Olden, Rudolf
geb. am 14.1.1885 in Stettin – gest. (umgekommen) am 18.9.1940 im Atlantik; Journalist, Schriftsteller, Pazifist, Rechtsanwalt, Redakteur
Olden, Sohn des Schriftstellers Johann Oppenheim (seit 1891 Hans Olden) und dessen Ehefrau, der Schauspielerin Rosa Stein, strebte nach dem Abitur zunächst eine militärische Karriere an, änderte aber im Zuge seiner Erfahrungen im Ersten Weltkrieg (im Rang eines Oberleutnants) radikal seine Einstellungen. Unmittelbar nach Kriegsende verließ er die Armee und begann als Journalist für die pazifistische Zeitschrift Der FriedeWochenschrift für Politik, Volkswirtschaft und Literatur. (1918-19; Reprintausg. 1975) Die im Januar 1918 begründete,... in Wien zu schreiben und wurde 1919 auch Redaktionsmitglied beim Neuen Tag. Ebenfalls 1919 (nicht 1920, vgl. Anzeige in NFP, 11.9.1919) ehelichte er die spätere Psychoanalytikerin Marie-Christine Fournier (1888-1959, geschiedene Furtwängler), die im Kreis von S. Bernfeldgeb. am 7.5.1892 in Lemberg (heute L’viv, Galizien/Ukraine) – gest. am 2.4.1953 in Los Angeles; Reformpädagoge, Psy... verkehrte. In diesem (vorwiegend Wiener) Umfeld lernte er zahlreiche Schriftsteller und Intellektuelle kennen, schloss Freundschaften mit A. Höllriegeleigentlich Richard A. Bermann, geb. am 27.4.1883 in Wien - gest. am 9.9.1939 in Saratoga Springs, New York; Journalist, ..., Bruno Karpeles, E. E. Kisch, A. Polgareigentlich Alfred Polak, geb. am 17.10.1873 in Wien – gest. am 24.5.1955 in Zürich; Schriftsteller, Kritiker, Überse... und H. Bettauergeb. als Hugo Maximilian Bettauer am 18.8.1872 in Baden – gest. am 26.3.1925 in Wien; Schriftsteller, Journalist, ..., mit dem er im Feb. 1924 die weitverbreitete und wiederholt zensurierte bzw. verbotene Zeitschrift Er und Sie. Wochenschrift für Lebenskultur und Erotik gründete und redaktionell betreute. Bereits im Sept. 1924 mussten sich beide, Bettauer und Olden, einem Prozess stellen, der mit dem Freispruch letzteren endete. Olden publizierte auch in anderen Zeitungen wie z.B. Der MorgenDer Morgen war ein von Carl Colbert und Maximilian Schreier 1910 gegründetes liberales Montagsblatt. Zunächst in Erg..., u.a. Beiträge, in denen er sich mit den Perspektiven der Revolution auseinandersetzte, oder für das Neue Wiener Journal (NWJ), die NFP, für die Österreichische Rundschau, den Österreichische[n] Volkswirt und vor allem für den Tag, in dem er u.a. 1923 Reisefeuilletons (Fahrt nach Südamerika) veröffentlichte oder das Genre des ›Fünfzig-Zeilen‹ Romans vorstellte, aber auch feuilletonist. Texte (über Hofmannsthal, Reinhardt, den Typus des Dienstmädchens, über den Roman La Garçonne von V. Marguérite, aber auch rechtspolitische Grundsatzartikel u.a.m.) verfasste.
1925 besprach er u.a. kontrovers diskutierten Russland-Bericht Tscheka von Georg Popoff und verf. eine Reihe von politischen Kolumnen mit Leitartikel-Charakter wie z.B. über Hindenburg, den Zionistenkongress und die Rolle Wiens, die sog. Anschlussfrage, welche durch eine Rede des dt. Reichstagspräsidenten publizistisch virulent wurde, um sich angesichts der (österr.) Republikfeiern auch deutlich für die Republik auszusprechen. Ein großer Teil dieser Kolumnen, insbes. ab 1925-26, widmete sich Entwicklungen und Debatten in der deutschen politischen Landschaft. Daneben verfasste er aber auch Flugberichte (als Sonderkorrespondent für einen Werbeflug der Junkers-Werke) einer sowie über andere alltagskulturelle Entwicklungen wie z.B. über Die neue Frau in Russland. In der zweiten Jahreshälfte 1926 übersiedelte Olden nach Berlin, wo er in die Redaktion des Berliner Tageblatts eintrat, bald auch dort Chefredakteur wurde und nebenher für das Tage-Buch und die Weltbühne arbeitete, nebenher aber auch noch den Wiener Tag bis 1932 mit Beiträgen belieferte. Olden wurde zudem auch Rechtsanwalt und in dieser Funktion in den Vorstand der ›Deutschen Liga für Menschenrechte‹ berufen, engagierte sich im Fall des Justiz(mord)falles Jakubowski (1927-28), des Falles Halsmann (1929) und vertrat Anfang der 1930er Jahre K. Tucholsky u. C. von Ossietzky in aufsehenerregenden Presseprozessen. Im Sept. 1931 kam er nochmals nach Wien, einerseits um im O. Preminger-Film Die große Liebe (Buch: S. Bernfeld, A. Bergergeb. am 27.5.1892 in Wien - gest. am 11.1.1981 in Moskau; (Film)Architekt, Szenenbildner Aus einer jüdischen Familie ko...) mitzuwirken, andererseits, um im Lustspiel Der Mann ohne Privatleben (Dt. Volkstheater) eine Rolle zu übernehmen (NWJ, 27.9.1931, 26). Nach der Machtergreifung durch den NS organisierte er noch im Februar 1933 in der Krolloper den legendären u. imposanten Kongress ›Das Freie Wort‹, der am Schlusstag vorzeitig von der Polizei aufgelöst wurde, was auch in der Wiener Presse breit rezipiert wurde (AZGegr. 1889, verboten 1934, illegal 1934-1938, 1938 verboten, neugegr. 1945, eingestellt 1991 Aus: Arbeiter-Zeitung, 12...., Der Morgen, Rote FahneDas Zeitschriftenmodul von Martin Erian finden Sie hier. Bereits im Mai 1918 erschien als Der Weckruf ein Organ der komm..., Tag etc.). Olden musste schon zehn Tage danach aus NS-Deutschland nach Prag und 1934 nach Paris flüchten, wo er für den deutschen Exil-P.E.N. als Sekretär und jurist. Berater zu arbeiten begann. Dort veröffentlichte er seine Dokumentation Das Schwarzbuch. Tatsachen und Dokumente. Die Lage der Juden in Deutschland 1933. 1935 erschien in Amsterdam (anonym) seine krit. Hitler-Biographie Hitler der Eroberer. Entlarvung einer Legende (dt. Neuaufl. 1984 u. 2015), der 1936 auch eine auf Englisch folgte (Hitler the Pawn). Bei Kriegsausbruch befand sich Olden, der ab 1935 auch Vorlesungen über deutsche Geschichte an der Univ. Oxford hielt, schon mehrere Jahre in Großbritannien, wo er 1940 kurzzeitig interniert wurde. Danach wollte er einem Ruf an die New School for Social Research in New York nachkommen; bei der Überfahrt wurde das Schiff von einem deutschen U-Boot torpediert. Olden und seine Frau überlebten diesen feigen Angriff nicht.
Weitere Werke
Stresemann. Eine Biographie. Berlin 1929; Hindenburg oder der Geist der preussischen Armee. Paris 1935.
Quellen und Dokumente
R. Olden: Der Internationalismus in der Revolution. In: Fremdenblatt, 26.1.1919, S. 2; Die verratene Revolution. In: Der Morgen, 13.9.1920, S. 5; Die Oberammergauer Passion. In: NFP, 3.7.1922, S.1-2; Ein Dienstmädchen. In: Der Tag, 26.5.1923, S. 4; Fünfzig-Zeilen Roman. In: Der Tag, 18.6.1923, S. 2; Südliche Städte. In: Der Tag, 11.4.1923, S. 3; La Garconne. In: Der Tag, 17.4.1923, S. 3-4; Iustitia fundamentum civitatis. In: Der Tag, 16.12.1923, S. 1-2; Die starke Stadt [Wien]. In: Der Tag, 25.12.1923, S. 1-2; Hugo v. Hofmannsthal. In: Der Tag, 1.2.1924; S. 3; Wilsons Tod. In: Der österreichische Volkswirt, 9.2.1924, S. 11; N.N.: Bettauer vor Gericht. In: Die Stunde, 19.9.1924, S. 1; N.N.: Bettauer und Olden vor den Geschworenen. In: Der Tag, 19.9.1924, S. 7-8; Egon Erwin Kischgeb. am 29.4.1885 in Prag – gest. am 31.3.1948 in Prag; Journalist, Schriftsteller K., Sohn eines jüdischen Tuch..., der Reporter. In: Der Tag, 21.11.1924, S. 4; G. Popoff: Tscheka. In: Der Tag, 1.2.1925, S. 6; Darf Loebe über den Anschluß reden? In: Der Tag, 16.4.1925, S. 2; Verehrungsvoller Gruß. [Über Zionistenkongress in Wien] In: Der Tag, 15.8.1925, S. 1-2; Der Schnellzug der Gegenwart. Die Junckers-Fluglinie im Bilde. (Mit Fotos) In: Der Tag, 4.6.1925, S. 3; Sieben-Staaten-Flug. In: Der Tag, 27.6.1927, S. 4; Hoch die Republik! In: Der Tag, 12.11.1925, S. 1-2; Wohin geht Österreich? In: Der Tag, 25.12.1925, S. 1-2; Die neue Frau in Russland [Über A. Kollontai]. In: Der Tag, 3.1.1926, S. 2; Reform der Ehescheidung. In: Der Tag, 5.3.1927, S. 5; Quer durch das Streikgebiet. In: Der Tag, 23.10.1927, S. 1; Die Hinrichtung (Fall Jakubowski). In: Der Tag, 17.7.1928, S. 4; Kundgebung Fall Halsmann in Berlin. In: Der Tag, 15.11.1929, S. 5; Stefan Großmann: Jakubowski. In: NFP, 16.6.1929, S 4-6; Plakatankündigung des Films Die große Liebe. In: Das Kino-Journal, 26.9. 1931, S. 7; Unzeitgemäße Betrachtungen. In: Der Tag, 14.8. 1932, S. 15; Bericht über Auflösung des Kongresses ‚Das freie Wort‘. In: Der Tag, 20.2.1933, S. 2;
Literatur
Florian Balke: Der Mann der Hitler früh durchschaute. In: FAZ, 4.5.2010; Bernd Ulrich: R. Olden. Einer der letzten honorigen Freisinnigen Deutschlands. Online verfügbar unter: https://www.deutschlandfunk.de/rudolf-olden-einer-der-letzten-honorigen-freisinnigen.871.de.html?dram:article_id=331417 (2015); Sebastian Schäfer: Rudolf Oldengeb. am 14.1.1885 in Stettin - gest. (umgekommen) am 18.9.1940 im Atlantik; Journalist, Schriftsteller, Pazifist, Rechts... – Journalist und Pazifist. Vom Unpolitischen zum Pan-Europäer: moralische Erneuerung im Zeichen moderner Kulturkritik. Stuttgart 2019.
(PHK)