siehe: Ausstattungs-Revue bzw. Politisches Kabarett

Gegründet 1920 durch Richard Kola.

Dazu grundlegend: Murray G. Hall: Österreichische Verlagsgeschichte. Online verfügbar: hier.

(Red.)

Die R. G. war eine in Anlehnung an die bewaffneten bolschewistischen Arbeiterverbände der russischen Oktoberrevolution geschaffene Gruppierung. Ideell und größtenteils auch personell knüpfte sie an den illegalen Arbeiterrat des Jahreswechsels 1917/18, der von den Linksradikalen um Franz Koritschoner, Johannes Wertheim und Leo Rothziegel getragen wurde, an. Nachdem die Streikführer am 30. Oktober 1918 aus der Untersuchungshaft entlassen worden waren, verfasste Rothziegel ein Flugblatt mit einer Auflage von 6.000 Stück, das gemeinsam mit der Werbung Egon Erwin Kischs, seit Herbst 1917 im linksradikalen Milieu aktiv, und des Korporals Haller (d.i. Bernhard Förster) zu einem Gründungstreffen am 1.11. 1918 vor dem Wiener Deutschmeisterdenkmal mit 2.000 Teilnehmern führte. In den ersten Tagen agierten auch Franz Blei, Albert Paris Gütersloh, Franz Werfel sowie – weniger öffentlichkeitswirksam – Leo Perutz und Robert Neumann im Umfeld der R.G., traten ihr allerdings nicht bei. Werfel, der in Barbara oder die Frömmigkeit (1929) literarisch daran erinnerte, fungierte am 3.11. als Redner und stand der Bewegung bis Ende Jänner 1919 nahe.

Aus: Neues Acht-Uhr-Blatt, 16.11.1918, S. 1

Julius Deutsch, Unterstaatssekretär für das Heerwesen, integrierte die R. G. nach Verhandlungen mit Rothziegel in die Volkswehr, brachte sie in der Stiftskaserne unter, verhinderte ein geplantes Eindringen bei der kaiserlichen Familie in Schönbrunn und schleuste zusehends sozialdemokratische Vertrauensleute ein. Am 12.11. 1918 kam es zu zwei Eklats: Bei der Ausrufung der Republik rissen Rotgardisten zunächst den weißen Teil aus der österreichischen Fahne und ließen so die rote Fahne vor dem Parlament wehen, in nachfolgenden Tumulten kam es zu Gewaltakten mit zwei Todesopfern. Während Kisch entgegen gängiger Anekdoten den Großteil der Rotgardisten zurück in die Stiftskaserne führte, drangen dann einige, darunter Elfriede Eisler-Friedländer (später bekannt als Ruth Fischer), in die Redaktion der Neuen Freien Presse ein und erwirkten den Druck zweier Flugblätter.

Bereits am 11.12. hatte Deutsch Josef Frey, zuvor Redakteur der Arbeiter-Zeitung, später umstrittener KP-Spitzenfunktionär und Trotzkist, anstelle Kischs als Kommandant installiert. Ihm wurde bei der Vollversammlung am 21.11., bei der Friedrich Adler erstmals seit der Haftentlassung öffentlich auftrat, das Vertrauen ausgesprochen, Kisch zugleich aber zum Vorsitzenden des Soldatenrates gewählt. Die Spannungen entluden sich, als die Rotgardisten aus Angst vor einer Rückkehr des Kaisers die Angelobung der Volkswehr auf „den freien Staat Deutschösterreich“ verweigerten. Es kam zur Spaltung in das Volkswehrbataillon (VB) 40 unter der Leitung Freys sowie dem vierhundertköpfigen kommunistischen VB 41 sowie zum Auszug aus der Stiftskaserne. In der Folge verlor die R. G., deren Mitglieder auf die Kommunistische Internationale vereidigt wurden, mit dem Ausscheiden Kischs und dem Tod Rothziegels im Frühjahr 1919 an publizistischer wie militärisch-politischer Bedeutung und wurde Ende August 1919 vom Vollzugsausschuss der Soldatenräte aufgelöst.

Mit Der freie Arbeiter besaß die R. G. und später die Föderation revolutionärer Sozialisten „Internationale“ (FRSI, Ende Mai 1919 in der KPÖ aufgegangene Gruppierung) seit 9.11.1918 eine von Hilde Wertheim geleitete Zeitschrift, die ab zweiter Ausgabe mit der von Kisch gestalteten Beilage Rote Garde erschien. Ihr gegenüber stand innerhalb der Bewegung die von Russlandheimkehrern lancierte Zs. Der Rote Soldat. Rotgardisten traten auch bei den wohl von Blei, Josef Kranz und Gina Kaus initiierten Störaktionen bei Hugo Wittmanns und Julius Bauers Operette Der Kongreß tanzt Anfang Dezember 1918 im Wiener Stadttheater in Erscheinung.

Aus: Die Rote Fahne, 11.11.1928, S. 7

Quellen und Dokumente

Berichte und Stellungnahmen Egon Erwin Kischs: (Gef.) Kisch: Eine Erklärung des Kommandos der Roten Garde. In: Neues Wiener Tagblatt, 13.11.1918, S. 6, Die Mobilmachung der Roten Garde. In: Der Freie Arbeiter, Beilage “Die Rote Garde”, 16.11.1918, S. 13, Angst, Rote Garde und die Presse. In: Ebd., 23.11.1918, S. 21f., Die Rote Garde und die Parteien. In: Ebd., 30.11.1918, S. 29f., Hauptmann Frey – ein Gendarm? In: Die Rote Fahne, 30.8.1919, S. 3, Die Rote Garde. In: Die Rote Fahne, 11.11.1928, S. 7.

Berichte zur Gründung und Entwicklung der R. G. Nov./Dez. 1918: Egon Dietrichstein: Bei der Roten Garde. In der Stiftskaserne. In: Neues Wiener Journal, 12.11.1918, S. 5, N.N.: Die Rote Garde im Redaktionsgebäude der „Neuen Freien Presse“. In: Neue Freie Presse, 13.11.1918, S. 1, Egon Dietrichstein: Der Kommandant der Roten Garde. Ein Porträt. In: Neues Wiener Journal, 15.11.1918, S. 5, Georg Bittner: Die Wiener „Rote Garde“. Eine Gründung der Prager Kaffeehausliteraten. In: Neues Acht-Uhr-Blatt, 16.11.1918, S. 1f, G. F.: Friedrich Adler über die kommunistische Partei. In: Der Weckruf, 28.11.1918, S. 2f., N.N.: Wieder ein Theaterskandal. Eine Prügelei im Stadttheater. In: Reichspost, 4.12.1918, S. 5, N.N.: Der Kampf gegen den Operettengeist. In: Arbeiter-Zeitung, 5.12.1918, S. 7, N.N.: Ein Journalistenprozess. In: Reichspost, 30.3.1919, S. 11f.

Berichte zur Auflösung der R. G.: N.N.: Der Abbau der Revolution! Auflösung der „Roten Garde“. In: Die Rote Fahne, 28.8.1919, S. 1, N.N.: Die Auflösung des Volkswehrbataillons 41. In: Arbeiter-Zeitung, 28.8.1919, S. 4, N.N.: Der letzte Tag der „Roten Garde“. In: Reichspost, 28.8.1919, S. 5.

Weitere Berichte: Karl Kraus: Nachruf. In: Die Fackel 20 (1919), H. 501-507, S. 76, Franz Koritschoner: Der Zusammenbruch. In: Die Rote Fahne, 4.11.1928, S. 6, Julius Deutsch: Aus Österreichs Revolution. Militärpolitische Erinnerungen. Wien: Wiener Volksbuchhandlung 1921; Peter Waller: Bei der Wiener Roten Garde. (1923)

Literatur (Auswahl)

Ernst Fischer: Expressionismus – Aktivismus – Revolution. Die österreichischen Schriftsteller zwischen Geistpolitik und Roter Garde. In: Klaus Amann, Armin A. Wallas (Hg.): Expressionismus in Österreich. Die Literatur und die Künste (1994) 19-48; Hans Hautmann: Die Anfänge der linksradikalen Bewegung und der Kommunistischen Partei Deutschösterreichs 1916-1919 (1970), H.H.: Franz Werfel, „Barbara oder die Frömmigkeit“ und die Revolution in Wien 1918. In: Österreich in Geschichte und Literatur 15 (1971), H. 8, 469-479; Marcus G. Patka: Egon Erwin Kisch. Stationen im Leben eines streitbaren Autors. (1997) S. 43ff, Norbert Christian Wolf: Revolution in Wien. Die literarische Intelligenz im politischen Umbruch 1918/19 (2018), Guido Zamis: Kisch und die Rote Garde. In: Fritz Hofmann (Hg.): Servus, Kisch! Erinnerungen, Rezensionen, Anekdoten (1985), 208-233.

(ME)

Sachgüter und Waren, die im Besitz der k.u.k. Heeresverwaltung waren und die 1919f. zur Verwertung anstanden, wobei sowohl die präzisen Besitzstände als auch die Verwertbarkeit dieser Güter und Waren (z.B. Gasmasken) zur Unterstützung des Wiederaufbaus der österr. Wirtschaft höchst unterschiedlich bewertet und Gegenstand tagespolitischer Polemiken wurde.

Materialien und Quellen:

N.N.: Die Sachdemobilisierung. (= krit. Bewertung des Güterbestandes). In: WMZ, 23.5.1919, S. 7.

(in preparation)

(in Vorbereitung)

Work in progress

Das 10. Deutsche Sängerbundfest fand zwischen 19. und 23. Juli 1928 in Wien statt. Es gilt als eines der größten und zugleich umstrittensten, weil es mit einer massiven Anschlusspropaganda-Kundgebung verknüpft war, die von Teilen der Presse und der politischen Parteien (Großdeutsche, Landbund, Christlichsoziale Partei) aktiv mitgetragen, von Teilen der Sozialdemokratie stillschweigend geduldet oder mitunterstützt wurde, etwa vom Co-Veranstalter, der Gemeinde Wien und dessen Bürgermeister K. Seitz. Aufsehen erregte u.a. die Festrede des Vorsitzenden Friedrich List, die von Teilen der Auslandspresse, insbes. der französischen, irritiert aufgenommen wurde.

Materialien und Quellen:

N.N. [Leitartikel]: Die Anschlußkundgebung in der Sängerhalle. Ansprache des Obmanns des Deutschen Sängerbundes. In: Neues Wiener Tagblatt, 22.7. 1928, S. 1 (in der Glosse: Dank und Gruß, S.1-2 findet sich der Kommentar zu den französischen Protesten).

Thomas Hofmann: Früher Gesang deutscher Einigkeit. In: Wiener Zeitung, 22.7. 2018;

(PHK, in preparation)

1910 von Alexander Joseph „Sascha“ Graf Kolowrat-Krakowsky in Pfraumberg/Přimda (heute Tschechien) gegründet, entwickelte sich die Sascha-Film zur größten Filmfabrik Österreich-Ungarns bzw. der Ersten Republik. 

Kolowrat-Krakowsky, der dem böhmischen Adel entstammte und ein beträchtliches Vermögen geerbt hatte, spezialisierte sein Unternehmen zunächst auf die Produktion von Dokumentationen, Naturaufnahmen und Sportberichten. Nach seinem 1912 erfolgten Umzug nach Wien und der damit verbundenen Neugründung der Sascha-Film begann er mit der Produktion von Spielfilmen: Mit Kaiser Joseph II. entstand der erste historische Spielfilm Österreichs, 1913 folgte mit der Verwechslungskomödie Der Millionenonkel mit Alexander Girardi in der Hauptrolle der endgültige Durchbruch in der stark unter französischem Einfluss stehenden österreichischen Film- und Kinoszene. Der unter der Regie von Hubert Marischka gedrehte Film, der sowohl künstlerisch als auch finanziell äußerst erfolgreich war, erregte international Aufsehen und gilt als „Standardwerk der Stummfilmzeit“ (Zglinicki, S. 533).

Anders als der ebenfalls seit 1910 bestehende Mitbewerber auf dem heimischen Filmmarkt, die Wiener Kunstfilm, war die Sascha-Film durch ihren wohlhabenden Besitzer mit genügend Kapital ausgestattet, um auch finanzielle Misserfolge verkraften zu können. Ihre daraus resultierende höhere Risikobereitschaft geriet ihr besonders seit dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges, der die ausländische (vornehmlich französische) Konkurrenz vom österreichischen Filmmarkt vertrieben hatte, zum Vorteil und verhalf ihr bei der sukzessiven Expansion. Die Tätigkeit der Sascha-Film verlagerte sich ab Ende 1914 schwerpunktmäßig auf die Produktion von Wochenschau-Berichten („Sascha-Kriegswochenbericht“) und Propagandafilmen wie Wien im Krieg (1916), die in enger Abstimmung mit dem k.u.k. Kriegspressequartier entstanden und den Zweck verfolgten, die Kampf- und Siegesmoral der Bevölkerung positiv zu beeinflussen. Zeitgleich wurden auf den Gründen des Café Mirabell in Wien-Sievering die Sascha-Filmateliers erbaut, die 1916 eröffnet wurden.

Ebenfalls 1916 schloss sich Kolowrat-Krakowsky mit dem deutschen Filmpionier Oskar Meßter zusammen und gründete als gemeinsame Tochterfirma der Sascha-Film und der Meßter-Film die „Oesterreichisch-ungarische Sascha-Meßter-Film Gesellschaft m.b.H.“, die in den folgenden zwei Jahren die deutsche und österreichische Filmproduktion dominierte. Einer der erfolgreichsten Filme, der aus dieser Zusammenarbeit hervorging, war Die Trauerfeierlichkeiten für Weiland Sr. Majestät Kaiser Franz Joseph, von dem innerhalb dreier Tage 255 Kopien angefertigt und in alle Teile der Monarchie sowie ins Ausland expediert wurden.

Mit der Übernahme der Meßter-Film durch die 1917 für propagandistische Zwecke gegründete deutsche Universum Film AG, kurz UFA, kam dieselbe auch in den Besitz von Anteilen an der Sascha-Film, die ihrerseits nun mit dem Filmverleiher und –produzenten Philipp & Pressburger fusionierte und zur Sascha-Filmindustrie-AG umgewandelt wurde. 

Nach dem Ende des Ersten Weltkrieges und dem Zerfall der Habsburgermonarchie, der auch für die österreichische Filmindustrie eine weitreichende Zäsur bedeutete, sorgte Kolowrat-Krakoswky für eine Neuausrichtung der Sascha-Film, die sich nun dem Dreh von Monumentalfilmen zuwandte. 1922 produzierte man mit dem dreistündigen Epos Sodom und Gomorrha „den aufwendigsten Film, der je in Österreich gedreht werden sollte.“ (Winkler, S. 15). Im selben Jahr entstand auch Samson und Delila mit Maria Corda in der Hauptrolle sowie 1924 der Film Die Sklavenkönigin, für den 5.000 Statisten zum Einsatz kamen. Unter der Regie von Mihail Kertesz – der 1942 unter dem Namen Michael Curtiz Casablanca produzieren sollte – verfilmte die Sascha-Film zudem 1923 Arthur Schnitzlers Der junge Medardus.

Im Gegensatz zum Großteil der österreichischen Filmfirmen, die aufgrund der krisenhaften Wirtschaftsentwicklung zwischen 1923 und 1925 ihre Betriebe stilllegen mussten, blieb die Sascha-Film weiterhin erfolgreich: Kolowrat-Krakowsky besetzte die Hauptrollen von Café Elektric (1927) mit den bisher beinahe unbekannten Jungschauspielern Willi Forst und Marlene Dietrich, verstarb aber kurz nach der Premiere nach längerer Krankheit.

Der Tod Kolowrat-Krakowskys und das Aufkommen des Tonfilms brachten das Unternehmen in schwere Turbulenzen, die 1930 in einem Ausgleich und zwei Jahre später in eine Übernahme durch die Pilzer-Gruppe mündeten; neuer Präsident wurde Oskar Pilzer. Mit dem 1933 erfolgten Einstieg der Tobis-Tonbild-Syndikat-AG wurde die bisherige Sascha-Film zur Tobis-Sascha-Filmindustrie AG, die als letzte Produktion einen Klassiker des sog. Wiener Films, Maskerade mit Hans Moser und Paula Wessely, in den neu erworbenen Rosenhügel-Studios fertigstellte.

Bedingt durch den wachsenden politischen Einfluss der Nationalsozialisten im Deutschen Reich gelang es dem „Nichtarier“ Oskar Pilzer nicht mehr, Geldtransfers der im Grunde solventen Tobis-Sascha-Filmindustrie AG zwischen Österreich und Deutschland durchzuführen. Nach langwierigen, aber vergeblichen Verhandlungen sah er sich gezwungen, seine Geschäftsanteile weit unter Wert an die Creditanstalt zu veräußern, die dieselben schließlich an die nationalsozialistische Cautio Treuhand weitergab. Auf Basis dieser Geschäftsanteile erfolgte 1938 die Neugründung der ehemaligen Sascha-Film als Wien-Film Ges.m.b.H., die fortan im Dienste des Nationalsozialismus stand.


Literatur

Robert von Dassanowsky, Austrian Cinema: A History, Jefferson (NC), New York 2005; Günter Krenn, Der bewegte Mensch – Sascha Kolowrat. In: Elektrische Schatten. Beiträge zur österreichischen Stummfilmgeschichte, Wien 1999, S. 37-46; Hannes Leidinger, Die Italienfront im österreichischen Film 1915-1918. In: Robert Kriechbaumer, Wolfgang Müller u. a. (Hg.), Politik und Militär im 19. und 20. Jahrhundert. Österreichische und europäische Aspekte. Festschrift für Manfried Rauchensteiner, Wien, Köln, Weimar 2017, S. 139-150; Gerhard Renner, Der Anschluss der österreichischen Filmindustrie seit 1934. In: Oliver Rathkolb u. a. (Hg.), Die veruntreute Wahrheit. Hitlers Propagandisten in Österreich 1938 (Schriftenreihe des Arbeitskreises für historische Kommunikationsforschung 1), Salzburg 1988, S. 1-34; Christian F. Winkler, Wien-Film. Träume aus Zelluloid. Die Wiege des österreichischen Films von Christian F. Winkler, Erfurt 2007; Friedrich Pruss von Zglinicki, Der Weg des Films. Die Geschichte der Kinematographie und ihrer Vorläufer, Berlin 1956.

Quellen und Dokumente

Das lebende Bild als Dokument und Werbemittel. In: Neues Wiener Tagblatt, 4.11.1917, S. 11; Alexander Kolowrat gestorben. In: Neues Wiener Journal, 5.12.1927, S. 2; Eine interessante Gründung in der österreichischen Filmindustrie. In: Neues Wiener Journal, 4.2.1922, S. 8; Der Sascha-Film „Die Sklavenkönigin“. In: Neues Wiener Journal, 1.11.1924,  S. 22; Die „Sascha“-Film-AG verkauft. In: Salzburger Chronik für Stadt und Land, 25.4.1930, S. 7; Der Ausgleich der Sascha-Film-Gesellschaft angenommen. In: Österreichische Film-Zeitung, 19.12.1931, S. 6; Verstärkte Produktionstätigkeit bei der Sascha. In: Österreichische Film-Zeitung, 22.8.1931, S. 1f; Aufnahmen der Sascha-Film über die Begräbnisfeierlichkeiten von Kaiser Franz Joseph I. am 30.11.1916 [Online verfügbar]; Wien im Krieg (1916) [Online verfügbar]; Wien filmt wieder [Online verfügbar]; Maskerade (1934) [Online verfügbar]

(MK)

Gegründet im März 1926 (gem. Anzeige in der Österreichischen Buchhändler-Correspondenz) von Fritz Ungar (ab 1939 im US-Exil: Frederick Ungar), der zuvor im Phaidon Verlag Dr. Horovits (gegründet 1923) tätig war.

Verlagsadresse: Wien 1, Lichtenfelsgasse, ab 1929 Wien 1, Teinfeltstr. 4.

Die Eintragung ins Handelsregister erfolgte erst im Mai 1933, nachdem sich im Okt. 1932 eine Genossenschaft m.b.H. unter dem Namen ›Literarischer Verlag‹ konstituiert hatte, die dann im Nov. 1932 in Saturn Verlag umbenannt wurde (s. M. Hall).

Die Gesamtproduktion belief sich, so M. G. Hall, bis 1938 auf etwas über 70 Bände; das Profil des Verlags lag anfangs auf belletristischer und v.a. aus dem Englischen übersetzter Literatur sowie auf Sachbüchern und Anthologien. So übersetzte z.B. Ludwig Goldscheider Romane von O.M. Hueffer und William J. Locke.

Der erste literarische Text eines bereits bekannten Autors war der Roman Fräulein Narziss von Kurt Sonnenfeld (1930), den Dora Stockert-Meynert als wertvolles „Dokument der Zeit“ in der WZt. besprach; ihm folgte der Russland-Roman Das Geheimnis des Reichs von H. v. Doderer (1931); 1932 erschienen neben einigen Sachbüchern die Lyrikbände Wanderer im Herbst von Herbert Strutz und Der ewige Refrain von Friedrich Torberg, aber auch eine Anthologie englischer Lyrik seit Swinburne und eine szenische Bearbeitung von Platons Das Gastmahl durch Franz Kobler. Auch der Roman Schicksal Maschine von Stephan Pollatschek, Mitarbeiter der AZ, in der 1930 sein Roman Gericht in Fortsetzungen gedruckt worden war, erschien noch 1932; er traf allerdings auf zwiespältige Aufnahme. 1933 wurde eine auf etwa 10 Bde. Angelegte Otto Stoessl-Werkausgabe begonnen, von der allerdings nur vier Bände erschienen; das Jahresprogramm war wieder stark von Lyrikbänden, u.a. von Eugen Lendvai, und Sachbüchern wie z.B. Der Volksarzt von Paul Stern, geprägt; auch H. Strutz war wieder mit einem Bd. vertreten, mit dem Roman Die ewigen Straßen. Die repräsentativste Anthologie war freilich jene unter dem Titel Österreichische Lyrik der Gegenwart, hgg. von R. Brasch und R. Schafer, die neben arrivierten Lyrikern wie R. Beer-Hofmann u. St. Zweig u.a. F. Braun, R.J. Kreutz, M. Mell, H. Nüchtern, F. Schreyvogl, E. Scheibelreiter oder E. Waldinger versammelts sowie den weiblichen Stimmen G. Berger, M. Hofmann, A. J. Koenig oder K. Braun-Prager Raum gab. 1935 folgten u.a. auch österreichpatriot. Schriften, die unverkennbar im Umfeld des Austrofaschismus angesieidelt waren: Das Herz Europas, hgg. von V. Tautzl u. O. Benda, ferner die kolonialistische Publikation Abessinien: Die schwarze Gefahr und Bd. 2 der Stoessl-Ausgabe aber auch F. Koblers Juden und Judentum in Briefen in der 2. Auflage oder St. Pollatscheks John Law (2. Aufl.). 1936 folgten der Essaybd. Geist und Gestalt der Werkausgabe Stoessls, ferner das Filmbuch Entschleierte Filmwelt von Hans Taussig, der Roman Delphi von Alfred Neumann sowie Voco von Richard Kapeller oder das Spanienbuch Katalonien gegen Kastilien von Anton Sieberer sowie weitere Romane und Sachbücher, womit wieder ein breites Publikationsspektrum bedient wurde. Diese Breite setzte sich auch 1937-38 fort; 1937 z.B. mit der Veröffentlichung der Ansprache bei der Trauerfeier für Karl Kraus durch E. Krenek, mit dem Van Gogh-Roman Flammen und Farben von St. Pollatschek, dem Roman Mensch und Erde von Herbert Müller-Guttenbrunn oder dem Sachbuch Autodolmetsch, 1938 durch einen weiteren Bd. Koblers über Jüdische Geschichte in Briefen aus Ost und West, einem Rhetorik-Handbuch von R. Lohan oder das Schauspiel Eugenie von Hans Müller, obwohl sich der Verlag eigentlich schon seit 1937 in Liquidation befand.

Am 8.6. 1938 beantragte Ungar, knapp vor seinem Weggang ins US-Exil, die Löschung aus dem Handelsregister. Er wurde daraufhin arisiert, aber unter demselben Namen weitergeführt.


Quellen und Dokumente

Henrik Magnus‘ Glück und Ende. Der Lebensroman eines Hellsehers. In: Neues Wiener Journal, 19.7.1930, S. 9, Dora Stockert-Meynert: Buchanzeigen: „Fräulein Narziß“. Der Roman einer Schönheitskönigin. Von Kurt Sonnenfeld. In: Wiener Zeitung, 29.8.1930, S. 3f., Platon: Das Gastmahl. Dramatisch bearbeitet von Franz Kobler und Ernst Müller. In: Salzburger Wacht, 22.11.1932, S. 4, hlk.: Stephan Pollatschek: Schicksal Maschine. In: Bildungsarbeit XIX (1932), S. 251, Ernst Schönwiese: Ernst Waldinger: Die Kuppel. In: Wiener Magazin (1935), H. 7, S. 93f., Bruno Heilig: Jüdische Tragödie in Briefen. In: Der Morgen, 28.10.1935, S. 6, „Du und dein Kind“ von Anton Tesarek. In: Der Morgen, 3.8.1936, S. 8, m.e.: Briefe über das Judentum. In: Gerechtigkeit, 9.4.1936, S. 4, w. stein: Jüdische Geschichte in Briefen. In: Die Stimme, 24.1.1938, S. 3, Anzeige zu Jugendbüchern. In: Die Bühne (1939), H. 25, S. 2.

Literatur

Murray G. Hall: Österreichische Verlagsgeschichte. Wien-Köln-Weimar 1985, Bd. 2, 82f. (Online verfügbar); ders.: Verleger Frederick Ungar gestorben. 1898–1988. In: Anzeiger des österreichischen Buchhandels, 124/1989, 1/2, 15.

Edwin McDowell: Frederick Ungar, 90, Founder of Publishing House. In: New York Times, 18.11.1988.

(PHK)


Die Frage des Umgangs mit Erzeugnissen, die unter diesem Begriff subsumiert wurden und 1928 in eine in der publizistisch-politischen Öffentlichkeit heftig und kontrovers geführten Debatte einmündete, begleitete die Kulturpolitik der Ersten Republik seit ihrem Bestehen. Insbesondere wurde dieses Anliegen vom Katholischen Volksbund und der Christlich-sozialen Partei seit 1919 in die polit. Debatte eingebracht und hochgespielt. Eine erste Resolution kam z.B. im Zug des christlichsoz. Gemeindevertretertags in Linz Ende Okt. 1919 zustande, auf dem „gesunde Volksbildung“ wesentlich durch die „Abwehr von Schmutz und Schund in Wort, Bild und Kino“ (RP, 28.10.1919, 5) definiert und den Gemeinden die aktive Mitwirkung in dieser Angelegenheit aufgetragen wurde. Bekräftigt wurde dies in einer Versammlung der kathol. Vereine Wiens im Rathaus Ende Februar 1920, an der u.a. auch CS-Spitzenpolitiker wie I. Seipel u. L. Kunschak teilnahmen; die Reichspost trat dabei als propagandist. Sprachrohr vom Anfang an und offensiv in Erscheinung; ihr folgten der ›Allgemeine Tiroler Anzeiger‹, die ›Wiener Neuesten Nachrichten‹ oder das ›Grazer Tagblatt‹, während die meisten großen bürgerlichen Ztg. differenzierter dazu Position bezogen. Hinsichtlich des Umgangs mit literarischen Texten bzw. Theateraufführungen erlebte die Debatte 1921 im Kontext des sog. Reigen-Skandals (zuerst in Berlin, dann in Hannover und Wien) einen ersten Höhepunkt. 1922 wurde im Rahmen der Neufassung des Preßgesetzes aus den 1860er Jahren auch eine Bestimmung zum „Schutz der Jugend vor der Schundliteratur“ aufgenommen, der angesichts zeitgemäßer, fortschrittlicher Bestimmungen im Bereich der Meinungs- und Pressefreiheit und der freien Verbreitung von Druckschriften insgesamt, auch die Sozialdemokr. Partei zustimmte. Sie selbst begann ihrerseits unter der Devise der Förderung des „guten Buches“ 1923 eine Kampagne zur Adaption der Schullektüren (u.a. der Verdrängung monarchistischer Verklärungen) sowie zur Hebung eines entsprechenden Leseangebots in öffentlichen Bibliotheken. Auf dem Landesparteitag der Wiener Christlichsozialen im April 1924 wurde der Druck auf die sozialdemokr. Gemeindeverwaltung neuerlich erhöht und zwar durch eine Entschließung, die den Bürgermeister Seitz aufforderte, dass „er endlich mit rücksichtsloser Strenge gegen alle Bestrebungen einschreite, die Jugend durch Schmutz und Schund in Druckwerken, Theatern und Kinos den schwersten sittlichen Gefahren auszusetzen“. Die Spitze richtete sich dabei gegen H. Bettauer und sein Wochenblatt „Er und Sie“, das seit März 1924 im Zentrum einer Auseinandersetzung u.a. auch zwischen Kanzler Seipel und Seitz stand. Eine ähnlich strikte Haltung vertrat auch die Landesgruppe Österreich des ›Deutschen Schriftstellerverband‹ im Okt. 1925 und trat mit einer ähnlich lautenden Entschließung an die Bundesregierung heran (Wr. Ztg. 20.10.1925,5). Im Zuge eines Protests der Sektion Dichtkunst der ›Preußischen Akademie der Künste‹ im Nov. 1926 gegen das im Reichstag verhandelte und dann verabschiedete Gesetz gegen Schmutz- und Schund(Literatur) kochte die Diskussion auch in Österreich wieder auf und stellte die Frage nach der Definition und Anwendungspraxis dieses Begriffs, ferner nach dem Einschluss literarischer Texte, die zugleich als literarisch bedeutende galten wie z.B. Flauberts Madame Bovary. Die Beschlussfassung in Berlin wurde letztendlich als eine Kapitulation des demokratischen Zentrums (NFP, 15.12.1926; NWJ, 4.12.1926; Die Stunde 15.12.1926, Wr. Morgenzeitung, 16.12.1926) von der liberal-bürgerlichen Presse, als Sieg über „undeutsche“ Entwicklungen im (deutsch)national-konservativen Spektrum angesehen (Grazer Tbl., 7.12. 1926, RP, 4.12.1926, Ybbser Ztg. 11.12.1926 u.a.).

Im Vorfeld der Wahlen vom April 1927 wurde das Thema wieder offensiv von der christlichsoz. Partei u. den ihr nahestehenden Gruppierungen aufgenommen, sodass sich erstmals auch die Rote Fahne der KPÖ in die Debatte einschaltete (R.F., 5.4.1927,1-2). Wie abstrus die Auswirkungen dieses Gesetzes in DL waren, zeigte die AZ in einem Beitrag mit Bezug auf die Polemik rund um das Gemälde Christnacht von H. Bosch in der (kathol) Kölnischen VolksZtg. auf, in der das unbekleidete Neugeborene zu heftigen Leserprotesten führte und die Absurdität des Gesetzes, das die Empfindung des ‚Normalmenschen‘ als Richtschnur der Definition vom Schmutz und Schund erhob, deutlich machte. Im März 1928 wurde von der christlichsoz. Abg. Berta Pichl im österr. Bundesrat neuerlich die Frage einer schärferen Fassung der gesetzl. Bestimmungen eingebracht und das Parlament zu einer Gesetzesvorlage aufgefordert. Dieser Vorstoß traf auf einhelligen Protest der diversen Schriftsteller- u. Künstlerverbände, die sich darüber hinaus von den Beratungen ausgeschlossen fühlten u. Widerstand ankündigten, der in einer Resolution vom 16.4. 1928 in den meisten Tageszeitungen auch publik gemacht wurde. BK Seipel lud aufgrund dieser öffentl. Resonanz am 8.6.1928 zu einer Enquete, bei der die verschiedenen Positionen erörtert wurden und auf der die meisten Vertreter aus Literatur und Kunst unter Führung durch E. Lothar, ausgen. allerdings Richard Kralik, für eine Rücknahme der Vorlage und eine Novellierung einzelner Punkte (v.a. die Kolportage betr.) des Preßgesetzes von 1922 als ausreichend argumentierten. Auch A. Schnitzler veröffentlichte in der NFP eine pointierte Gegenposition zum Entwurf. Zwar zog die Regierung nach diesem öffentl. Widerstand den Entwurf zurück, präsentierte ihn aber unter einem anderen Titel Ende des Jahres 1929 neuerlich und setzte ihn im Zuge einer Verschärfung des Preßgesetzes im Dez. 1929 auch durch, wie die RP mit Genugtuung vermeldete. Ein erstes prominentes Opfer dieses neuen (reaktionären) Gesetzes war am 27.2.1930 die linksliberale Ztg. ›Der Abend‹, deren Ausgabe aufgrund des Abdrucks von kritischen Zeichnungen des ungar. Künstlers M. Biro gegen Verbrechen des Horthy-Regimes unter dem Vorwand, dies sei eine Schmutz-Kampagne konfisziert wurde, eine Entscheidung, die postwendend auf öffentlich bekundete Zustimmung durch die christlich-soziale Reichspost stieß.


Quellen und Dokumente