geb. am 9.1.1870 in
Tarnok bei Budapest – gest. am 10.7.1937 in Hollywood;
Journalist, Schriftsteller
Wegen schlechter
Leistungen nach dem dritten Gymnasium in Wien ausgeschult, absolvierte W. eine
Lehre zum Kaufmann und besuchte später Vorlesungen zu Nationalökonomie,
Geschichte und Philosophie (ohne Abschluss). Seine Laufbahn als Journalist
begann er beim 1893 gegründeten Neuen Wiener Journal; früh schloss er sich
der Sozialdemokratischen Partei an und trat bereits mit 1.1.1895 in die
Redaktion der nun täglich erscheinenden Arbeiter-Zeitung(AZ)
um Victor Adler ein. W., bald Leiter der Lokalredaktion, sorgte mit v.a.
Reportagen aus dem Alltagsleben von Proletariern und Obdachlosen für Aufsehen,
die auch in Buchform (u.a. Im dunkelsten Wien 1904, Das
goldene Wiener Herz 1908) erschienen. In der Chemnitzer Volksstimme formulierte
W. 1914 unter dem Titel Die Lokalredaktion seine
journalistische Programmatik, die auch auf Egon Erwin Kisch prägend wirkte.
Nach der ersten
Kandidatur für den Gemeinderat 1908 zog W. 1911 für die SDAP in den
Reichsrat ein und gehörte der Provisorischen Nationalversammlung 1918/19 an.
1919 wurde er zum Wiener Vizebürgermeister gewählt und wirkte 1919/20 als
Vorgänger des das „Rote Wien“ prägende Julius Tandler als Stadtrat
für Wohlfahrtswesen. 1923 aus dem Gemeinderat ausgeschieden, war W. 1925-33 Mitglied
des Bundesrates. Er gehörte dem Verein Freie Schule ebenso wie
den 1908 von Anton Afritsch in Graz begründeten Kinderfreunden an,
deren Reichsobmann W. 1917 wurde. Als Stadtrat richtete er in einem Trakt des
in den Besitz der Republik übergegangenen Schloss Schönbrunn ein Kinderheim ein
und betätigte sich u.a. bei der Gründung des Verlags Jungbrunnen und
des Wiener Jugendhilfswerks. 1925 wurde er Obmann der Kinder-Internationale.
Im Wahlkampf 1923
fungierte W. als maßgeblicher Impulsgeber für die Gründung der
Frauenzeitschrift Die Unzufriedene, deren Redaktion er führte.
Neben W. publizierten dort u.a. auch Rudolf Brunngrabergeb. am 20.9.1901 in Wien – gest. am 5.4.1960 in Wien; Schriftsteller, Maler, Grafiker Ps.: Sverker Brunngraber (..., Adelheid
Popp und Marianne Pollakgeb. als Marianne Springer am 29.7.1891 in Wien – gest. am 30.8.1963 in Wien; Journalistin, Politikerin Nach Abso.... Im gleichnamigen Verlag erschien die
Reihe Wiener Groschenbüchel, in der wie in Die
Unzufriedene ausgewählte Reportagen W.s neu abgedruckt wurden. W.
verfasste aber auch Essays (u.a. zur Abtreibungsdebatte), Reiseberichte sowie
neue Sozialreportagen. 1925/26 reagierte er auf einen Hirtenbrief des Wiener
Erzbischofs Friedrich Gustav Piffl, der den Kinderfreunden „einen Mühlstein an
den Hals“ wünschte, mit einer Spendenaktion, die in die Gründung von
Kinderbibliotheken („Mühlstein-Büchereien“) mündete. Ein Filmprojekt, für das
W. 1927 unter dem Titel Spaziergänge oder in der Unterwelt oder die
Rose von der Treustraße. Ein Wiener Film ein Drehbuch verfasst hatte,
wurde nicht realisiert.
Ab 1930 trat W.
sukzessive von seinen Funktionen zurück. Drei Tage nach dem Februarkämpfen 1934
nutzte Winter die Einladung zu einer Vortragsreise in die USA zur
Ausreise. Ende 1934 wurde er aus Österreich ausgebürgert. In Amerika schrieb er
für die Neue Volks-Zeitung New York, New Leader, World
Tommorow und Jewish Daily Forward, hielt Vorträge,
verfasste Drehbücher und gründete mit der Californischen Korrespondenz und
der Cosmopolitischen Korrespondenz Nachrichtenagenturen,
konnte sich aber finanziell nur schwer über Wasser halten. Nach seinem Tod 1937
wurde er trotz fehlender Ankündigung unter großer Anteilnahme am Evangelischen
Friedhof in Wien-Matzleinsdorf begraben.
Werke (Auswahl)
Eine g’sunde Person
(Drama, mit Stefan Großmann, 1905), Bettelleut (1906), Soziales Wandern
(1911/1925), Was wollen die Schul- und Kinderfreunde? (1923), Das Kind und der
Sozialismus (1924), Die Religion der Liebe. Das Tagebuch einer Mutter (1926),
Höhlenbewohner in Wien. Sittenbilder aus der Luegerzeit (1927), Die lebende
Mumie – Ein Blick in das Jahr 2025 (utopischer Roman, 1929) [Online
verfügbar]
Quellen und
Dokumente
Ausgewählte Beiträge M. W.s nach 1918: Was wollen die Kinderfreunde? Eine Vortragsdisposition. In: Bildungsarbeit IX (1922), H. 5, S. 34f., Zwei Frauenschicksale. In: Arbeiter-Zeitung, 24.10.1922, S. 6f., Arbeitslose an der Arbeit. Ein Rundgang durch die Arbeitslosenschulen. In: Arbeiter-Zeitung, 29.1.1924, S. 6, Sarg oder Kerker. In Not und Tod hineingebären. – Die sozialdemokratischen Ärzte gegen den § 144. In: Die Unzufriedene, 7.6.1924, S. 2, Erinnerungstage aus dem Leben der Arbeiter-ZeitungGegr. 1889, verboten 1934, illegal 1934-1938, 1938 verboten, neugegr. 1945, eingestellt 1991 Aus: Arbeiter-Zeitung, 12..... Und Geschichten, die sich daran knüpfen. In: Arbeiter-Zeitung, 1.1.1925, S. 19f., Zum Tode Hugo Bettauers. In: Die Unzufriedene, 11.4.1925, S. 2f., Ein sozialistischer KulturbundDer Kulturbund wurde im Mai 1922 in Wien auf Initiative v. Karl Anton Rohan mit Unterstützung der Schriftsteller Friedr.... In: Die Unzufriedene, 27.2.1926, S. 1f., Unsere Adelheid [Zum 60. Geburtstag Adelheid Popps]. In: Die Unzufriedene: 9.2.1929, S. 1f., Zehn Jahre „Unzufriedene“. In: Die Unzufriedene, 12.11.1933, S. 2f.
N.N.: „Der verdiente, daß man einen Mühlstein an seinen Hals hängte“. In: Die Unzufriedene, 16.1.1926, S. 1f., Adelheid Popp: M. W. 60 Jahre. In: Die Unzufriedene, 4.1.1930, S. 3, Wilhelm Reimer: Kinderbibliotheken. In: Die Unzufriedene, 17.10.1931, S. 3f., N.N.: Genosse M. W. gestorben. In: Arbeiter-Zeitung, 7.8.1937, S. 8.
Verzeichnis aller Beiträge in Die Unzufriedene bei Ariadne.
Teilnachlass in der Wienbibliothek im Rathaus.
Literatur (Auswahl)
Ulrike Oedl: Winter, Maxgeb. am 9.1.1870 in Tarnok bei Budapest – gest. am 10.7.1937 in Hollywood; Journalist, Schriftsteller Wegen schlechte.... In: Siglinde Bolbecher, Konstantin Kaiser (Hg.): Lexikon der Österreichischen Exilliteratur. Wien: Deuticke 2000, S. 701-703 [Online verfügbar], Stefan Riesenfellner: Der Sozialreporter. Max Winter im alten Österreich. Wien: Verlag für Gesellschaftskritik 1987, Helmut Strutzmann: Wer war Max Winter? In: Max Winter: Das schwarze Wienerherz. Sozialreportagen aus dem frühen 20. Jahrhundert. Wien: Jungbrunnen 1982, S. 9-26, Anton Tesarek: Max Winter. In: Norbert Leser (Hg.): Werk und Widerhall. Große Gestalten des österreichischen Sozialismus. Wien: Verlag der Wiener Volksbuchhandlung 1964, S. 447-452 [Online verfügbar].
(ME)