Frischauer, Paul

geb. am 25.5.1898 in Wien – gest. 7.5.1977 in Wien; Schriftsteller, Journalist, Sachbuchautor, Emigrant

F. stammte aus einer angesehenen Wiener Verlegerfamilie. Sein Vater Otto war Hg. des Neuen Wiener Tagblatt, eine Zielscheibe von K. Kraus in mehreren Fackel-Beiträgen („Genie der Aufdringlichkeit“); seine Mutter kam aus der jüd. Hg.-Familie Klebinder der Wiener Sonn- u. Montagszeitung. Nach abgelegter Matura am traditionsreichen Theresianum-Gymnasium studierte er Geschichte an der Univ. Wien. Zuvor hatte er sich 1915 freiw. zum Militärdienst gemeldet u. diente in einem Feldkanonenregiment, wo er es bis zum Fähnrich brachte. F. frequentierte das Café Herrenhof, wo er in den Freundeskreis seiner Schwägerin Gina Kaus aufgenommen und rasch selbst zu einem Netzwerker im literarisch-journalistischen Feld wurde. 1919 war er Mitbegründer der Zs. Wiener Welt, für die er, meist erfolglos, große Namen zu gewinnen suchte, u.a. auch A. Schnitzler. H. Bettauer veröffentlichte in ihr eine Erzählung u. Frischauer selbst ebenfalls. Nach nur vier Ausgaben musste die Zs. ihr Erscheinen einstellen. 1921 heiratet er die promovierte Kunsthistorikerin  Alma Stephanie Wittlin, Schwester des polnischen, mit Joseph Roth eng befreundeten Schriftstellers Jozef Wittlin. In den Folgejahren begann er sich mit historischen Stoffen zu befassen und diese in verkaufsträchtige Romane zu verarbeiten, so z.B. 1924 mit dem von F. Blei eingeleiteten Roman Geheime Denkwürdigkeiten der Madame Dubarry, der, so das NWJ am 29.12.1924, eine der Überraschungen im Weihnachtsgeschäft gewesen sei. Vor dem Erscheinen dieses Textes hatte Frischauer die Möglichkeit, im Rahmen des Musik- und Theaterfests der Stadt Wien im Okt. für das abgesetzte I. Goll-Stück einzuspringen und zwar mit seinem Kammerstück Im Dunkel. Diese öffentlichkeitswirksamen Debuts öffneten Frischauer weitere Möglichkeiten. So erschien z.B. in der AZ ab 21.12.1924  bis 7.1.1925 die Erzählung Die Seele des Thomas Aniello, die 1929 unter dem Titel Maske Mensch in den Novellen-Bd. Das Herz im Ausverkauf aufgenommen wurde.

Mitte 1925 übersiedelt F. nach Berlin, wo er Jahre hindurch mehrere Monate lebt, u. findet Zugang zu wichtigen, in der Öffentlichkeit stark präsenten Autoren wie W. Hasenclever, R. Huelsenbeck, W. Mehring, E. Toller, zu B. Viertel u.a.m. Zugleich gelingt es ihm Feuilletons in der Vossischen Zeitung unterzubringen und von Berlin aus mit dem Wiener Zsolnay-Verlag ins Gespräch zu kommen. Dieser wird bis 1933 vier historische Romane F.s. veröffentlichen, beginnend 1926 mit Dürer, auch ein Roman der deutschen Renaissance, so O. Zoff, bis hin zu einem Prinz Eugen-Buch und einem Beaumarchais-Buch. 1928 gelangte sein Schauspiel Ravaillac in Dortmund zur Aufführung; 1929 war Frischauer erstmals in Radio Wien mit einer Eigenlesung vertreten. 1930 erschien in der Modernen Welt die Emigrantennovelle, die sich mit einem russischen Emigrantenschicksal befasst; in Radio Wien war er am 18.9.1931 mit einem Vortrag über Neue Sachlichkeit zu hören, am 23. 8. 1931 mit einem unter dem Titel Ein Mann urteilt über Frauen, am 15.11. mit einem über Amerika sowie am 13.12 1931 mit einem Urbanitzky-Porträt. 1931 kam es zur Scheidung von seiner Ehe u. F. heiratete unmittelbar danach  Marica Horvat. 1932 erschien der Roman Gewinn; F. kam wiederum auf eine dichte Radiopräsenz und legte seine ersten Hörspiele Auf dem Rücken einen Berg sowie John Law (als Auftragsarbeit der Ravag) vor. Seine nachfolgende Prinz Eugen-Biographie (1933) war höchst umstritten; O. Koenig stellte sie in der AZ als eine Auftragsarbeit für die Vaterländische Front dar.

Im Anschluss an die Ereignisse auf dem PEN-Club-Kongress in Dubrovnik, auf dem sich Frischauer gegen die NS-freundliche Positionierung Urbanitzkys stellte u. von dieser beleidigt wurde, kam es zu einem vielbeachteten Ehrenbeleidigungsprozess, den F. anstrengte, der jedoch wegen Ausreise U.s. ins Dt. Reich vertagt werden musste. 1934 folgte die Garibaldi-Romanbiographie, 1935 jene zu Beaumarchais. Obwohl politisch nicht besonders exponiert, geriet Frischauer wiederholt ins Visier der NS-Literaturpolitik, z.B. insofern, als Buchhändler davor gewarnt wurden, seine Texte öffentlich auszustellen. 1934 emigrierte er daher nach Großbritannien u. fand dort Arbeit bei der BBC, 1940 übersiedelte er im Auftrag des brit. Geheimdienstes nach Brasilien u. trat in Kontakt mit dem autoritär reg. Präsidenten Vargas. Zu Kriegsende emigrierte er in die USA (New York) und kehrte von dort 1957 nach Wien zurück.


Weitere Werke

Presidente Vargas (1943; Ein großer Herr (1950); Weltgeschichte in Romanen. Bd.1-3 (1960); Der Mensch macht seine Welt. (1962); Die Welt der Bühne, die Bühne der Welt, Theatergeschichte. (1967); Sittengeschichte der Welt (1968)

Quellen und Dokumente

Die geheimen Denkwürdigkeiten der Gräfin Dubarry. In: Der Tag, 15.7.1924, S. 5, Emigranten-Novelle. In: Moderne Welt (11) 1930, H. 11, S. 1f., Aufruhr. In: Arbeiter-Zeitung, 15.5.1931, S. 9, Grete Urbanitzky. In: Radio Wien, 11.12.1931, S. 9, Essen Sie gerne Hummer? Ein Romankapitel. In: Die Bühne (1932), H. 327, S. 21.

Hans Liebstöckl: Meine Bühne. Der seltsame Unbekannte im Leben der Dubarry. In: Der Bühne (1924), H. 5, S. 2f., Bela Balazs: Premiere auf der Raumbühne. In: Der Tag, 3.10.1924, S. 6, Otto Zoff: Ein Dürer-Roman. In: Neues Wiener Journal, 2.2.1926, S. 8f., Eduard Goldscheider: „Das Herz im Ausverkauf.“ Ein neues Buch von P. F. In: Wiener Sonn- und Montagszeitung, 29.4.1929, S. 6, P. F.s. Hörspiel „Auf dem Rücken einen Berg“. Gespräch mit dem Autor. In: Neues Wiener Journal, 25.3.1932, S. 7, Otto Koenig: Der Gewinn. In: Arbeiter-Zeitung, 14.6.1932, S. 7, Das Vorwort Mussolinis. In: Arbeiter-Zeitung, 17.8.1933, S. 5, Die „gesäuberte“ Nazi-Literatur. In: Neues Wiener Journal, 23.7.1934, S. 5.

Literatur

U. Prutsch, K. Zeyringer: Die Welten des Paul Frischauer. Wien u.a. 1997.

(PHK)