Beer-Hofmann, Richard

geb. am 11.7. 1866 in Wien – gest. am 26.9.1945 in New York; Schriftsteller, Dramatiker, Regisseur, Kritiker, Exilant

Beer-Hofmann wuchs in Brünn und Wien auf, wo er das Akademische Gymnasium besuchte. Nach Ablegung der Matura nahm er ein Jus-Studium auf, das er 1890 erfolgreich beendete. In dasselbe Jahr datiert die Begegnung mit H. Bahr, H. v. Hofmannsthal und A. Schnitzler, denen er freundschaftlich verbunden blieb und die den inneren Kreis der Gruppe ›Jung-Wien‹ bildete. In diesem Kreis legte er 1891/92 sein erstes Werk, das jedoch zu Lebzeiten nicht veröffentlicht wurde, vor, die Pantomime Pierrot Hypnotiseur, die v.a. bei Hofmannsthal auf positive Resonanz traf (Werke, 1, 339). Materiell abgesichert, entschied er sich für eine freie Schriftstellerexistenz, die 1893 mit einem ersten Novellenband einsetzte, dem zahlreiche Gedichte folgten, darunter 1897 das Schlaflied für Mirjam, und 1900 mit der Erzählung Der Tod Georgs einen ersten Höhepunkt fand. 1904 stellte er das Trauerspiel Der Graf von Charolais fertig, das ihn als Bühnenautor bekannt machte und von M. Reinhardt zuerst in Berlin, sowie, im Zuge einer Gastinszenierung, im Mai 1905 in Wien (ur)aufgeführt wurde. Ihm folgte ab 1906 die Arbeit am unvollendet gebliebenen Dramenzyklus Die Historie von König David. In diesen Jahren fing Beer-Hofmann auch an, öffentlich für Anliegen der jüdischen Bevölkerung einzutreten und näherte sich dem Zionismus an. So trat er z.B. am 10.2.1907 gemeinsam mit Felix Salten, Arthur Schnitzler und Jakob Wassermann in einer Benefizlesung im renommierten Bösendorfer-Saal auf, deren Erlös für den Bau eines Waisenheimes für Kinder ermordeter russisch-jüdischer Familien in Palästina zu Gute kam (NWJ, 6.2.1907, 10). In den darauffolgenden Jahren zog er sich aus dem öffentlichen Leben deutlich zurück, nahm auch an keiner der vielen Weltkriegsveranstaltungen teil, sondern arbeitete seit 1906 (N. O. Eke, Werke 5, 537) an seinem König David-Projekt/Zyklus. Aber erst im Okt. 1917 vermeldete das NWJ den Abschluss des ersten Dramas: Jaákobs Traum, das Ende 1918 erschien und 1919 durch M. Reinhardt uraufgeführt wurde. Trotz seiner komplexen und zionistischen Ausrichtung stieß es auf interessierte Aufnahme in Wien, aber noch stärker in Prag und Berlin, wie P. Goldmann in einem NFP-Feuilleton (6.2.1920,1-3) berichtete. In der Zs. Der Jude besprach Hugo Bergmann das Drama unter einer doppelten, zwiespältigen Perspektive: einerseits als Zeugnis des „guten jüdischen Gottes“, andererseits aber auch als in „christelnder Auffassung befangen“, welche die „Mission des auserwählten Volkes nur negativ“ sehe . 1921 erhielt Beer-Hofmann für dieses Drama den Raimund-Preis, und es wurde im Mai desselben Jahres wieder ins Programm des Burgtheaters aufgenommen, wo es sich bis Ende Oktober hielt. Beide Stücke fanden sich auch 1923, 1924 und 1925, der Charolais u.a. mit A. Moissi in der Hauptrolle auch 1927, wieder auf dem Spielplan.

Für das Theater in der Josefstadt übersetzte Beer-Hofmann 1924 das Schauspiel Überfahrt von Sutton Vane und führte auch, durch die Inflation zu einem Einkommen gezwungen, bis Anfang der 1930er Jahre dort regelmäßig Regie. Im Zuge der Übernahme dieses Theaters durch M. Reinhardt wurde Beer-Hofmann künstlerischer Beirat desselben. 1925 trat er aber auch in der VHS Ottakring durch eine Lesung aus dem Charolais in Erscheinung (AZ, 16.4.1925,11). 1926 wurde Jaákobs Traum durch die Habima in Moskau aufgeführt, worüber A. Moissi im Tag berichtet sowie ab 1.6. 1926 als deren Gastspiel auch im Wiener Carl-Theater. Im selben Jahr wurde Beer-Hofmann auch zum Jurymitglied für den ›Kunstpreis der Stadt Wien‹ durch Bürgermeister Seitz ernannt (die Preise für Literatur gingen an F. Brügel, R. Michel und E. Scheibelreiter). 1927 wurde er erstmals in der Sendeleiste ›Dichterstunde‹ von Radio Wien vorgestellt und zwar durch Paul Wertheimer; zugleich wurde sein Schlaflied für Mirjam im S. Fischer Verlag neu aufgelegt. Zuvor schon kam es im Zuge der von ihm verantworteten Inszenierung des Fiesko von F. Schiller zu einer Diskussion mit Dir. Beer vom Dt. Volkstheater, die Beer-Hofmann zu einem offenen Brief motivierte, veröffentlicht im NWJ, in dem er die Frage der Lebendigkeit eines Klassikers und jene von (nötigen) Kürzungen thematisierte. Im Nov. 1927 beteiligte sich Beer-Hofmann an der Protestresolution gegen die Ravag und deren Umgang mit dem geistigen Eigentum von Schriftstellern, gegen die A. Schnitzler bei Gericht Klage eingebracht hatte. Eine „glanzvolle Vorstellung“, so F. Porges in seiner Filmzeitung (H. 124/1928) gelang Beer-Hofmann 1928 mit seiner Iphigenie-Aufführung in der Josefstadt, in der Helene Thimig die Hauptrolle spielte, eine Auff., die bei den Salzburger Festspielen erfolgreich wiederholt wurde. Im selben Jahr betätigte er sich auch an der Debatte über den Gesetzentwurf über ›Schmutz- und Schund‹ und nahm an der Aussprache der Schriftstellerverbände mit Bundeskanzler Seipel, der mit Schnitzler in eine heftige Diskussion geriet, und Unterrichtsminister Schmitz teil. Im Oktober 1928 las er in Berlin erstmals aus seinem Drama Der junge David vor; als Buchausgabe erschien es zu Jahresende 1933. Im Jänner 1929 wurde sein Schlaflied für Mirjam im Zuge einer Gedenkveranstaltung der Arbeitersymphonie-Konzerte für den verstorbenen Komponisten Karl Prohaska vertont und gespielt.

1931 übernahm Beer-Hofmann die Bühnenbearbeitung und Regie von Goethes Faust für das Burgtheater, die als vielbeachtete Goethe-Gedächtnisaufführung firmierte und das Goethejahr an der Burg im Februar 1932 einleitete, bis Ende Oktober im Repertoire blieb und in der Spielsaison 1933 ab September wieder in das Programm aufgenommen und ab Mai 1934 nochmals gespielt wurde. Im August 1936 wurde diese Inszenierung auch auf dem Prager Neuen Deutschen Theater gegeben. 1934 beteiligte sich Beer-Hofmann an der Anthologie Österreichische Lyrik der Gegenwart des (Wiener) Saturn-Verlags. Die Aufführung des Dramas Der junge David war für 1934-35 am Dt. Volkstheater geplant, kam aber nicht zustande. Am 15.1.1938 fand am Burgtheater nochmals die Faust-Festaufführung statt; nach dem Anschluss vom März 1938 musste Beer-Hofmann, seit Mai 1933 auf der Liste des unerwünschten Schrifttums, sich um seine Ausreise bzw. Flucht aus Österreich kümmern, die 1939 über die Schweiz, wo er seine Frau Paula verlor, gelang. Danach kam er über Genua am 23.11.1939 in die USA , wo er sich in New York niederließ und auf Unterstützung durch Freunde wie Otto Kallir, Ernst Lothar, Max Reinhardt, Herbert Steiner und den US-Anwalt Samuel Wachtell rechnen konnte. Er knüpfte auch Kontakte zu Hermann Broch und Thornton Wilder, war im Umkreis der ›Austrian American League‹ tätig, wurde 1941 in das Advisory Committee der Zeitschrift Aufbau aufgenommen und arbeitete an weiteren (Exil)Zeitschriften wie Austro-American Tribune, Menorah, The German Quarterly mit. 1944 hielt er noch Vorträge an renommierten US-Universitäten wie Columbia, Harvard und Yale, widmete sich seinem Erinnerungswerk und der Ordnung desselben.


Weitere Werke

Gedenkrede auf Wolfgang Amadeus Mozart. Berlin 1906; Große Richard Beer-Hofmann-Ausgabe in sechs Bänden. Hg. von M.M. Schardt u.a. Oldenbourg 1998-2002. K. Fliedl (Hg.): arthur schnitzler – richard beer-hofmann, briefwechsel 1891 – 1931. Wien u.a. 1992.

Quellen und Dokumente

Franz Servaes: Drei Romane In: Neue Freie Presse, 26.8.1900, S. 17-19, Ankündigung zu Jaakobs Traum. In: Österreichische Buchhändler-Correspondenz, 11.12.1918, S. 504, David Josef Bach: Das Drama des Juden. („Jaakobs Traum“ von Richard Beer-Hofmann). In: Arbeiter-Zeitung, 10.4.1919, S. 2, Richard A. Bermann: Jaakobs Traum. Richard Beer-Hofmanns Drama im Burgtheater. In: Der neue Tag, 6.4.1919, S. 9f., Ankündigung zu Der Graf von Charolais. In: Der Filmbote: 11.11.1922, S. 13, Tulo Rosenblatt: Alexander Moissi über die Habima. In: Wiener Morgenblatt, 27.5.1926, S. 3, Paul Stefan: Beer-Hofmann, der Sechziger. In: Die Bühne (1926), H. 89, S. 5, Die Striche im „Fiesko“. Ein Brief des Dichters Richard Beer-Hofmann. In: Neues Wiener Journal, 28.4.1927, S. 10, Paul Wertheimer: Richard Beer-Hofmann. In: Radio Wien, 4.7.1927, S. 1906, Der Schriftstellerprotest gegen die RAVAG. In: Die Stunde, 19.11.1927, S. 6, Seipels Kampf gegen Schmutz und Schund. Eine Aussprache mit den Vertretern der Schriftstellervereine. In: Arbeiter-Zeitung, 9.6.1928, S. 3, Der Kampf gegen Schmutz und Schund. Eine interessante Enquete im Bundeskanzleramt. In: Neues Wiener Journal, 9.6.1928, S. 2, Der erste Akt von Richard Beer-Hofmanns „Jungem David“. In: Neue Freie Presse, 27.10.1928, S. 11, Otto Stoessl: Festaufführung des „Faust“ am Burgtheater. In: Wiener Zeitung, 1.3.1932, S. 1f., Subskriptionseinladung zu Verse. In: Austria (1941), H. 6, S. 6.

Nachlass: Leo Baeck Institut, New York.

Literatur (Auswahl)

Th. Reik: Richard Beer-Hofmann. Leipzig 1912; N.O. Eke, G. Helmes (Hgg.): R. Beer-Hofmann. Studien zu seinem Werk. Würzburg 1993; St. Scherer: Richard Beer-Hofmann und die Wiener Moderne. Tübingen 1993, 22011; S. Eberhardt/Ch. Goer (Hgg.): Über Richard Beer-Hofmann. Rezeptionsdokumente aus 100 Jahren. Paderborn 1996; D. Borchmeyer (Hg.): Richard Beer-Hofmann: „Zwischen Ästhetizismus und Judentum“. Symposion Heidelberg 1995: Vorträge. Paderborn 1996, 22011; A. Gillman: Viennese Jewish Modernism: Freud, Hofmannsthal, Beer-Hofmann, and Schnitzler. Pennsylvania Univ. Press 2009; D. Niefanger: „Jisro-El“. Politische Kulturkritik in Richard Beer-Hofmanns Die Historie von König David. In: B. Beßlich, C. Fossaluzza (hg.): Kulturkritik der Wiener Moderne (1890-1938). = Beihefte zum Euphorion, H. 110. Heidelberg 2019, 281-296.

(PHK)