Bauer, Julius

geb. am 15.10.1853 in Györ/Raab – gest. am 11.6.1941 in Wien; Journalist, Schriftsteller, Librettist

Ps.: Sebastian Brant der Jüngere

B. wuchs als Sohn eines Regenschirmmachers und einer Näherin in einfachen Verhältnissen auf und verfasste als Gymnasiast erste journalistische Beiträge und Kritiken. 1873 kam er als Medizinstudent nach Wien, betätigte sich jedoch schon bald als Redakteur und Feuilletonist u.a. bei der Österreichischen Bürgerzeitung, der Tages-Presse und den Zs. Kikeriki, Kladderadatsch und Der Floh. 1879 schloss er sich der Redaktion des Illustrirten Wiener Extrablatts an, für das er zunächst als Gerichtsreporter tätig war, später leitete er bis zu seiner Pensionierung 1928 dessen Theaterreferat. Mit seinen Kritiken stieg B. um die Jahrhundertwende zu einem der bedeutendsten Wiener Rezensenten auf, Karl Kraus polemisierte bereits in der ersten Ausgabe der Fackel 1899 unter dem Titel Die Vertreibung aus dem Paradiese als Ausgangspunkt seiner anhaltenden Feuilletonkritik harsch gegen ihn. B. verkehrte wie auch Raoul Auernheimer, Paul Goldmann, Julius Korngold sowie Erich Wolfgang Korngold sowie Felix Salten im Kreis der Kunstmäzenin Jenny Mautner.

Neben seiner Tätigkeit als Kritiker trat B. ab Mitte der 1880er als Librettist und satirischer Autor in Erscheinung. Vor allem am Theater an der Wien verfasste er mit Hugo Wittmann Libretti für Franz Lehár (Die Juxheirat, Rosenstock und Edelweiß, Der Mann mit den drei Frauen), Carl Millöcker (u.a. Der arme Jonathan, Das Sonntagskind), Adolf Müller jun. (Der Hofnarr), Johann Strauß (Sohn) (Fürstin Ninetta) und Carl Weinberger (Adam und Eva). Anfang Dezember 1918 wurde die Aufführung von Paul Ottenheimers populärer Operette Der Kongreß tanzt mit dem Libretto von B. und Wittmann im Neuen Wiener Stadttheater u.a. von Aktivisten der Roten Garde gestört und in der Folge abgesetzt. B. selbst verfasste die Possen Zur Hebung des Fremdenverkehrs (1883) und Die Wienerstadt in Wort und Bild (1887), Burlesken und Revuen. Sammlungen seiner humoristischen Gedichte, die vor allem als Wiener Spazierreime in der Neuen Freien Presse erschienen, wurden jahrelang als sogenannte Damenspende beim Ball des Schriftstellervereins Concordia veröffentlicht. Für die Concordia, deren Ehrenmitglied er 1928 wurde, war er auch Jurymitglied beim Grillparzer-Preis 1926 an Franz Werfel. 1928 nahm B. u.a. mit Julius Bittner, Richard Beer-Hofmann, Oskar Maurus Fontana, Ernst Lothar, Richard Kralik, Arthur Schnitzler, Karl Hans Strobl und Friedrich Schreyvogel an einem Treffen mit Kanzler Ignaz Seipel „zur Bekämpfung von Schmutz und Schund“ in der Sittlichkeitdebatte u.a. infolge des sogenannten Jonnyskandals teil. Für das Burgtheater modernisierte er Werke des Altwiener Volksstücks, etwa 1928 Ferdinand Raimund Der Diamant des Geisterkönigs mit Bühnenbildern von Oskar Strnad und 1931 Johann Nestroys Das Mädel aus der Vorstadt.


Weitere Werke

Das neue Narrenschiff (1911), 50 Konkordiabälle. Eine Faschingsrevue (1914), Liebesg’schichten und Heiratssachen (Revue, 1916), Burleske. Mit musikalischen Übergängen aus Motiven Richard (Georg) Strauß’scher Werke von Karl Alwin (1924), Wiener Köpfe in der Karikatur (1928), Wiener Spazierreime aus Vergangenheit und Gegenwart (1930), Großes Raritäten- und Wachsfigurenkabinett (1931)

Quellen und Dokumente

Die Damenspende. In: Neues Wiener Journal, 17.2.1914, S. 5, Spazierreime aus Ischl. In: Wiener Sonn- und Montags-Zeitung, 23.8.1920, S. 5, Wiener Spazierreime. Mein Silvesterrausch. In: Neue Freie Presse, 3.1.1926, S. 16, W. S. Abraham a Santa Clara spricht. Zur bevorstehenden Enthüllung seines Denkmals. In: Neue Freie Presse, 1.5.1926, S. 12f., W. S. Die Jeritza-Zigarre. In: Neue Freie Presse, 13.6.1926, S. 12, W. S. Das süße Nichtstun. In: Neue Freie Presse, 19.9.1926, S. 12, W. S. Was gibt es Neues auf den Planeten? Erste Station: Mars. In: Neue Freie Presse, 13.4.1930, S. 12f.

Karl Kraus: Die Vertreibung aus dem Paradiese. In: Die Fackel 1 (1899), 1, S. 12-23, Der Kampf gegen den Operettengeist. In: Arbeiter-Zeitung, 5.12.1918, S. 7, Fünfzig Jahre „Extrablatt“. In: Wiener Sonn- und Montags-Zeitung, 27.3.1922, S. 4, Fritz Rosenfeld: Kunst und Wissen [Rez. zu Der arme Jonathan]. In: Arbeiter-Zeitung, 22.12.1925, S. 9, Hans Liebstoeckl: Theater. In: Wiener Sonn- und Montags-Zeitung, 28.2.1927, S. 3f., Zur Bekämpfung von Schmutz und Schund. In: Wiener Zeitung, 10.6.1928, S. 4-6, Eine Ehrung J. B.s. In: Wiener Zeitung, 6.12.1928, S. 3, Hans Brecka: „Das Haus der Temperamente.“ Nestroy-Posse im Burgtheater. In: Reichspost, 17.6.1932, S. 2f., Felix Salten: Nestroy und Goethe. Burg- und Akademietheater. In: Wiener Sonn- und Montags-Zeitung, 20.6.1932, S. 4.

Eintrag im Nachlassverzeichnis.

Literatur

Deutsches Schriftstellerlexikon 1830-1880, Bd. 1, Sp. 717, Ruth Esterhammer: Kraus über Heine. Mechanismen des literaturkritischen Diskurses im 19. und 20. Jahrhundert (2005), 184-188, Hans Eberhard Goldschmidt: Satirenanthologie und Caféhausbeleidigung. Zwei Briefe an J. B. In: Kraus-Hefte 8 (1978), 2-4, Uwe Harten: B., J. Eintrag im Musiklexikon der ÖAW, Eintrag bei wien.gv.at, Reinhard Müller: B., J. (2014). In: ÖBL online. Ders.: Eintrag bei Archiv für die Geschichte der Soziologie in Österreich (2008), E. Ms.: B., J. In: The Jewish Encyclopedia, Vol. 2. (1965), 600 [Online verfügbar].

(ME)