddischen Humor, aber auch der Bedeutung der deutschen Literatur für das Ostjudentum. In rascher Folge erschienen Schriften wie z.B. Vom Geist des Ostens, polnischer Judenhumor, sodann Israel der Gotteskämpfer, der Baalschem von Chelm und sein Golem. Ein ostjüdisches Legendenbuch, Der Prager Golem von seiner „Geburt“ bis zu seinem „Tod“ und Ostjüdischer Humor (alle Berlin 1920), gefolgt von Hersch Ostropoler: Ein jüdischer Till-Eulenspiegel. Seine Geschichten und Streiche (1921) sowie Kabbalistische Sagen, Legenden über den Rabbi Lurjah (1925, Neuausgabe 2001), welche Bloch als unbestrittene Autorität des Kabbalismus und Chassidismus durchsetzten. 1923-24 befand sich Bloch zwecks Studien der ostjüdischen Gemeinden der USA ebendort, v.a. in New York. Das Ergebnis schlug sich im Buch Das jüdische Amerika. Wahrnehmungen und Betrachtungen (Wien 1926) nieder. Zurück in Wien veröffentlichte Bloch vorwiegend im Neuen Wiener Journal, aber auch in der Frankfurter Zeitung. Im NWJ klärte er im Juni 1931 auch Details zur jüdischen Familiengeschichte des damals bei den Nazis andockenden Schriftstellers Arnolt Bronnen (5.6.1931, S.8) und veröffentlichte als Ein Blatt des Gedenkens Teile seines am offenen Grab gehaltenen Nachrufs auf Hermann Menkes.

Materialien und Quellen:

Eintrag von E. Adunka im ÖBL.

Besprechung des Buches Das jüdische Volk in der Anekdote. In: Der Tag, 4.1.1931, S.7;

(PHK, in preparation)

Geb. 20.11.1850 in Dukla (Galizien, Ks. Österreich, heute Polen), gest. 1.10. 1923 in Wien. Herausgeber, Publizist, Rabbiner, Religionsphilosoph, Reichratsabgeordneter (1883-1895)

Materialien und Quellen:

Eintrag in Enc. Britannica; Eintrag von I. Singer, W. Reich in Jewish Encyclopedia;

G. Jordan: Rabbiner J. S. Bloch und Floridsdorf: hier. Der Wiener Antisemitismus-Streit. Die Auseinandersetzung zwischen dem Rabbiner J.S. Bloch und dem Theologen A. Rohlin: hier; Ian Reifowitz: J. S. Bloch and the Search for a Supraethnic Austrian Identity 1846-1918. Cambridge 2003.

(PHK, in preparation)

Geb. 1888 in Brünn (heute Brno, Tschechische Republik), gest. 16.5. 1959 in Mexiko-Stadt. Filmeditor, Kameramann, Regisseur, Schauspieler, Exilant.

Materialien und Quellen:

Eintrag (unvollst.) bei: filmportal.de;

(PHK, in preparation)

geb. 27.11.1904 Czernowitz – gest. 04.05.1971 Guangzhon (China)

Schriftstellerin, Autorin

1904 in Czernowitz in eine großbürgerliche Familie geboren, zog Blum mit ihrer Mutter 1913 nach Wien, wo sie fortan in ärmlichen Verhältnissen lebte. Der Kontakt mit dem ungeliebten Vater, einem Großgrundbesitzer und Abgeordnetem zum galizischen Landtag, brach ab. Ihr 1923 begonnenes Studium der Psychologie und Literatur beendete Blum aus finanziellen Gründen nicht; stattdessen arbeitete sie als Hauslehrerin, um das Leben für sich und ihre psychisch kranke Mutter zu bestreiten. In dieser Zeit veröffentlichte sie erste Gedichte und Erzählungen, so etwa in der jüdischen Wiener Morgenzeitung, der Czernowitzer Ostjüdischen Zeitung und in der zionistischen Zeitschrift Menorah. Blum, die sich nun immer stärker mit dem Judentum identifizierte, widmete sich in ihren Werken jüdischen Fragen im Allgemeinen und der ostjüdischen Lebensart im Besonderen. Die unter Juden weitverbreiteten Assimilations-bestrebungen lehnte sie strikt ab, etwa im Beitrag Die Tochter Zions für die Ostjüdische Zeitung (9.10.1924, S. 2f.). Sie engagierte sich zudem für die Emanzipation der Frau, deren gesellschaftliche Unterdrückung sie mit jener des jüdischen Volkes in Beziehung setzte.

Als überzeugte Zionistin reiste Blum 1929 nach Palästina mit dem Ziel, sich dort in der Nähe ihres Halbbruders eine neue Existenz aufzubauen. Sie kehrte jedoch bereits nach wenigen Monaten enttäuscht nach Wien zurück, wo sie endgültig mit der zionistischen Bewegung brach und der Sozialdemokratischen Partei beitrat. Wesentlichen Einfluss auf diese Entscheidung dürfte die noch aus ihrer Studienzeit bestehende Bekanntschaft mit Alfred Adler und dessen Umfeld gehabt haben, die Fragen der Gleichberechtigung von Mann und Frau durchwegs positiv gegenüberstanden. Blum verfasste in der Folge Artikel für die Arbeiterzeitung und die Arbeiterinnen-Zeitung, die sich mit Geschlechter-, Frauen- und Erziehungsfragen beschäftigten, aber auch Lyrik, die „in wohlgefeilten, ebenmäßig fließenden Versen […] von den Sorgen und offenen Fragen des Gegenwartsmenschen“ handelte (AZ, 9.2.1932, S. 8). Darüber hinaus trat sie als politische Rednerin in Erscheinung.  Blum befasste sich ebenso mit den Ansätzen der Individualpsychologinnen Sophie Lazarsfeld und Alice Rühle-Gerstel, die sich vehement für Frauenrechte engagierten.

1933 wurde Blum Mitglied der Vereinigung sozialistischer Schriftsteller. Zur selben Zeit kam es allerdings zu einer zunehmenden Entfremdung mit der Sozialdemokratie, die noch im selben Jahr zu ihrem Parteiaustritt führte.

Mit ihrem Antikriegs-Gedicht Ballade vom Gehorsam errang Blum 1934 im Rahmen des Literaturpreises der Internationalen Vereinigung Revolutionärer Schriftsteller den zweiten Platz, mit dem eine zweimonatige Studienreise in die Sowjetunion verbunden war. Sie blieb in der Folge in Moskau, wo sie als Übersetzerin und Lehrerin für Deutsch und Französisch arbeitete und zudem als Redakteurin verschiedener Literaturzeitschriften, u. a. Das Wort und Internationale Literatur, tätig war, u. a. auch mit Literaturkritik, z.B. zu I. Keun. Daneben veröffentlichte sie erste Gedichtbände.

Als Mitarbeiterin der Internationalen Arbeiterhilfe lernte sie den in Moskau untergetauchten chinesischen Schauspieler und Theaterregisseur Zhu Xiangcheng kennen, mit dem sie eine Liebesbeziehung einging. Als er nach wenigen Monaten verschwand, ging Blum als überzeugte Kommunistin davon aus, er sei von der Partei im Rahmen einer Geheimmission zurück nach China berufen worden. Tatsächlich war Zhu jedoch einer der Stalinistischen Säuberungswellen zum Opfer gefallen. Blum machte es sich in den folgenden Jahren zum Lebensinhalt, nach ihrem Freund zu suchen. Als ihr nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs die Ausreise aus der Sowjetunion erlaubt wurde, reiste sie mittellos und über zahlreiche Umwege nach China, wo sie sich – nach wie vor davon überzeugt, ihren Geliebten dort zu finden – dauerhaft niederließ. 1952 wurde sie zur Professorin für deutsche Sprache und Literatur an die Universität von Nanjing berufen, zwei Jahre später erhielt sie die chinesische Staatsbürgerschaft und nahm den Namen Zhu Bailan an.

In China verfasste sie, von der Exilerfahrung geprägt, zahlreiche Werke in deutscher Sprache, so z. B. den über weite Strecken autobiografischen Roman Der Hirte und die Weberin, in welchem sie ihre Beziehung mit Zhu aufarbeitete und der in der DDR publiziert wurde. Für die Zeitschrift Die Rote Fahne schrieb sie in den 1960er Jahren einige Artikel. Blum, die nicht mehr nach Österreich zurückkehrte, starb 1971 in Guangzhou in der Provinz Guangdon (ehemals Kanton).

Werke (Auswahl)

Die Antwort (1939); Wir entscheiden alles (1941); Donauballaden (1942); Schlachtfeld und Erdball (1944); Das Lied von Hongkong (1959); Der weite Weg (1960).

Literatur

K. Blum, Irmgard Keun. In: Internationale Literatur. Deutsche Blätter 9 (1939), H.6, 118-120; Thomas Lange, Emigration nach China: Wie aus Clara Blum Dshu Bailan wurde. In: Exilforschung. Ein internat. Jahrbuch, Bd. 3, 1985, 339-348; Clara Kenner, Der zerrissene Himmel. Emigration und Exil der Wiener Individualpsychologie, Göttingen 2007;  Zhidong Yang, Klara Blum – Zhu Bailan. Leben und Werk einer österreichisch-chinesischen Schriftstellerin, Frankfurt/M.1996; Zhidong Yang, Klara Blum. Kommentierte Auswahledition, Wien, Köln, Weimar 2001. Siglinde Bolbecher, „Vom Kinderblick der Zukunft überstrahlt…“ Die Dichterin Klara Blum. In: Cécile Cordon, Helmut Kusdat (Hg.): An der Zeiten Ränder. Czernowitz und die Bukowina. Geschichte. Literatur. Verfolgung. Exil. Wien 2002, 295-300; Adrian Hsia: China-Bilder in der europäischen Literatur. Würzburg 2010, 154-170; Klara Blum. In: Lexikon Exilliteratur [Online verfügbar].

Quellen und Dokumente

Klara Blum, Die Lieder des roten Palästina. In: AZ, 28.2.1930, S. 5; Klara Blum, Verständigung. In: AZ, 9.3.1930, S. 18; Klara Blum, Die Frauen und die bürgerliche Revolution. In: AZ,1.8.1931, S.11f; Werke gegen Krieg und Fascismus. In:  AZ,7.12.1933, S. 4; Klara Blum, Das Problem der Pubertätserziehung. Grundsätzliche Betrachtungen zum Film „Mädchen in Uniform“. In: AZ,1.2.1932, S. 3; Klara Blum, Revolutionierte Pädagogik. In: AZ, 7.12.1931, S. 3; Klara Blum, Frauen auf der Brücke. In: AZ, 30.5.1932, S. 3; Sozialistische Jugenddichter. In: AZ, 9.2.1932, S. 8; Klara Blum, Sind die Frauen reaktionär? In: AZ,5.12.1933, S. 6.

(MK)

Geb. 5.9. 1872 in Wien, gest. 12.8. 1940 in Wien.

Feuilletonistin, Schriftstellerin, Redakteurin.

Seit 1900 trat Bock mit feuilletonistischen Texten in Zeitungen wie dem in Olmütz/Olomouc erschienenen Mährischen Tagblatt (MTBl.) als Autorin in die Öffentlichkeit; ferner wurde ihre Novelle Entsagung im Zuge des Preisausschreibens des (Wiener) Interessanten Blattes im Juni 1900 mit einer Erwähnung bedacht. Ende 1902, im selben Jahr heiratete sie den deutschen Schriftsteller Theodor F. Bock, legte sie ihren ersten Roman Die Bernhardmädel vor, der im Wiener Theatermilieu spielt und die Entwicklung von drei Töchtern durch dieses Milieu als vorgezeichnete wie mit ambivalenten Klischees beschwerte darlegte. 1903 debütierte sie im Neuen Wiener Journal (NWJ) mit dem Feuilleton Das Ende, seit November 1903 (bis April 1904) erschien ihr Roman Der Heimweg in der Unterhaltungsbeilage der Wiener Frauen-Zeitung, der 1908 in Buchform veröffentlicht wurde. 1907 kam ihr Einakter Der Dieb auf der Raimundbühne zur Aufführung, das MTBl brachte u.a. eine Großstadterzählung unter dem Titel Jetzt bin ich dein, und ab 1909 druckte auch Die Muskete die bündige Erzählung Annas Erben von ihr ab, der 1914 nochmals in der Zeit erschien. 1913 kam schließlich ihr Roman Schiffbruch im Hafen im NWJ als Fortsetzungsroman zum Abdruck, womit Ida Bock eine anerkannte Stellung im feuilletonistisch-literarischen Spektrum für sich reklamieren durfte. Während des Weltkrieges veröffentlichte sie nur gelegentlich und dann eher unverfängliche Texte. Ab Mitte/Ende 1918 lieferte sie vorwiegend für die Wiener Landwirtschaftliche Zeitung sowie für das bei Ullstein erscheinende Blatt der Hausfrau, deren Wiener Redakteurin sie ab 1919 war, Ratgeber-Texte zu alltagspraktischen Fragen, die sich nur gelegentlich, z.B. in den Beiträgen für das NWJ, wie etwa im Feuilleton „Noch“, mit den drückenden alltags(sozial)politischen berührten.

Weitere Werke (Auswahl)

Sehnsucht (Einakterzyklus, 1904); Vor Torschluß (Roman, 1904); Am Glück fast vorüber (Roman, 1906); Der Fall Deinhardstein (Roman, 1909); Schuld (Roman, 1912); Das Licht der Finsternis (Roman, 1917); Armer Peter (Roman, 1920); Regisseur Zufall (Roman, 1924); Gespenster (1925)

(PHK/in Vorbereitung)

geb. am 3.2.1890 in Wien – gest. am 10.11.1959 in Sydney; Tänzerin, Choreografin, Tanzlehrerin und Wegbereiterin des Ausdruckstanzes.

Die Tochter jüdischer Eltern (Theodor und Maria Bondi) wurde von ihrer Gouvernante zu Hause unterrichtet und verfolgte bereits in jungen Jahren ihre Tanzkarriere. Von 1905 bis 1910 erhielt B. klassischen Ballettunterricht bei Carl Godlewski. Inspiriert von Isadora Duncan und Ruth Saint Denis entwickelte sie ab 1910 einen neuen Tanzstil. 1917 entschied sie sich für den Künstlernamen Bodenwieser. Am 8. April 1917 hatte sie ihren ersten Soloauftritt im Mozarthaus in Salzburg, an das sie auch in den Folgejahren zurückkehrte. Im Mai 1919 folgte ein Auftritt im Wiener Konzerthaus, von dem sich Publikum und Kritiker begeistert zeigten. Ein Kennzeichen ihrer als Tanzgrotesken firmierenden Darbietungen war u.a. der Versuch, durch den Tanz einen Bezug zur modernen, d.h. expressionistischen und kubistischen Kunst bzw. Malerei herzustellen, so in einem Bericht über ihren Auftritt in den Kammerspielen bei Max Reinhardt in Berlin im Mai 1920 (NFP,10.5.1920, S. 4). Im Juni 1920 heiratete B. den ebenfalls aus einer jüdischen Familie stammenden Theaterregisseur Friedrich Rosenthal. Als Lehrerin für Mimik und Tanz war B. von 1921 bis 1938 an der Musikakademie in Wien tätig, von 1922 bis 1939 führte sie eine eigene Tanzschule im Wiener Konzerthaus.­

Wer will Frau Wahrheit beherbergen? (Hans Sachs)
Aus: Die Bühne, H. 281 (1930), S. 3.

Mit ihren Arbeiten trat B. alleine und mit ihrer Tanzgruppe in (Stumm)Filmvorführungen, z.B. 1922 als Einbegleitung zum Monumentalfilm Das indische Grabmal, in Theaterstücken und in Bewegungschoreographien sowie in Sprechtheater-Inszenierungen auf, u.a in Franziska 1924, Der brennende Dornbusch (nach Oskar Kokoschka, 1926), Das Mirakel 1927, Die Masken Luzifers 1936. G. B. begleitete ihre Tanzkreationen oft mit programmatischen Reflexionen, die in Zeitschriften wie Die Bühne ab 1925 regelmäßig zum Abdruck kamen, sichtbar z.B im Beitrag Der Tanz des eigenen Ich (1925). Zudem organisierte B. Ensembletourneen durch Europa, 1934 sogar nach Japan. Die Tanzgruppe Bodenwieser (1923-1938) begründete in summa einen eigenen Tanzstil, der maschinelle Bewegungen in künstlerische Form zu übertragen versuchte (Dämon Maschine 1924). Im Rahmen der Schubert-Zentenarfeier 1928 wirkte G.B. mit ihrem Ensemble gemeinsam mit anderen (z.B. Grete Groß, Valerie Katinka) maßgeblich an den Tanzvorführungen mit bis zu 150 Mitwirkenden vor dem Rathaus mit. Auch am Tanzprogramm der Wiener Festwochen 1930-35 war G.B., meist in Kooperation mit G. Groß, nahezu durchgehend vertreten. 1930 choreographierte sie ein Tanzfestspiel nach dem Text Wer will Frau Wahrheit beherbergen? von Hans Sachs im Großen Konzerthaussaal, das auf großen Anklang stieß. 1931 nahm sie mit ihrer Gruppe als Vertreterin Österreichs an der Internationalen Olympiade des weiblichen Sports und des künstlerischen Tanzes in Florenz teil. 1932 unterrichtete sie am Reinhardt Seminar und gab imNovember desselben Jahres ein Gastspiel in Paris. Ab 1933 verschlechterte sich auch in Wien – trotz der Feiern zum 25-jährigen Bestehen des Wiener Kunsttanzes (s. Radio Wien, 10.2.1933, S. 30) – die Arbeitsbedingungen für Tänzerinnen und Tänzer. 1938 emigrierte B. über Kolumbien nach Neuseeland und schließlich nach Australien, wo sie bis zu ihrem Tod lebte. Maßgeblich an der Entwicklung des modernen Balletts in Australien beteiligt, wirkte B. auch dort als einflussreiche Künstlerin und Lehrerin.


Quellen und Dokumente

Gertrud Bodenwieser: Vom wahrhaft neuen Tanz. In: ModerneWelt, Jg. 3 (1922), S. 11.

F.: Das indische Grabmal. In: Die Neue Zeitung, 28.2.1922, S. 4; E. K.: Die Wiener „Franziska“ in Berlin. In: Die Bühne, H. 24 (1925), S. 5; Dr. F. L.: Bodenwieser Kokoschka Strawinsky. In: Die Bühne, H. 69 (1926), S. 9; Dr. M.: Theater und Kunst. Raimundtheater. In: Der Humorist, 24.9.1925, S. 2; Paul Stefan: Händels „Julius Cäsar“ ander Musikakademie. In: Die Bühne, H. 83 (1926), S. 4; Theater- und Kunstnachrichten. In: Neue Freie Presse, 10.05.1920, S. 4; Theater und Kunst. Tanzabend Fräulein Gertrude Bodenwieser. In: Salzburger Chronik für Stadt und Land, 7.4.1917, S. 5; Theater, Kunst undLiteratur. In: Salzburger Wacht, 7.10.1920, S. 5; Der Tanz des eigenen Ich. Gertrud Bodenwieser und ihre Schule. In: Die Bühne, H. 17 (1925), S. 34f; Das Künstlerfest der Hochschule für Musik und darstellende Kunst. In: Die Bühne, H. 21 (1925), S. 29; Die Redoute der „Bühne“. In: Die Bühne, H. 60 (1925), S. 5; Die Revolte der Bühne. In: Die Bühne, H. 61 (1926), S. 33. Neun Wienerinnen tanzen in Florenz. In: Neues Wiener Journal, 14.6.1921, S. 12; Gertrud Bodenwieser spricht amDonnerstag, 16. Februar, über den Wiener Kunsttanz. In: Radio Wien, 10.2.1933, S. 28.

Literatur

Marie Cuckson/H. Reitterer: Bodenwieser, Gertrud (1890-1959). In: Australian Dictionary of Biography online; Andrea Harrandt: Bodenwieser (eig.Bondi), Gertrud. In: Oesterreichisches Musiklexikon online; Marina Sassenberg: Gertrud Bodenwieser. In: Jewish Women’sArchive online; Dance Notation Bureau’s (DNB): Demon Machine (1923)by Gertrude Bodenwieser, Tanzvideo online verfügbar.

(MP/PHK)