Musik- und Theaterfest, Internationales
Wien, 14. September bis 10. Oktober 1924
Dieses groß angelegte Musik- und Theaterfest wurde nach einem ersten Versuch im Jahr 1920, der nur mäßige Resonanz nach sich gezogen hatte, unter der Gesamtkoordination von David J. Bachgeb. am 13.8.1874 in Lemberg (Lviv) – gest. am 30.1. 1947 in London; Kulturfunktionär, Journalist, Kritiker Aus:..., dem Leiter der Sozialdemokratischen KunststelleAus: Arbeiter-Zeitung, 30.10.1921, S. 7 Aufbauend auf kulturell-künstlerische Vorfelderfahrungen, z.B. mit den Arbeiter... u. Redakteur der AZGegr. 1889, verboten 1934, illegal 1934-1938, 1938 verboten, neugegr. 1945, eingestellt 1991 Aus: Arbeiter-Zeitung, 12...., 1924 zu einer großen Leistungsschau des künstlerisch-kulturellen Lebens Wiens organisiert. Dies gelang trotz schwieriger finanzieller Verhältnisse – die NFP berichtet von einem kreditierten Gesamtkostenrahmen von 1,5 Milliarden Kronen (!) – u. kaum erst überwundenem Höhepunkt der seit 1922 anhaltenden Inflationsperiode. Alle wichtigen Kunstsparten und Institutionen waren eingebunden, die renommierten wie die kleineren Bühnen, die Konzerthäuser wie die Secession, das Künstlerhaus, die Galerie im Schloss Belvedere oder das Museum für Kunst und Industrie.
Im Bereich der Musik spannte sich der Bogen von der tonalen Moderne und Komponisten wie Hugo Kauder, Carl Lafitte und Anna Mahler bis hin zur Zweiten Wiener Schule der Zwölftonmusik und des Kreises rund um Arnold Schönberg, Anton Webern und Josef Mathias Hauer. Begleitet war das Aufführungsprogramm von Kongressen u. Ausstellungen wie z.B. über Ernste Musik in Wien von Bruckner bis in die jüngste Gegenwart (im Rathaus). In Rahmen des Festes kamen neben einem Mozart-Zyklus und Strauß-Kompositionen u.a. G. Mahlers nachgelassene Fragmente der 10.Symphonie zur Aufführung.
Das Theaterprogramm vereinte klass. Wiener Autoren von Grillparzer, Nestroy über Anzengruber bis Hofmannsthal u. Schnitzler; es gab aber auch zahlr. jungen Dramatikern die Möglichkeit, sich gut zu präsentieren, z.B. Walter Eidlitzauch Walter E., geb. am 28.8.1892 in Wien – gest. am 28.8.1976 in Vaxholm (Schweden); Schriftsteller, Feuilletonist, E... mit seinem Märchendrama Der Kaiser im Walde (27.9.), Ernst Fischergeb. am 3.7.1899 in Komotau/Böhmen – gest. am 31.7.1972 in Deutschfeistritz; Schriftsteller, Politiker (KPÖ) Ps.: F...., dessen Das Schwert des Attila im Burgth. seine UA am 30.9. erlebte, Richard Billingergeb. am 20.7.1890 in Marienkirchen/Schärding - gest. am 7.6.1965 in Linz; Lyriker, Dramatiker, Drehbuchautor B. wurde ... mit Der Knecht (2.10.), Hedwig RossiGeb. 29.5.1891 in Wien, gest. 25.10. 1985 in Old Tappan/New Jersey (USA); Schriftstellerin, Dramatikerin, Exilantin Vgl.... mit Sieben Jahre und ein Tag (25.9.). K. Kraus zeichnete dabei für die Inszen. von Nestroys Posse Eine Wohnung zu vermieten, verantwortlich. Wie breit es angelegt war, unterstreichen auch die Auff. von Jaakobs Traum von Richard Beer-Hofmanngeb. am 11.7. 1866 in Wien – gest. am 26.9.1945 in New York; Schriftsteller, Dramatiker, Regisseur, Kritiker, Exilant ... (2.10.), die Inszenierung des Apostelspiels von Max Mellgeb. am 10.11.1882 in Marburg an der Drau (k.k. Österr.-Ungarn, heute: Maribor/ Slowenien) – gest. am 12.12.1971 in W... (4.10.), des rundum erneuerten Volksstück vom Doktor Faust durch Richard v. Kralikgeb. am 1.10.1852 in Eleonorenhain (Böhmerwald) - gest. am 4.2.1934 in Wien; Schriftsteller, Historiker, Publizist,&nbs... oder die UA von Molières Der Bürger als Edelmann in der Bearb. von H. v. Hofmannsthalmit vollem Namen Hugo Laurenz Anton von Hofmannsthal geb. am 1.2.1874 in Wien – gest. 15.7.1929 in Rodaun bei Wien; Sc... u. der Vertonung durch R. Strauß sowie der UA von Beethovens Die Ruinen von Athen, versehen mit Texten von Hofmannsthal. An auswärtigen Produktionen kam Ernst Barlachs Der tote Tag am 24.9. zur Aufführung.
Ein besonderer Schwerpunkt, zugleich jener von größter internat. Beteiligung, galt der zeitaktuellen Theatertechnik in Gestalt der von Friedrich Kieslerauch Frederick Kiesler; geb. am 22.9.1890 in Czernowitz – gest. am 27.12.1965 in New York Kiesler studierte in Wi... kuratierten Internationalen Ausstellung neuer Theatertechnik im Konzerthaus, gerahmt von einer von Joseph Gregor zusammengestellten theatergeschichtl. Ausstellung in der Albertina. Mittelpunkt der Kieslerschen Ausstellung war seine sog. u. zugleich vieldiskutierte RaumbühneAnlässlich der 1000. Theateraufführung im Rahmen der sozialdemokr. Kunststelle tauchte der Begriff Raumbühne (RB) ers..., an der Vorträge, z.B. von Bela Balázs, Tanzvorführungen, u.a. von Grete Bodenwiesergeb. am 3.2.1890 in Wien - gest. am 10.11.1959 in Sydney; Tänzerin, Choreografin, Tanzlehrerin und Wegbereiterin des Au... u. Gisa Geertgeb. am 7.6.1900 in Wien – gest. am 2.4.1991 in Madrid; Tänzerin, Choreographin, Schauspielerin und Fernsehmoderator... stattfanden, u. sog. reflektorische Lichtspiele von Hirschfeld-Mach, und die am 2.10.1924 mit Im Dunkel, einem Kammerspiel von Paul Frischauergeb. am 25.5.1898 in Wien – gest. 7.5.1977 in Wien; Schriftsteller, Journalist, Sachbuchautor, Emigrant F. stammte aus..., ihre Bewährungsprobe lieferte. Angekündigt war auch eine Auff. von Iwan Golls Methusalem für den 10.10. 1924, die jedoch aufgr. strittiger Vereinbarungen nicht zustande kommen konnte. Die bedeutendste Gruppe der internat. Avantgarde, die in Wien rund 200 Werke, darunter etwa 60 Bühnenbilder, ausstellte, war jene der ital. Futuristen, angeführt von Enrico Prampolini, über die auch die Zs. Der Sturm berichtete. Weiters stellte El Lissitzky aus, von Férnand Leger wurde der kubistische Kurzfilm Ballet Mécanique vorgeführt und eine Reihe weiterer Künstler der internat. Avantgarde waren anwesend oder trugen vor: Theo van Doesburg, George Grosz, Tommaso Marinetti, Vsevolod Meyerhold, László Moholy-Nagy, Oskar Schlemmer, Lothar Schreyer u.a. Die Avantgarde-Zs. MA widmete dem Musik- u. Theaterfest eine mehrsprachige Sondernummer, in der u.a. auch programmat. Texte zum Abdruck kamen.
Quellen und Dokumente
Das Programm des Musik- und Theaterfestes der Stadt Wien 1924. In: Neue Freie Presse, 12.4.1924, S. 11, Moderne Theaterkunst. Eröffung der Ausstellung in der “Albertina”. In: Neues Wiener Abendblatt, 13.9.1924, S. 4, Das Musik- und Theaterfest der Stadt Wien 1924. In: Arbeiter-Zeitung, 15.9.1924, S. 3, Sondernummer der Zs. MA 9 (1924), H. 8, Karikaturen zum Musik- und Theaterfest. In: Illustrierte Kronenzeitung, 25.9.1924, S. 1, Heinrich Kralik: “Die Ruinen von Athen.” Ein Festspiel mit Tänzen und Chören. In: Neues Wiener Tagblatt, 21.9.1924, S. 10, Julius Korngold: Das Musik- und Theaterfest. Konzerte. In: Neue Freie Presse, 21.10.1924, S. 1-3, Edwin Rollettgeb. am 24.1.1889 in Graz – gest. am 7.12.1964 in Wien; Journalist, Kritiker, Schriftsteller Aus: Das Kleine...: Premiere auf der Raumbühne. In: Wiener Zeitung, 4.10.1924, S. 5, Otto Koeniggeb. am 12.5.1881 in Wien – gest. am 15.9.1955 in Klosterneuburg; Redakteur, Kritiker, Volksbildner K. studierte Germ...: Das Apostelspiel. (Zur Erstaufführung im Theater in der Josefstadt) In: Arbeiter-Zeitung, 5.10.1924, S. 10, Renato Mordo: Kieslers Raumbühne in praktischer Anwendung. In: Neues Wiener Journal, 12.10.1924, S. 15f.
Literatur
B. F. Dolbin: Die internationale Ausstellung neuer Theatertechnik in Wien. In: Der Sturm 1925, 97-100; D. Bogner: Wien 1920-1930. »Es war als würde Utopia Realität werden«. In: Österreichisches Museum für angewandte Kunst/G. Egger, H. Fux, W. Mrazek, K. Rossacher (Hg.): Alte und Moderne Kunst Nr. 190/91 (1983), 35-48, wiederabgedruckt in: D. Bogner, G. Bogner, A. Hubin, M.Milleutz (Hgg.): Perspektiven in Bewegung. Wien 2017, 325-352 (Online verfügbar), B. Lesák: Eine neue Stadtkultur. Das Musik- und Theaterfest der Stadt Wien 1924. In: Österr. Friedrich und Lilian Kiesler-Privatstiftung (Hg.): Wien 1924. Station der Avantgarde (2018), 8-14 (with an english version available); A. Larcati: Zur Rezeption des italienischen Futurismus in Wien während der 1920er und 1930er Jahre. In: P.- H. Kucher (Hg.): Verdrängte Moderne – vergessene Avantgarde. Göttingen 2016, 95-115.
(PHK)