Geb. 15.4.1876 in Wien, gest. 7.1.1948 in Oakland/California/USA

Schriftsteller, Kritiker, Feuilletonist, Übersetzer, Exilant.

vgl. das biographische Modul von Evelyne Polt-Heinzl: hier.

Kurzbio zu Auernheimer von Reinhard Müller in AGSO

Lesung aus dem Roman Das Kapital (1923) vom 16.5.2019 in der Wien-Bibliothek: Ankündigung.

geb. am 25.4.1862 in Hochlieben/Liben Vysoká (nahe Prag) – gest. am 5.7.1931 in Wien; Journalist, Redakteur, Politiker

Aus einfachen Verhältnissen kommend war A. gezwungen, bereits früh seinen Lebensunterhalt zu verdienen, zunächst als Knecht und Lagerarbeiter, dann als Handelsgehilfe bei der Firma Gerngroß in Wien. Sein Bildungshunger und autodidakt. Wissenserwerb brachten ihn der Sozialdemokr. Partei nahe; im Zuge seines Einsatzes für verbesserte Arbeitsverhältnisse, z.B. für den Achtstunden-Tag, den A in publizist. Form über den von ihm gegr. Verein der Handlungsgehilfen entwickelte, wurde er von Viktor Adler entdeckt u. für die AZ gewonnen. Dort avancierte er nach wenigen Jahren zum Chefredakteur u. bestimmte maßgebl. das Profil der Zeitung. Nebenher war er auch Mitarb. des Wochenblattes der deutschen sozialdemokr. Partei Die Neue Zeit. Aufgrund seines Kampfes für Pressefreiheit gewann A. auch den Respekt von K. Kraus, dem A. vermutlich schon in den 1890er Jahren im Café Griensteidl begegnet war. 1914 bezog A. in der Julikrise zunächst eine kritisch-warnende Position, schwenkte dann aber mit dem Parteivorstand auf eine defensive, den Krieg hinnehmende Haltung ein, insbes. im Leitartikel Der Tag der deutschen Nation. Seit 1919 bis 1930 war A. Abgeordneter im österreichischen Parlament. In den 1920er Jahren galt er als Bindeglied zwischen der österr. Arbeiterbewegung und dem auf Distanz zu ihr gehenden K. Kraus; er widmete ihm 1924 einen ausführlichen Beitrag in der AZ zum 50. Geburtstag, nahm an der Kraus-Debatte in der sozialdemokr. Programmzeitschrift Der Kampf (seit 1923) teil u. unterstützte Kraus 1926 in der publizistisch u. juristisch geführten Kampagne u. Auseinandersetzung mit dem Journalisten u. Verleger Imre Békessy. Die Empörung über den Freispruch im Mordprozess von Schattendorf zählt zu den bedeutendsten polit. Leitartikeln der Ersten Republik u. gilt als mitauslösend für die Großdemonstration und die Eskalation vom 15. Juli 1927. In den ausklingenden 1920er Jahren widmete sich A. v.a. der schärfer werdenden Konfrontation mit der Christlichsozialen Partei unter Prälat Ignaz Seipel sowie mit den erstarkenden Heimwehren.


Quellen und Dokumente

Der Tag der deutschen Nation. In: Arbeiter-Zeitung, 5.8.1914, S. 1, Karl Kraus zu seinem 50. Geburtstag. In. Arbeiter-Zeitung, 27.4.1924, S. 3, Der wahre Kraus. In: Der Kampf, H.7/1926, 309-314; Die Mörder von Schattendorf freigesprochen. In: Arbeiter-Zeitung, 15.7.1927, S.1f., Seipels siebenter Oktober. In: Der Kampf, H. 11/1928, 532-538; Austerlitz spricht. Hg. von J. Braunthal. Wien 1931; K. Kraus: Zu der Tragödie Friedrich Austerlitz. In: Die Fackel 33 (1931), H. 857-863, S. 129-132, Friedrich Austerlitz, ein Retter der Bourgeoisie. In: Die Rote Fahne, 7.7.1931, S. 7.

Teilnachlass: Wien-Bibliothek.

Literatur (Auswahl)

Alfred Pfabigan: Karl Kraus und der Sozialismus. Eine politische Biographie, 225f. (1976), Harry Zohn: Karl Kraus and the Critics, 43 (1977).

Eintrag bei wien.gv.at.

(PHK)

geb. am 13.8.1874 in Lemberg (Lviv) – gest. am 30.1. 1947 in London; Kulturfunktionär, Journalist, Kritiker

Bach studierte an der Universität Wien Philosophie, u.a. bei Ernst Mach, und schloss 1897 mit einer Diss. über David Hume ab. Früh mit Arnold Schönberg und Alexander Zemlinski befreundet wendet sich B. der journalistischen Arbeit zu, zunächst in der Zs. Die Zeit, in der Neuen Freie Presse und wird ab 1904 Musikkritiker der Arbeiter-Zeitung (AZ), wo er sich, neben Paul A. Pisk, für die zeitgenössische ‚neue Musik’ einsetzt. 1905 begründet B. die Arbeitersymphonie-Konzerte, die in den 1920er Jahren fester Bestandteil der Kultur des Roten Wien waren, insbes. im Zusammenwirken mit Anton v. Webern. 1906-11 auch Mitglied der Psychologischen Mittwoch-Gesellschaft, die er im Zuge des Konflikts zwischen Alfred Adler und Sigmund Freud verlässt. Seit 1917 Feuilletonredakteur der AZ war er neben Otto Koenig auch für die Sparten Kultur und Literatur, Musik- und Theaterkritik, aber auch Film-Kultur (Rubrik: Kunst und Wissen) sowie für grundsätzliche Orientierungen, z.B. im Umfeld der Fragen Kunst und Sozialismus, Kunst und Klassencharakter zuständig. 1918-22 gab B. gemeinsam mit Julius Bittner die kulturkrit. Zs. Der Merker heraus, 1919 zählte er zu den Begründern der Sozialdemokratischen Kunststelle, der er bis 1934 als Präsident vorstand. 1924 war Bach maßgeblich in das Int. Musik- und Theaterfest der Stadt Wien eingebunden, in deren Rahmen z.B. Schönbergs Oper Die glückliche Hand uraufgeführt wurde, Fernand Léger sein ballett méchanique, Kurt Schwitters ein Modell der Merz-Bühne oder Friedrich Kiesler seine Raumbühne vorstellte. Er zählte darüber hinaus zum Bekanntenkreis von Arthur Schnitzler und setzte sich für Aufführungen seiner Stücke ein. 1926 übernahm B. auch die Hg. der sozialdemokratischen Kultur-Programm Zs. Kunst und Volk. 1928 verteidigte er die skandalumwitterte Aufführung der sog. (Jazz-)Oper Jonny spielt auf von Ernst Krenek, insbesondere gegen den NFP-Musikkritiker Julius Korngold, 1929 begrüßte er die Wiener Erstaufführung von Brechts Dreigroschenoper im Raimundtheater. 1933 legte er seine Funktion in der AZ zurück, 1939 emigrierte er nach Großbritannien, wo er u.a. Präsident der Union der österreichischen Journalisten in England war und am Kulturprogramm des Austrian Centre teilnahm.


Quellen und Dokumente

Die Künstler und der Sozialismus. Arbeiter-Zeitung, 9.2.1919, S. 2f., Alfons Petzold. In: Arbeiter-Zeitung, 27.1.1923, S. 4, Das Mysterium des Dichters. (“Die Schwester” von Hans Kaltneker. Uraufführung in der Renaissancebühne.). In: Arbeiter-Zeitung, 13.12.1923, S. 5.

Literatur

Bodil v. Thülen: Arnold Schönberg. Eine Kunstauslegung der Moderne. Würzburg 1996; Henriette Kotla-Werner: David Josef Bach. In: F. Stadler (Hg.): Vertriebene Vernunft. Bd. 2, Münster-Wien 2004; Edward Timms: Die Sammlung David Josef Bach. Eine Zeitkapsel aus den Zwanziger Jahren (unveröff. Typoskript, 2002; zur Verf. gestellt 2007); Klaus Dieter Paar: David Josef Bach. Austromarxistische Kunstpolitik am Beispiel der Musik. Dipl.Arb. Wien 2012 [Online verfügbar].

(PHK)

geb. am 19.7.1863 in Linz – gest. am 15.1.1934 in München; Schriftsteller, Kritiker, Redakteur

Der Sohn eines Notars und Landtagsabg. besuchte in Linz die Volksschule und vier Jahre das Akademische Gymnasium. Von 1878 bis 1881 absolvierte er das Benediktiner-Gymnasium in Salzburg. Danach ging B. nach Wien zum Studium der klassischen Philologie, die er bald gegen Jus und Nationalökonomie eintauschte, wurde Mitglied einer Burschenschaft u. lernte u.a. Georg v. Schönerer kennen. In diese Zeit datieren auch die ersten feuilletonist. Beiträge in Ztg. wie Deutsche Hochschule, Deutsche Worte, Kyffhäuser Zeitung u. in den Salzburger Nachrichten. Aufgr. seiner Rede beim deutschnationalen Trauerkommers für Richard Wagner wurde er im März 1883 von der Univ. Wien relegiert, studierte danach kurz in Czernowitz und Graz und ab 1884 in Berlin, wo er Nationalökonomie u.a. bei Gustav von Schmoller hörte, aber auch in Kontakt zu Heinrich v. Treitschke, August Bebel, Arno Holz u. Henrik Ibsen kam. 1887 beendete er das Studium ohne Abschluss (seine Dissertation über K. Marx wurde nicht angenommen), kehrte nach Linz zurück, absolvierte den Militärdienst als Einjährig Freiwilliger und verbrachte 1888 ein Jahr in Paris. Dort widmete er sich vorwiegend der Literatur u. veröffentl. 1889 seine erste Essayslg. Zur Kritik der Moderne (ED 1890), die z.T. wegweisende Texte zur Literatur, zum Theater, zur Kunstgeschichte, Philosophie u. Nationalökonomie enthielt. 1890 kehrte Bahr nochmals nach Berlin zurück, in der Hoffnung, über die Mitarbeit an den Zss. Freie Bühne für modernes Leben, Moderne Dichtung, Berliner Tageblatt sowie durch die ersten Theaterstücke Die Mutter, Die gute Schule und Die neuen Menschen seinen literar.-publizist. Durchbruch zu schaffen, was jedoch nicht eintrat. Wieder in Wien entwickelte sich Bahr zu einem prononcierten Verfechter des ›Jungen Wien‹ u. seiner kosmopolit. Moderne-Konzeption. Er begriff sich dabei als „prophetischer Wanderer“, der sein Moderne-Credo mit religiös-ästhetischem Gestus einerseits (Müller-Funk 2016) u. einer produktiven Aneignung zeitgenöss. französ. u. engl. Moderne- bzw. Décadence- Referenzen vortrug bzw. parallel zu jenem Hugo von Hofmannsthals (Bourget, Barrès, Huysmans, Pater, Ruskin, Swinburg, Wilde, später erst Shaw; Arlaud, Benay, Daigger 2004) entwickelte u. ausdifferenzierte, so z.B. in Die Überwindung des Naturalismus (1891) sowie Zur Kritik der Moderne (1894). B.s. Gestus u. seine Rolle in der Jung-Wien-Gruppe provozierte K. Kraus zu anfangs iron., später polemisch-ätzenden Verrissen, z.B. in Die demolirte Literatur (1897), u. zu rund 400 meist negativen Nennungen in der Fackel. 1892-94 war B. Kulturredakteur u. kurzztg. MitHg. der Deutschen Zeitung. Im Zuge eines weiteren Paris-Aufenthalts traf Bahr 1893 mit Theodor Herzl zusammen, der gerade an seiner Schrift Der Judenstaat (1895) arbeitete u. Anfang der 1880er Jahre Mitglied in derselben Burschenschaft (Albia) war, der auch B. angehörte, aus der H. jedoch 1883 austrat. Die beiden blieben bis H.s. Tod (1904) in sporadischem Kontakt, sandten sich wechselseitig ihre Werke zu u. besprachen sie auch. 1894 wurde Bahr Mitbegr. (mit H. Kanner u. I. Singer) der Wochenschrift Die Zeit, die er auch der tschech. Moderne (J.S. Machar, F.X. Šalda u.a.) öffnete, woraus sich in der Folge ein intensiver intellekt. Austausch mit dem Regisseur, Übersetzer u. Kulturpolitiker Jaroslav Kvapil ergeben sollte. 1894 erschien auch B.s. Interviewsammlung Der Antisemitismus, die 41 Stellungnahmen aus Deutschland, Österreich, Frankreich, Belgien, England, Spanien u. Italien versammelte u. als Reaktion auf den insbes. im Dt. Reich ansteigenden Antisemitismus als polit. Bewegung (1893 mit 16 Abgeord. in den Reichstag gewählt) gedacht war. 1895 kam es zur Heirat mit der (jüd.) Schauspielerin Rosa Jokl; die Ehe wurde 1909 nach bereits erfolgter Trennung seit 1904 geschieden.

Seit der Grd. der Wiener Secession begl. B. auch diese publizist. u. kulturpolitisch, arbeitete an ihrer Programm Zs. Ver Sacrum (1898ff.) mit u. fasste seine Texte zur Publik. Secession (1900) zusammen. 1901-1903 setzte sich B. vehement für G. Klimt ein, der an der Innenausstattung seiner von J.-M. Olbrich geplanten Villa in Ober St. Veit mitwirkte. Nach Erkrankungen 1902-03 wandte sich B. stärker dem Katholizismus sowie dem Österreichischen zu, befördert auch durch die Beziehung zur Schauspielerin Anna Mildenburg (Verehelichung 1909) u. sichtbar im Essay Wien (1906), mit dem das Barock als österr. Stil, Lebens- u. Kulturform aufgewertet wird. Zwischen 1904 u. 1908 skizzierte B. Festspielpläne in Salzburg, die jedoch trotz Einbeziehung von M. Reinhardt nicht zustande kamen. 1909 legte B. zwei seiner erfolgreichsten liter. Texte vor, die Dalmatinische Reise sowie das Lustspiel Das Konzert (UA in der Regie von O. Brahm, Lessingtheater, Berlin). Die bereits in den 1890er Jahren bemerkbaren ambivalenten Zeit- u. Kulturdiagnosen verstärken sich in der unmittelbaren Vorkriegszeit, um neben einem, u.a. von Kraus kritisierten „unablässige Wandel“, (Rieckmann, 1986) tw. gegenläufige Positionen einzunehmen. Vor dem Krieg noch „aktiver“ Pazifist im Essay Friede (1912) wird B. nach 1914 in Kriegssegen (1915) zu einem der österr.-patriot. Kriegsapologeten, um davon erst langsam u. nur partiell 1917-18 abzurücken. Wichtig war ihm jedoch stets die Bühnenpräsenz, und diese war 1914-17 beeindruckend: mehrmals wurde Der Querulant aufgeführt, daneben noch die Komödien Der Star, Wienerinnen, Die Kinder, Der Augenblick, Das Konzert und der „Schwank aus der deutschen Mobilisierung“, d.h. Der muntere Seifensieder. 1916 ersch. neben der kunst- wie kulturtheoret. Schrift Der Expressionismus auch der Roman Himmelfahrt, eine Art „Naturgeschichte des österr. Katholizismus“, ferner der Essay Der Österreicher, in dem B. die plurinationale Komponente des Nationalen herauszustreichen versuchte. Die klerikale u. österr.- patriot. Wende fand 1917 mit dem R. v. Kralik gewidm. Bd. Schwarzgelb einen ihrer frühen Höhepunkte. Im Dez. 1917 veröffentl. B. einen TB-Text, in dem er im Kontext von Friedenskonzepten Österr. eine Mittlerrolle zusprach, d.h. indir. dafür plädierte, sich gegen die Idee „deutscher Weltbeglückung“ zu positionieren. Anlässl. des Ersch. des Rudigier (1918) bezeichnete Max Foges Bahr im Neuen Wiener Journal (NWJ) als „Schriftsteller in Mönchskutte“, d.h. in derselben Ztg., in der B. seine oft vielseitigen TB-Eintragungen (u.a. zu persönl. Begegnungen oder neuen Tendenzen Lit. u. anderen Künsten, z.B. über J.M. Hauers Über die Klangfarbe, 1.12. 1918) veröffentl. u. die breit über ihn berichtete. Ende Aug. 1918 wurde B. mit der interimist. Leitung des Burgtheaters beauftragt, er wirkte dort als Regisseur bis März 1919; den Zusammenbruch des alten Ö. u. die Errichtung der parlament. Republik kommentierte er tendenziell spöttisch, u.a. in einem Lustspiel, von dem ein Akt in der NFP abgedr. wurde. 1919 erschien der umstrittene wiewohl auch komplexe Roman Die Rotte Korahs, in dem B. (österr.) Facetten d. Antisemitismus wie des Zionismus thematisiert, wiewohl, so der Rez. im NWr.Tbl. in den Roman „ [ ] viel von der katholischen Luft der ‚Himmelfahrt‘ hinein [weht] u. B.s. Vorstellungen vom Zionismus von verdeckt antisemit. Grundierung und „katholischer Mystik“ (so M. Foges) überlagert erscheinen. An den 1919-20 wiederaufgen. Bemühungen zur Etabl. der Salzbg. Festspiele war B. zunächst nicht beteiligt; er wertete die erste Jedermann-Auff. J. Redlich gegenüber als „scheußlich“ ab, rühmte aber 1922 Reinhardts „barocke Theaterkunst“, nachdem sich er zuvor, für die Realisierung von Hofmannsthals Salzburger Große Welttheater beim Erzbischof eingesetzt hatte.

1922 übersiedelt B. aus famil. Grd. nach München, nicht ohne die Bez. zu Salzbg. u. Wien aufzugeben, wie die Würdigungen zu seinem 60. Geburtstag 1923 zeigen. In diesem Jahr legte er auch sein autobiogr. Selbstbildnis vor, für Döblin im Prager TBl. (18.7.1923) das „Muster einer veralteten Lebensbeschreibung“. Die 1920er Jahre stehen schließlich unübersehbar im Zeichen einer Wende hin zum Propagator katholisch-kulturpolitischer Anliegen, sichtbar in der publizist. Mitwirkung an Ztg. wie Reichspost, Das neue Reich und Die schönere Zukunft, die nicht nur konservativ, sd. antidemokrat., tw. militant antisemit. u. kulturkämpferisch für kathol. Interessenslagen wie z.B. die Errichtung einer kathol. Universität in Salzburg auftraten. Beträge wie Katholische Musik (NR, 33/1920), Meinung und Glaube (NR, 39/1922), Christliche Wahrheit (RP, 27.10.1922), Das Reich Gottes (NR, 6/1923), Abendland (NR, 45/1924) bis hin zu Katholische Partei (SchöZuk, 16/1929) belegen diese Wende vom ›Mann von Übermorgen‹ hin zu einem in Predigermanier auftretenden, dogmatischen ›Mann von Gestern‹, wie dies auch die Dialogerz. Himmel auf Erden (1928) deutlich macht. Nichtsdestotrotz finden sich in B.s. regelmäß. TB-Texten im NWJ bis 1931 ungewöhnl., d.h. sowohl kathol.-konservat. Positionierungen als auch welthaltige aktuelle Einträge u. Leseerfahrungen (von B. Frank über H. Mann bis H. Zur Mühlen, W. Whitman u. M. Proust). Ungeachtet seiner kulturpolit. Volten behaupteten sich B.s. Stücke auf den Wiener Theatern bis Anfang der 1930er Jahre überaus gut, mitunter mit mehreren Aufführungen in einer Spielsaison wie z.B. 1928 mit Die Kinder, Der Querulant, Das Prinzip, Luftwechsel am Akademietheater sowie Der arme Herr als Radiospiel. 1927 wurde B. in die Sektion Dichtkunst der Preuß. Akademie der Künste aufgenommen, Anfang der 1930er Jahre erkrankte er, litt am Ende an Demenz u. brach zahlreiche Kontakte ab. Zu seinem 70.Geburtstag ersch. noch zahlr. Würdigungen, u.a. durch E. Buschbeck, M. Graf oder St. Zweig, verhalten auch durch O. Koenig, u. das Burgtheater führte im Sept. 1933 als Hommage B.s. Stück Der Meister auf.


Weitere Texte (Auswahl)

Erz./R.: Dora (1893); Theater (1897); Die Rahl (1908); Austriaca (1911); Österreich in Ewigkeit (1929);  Dr./Komödien: Das Tschapperl (1887); Ringelspiel (1907).

Quellen und Dokumente

Beiträge H. B.s.: Der Österreicher. In: Neues Wiener Journal, 9.1.1916, S. 6f., Tagebuch (erster Eintrag). In: Neues Wiener Journal, 24.12.1916, S. 7f., Tagebuch [zum Frieden]. In: Neues Wiener Journal, 8.12.1917, S. 4f.

Paul Kurmann: H. B.s Expressionismus. In: Neues Wiener Journal, 16.6.1916, S. 7, Reichskanzler Michaelis in Wien [zu Schwarzgelb]. In: Reichspost, 1.8.1917, S. 1f., Max Foges: H. B.s „Rudigier“. In: Neues Wiener Journal, 3.3.1918, S. 11f., H. Greinz: Die Rotte Korahs. In: Neues Wiener Tagblatt, 3.5.1919, S. 3f., Max Foges: Die Rotte Korahs. H. B.s neuester Roman. In: Neues Wiener Journal, 16.4.1919, S. 3f., Otto Koenig: H. B. (Zu seinem sechzigsten Geburtstag am 19. Juli 1923). In: Arbeiter-Zeitung, 19.7.1923, S. 3f., Raoul Auernheimer: Akademietheater. (Zum erstenmal: „Der Querulant“ von H. B.). In: Neue Freie Presse, 21.4.1925, S. 1f., R. A.: „Josephine“ im Akademietheater. In: Neue Freie Presse, 4.10.1930, S. 1-3, Max Graf: Der junge Hermann Bahr. In: Die Bühne (1933), H. 355, S. 26f., Erhard Buschbeck: H. B. Zum siebzigsten Geburtstag des Dichters. In: Radio Wien, 14.7.1933, S. 6f., Stefan Zweig: H. B. zum 70. Geburtstag. Der Don Juan der Erkenntnis. In: Neue Freie Presse, 19.7.1933, S. 8, N.N.: Gleichschaltung mit dem Wahnsinn. In: Arbeiter-Zeitung, 19.12.1933, S. 4.

Literatur (Auswahl)

D.G. Daviau: Der Mann von Übermorgen. H. Bahr 1863-1934 (1984); M. Dietrich (Hg.): Der Herr aus Linz. = H. Bahr Symposium 1984 (1987); R. Farkas: H. Bahr. Dynamik und Dilemma der Moderne (1989); H. Hogen: ‚Der Mann von Übermorgen‘? H. Bahr in seinen späten Schriften. In: ÖGL 1(1994); J. Lachinger (Hg.): H. Bahr – Mittler der europäischen Moderne. O= H. Bahr Symposium 1998 (2001); J. Benay, A. Pfabigan (Hgg.): H. Bahr – Für eine andere Moderne (2004); R. Urbach über H. Bahr. In: Literatur u. Kritik H. 489 (2014); T. Zelić (Hg.): Traditionsbrüche. Neue Forschungsansätze zu Hermann Bahr. = Wechselwirkungen Bd. 19 (2016); B. Beßlich: Religiöses Suchen in säkularisierten Zeiten. Hermann Bahrs Erlösungshoffnung zwischen Wissenschaft, Kunst und Katholizismus. In: Dies.: Das Junge Wien im Alter. Spätwerke (neben) der Moderne (1905-1938), Wien 2021, 167-178.

Eintrag in: ÖBL 1815-1950, Bd. 1 (Lfg. 1, 1954), S. 44f.

Online verfügbar: Kritische Ausgabe, Korrespondenznachlass.

Primus-Heinz Kucher: Rez. zu: Kurt Ifkovits: Hermann Bahr – Jaroslav Kvapil. Online abrufbar bei literaturhaus.at, P.-H. K.: Rez. zu: Kurt Ifkovits (Hg): Hermann Bahr. Tagebuch aus dem Neuen Wiener Journal 1927-1931. Online abrufbar bei literaturhaus.at.

(PHK)

als Herbert Bauer geb. am 4.8.1884 in Szeged – gest. am 15.7.1949 in Budapest; Drehbuchautor, Filmkritiker und -theoretiker, Regisseur, Librettist, Schriftsteller

Das Porträtmodul von Gustav Frank finden Sie hier.

Nach dem Studium der Philosophie in Budapest, u.a. bei Georg Simmel und Wilhelm Dilthey, und in Paris bei Henri Bergson wandte sich B. der Literatur zu  und begann Lyrik, Dramen, Märchen, Novellen und Libretti zu schreiben. Bekannt ist z.B. der Märchenzyklus Der Mantel der Träume. 1919 floh B., der u.a. mit György Lukács befreundet und kommunistisch orientiert war, nach der gewaltsamen Beendigung der Räterepublik unter Bela Kun nach Wien, wo bereits Ende Februar 1920 seine Tragödie Tödliche Jugend ihre österreichische Erstaufführung erleben konnte. Neben seiner schriftstellerischen und journalistisch-kritischen Tätigkeit in ungarischen Exilblättern wie Bécsi Magyar Ujság oder in den angesehenen Ztg. Der Morgen bzw. Der Tag, kam er in Wien auch mit dem Film in Berührung. Für den Tag verfasste er neben zahlreichen Film- auch Theaterkritiken, z.B. zu Georg Kaisers Kolportage, Franz Werfels Der Spiegelmensch, Robert Musils Vinzenz, Arthur Schnitzlers Komödie der Verführung oder Hugo v. Hofmannsthals Der Schwierige. Im Mai 1922 firmierte er u.a. als Gründungsmitglied der Wiener Clartè-Sektion (NFP, 23.5.1922, 20) und etwa zeitgleich besprach Thomas Mann seinen Band ‚chinesischer Novellen‘ Der Mantel der Bäume in der NFP geradezu hymnisch als (illustriertes) Werk von großer „dichterischer Geschicklichkeit“ und „metaphysischem Tiefsinn“. Mit der Schrift Der sichtbare Mensch (1924) legte Balázs bekanntlich einen Kerntext der modernen Filmtheorie und Filmästhetik vor, den sowohl Hofmannsthal wie Schnitzler aufmerksam registrierten. Im selben Jahr nahm er an der ‚Kinoreformtagung‘ in der Wiener Urania als Referent teil, hielt ebendort einen Einleitungsvortrag zu einem R. Musil-Abend (19.10. 1924) und wirkte am Drehbuch des Films Moderne Ehen (gem. mit Paul Busson und Felix Salten) mit, der im Dezember 1924 in die Kinos kam (Kino-Journal 20.12. 1924, 13). Im Jahr 1926 übersiedelte er nach Berlin, erzielte mit dem Film Narkose (1929, nach Stefan Zweigs Briefe einer Unbekannten) einen Achtungserfolg, ebenso mit dem Film Grand Hotel. In Österreich kamen in der Folge seine Stücke nur mehr selten zur Aufführung, z. B. im Nov. 1927 sein Tanzspiel Der holzgeschnitzte Prinz auf der Grazer Arbeiterbühne (Arbeiterwille, 16.11.1927, 7), aber auch seine Regietätigkeit verlagerte sich nahezu gänzlich auf deutsche oder internationale Filmprojekte. Im Zuge des Ersten Internationalen Kongresses des unabhängigen Films in La Sarraz (Schweiz) traf er sich 1929 mit Sergej Eisenstein, mit dem er bereits seit Jahren in wechselseitiger kritischer Bezugnahme auf das jeweilige Werk stand. Kurz danach veröffentlichte B. sein zweites filmtheoretisches Werk Der Geist des Films (1930), um danach als Drehbuchautor zu arbeiten, aber auch seinen ersten (und einzigen) Roman Unmögliche Menschen (1930) vorzulegen. Für die Verfilmung von Brechts Dreigroschenoper (1931) durch W. G. Pabst, gegen die Brecht gerichtlich vorzugehen suchte, zeichnete B., gemeinsam mit Leo Lania und Ladislaus Vadja ebenso für das Drehbuch verantwortlich wie für Leni Riefenstahls Debüt Das blaue Licht (1932). 1931 folgte B. der Einladung einer sowjetischen Filmgesellschaft nach Moskau, wo er ab 1933 an der Filmhochschule wirkte. Daraus ging die 1937 fertig gestellte, aber erst 1945 veröffentlichte Schrift Isskustwo Kino (Filmkunst) hervor, die den ideologischen Zwängen Tribut zollte und unübersetzt blieb. 1946 kehrte Balázs nach Budapest zurück, um seine letzte Schrift Filmkultur 1948 fertig zu stellen.


Quellen und Dokumente

O. A[beles]: Neue Wiener Bühne: Tödliche Jugend. Tragödie in drei Akten von B. Balázs. In: Der Morgen, 29. 2. 1920, S. 5; Die Geschichte von der Lógodygasse, vom Frühling, vom Tod und von der Ferne. In: Die Moderne Welt 5 (1923), H. 11, S. 11ff., Der Detektivroman. In: Die Rote Fahne, 16.5.1922, S. 4. Thomas Mann: Ein schönes Buch. In: NFP, 21.5.1922, S. 33.

Fritz Rosenfeld: Die “Dreigroschenoper” im Film. In: AZ, 29.5.1931, S. 9.

Literatur

Hanno Loewy: Béla Balázs – Märchen, Ritual und Film (Berlin 2003); Bernhard Fetz: Schrift. Film. Leben. Der Schriftsteller und Filmtheoretiker B. Balázs; Amalia Kerekes: Béla vergisst die Ismen. Béla Balázs’ Wiener Schriften zur ungarischen Avantgarde. Beide in: Pál Dereky, Zoltán Kékesi, Pál Kelemen (Hgg.): Mitteleuropäische Avantagarden. (Frankfurt/M. 2006)

(PHK)

eigentlich Lajos Barta bzw. germanisiert Ludwig Barta, geb. 1907 in Kassa/Košice – gest. 1996 in Budapest; Schriftsteller

Ps.: Balla Béla

B. entstammte einer Schriftstellerfamilie. Das Stück Die Stunde Rußlands seines Vaters Lajos Barta sen., das Erwin Piscator 1920 in Berlin aufführen ließ, bildete eines der ersten Zeugnisse eines Agitationstheaters in der jungen Weimarer Republik, seine Mutter Maria Szucsich veröffentlichte mit Herymnia Zur Mühlen und Eugen Lewin-Dorsch zusammen die Sammlung Die Märchen der Armen im Malik-Verlag. Die Familie flüchtete 1919 nach der Niederschlagung der ungarischen Räterepublik wie andere Vertreter der ungarischen Elite, darunter Béla illes, Sándor Barta, Andor Gábor, Georg Lukács und Lajos Kossák, nach Wien. Dort publizierte B. zunächst unter seinem eingedeutschten bürgerlichen Namen Ludwig Barta in der Arbeiter-Zeitung ab 1926 mehrere Erzählungen, auch nach seinem Beitritt zur KPÖ im Jahr 1929. 1930 schloss er sich dem neugegründeten Bund der proletarisch-revolutionären Schriftsteller Österreichs an und veröffentlichte Arbeiten nunmehr in der Roten Fahne und der Illustrierten Roten Woche. Von 23. Juni bis zum Verbot des Blattes am 22. Juli 1933 erschien der von Elendsquartieren und enttäuschen Wohnbauträumen handelnde Roman Der Weg in die Zukunft in der Roten Fahne; er musste daher mit der 25. Folge abgebrochen werden. 1935 emigrierte B. in die Tschechoslowakei, 1938 nach England, wo er dem kommunistisch ausgerichteten  Austria Centre als Teil des Free Austrian Movement angehörte. Im selben Jahr veröffentlichte er in der Moskauer Exilzeitschrift Das Wort die Erzählung Februar, die inkonsequentes Vorgehen der Sozialdemokratie für das Schlittern Österreichs in die Februarkämpfe 1934 und den aufkommenden Austrofaschismus verantwortlich macht. In dieser Zeit entstand auch das Stück Der Führer, das als einziges abendfüllendes Theaterstück in der Tradition der proletarisch-revolutionären Literatur in Österreich gilt. Nachdem eine Aufführung 1938 in Österreich undenkbar war, scheiterte eine Realisierung auch im britischen Exil mehrfach. Das Unity Theatre des Worker’s Theatre Movement lehnte es als zu wenig revolutionär ab. Es blieb wie der vollständige Roman Weg in die Zukunft auch nach 1945 unveröffentlicht.


Quellen und Dokumente

Ballade. In: Arbeiter-Zeitung, 31.1.1926, S. 17, Leuchten über den Feldern. In: Arbeiter-Zeitung, 24.1.1929, S. 3f., Männer im Schnee. In: AZ, 26.2.1930, S. 7, Die Tänzerin. In: AZ, 3.8.1930, S. 13, Einer von den 5000. In: Die Rote Fahne, 20.9.1931, S. 9, „Meine Herren Gendarmen…“ In: Die Rote Fahne, 20.12.1931, S. 3, Kommt so der Sozialismus? In: Die Rote Fahne, 1.1.1932, S. 7, Der Weg in die Zukunft. In: Die Rote Fahne, 23.6.1933, S. 6, Februar (1934). In: Das Wort (Moskau), 2.2.1938. Neuerlich in: Erich Hackl, Evelyne Polt-Heinzl (Hrsg.): Im Kältefieber. Februargeschichten, 86-90 (2014).

Literatur

Gerald Musger: Der „Bund der proletarisch-revolutionären Schriftsteller Österreichs“. Eine Dokumentation. Diss., 83ff (1977), Wolfgang Gastager: Literatur als Waffe gegen den Klassenfeind. 2 Bde. Dipl.-Arb., 218-220 (1995).

(ME)

geb. am 7.10.1897 in Budapest – gest./hingerichtet am 3.6.1938 in Moskau; avantgardistischer Schriftsteller, Publizist, Emigrant

Der Sohn eines Flickschneiders jüd. Konfession wuchs in ärmlichen, ungesunden Verhältnissen auf u. erkrankte früh an Tuberkulose. 1917 lernte er L. Kassák kennen u. wurde sein Mitarbeiter in der von ihm hg. Zs. der ungar. Avantgarde Ma. Bereits in Heft 4 des ersten Jg. veröffentlichte  B. drei Gedichte, denen weitere, auch politisch engagierte, folgten, darunter in H. 11/1917 das Ged. Diszonancie, das eine betont konstruktivist. Form aufweist. B. sympathisierte 1919 mit der Räterepublik unter B. Kun, ohne offizielle Funktionen zu bekleiden. Mit Kassák u. a. ungar. Intellektuellen u. Künstlern flüchtete er im Herbst 1919 nach Wien. In Wien machte er Ende 1920 Bekanntschaft mit Yvan Goll, der später mehrere seiner Ged. ins Französ. übertrug. Das Sonderheft 1/1921 von Ma war Barta gewidmet, in den zwei deutschsprach. Sonderausgaben 1923-24 war er jedoch nicht mehr vertreten. B. gilt auch als Herätiker, d.h. als Dadaist im konstruktivist. Umfeld von Kassák, von dem er sich ab Mitte 1922 entfernte u. aus dem Ma-Mitarbeiterkreis austrat. Im Nov. 1922 gründete er eigene Zs. in Wien, Akasztott ember (Der Henker 1922-23), die aber nur in drei Heften erschien, sowie Ek (Keil), in denen sich  Barta als Surrealist avant lettre positionierte. Darin finden sich u.a. programmat. Texte über Sozialismus u. Proletkult, die 1923 auch durch visuelle Ged. wie Moskau bzw. einer Lenin-Hommage poet. Ausdruck finden sollten. Im Sommer 1925 übersiedelte er mit seiner Frau Erzsi Újvari (1899-1940), Schwester von L. Kassák u. ebf. schriftstellerisch tätig (ihren Ged. Bd. Prózák (ersch. als Ma-Sonderheft 3, 1921) hat G. Grosz illustriert (Link), nach Moskau u. wurde Mitglied der ungar. Sektion der Russischen Assoziation proletarischer Schriftsteller. In den 1930er Jahren geriet Barta zunehmend in Konflikt mit der stalinist. Literaturpolitik; am 14.3.1938 wurde er verhaftet u. am 22.5. 1938 zum Tod verurteilt.


Werke

Igen. Próza [Ja. Prosa]; Tisztelt Hullaház! Kiáltványok [Hohes Leichenhaus! Manifeste] beide: Wien, Ma 1921; Mese a trombitakezü diákról [Der Student mit der Trompetenhand. Märchen u. Novellen], Wien 1922; Eine wunderbare Geschichte oder Wie entdeckte William Cookendy, bürgerlicher Reporter, die Erde, auf der er lebt. Wien-Berlin 1925.

Neuauflage ausgewählter Gedichte unter dem Titel Ki Vangy? [Wer bist du?] durch Gyula Illyés, Budapest 1987.

Quellen und Dokumente

Sonderheft Ma 1/1921 [online verfügbar].

Literatur

P. Deréky (Hg.): Lesebuch der ungarischen Avantgarde-Dichter in Wien 1920-1926 (1996); L. Congdon: Exile and Social Thought. Hungarian Intellectuals in Germany and Austria 1919-1933. (1999); Sándor Barta, Tibor Déry, Gyula Illyés, Lajos Kassak: Destines Croisés de l’Avant-Garde Hongroise 1918-1928 (2002), 15-64; P. Déreky, Z. Kékesi, P. Kelemen (Hg.): Mitteleuropäische Avantgarden (2006). Z. Peter: Lajos Kassák, Wien und der Konstruktivismus 1920-1926. (2010) 155-156.

Darstellung auf modernistarchitecture.wordpress.com.

(PHK)

Geb. 11.2.1873 in Graz, gest. 7.2.1952 in St. Peter/Graz. Schriftsteller, Offizier, Kritiker.

Seit 1907 ist Bartsch, zu dieser Zeit k.u.k. Offizier, durch Novellen und sein ausgreifendes Romanwerk Zwölf aus der Steiermark an die literar. Öffentlichkeit getreten. Peter Rosegger suchte Bartsch daraufhin eigens auf, um den neuen Dichter kennenzulernen. Die danach in rascher Folge erscheinenden Texte konzentrierten sich zunächst auf landschaftliche, historisch-romantisierende Themen, in die oft ein deutsch-österreichischer Nationalismus und Grenzlandpathos eingeschrieben ist, auf biographische Charakterbilder, sichtbar etwa im Schubertroman Schwammerl oder im Nestroyroman Lumpazivagabundus, wirkte an der Konstruktion des im Biedermeier verankerten Mythos von ›Alt Wien‹ mit, verfasste aber auch ein historisches Drama wie Ohne Gott (1914), das, einen Aufstand 1869 in Cattaro/Kotor behandelnd, nach Annahme am Deutschen Volkstheater aufgrund eines Zensurverweises im Dez. 1914 umgearbeitet werden musste (NWJ, 8.12.1914,10). Während des Weltkriegs gehörte Bartsch der literarischen Gruppe des Kriegsarchivs an, wirkte mit Beiträgen am Buch Aus der Werkstätte des Krieges sowie in der Tiroler Soldatenzeitung mit und legte Ende 1915 mit dem Roman Der Flieger einen in der Kritik zwiespältig, z.B. durch H. Menkes, aufgenommenen Text vor. 1916 feierte er dagegen mit der Bearbeitung seines Schubert-Romans zu einem Singspiel unter dem Titel Dreimäderlhaus einen Erfolg auf dem Theater (10 Monate im Repertoire des Raimund-Theaters; Wiederaufnahme Jänner-Mai 1918, im Sept. 1918 auch am Neuen Deutschen Theater in Prag); im selben Jahr wurde er mit dem Ritterkreuz für besondere (propagandistische) Verdienste (wie auch F. F. Ginzkey) ausgezeichnet. Gemeinsam mit zahlreichen anderen Schriftstellern (H. Bahr, F. Th. Csokor, F.K. Ginzkey, E. A. Rheinhardt, St. Zweig u.a.) lieferte er ab 1917 für die österreich-patriotische Zs. Donauland novellistisch-erzählerische Beiträge. Nach Kriegsende zog sich Bartsch zunächst nach Graz zurück, um sich dort seinem mit einer archaisch-restaurativen Utopie versehenen Roman Heldentum zu widmen, der 1919 erschien.

In den 1920er Jahren widmete er sich jedoch auch verstärkt Außenseitern und Sonderlingen, wie z.B. in Landstreicher (1922). Seit Beginn seiner literar. Tätigkeit zählte er, aus heutiger Sicht überraschenderweise, zu den erfolgreichsten Erzählern von den Verkaufszahlen her, die ihm den Vorwurf der Vielschreiberei eintrugen (Marilaun, 1923); seine Texte erschienen nicht nur im dezidiert deutschnational orientierten Staackmann Verlag (Leipzig) sondern auch bei Reclam und in Wien bei Rikola.  

Weitere Werke (Auswahl):

Das deutsche Volk in schwerer Zeit (1916); Unerfüllte Geschichten (1916); Blanchefleur (1917, Novelle, 1918 auch als Schauspiel unter dem Titel Der Kuhreigen aufgeführt); Der junge Dichter (1918);

Materialien und Quellen:

H. Menkes: Bücher in der Kriegszeit. In: NWJ, 12.12.1915, S.13; P. Zifferer: Unterhaltende Bücher (Zu: Unerfüllte Geschichten). In. NFP, 22.12.1916, S. 1-4; H. Greinz: Heldentum (Bespr.) In: NWTBl., 14.10.1919, S. 17; K. Marilaun: Rudolf Hans Bartsch, der Fünzigjährige. In: NWJ, 7.2.1923, S. 5-6;

(PHK, Work in progress)

Geb. 13.3. 1871 in Krakau/Krakow, k.k. Österreich-Ungarn, heute: Polen, gest. 20.11. 1942 in Berkeley/USA. Bildungspolitikerin, Redakteurin, Exilantin.

Materialien und Quellen:

Eintrag auf: das rote Wien: hier.

(in Vorbereitung)

geb. am 15.10.1853 in Györ/Raab – gest. am 11.6.1941 in Wien; Journalist, Schriftsteller, Librettist

Ps.: Sebastian Brant der Jüngere

B. wuchs als Sohn eines Regenschirmmachers und einer Näherin in einfachen Verhältnissen auf und verfasste als Gymnasiast erste journalistische Beiträge und Kritiken. 1873 kam er als Medizinstudent nach Wien, betätigte sich jedoch schon bald als Redakteur und Feuilletonist u.a. bei der Österreichischen Bürgerzeitung, der Tages-Presse und den Zs. Kikeriki, Kladderadatsch und Der Floh. 1879 schloss er sich der Redaktion des Illustrirten Wiener Extrablatts an, für das er zunächst als Gerichtsreporter tätig war, später leitete er bis zu seiner Pensionierung 1928 dessen Theaterreferat. Mit seinen Kritiken stieg B. um die Jahrhundertwende zu einem der bedeutendsten Wiener Rezensenten auf, Karl Kraus polemisierte bereits in der ersten Ausgabe der Fackel 1899 unter dem Titel Die Vertreibung aus dem Paradiese als Ausgangspunkt seiner anhaltenden Feuilletonkritik harsch gegen ihn. B. verkehrte wie auch Raoul Auernheimer, Paul Goldmann, Julius Korngold sowie Erich Wolfgang Korngold sowie Felix Salten im Kreis der Kunstmäzenin Jenny Mautner.

Neben seiner Tätigkeit als Kritiker trat B. ab Mitte der 1880er als Librettist und satirischer Autor in Erscheinung. Vor allem am Theater an der Wien verfasste er mit Hugo Wittmann Libretti für Franz Lehár (Die Juxheirat, Rosenstock und Edelweiß, Der Mann mit den drei Frauen), Carl Millöcker (u.a. Der arme Jonathan, Das Sonntagskind), Adolf Müller jun. (Der Hofnarr), Johann Strauß (Sohn) (Fürstin Ninetta) und Carl Weinberger (Adam und Eva). Anfang Dezember 1918 wurde die Aufführung von Paul Ottenheimers populärer Operette Der Kongreß tanzt mit dem Libretto von B. und Wittmann im Neuen Wiener Stadttheater u.a. von Aktivisten der Roten Garde gestört und in der Folge abgesetzt. B. selbst verfasste die Possen Zur Hebung des Fremdenverkehrs (1883) und Die Wienerstadt in Wort und Bild (1887), Burlesken und Revuen. Sammlungen seiner humoristischen Gedichte, die vor allem als Wiener Spazierreime in der Neuen Freien Presse erschienen, wurden jahrelang als sogenannte Damenspende beim Ball des Schriftstellervereins Concordia veröffentlicht. Für die Concordia, deren Ehrenmitglied er 1928 wurde, war er auch Jurymitglied beim Grillparzer-Preis 1926 an Franz Werfel. 1928 nahm B. u.a. mit Julius Bittner, Richard Beer-Hofmann, Oskar Maurus Fontana, Ernst Lothar, Richard Kralik, Arthur Schnitzler, Karl Hans Strobl und Friedrich Schreyvogel an einem Treffen mit Kanzler Ignaz Seipel „zur Bekämpfung von Schmutz und Schund“ in der Sittlichkeitdebatte u.a. infolge des sogenannten Jonnyskandals teil. Für das Burgtheater modernisierte er Werke des Altwiener Volksstücks, etwa 1928 Ferdinand Raimund Der Diamant des Geisterkönigs mit Bühnenbildern von Oskar Strnad und 1931 Johann Nestroys Das Mädel aus der Vorstadt.


Weitere Werke

Das neue Narrenschiff (1911), 50 Konkordiabälle. Eine Faschingsrevue (1914), Liebesg’schichten und Heiratssachen (Revue, 1916), Burleske. Mit musikalischen Übergängen aus Motiven Richard (Georg) Strauß’scher Werke von Karl Alwin (1924), Wiener Köpfe in der Karikatur (1928), Wiener Spazierreime aus Vergangenheit und Gegenwart (1930), Großes Raritäten- und Wachsfigurenkabinett (1931)

Quellen und Dokumente

Die Damenspende. In: Neues Wiener Journal, 17.2.1914, S. 5, Spazierreime aus Ischl. In: Wiener Sonn- und Montags-Zeitung, 23.8.1920, S. 5, Wiener Spazierreime. Mein Silvesterrausch. In: Neue Freie Presse, 3.1.1926, S. 16, W. S. Abraham a Santa Clara spricht. Zur bevorstehenden Enthüllung seines Denkmals. In: Neue Freie Presse, 1.5.1926, S. 12f., W. S. Die Jeritza-Zigarre. In: Neue Freie Presse, 13.6.1926, S. 12, W. S. Das süße Nichtstun. In: Neue Freie Presse, 19.9.1926, S. 12, W. S. Was gibt es Neues auf den Planeten? Erste Station: Mars. In: Neue Freie Presse, 13.4.1930, S. 12f.

Karl Kraus: Die Vertreibung aus dem Paradiese. In: Die Fackel 1 (1899), 1, S. 12-23, Der Kampf gegen den Operettengeist. In: Arbeiter-Zeitung, 5.12.1918, S. 7, Fünfzig Jahre „Extrablatt“. In: Wiener Sonn- und Montags-Zeitung, 27.3.1922, S. 4, Fritz Rosenfeld: Kunst und Wissen [Rez. zu Der arme Jonathan]. In: Arbeiter-Zeitung, 22.12.1925, S. 9, Hans Liebstoeckl: Theater. In: Wiener Sonn- und Montags-Zeitung, 28.2.1927, S. 3f., Zur Bekämpfung von Schmutz und Schund. In: Wiener Zeitung, 10.6.1928, S. 4-6, Eine Ehrung J. B.s. In: Wiener Zeitung, 6.12.1928, S. 3, Hans Brecka: „Das Haus der Temperamente.“ Nestroy-Posse im Burgtheater. In: Reichspost, 17.6.1932, S. 2f., Felix Salten: Nestroy und Goethe. Burg- und Akademietheater. In: Wiener Sonn- und Montags-Zeitung, 20.6.1932, S. 4.

Eintrag im Nachlassverzeichnis.

Literatur

Deutsches Schriftstellerlexikon 1830-1880, Bd. 1, Sp. 717, Ruth Esterhammer: Kraus über Heine. Mechanismen des literaturkritischen Diskurses im 19. und 20. Jahrhundert (2005), 184-188, Hans Eberhard Goldschmidt: Satirenanthologie und Caféhausbeleidigung. Zwei Briefe an J. B. In: Kraus-Hefte 8 (1978), 2-4, Uwe Harten: B., J. Eintrag im Musiklexikon der ÖAW, Eintrag bei wien.gv.at, Reinhard Müller: B., J. (2014). In: ÖBL online. Ders.: Eintrag bei Archiv für die Geschichte der Soziologie in Österreich (2008), E. Ms.: B., J. In: The Jewish Encyclopedia, Vol. 2. (1965), 600 [Online verfügbar].

(ME)