Kriegspressequartier (KPQ)

Das Kriegspressequartier (KPQ), das zentrale Instrument der Informations- und Propagandapolitik Österreich-Ungarns im Ersten Weltkrieg, nahm nach jahrelanger Planung am 25. Juli 1914 – dem Tag der Teilmobilmachung – seine Arbeit auf und wurde unter der Leitung von Oberst Maximilian von Hoen direkt dem Armeeoberkommando unterstellt. Bis 1916 befand sich das KPQ, dem Kriegsverlauf entsprechend, an wechselnden Standorten entlang der Front zu Russland, zu Beginn des Jahres 1917 richtete man sich neben dem Hofmannsthal-Schlössl in Rodaun am Rande des Wienerwalds (heute 23. Bezirk) ein.

Je acht der bedeutendsten österreichischen und ungarischen Zeitungen wurde zugestanden, einen Korrespondenten an das KPQ zu entsenden (später wurde die Anzahl erhöht), um die jeweiligen Redaktionen exklusiv mit Berichten zu versorgen; zudem waren insgesamt 15 Plätze für Korrespondenten verbündeter und neutraler Staaten vorgesehen. Zu diesen fixen Kriegsberichterstattern zählten etwa Alexander Roda Roda, Ernst Klein und Ludwig Hirschfeld für die Neue Freie Presse, Paul Busson für das Neue Wiener Tagblattsowie Ferenc Molnár für Az Est(Der Abend).

Kriegsberichterstattung war und blieb eine Männerdomäne: Lediglich den Journalistinnen Margit Vészi und Alice Schalek gelang es im Verlauf des Krieges, eine Akkreditierung beim KPQ zu erhalten. Besonders Schalek war aufgrund ihrer das Kriegsgeschehen verherrlichenden Kommentare wachsender öffentliche Kritik ausgesetzt. Karl Kraus setzte ihr in Die letzten Tage der Menschheit als „kleine Wiener Schmiererin“ ein Negativdenkmal.

Die Mitglieder dieser Kriegsberichterstattergruppe hatten in der Theorie die Aufgabe, direkt von der Front zu berichten; um jedoch unkontrollierte bzw. unerwünschte Informationsflüsse zu vermeiden, wurden sie vom Armeeoberkommando zumeist in einiger räumlicher Distanz zum Kriegsgeschehen untergebracht, wo sie regelmäßig amtlich vorgefertigte Communiqués erhielten, um diese dann „aufzuputzen, zu verzieren, zu verbrämen, auszuwalken, zu kneten, und möglichst schmackhaft zu machen, damit der Anschein erweckt werde, als sei der Kriegsberichterstatter Gott weiß wie gut unterrichtet.“ (Strobl, S. 53). 

Autoren im Offiziersrang wie etwa Robert Musil oder Franz Karl Ginzkey hatten führende Positionen inne und und machten von der Möglichkeit Gebrauch, Kollegen einen Posten im KPQ zu verschaffen, war doch ein solcher bei vielen Schriftstellern sehr begehrt, um so dem Dienst an der Waffe zu entgehen. 

Zusätzlich arbeiteten in der sog. „Literarischen Gruppe“ des Kriegsarchivs, die  außerhalb des Verantwortungsbereichs des KPQ angesiedelt war, Autoren wie Stefan Zweig, Franz Theodor Czokor, Alfred Polgar, Rainer Maria Rilke oder Felix Salten an der propagandistisch gefärbten literarischen Archivierung des Kriegsverlaufs. 

Lag zu Beginn der Fokus noch in der umfassenden Gestaltung und Kontrolle der Presseberichterstattung unter Einbeziehung der literarischen Intelligenz Österreich-Ungarns, weitete das KPQ im Laufe der Zeit sein Wirken auch auf weitere, zunehmend an Bedeutung gewinnende Medien aus: Malerei, Fotografie, Film und Theater, Plakatkunst und die Bildhauerei wurden sukzessive zu integralen Bestandteilen einer bisher ungekannten Kriegsmassenpropaganda, „die im Laufe der Jahre sämtliche Text-, Bild- und Tonmedien der Zeit erfasste, produzierte und auslieferte.“ (Plener, S. 258). Diese Entwicklung war eng verbunden mit der im März 1917 erfolgten Enthebung Hoens und der Ernennung von Oberst Wilhelm Eisner-Bubna zum Leiter des KPQ, unter dessen Führung sowohl das Aufgabengebiet als auch der Personalstand eine deutliche Erweiterung erfuhren.

Die innerhalb des KPQ eingerichtete und rund 150 Mitglieder umfassende Kunstgruppe stand unter der Leitung von Oberst Wilhelm John, dem Direktor des k. u. k. Heeresmuseums. Sie hatte die Aufgabe, „die gewaltigen Ereignisse des Völkerringens im Bilde künstlerisch festzuhalten und so der vaterländischen Geschichtsschreibung dienstbar zu sein.“ (Website 1914-2014). Ihr gehörten bildende Künstler wie etwa Oskar Kokoschka und Albin Egger-Lienz an, die vom Armeeoberkommando zu Kriegsmalern ernannt worden waren und deren Werke neben vielen anderen zwischen 1915 und 1918 im Rahmen zahlreicher Ausstellungen im In- und verbündeten Ausland gezeigt wurden. Aus der Kunstgruppe ging 1917 die Lichtbildstelle hervor, in deren organisatorischen Rahmen Kriegsfotografen das dringend benötigte Illustrationsmaterial für Journalisten, Wissenschaftler und Künstler produzierten. Auch hier wurde sowohl die Herstellung als auch die Distribution des Bildmaterials einer strengen Kontrolle durch das KPQ unterworfen, das so die bildhafte Rezeption des Krieges steuerte und damit dessen Deutungshoheit in der Öffentlichkeit an sich zog.

Der Entwicklung des Films hin zum Massenmedium und damit zu einem Informationsinstrument ersten Ranges entsprechend, waren Kriegs- und Propagandafilme bereits seit 1914 in Kooperation des Militärs mit externen Firmen, u.a. mit der Sascha-Filmfabrik von Alexander Graf Kolowrat-Krakowsky, entstanden. 1917 wurde dem KPQ eine eigene „Filmstelle“ angegliedert, die fortan für die Produktion von Wochenschauen und propagandistischem Filmmaterial für das Kino, das sich seit 1914 als „wertvolle[s] soziale[s]  Ventil und Stabilisator der Massen“ herausgestellt hatte, verantwortlich war.

Ebenfalls vom KPQ organisiert wurde die kulturelle Truppenbetreuung, die mit der unerwartet langen Fortdauer der Kampfeshandlungen zunehmend an Bedeutung gewann. Dazu zählten der Auftritt von Theatergruppen und Tonkünstlern, die Einrichtung von Frontkinos, die Abhaltung von Lesungen und Vorträgen (wie z. B. von Franz Werfel) ebenso wie die entsprechende mediale Aufbereitung für die „Heimatfront“. Darüber hinaus waren auch die Gestaltung und der Einsatz von Plakaten, Flugblättern und Ansichtskarten Teil der Propagandastrategie. 

Mit Beendigung des Krieges wurde das KPQ aufgelöst; aus Teilen seiner Strukturen ging die heutige Austria Presse Agentur (APA) hervor.

Im Österreichischen Staatsarchiv sowie im Bildarchiv der Österreichischen Nationalbibliothek finden sich heute rund 90.000 Bilder und Fotos aus den Beständen des KPQ. 


Literatur

Peter Plener, Der Medienverbund Kriegspressequartier und sein technoromantisches Abenteuer 1914–1918. Eine Auflösung. In: Zagreber germanistische Beiträge: Jahrbuch für Literatur- und Sprachwissenschaft 25 (2016), H. 1., S. 255-270; Generalmajor Max Ritter von Hoen, Das Armeeoberkommando. In: Aus der Werkstatt des Krieges, Wien 1915, S. 14-29; Bernhard Bachinger, Weibliche Kriegsberichterstattung. Alice Schalek im k.u.k. Kriegspressequartier. In: Aibe-Marlene Gerdes, Michael Fischer (Hg.), Der Krieg und die Frauen. Geschlecht und populäre Literatur im Ersten Weltkrieg, Münster, New York 2016, S. 167-188; Peter Broucek, Das Kriegspressequartier und die literarischen Gruppen im Kriegsarchiv 1914-1918. In: Klaus Amann, Hubert Lengauer (Hg.), Österreich und der Große Krieg. Die andere Seite der Geschichte, Wien 1989, S. 132-139; Sema Colpan, Amália Kerekes, Siegfried Mattl, Katalin Teller (Hg.), Kulturmanöver. Das k.u.k. Kriegspressequartier und die Mobilisierung von Wort und Bild (Budapester Studien zur Literaturwissenschaft), Frankfurt/Main 2015; K. Mayer, Die Organisation des Kriegspressequartiers beim k.u.k. AOK im Ersten Weltkrieg 1914-1918, Wien 1963; Karl Hans Strobl, K.P.Q. u. Geschichten und Bilder aus dem österreichischen Kriegspressequartier, Reichenberg 1928; H. Schmölzer, Die Propaganda des Kriegspressequartiers im Ersten Weltkrieg 1914-1918, Wien 1965; Paul Winkler, Kinematografische Propaganda und Zensur in Österreich- Ungarn von 1914-1918 als gescheitertes kybernetisches Modell. In: medienimpulse. Beiträge zur Medienpädagogik 4 (2014) [Online verfügbar]; Die Schriftsteller im k.u.k. Kriegspressequartier [Online verfügbar]; Österreichisches Staatsarchiv: 1914-2014. 100 Jahre Erster Weltkrieg [Online verfügbar]; Mit Pinsel und Kamera an der Front, Dokumentation (ORF, 2014) [Online verfügbar].

Quellen und Dokumente

Roda Roda, Mitteilungen eines Husaren über die Kämpfe bei Lemberg. In: NFP, 31.8.1914, S. 2; Paul Busson, Bei unsern Soldaten. In: Neues Wiener Tagblatt, 28.8.1914, S 28; Roda Roda, Kein Friede ohne unseren Sieg. Telegramm unseres Kriegsberichterstatters. In: NFP, 17.1.1916, S. 4; Roda Roda, Das Herz Bulgariens. In: NFP, 17.6.1918, S. 1f; Karl Lustig Prean, Aus den Geheimnissen des KPQ. In: Neues Wiener Journal, 24.4.1920, S. 4; Alice Schalek, Die Schlacht bei Brzezany. In: NFP, 9.8.1917, S. 1-3; Das Kriegspressequartier auf der Reise nach dem südlichen Kriegsschauplatz. Empfang in Budapest. In: NFP, 11.11.1914, S. 6; Kriegsbilderausstellung in Graz. In: Reichpost, 25.2.1916, S. 17; Kriegsausstellung Wien 1916. Generalmajor von Hoen über die Kunstausstellung des Kriegspressequartiers. In: Reichspost, 21.5.1916, S. 10.

(MK)