Die Konstituierung erfolgte nach ersten Beratungen im Zuge der Reichskonferenz zionistischer Organisationen am 20.10. 1918 in Wien unter dem Vorsitz von Adolf Stand (s. Der Morgen, 21.10.1918 bzw. Jüdische Zeitung, 25. 10. 1918, 1-2), und zwar in (Ost)Galizien (s. Salzburger Volksblatt, 24. 10. 1918). Nach Konsultationen mit dem Staatssekretär des Inneren, Dr. Mataja, trat er in Wien am 4. 11. 1918 erstmals in die Öffentlichkeit wie Kurzberichte aus der AZ und dem Pester Lloyd vom 5.11. 1918 nahelegen. Am selben Tag berichtete auch die Reichspost davon, nicht ohne die jüdische Presse pauschal der Hetze zu bezichtigen und jüdische Aktivisten der „bolschewistischen Propagandaarbeit“ (RP, 5. 11. 1918, S.3), insbesondere in Verbindung mit der geplanten Aufstellung einer bewaffneten Selbstwehr-Organisation. Aber auch mit der Berichterstattung in der Arbeiter-Zeitung geriet der JNR in Konflikt (s. offener Brief und Replik vom 19. 11.1918). Auch die Österreichisch-Israelitische Union stellte den Vertretungsanspruch des Nationalrats Anfang Dez. 1918 in Frage. Neben den Unterzeichnern am Ende des ersten Manifests gehörten dem Vorstand u.a. auch Dr. Georg Halpern, Anitta Müller und Dr. Abraham Sonne an.

Dokumente und Quellen:

Der jüdische Nationalrat. In: Der Morgen, 21.10. 1918, S. 3; Jüdische Zensur. In: AZ, 19.11. 1918, S. 4; Österr.-Israelit. Union gegen den Jüd. Nationalrat. In: Die Zeit, 3. 12.1918, S. 4;

(PHK, in preparation)

Sigle für: Kinobetriebs-, Filmverleih- und Filmproduktionsges,mbH, gegr. 1906 in Wien, übernommen als Kinobetriebsanstalt von der Stadt Wien im März 1926.

Materialien und Quellen:

Eintrag auf: dasrotewien.at; Eintrag auf: GeschichtewikiWien.

Österreichisches proletarisches Kino: Die Julirevolte (1927); Österreichisches Proletarisches Kino: Die ersten Spielfilme;

Florian Pauer, Thomas Jelinek: DIE WIENER KINOS Dokumentation 1896–2022, Bd. 1 u. Bd. 2. Wien: Filmarchiv 2022

(work in progress)

Unter Kinetismus wird eine Kunstbewegung innerhalb der europäischen Moderne verstanden, die um etwa 1910 an der Wiener Kunstgewerbeschule (heute Universität für angewandte Kunst) ihren Ausgang nahm und bis Mitte der 1920er Jahren ihren Höhepunkt erlebte.

In dem von dem Kunstpädagogen und früheren Maler und Grafiker Franz Čižek geleiteten Kurs für Ornamentale Formenlehre wurden den Studierenden die internationalen avantgardistischen Strömungen der Zeit – vorwiegend Kubismus, Futurismus, Expressionismus und Abstraktion – vermittelt. Čižeks Unterricht, der zunächst auf großen Widerstand stieß, reichte über die bildende Kunst im engeren Sinne hinaus, indem er auch Rhythmus, Tanz sowie eine ganzheitliche Sicht des Gestaltens in die Gesamtbetrachtung mit einband, um sie letztlich zu einer „produktiven Synthese zusammenzuführen und für die Schulung des Empfindens zu nutzen“ (Larcati, S. 98). Somit war die Darstellung von Bewegung ein zentraler Inhalt von Čižeks Lehre, die auch beeinflusst war von seinen Erfahrungen auf dem Gebiet der Kinder- und Jugendkunst, die er als anerkannter Reformpädagoge und Kunsterzieher seit 1897 maßgeblich mitgeprägt hatte.

In einer von Ludwig Steinmetz stammenden Rezension anlässlich einer Ausstellung in der Kunstgewerbeschule, in der auch Werke von Čižeks Schülerinnen und Schülern zu sehen waren, fand sich 1920 erstmals die Bezeichnung „kinetische Übungen“; der Begriff „Kinetismus“ selbst wurde dann zwei Jahre später in der von W. L. Rochowanski – selbst ehemaliger Schüler Čižeks und erster Theoretiker des Kinetismus – publizierten Monografie Der Formwille der Zeit in der angewandten Kunst theoretisch fundiert u. kunstgeschichtlich kontextualisiert. Čižek selbst sah den Kinetismus als „[d]ie Kunst Bewegungsabfolge in ihre rhythmischen Elemente zu zerlegen.“ (Platzer, Kinetismus).

Vor dem Hintergrund der allgemeinen Dynamisierung der Lebenswelt wurden die Arbeiten der Čižek-Klasse bald breiter rezipiert: Sie wurden 1922 in Holland und 1923/24 im Rahmen einer Wanderausstellung in den USA gezeigt, so etwa im Metropolitan Museum (New York), in der National Gallery (Washington) und im Art Institute (Chicago). 1925 war die Čižek-Klasse für die Wiener Kunstgewerbeschule auf der Pariser Weltausstellung in der Exposition des Arts décoratifs et industriels modernesvertreten. Auffallend ist dabei, dass die „erste Kunstrichtung Österreichs mit radikal-abstrakten Ansätzen“ (www.wienmuseum.at) vor allem weiblich geprägt war: Künstlerinnen wie Erika Giovanna Klien, My Ullmann und Elisabeth Karlinsky gelang es unter Čižeks Anleitung in besonderer Weise, abseits formaler Gesetze einen Mix aus Expressionismus, Kubismus und Futurismus aufs Papier zu bringen, der sowohl Gefühl als auch Bewegung auszudrücken und abzubilden vermochte. Für kurze Zeit wurde die Klasse für Ornamentale Formenlehre, untergebracht in der Dependance der Kunstgewerbeschule in der Fichtegasse 4, „zum Schmelzpunkt der Wiener Avantgarde“, die internationale Künstler, Architekten und Besucher wie Wassily Kandinsky, Ernst Krenek und Elisabeth Duncan anzog. Im Oktober 1924 empfing Čižek dort die Futuristen Filippo Tommaso Marinetti und Enrico Prampolini sowie den MA-Herausgeber Lajos Kassak und Theo van Doesburg von der holländischen De Stilj-Gruppe, die sich von den Arbeiten des Kinetismus beeindruckt zeigten und Parallelen im Schaffen der Futuristen, Kubisten und Kinetisten erkannten. Gegen die in einem italienischen Zeitungsartikel aufgestellte Behauptung, beim Kinetismus handle es sich um einen „Futurismo Viennese“, verwehrte sich der Theoretiker Rochowanski jedoch heftig.

Gleichwohl auf internationaler Ebene erfolgreich (u.a. 1926 durch Teilnahme an der International Exihibition of Modern Art in New York), gestalteten sich die Bedingungen für kinetistische Kunst innerhalb Österreichs ab 1930 zunehmend schwieriger. Einerseits fehlte es an der Etablierung einer profilierten Künstlergruppe, die den in der Kunstgewerbeschule entwickelten Geist aufgegriffen und weitergetragen hätte, andererseits lief das politisch-gesellschaftliche Klima ab den späten 1920er Jahren der Avantgarde diametral entgegen. Dies führte dazu, dass die Rezeption des Kinetismus noch vor dem Zweiten Weltkrieg völlig verebbte. Erst seit Mitte der 1980er Jahre  haben sich Ausstellungen im Wienmuseum sowie im Belvedere Wien dieser Form der Zwischenkriegskunst gewidmet, um ihre bereits vergessene Stellung innerhalb der internationalen Avantgarde wieder hervorzuheben – insbesondere geschieht dies seit der Monographischen Ausstellung von 2006.


Literatur

Dieter Bogner, Wien 1920-1930: „Es war als würde Utopia Realität werden“ In: D. Bogner, G. Bogner, A. Hubin, M. Millautz (Hg.): Perspektiven in Bewegung. Sammlung Dieter und Gertraud Bogner, Wien, Köln 2017, S. 325-352; Arturo Larcati, Zur Rezeption des italienischen Futurismus in Wien während der 1920er und 1930er Jahre. In: Primus-Heinz Kucher (Hg.), Verdrängte Moderne, Vergessene Avantgarde. Diskurskonstellationen zwischen Literatur, Theater, Kunst und Musik in Österreich 1918-1938, Göttingen 216, S. 95-115; Wolfgang Kos, Monika Platzer, Ursula Storch, Vorwort. Der Kinetismus – eine unwienerische Avantgarde. In: Monika Platzer, Ursula Storch (Hg.), Kinetismus. Wien entdeckt die Avantgarde, Ostfildern 2006, S. 6f; Ulrike Matzer, Die drei Stars der Klasse: Klien – Ullmann – Karlinsky. In: Platzer, Storch (Hg.), Kinetismus, S. 60-68; Monika Platzer, Kinetismus = Pädagogik – Weltanschauung – Avantgarde. In: Dies., Ursula Storch (Hg.), Kinetismus. Wien entdeckt die Avantgarde, Ostfildern 2006, 8-59; Ludwig Steinmetz, Kunstschau 1920. In: Kunst und Kunsthandwerk, Jg. XXIII (1920), S. 189-206; Patrick Werkner, Der Wiener Kinetismus – Ein Futurismo Viennese? In: Gerald Bast u.a. (Hg.), Wiener Kinetismus. Eine bewegte Moderne, Wien 2011, S. 56-67; Patrick Werkner, Performative Kunstgeschichte: die Positionierung des Wiener Kinetismus im kunsthistorischen Kanon [Online verfügbar]; Kinetismus. Wien entdeckt die Avantgarde. Ausstellung im Wienmuseum, 25. Mai  bis 1. Oktober 2006 [Online verfügbar]; Dynamik! Kubismus/Futurismus/KINETISMUS. Ausstellung im Belvedere Wien, 10. Februar 2011 bis 29. Mai 2011 [Online verfügbar]; Als die Abstraktion das Laufen lernte. Berichterstattung in Der Standard zur Ausstellung im Belvedere Wien, 2011 [Online verfügbar]; Kinetismus. Ein Wiener Phänomen. Berichterstattung in Die Presse zur Ausstellung im Belvedere Wien, 2011 [Online verfügbar].

Quellen und Dokumente

Hans Ankwicz-Kleehoven, Juliausstellungen. In: WZ, 1.8.1924, S. 4; Wolfgang Born, Nachwuchs im Kunstgewerbe. In: Die Bühne 239 (1929), S. 18f; Wege und Ziele des des modernen österreichischen Kunsthandwerkes. In: WZ, 3.5.1924, S. 1; Hans Ankwicz-Kleehoven, 60 Jahre Wiener Kunstgewerbe-Schule. In: WZ, 14.7. 1929, S. 1-3; Kunstausstellungen. In: NFP, 17.6.1921, S. 21.

 (MK)

Gegründet am 24.8. 1919 als Interessensvertretung mit dem Ziel, in allen Belangen des Film- und Kinowesens gehört zu werden, d.h. sowohl in arbeitsrechtlicher als auch kultureller Hinsicht. Letzteres betraf v.a. die zeitgenössischen Debatten über die Anteile des sog. Aufklärungsfilms im Vergleich zum Kulturfilm oder reinen Unterhaltungsangeboten.

Materialien und Quellen:

Gründungsresolution. In: Das Neue Kino-Journal, 30.8.1919, S. 11-16;

von Arthur Schnitzler

Schnitzler hat an seiner Komödie der Verführung über zwei Jahrzehnte gearbeitet, bis der Krieg dem Stoff die finale Struktur verpasste. Das Stück, uraufgeführt 1924, spielt unmittelbar vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs und es macht die Kräfte sichtbar, „die an den Krieg (u.a. als Mittel der Bereicherung) glauben und [ihn] als ‚Jungbrunnen‘ glorifizierten“1. Dazu hatte im Übrigen selbst Schnitzler zumindest kurzfristig gezählt. Am 27. Juli 1914, drei Tage vor dem tatsächlichen Ausbruch, notiert er im charakteristischen Telegrammstil seiner Tagebücher: „‘patriotische‘ Empfindungen. Dazugehörigkeit“2. Auch wenn bei ihm rasch Ernüchterung folgt, der Taumel hatte ihn doch gestreift. Die Komödie der Verführung analysiert letztlich, wie ein zivilisiertes Gemeinwesen flächendeckend von dieser Haltung ergriffen werden konnte, und sie stellt die Frage des cui bono. Das Stück endet mit der Nachricht von der Kriegserklärung am 1. August 1914, sie erreicht die Gesellschaft in einem idyllischen dänischen Badeort. Das ist ein realistischer Verweis darauf, dass die geschlossene Gesellschaft der Besitzenden und Einflussreichen Kriegsfolgen meist nur als Renditenerhöhung zu spüren bekommt.

(EPH)


  1. Ernst-Ullrich Pinkert: Arthur Schnitzlers „Komödie der Verführung”. Ein Vorkriegsdrama aus der Zwischenkriegszeit. In: Primus-Heinz Kucher, Julia Bertschik (Hg.): „baustelle kultur“. Diskurslagen in der österreichischen Literatur 1918– 1933/38. Bielefeld: Aisthesis 2011, S. 413–434, S. 430.
  2. Arthur Schnitzler: Tagebuch 1913–1916. Hg.: Peter Michael Braunwarth, Richard Miklin, Susanne Pertlik, Walter Ruprechter, Reinhard Urbach. Wien: Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften 1983, S. 127.

Der Begriff Konservative Revolution (KR) selbst weist eine längere Geschichte auf, die in die Mitte des 19. Jahrhunderts zurückreicht; F. Engels hat ihn als einer der ersten 1848 im Zshg. mit der politischen Einschätzung des polnischen Aufstandes verwendet. Seit den 1850er Jahren taucht er dann in verschiedenen Kontexten auf; ab 1880 gewinnt er als politisches Programm zunehmend an Schärfe und Präzision, zunächst in Frankreich. Charles Maurras verwendet ihn in seiner Enquête sur la monarchie (1900) als Triebkraft für autoritäre Umgestaltungen des Staates mit Unterstützung durch die Bürokratie und das Militär. In den publizistischen und später politischen Diskurs in Österreich gelangte der Begriff im Zuge der Krise des zaristischen Systems 1917, als z.B. die geplante Ernennung eines ehemaligen russ. Justizministers zum Präsidenten der Duma mit dem Plan eines Staatsstreichs bzw., so die NFP in einem Kommentar vom 16.1.1917, einer „konservativen Revolution“ in Zusammenhang gebracht wurde.

Nach der Niederlage im Ersten Weltkrieg formierten sich sowohl in der Weimarer Republik als auch in Österreich konservative Kräfte, die sich explizit gegen die republikanisch-demokratische Verfassung stellten und diese intellektuell und z.T. auch mit Gewalt, etwa in Gestalt der Freikorps-Bewegung in Deutschland bzw. der Heimwehren in Österreich, bekämpften. Als einer der ersten Referenztexte dienten E. Jüngers Kriegstagebücher In Stahlgewittern (1920) sowie seine Schrift Kampf als inneres Erlebnis (1922), aber auch Der wahre Staat (1921) von Othmar Spann, die Volksgemeinschaftsidee von Oswald Spengler in Preußentum und Sozialismus (Vorläuferschrift zu: Der Untergang des Abendlandes) u.a.m.  Das Spektrum der ideologisch-gesellschaftlichen Positionierungen war dabei über den Grundkonsens der Ablehnung der parlamentarischen Demokratie weit gespannt: er reichte von stärker rechtsintellektuellem Konservatismus und Aktivismus (z.B. bei Carl Schmidt, der sich u.a. Ende der 1920er in Debatten mit H. Kelsen verstrickte) bis hin zu einer Gruppe von „Nationalbolschewiken“ (Sieferle), z.B. um K. O. Paetel oder der Nationalrevolutionäre (z.B. Freikorps-Anhänger wie E. v. Salomon, aber auch E. und F. G. Jünger) sowie zu jener der Völkischen, die bereits früh Kontakte zum Nationalsozialismus unterhielten und bald nahtlos in ihm aufgingen wie z.B. H. Frank, R. Heß oder A. Rosenberg.

In der österreichischen Literatur und Kulturkritik war der Zugang zunächst von H. Bahr geprägt, der seit etwa 1900 eine konservative Wende im Zeichen der Aufwertung der Klassiker (Goethe-Grillparzer-Stifter) vollzog, den Heimat-Begriff forcierte u. eine Annäherung an den Katholizismus suchte. Noch vor Hofmannsthals Rede Das Schrifttum als geistiger Raum der Nation (1927), die für den mit dem NS sympathisierenden A. Mohler (unkritisch) als Auslöser für ein (inzwischen nicht mehr als gegeben angesehenes) konservativ-revolutionäres Sammelbecken angesehen wurde, hat Bahr den Begriff in einem Feuilleton für das NWJ (1923) verwendet. Es zeigt sich dabei, dass dieser spezif. österr. Zugang mit den meisten zuvor genannten deutschen Referenzideen und Referenztexten wenig gemein hat. Bahr stützt sich vielmehr auf einen auf Augustinus fußenden Ordo-Begriff, den er in der Schrift Das Mittelalter und wir (1923) von Paul L. Landsberg sowie in Texten von Max Scheler für die Gegenwart fruchtbar gemacht findet, indem er Ordo und Revolution zusammenspannt. Sprache und Form wiederum bildeten neben einer Absage an einen engen Heimat- und Nationsbegriff den Ausgangspunkt von Hofmannsthals Rede. Es sei die Sprachnorm, welche die Nation zusammenhalte, auch ein Suchen, das sich „in jedem Wort höherer geistiger Rede“ manifestiere und auf Bindung und Gemeinschaft abziele; am Ende dieses Prozesses, den H. als KR bezeichnet, stehe „Form, eine neue deutsche Wirklichkeit, an der die ganze Nation teilhaben könne“. Stärker an Bahr orientiert, aber wohl auch an Hofmannsthal adressiert war L.v. Andrians 1930 ersch. ausgreifende Studie Die Ständeordnung des Alls, die ebenso wie sein Buch Österreich im Prisma seiner Idee (1937) die Ständeidee mit jener der KR zu verknüpften trachtete.

Wie sehr Hofmannsthals Vorstellungen von denen der Protagonisten der ‚Deutschen Revolution‘ wie E.J. Jung differierten, zeigt ein in der Zeitung der Ktn. ‚Großdeutschen‘ abgedruckter Programmartikel von Jung aus dem Jahr 1932, in dem die KR als neuer Nationalismus, der zur Totalität dränge, definiert wird. Ein weiteres Beispiel für die komplexe wie problematische ideologische Gemengelage liefert der (durch E. Grabenweger aufgearbeitete) Fall der renommierten Wiener Germanistin Marianne Thalmann (1924 habilitiert mit ihrer wegweisenden Arbeit über den (romantischen) Trivialroman), die zugleich Aktivistin im deutschnationalen und antisemitischen Ständebund deutscher Frauen in Österreich, ferner der Nationalen Frauen- und Grenzlandbewegung war, 1930 für den Heimatblock, den polit. Arm der Heimwehr, kandidierte, 1932 schließlich die Studie Die Anarchie im Bürgertum vorlegte, darin auch das Konzept der KR befürwortete, und dennoch 1933 Österreich Richtung USA verließ und dort ihre Karriere fortsetzen konnte, ohne grundlegend von ihren Positionen abrücken zu müssen.


Quellen und Dokumente

Hermann Bahr: Tagebuch. In: Neues Wiener Journal, 23.12.1923, S. 9f., H. B.: Tagebuch. In: Neues Wiener Journal, 18.8.1929, S. 12f., Edgar J. Jung: Deutsche Revolution. In: Freie Stimme, 29.6.1932, S. 1f., Die Volkwerdung der Deutschen. In: Neues Wiener Tagblatt, 27.3.1938, S. 27.

Literatur

A. Mohler:Die konservative Revolution in Deutschland 1918–1932. Ein Handbuch. (1. Aufl. 1950, erweiterte 6. Auflage, hg. von K. Weißmann), Graz 2005;  U. Nicolaus: Souverän und Märtyrer. H.v. Hofmannsthals späte Trauerspieldichtung vor dem Hintergrund seines politischen und ästhetischen Denkens. Würzburg 1990; H. Dorowin: Retter des Abendlandes. Kulturkritik im Vorfeld des europäischen Faschismus. Stuttgart 1991; St. Breuer:Anatomie der Konservativen Revolution. [1993], 2. Durchges. und korrig. Auflage. Darmstadt 1995; R.-P. Sieferle: Die Konservative Revolution. Fünf biographische Skizzen. Frankfurt/M. 1995;  l. Korotin, V. Eickhoff (Hgg.): Sehnsucht nach Schicksal und Tiefe. Der Geist der Konservativen Revolution, Wien 1997; U. und H. Nicolaus: Hofmannsthal, der Staat und die „konservative Revolution“ In: JB. Politisches Denken 1997, 141-174; F. Stern: Kulturpessimismus als politische Gefahr. Eine Analyse nationaler Ideologie in Deutschland. Stuttgart 2005; M. Hornáček: Konservative Revolution. Ein Desiderat der Literatursoziologie? in: Lithes 2009; (Online verfügbar), E. Grabenweger: Germanistik in Wien. Das Seminar für Deutsche Philologie und seine Privatdozentinnen 1897-1933. Berlin-Boston 2016; W. Hemeker, C. Mitterer, D. Österle (Hgg): Tradition in der Wiener Moderne. Berlin-Boston 2017.

(PHK)

Das Kriegspressequartier (KPQ), das zentrale Instrument der Informations- und Propagandapolitik Österreich-Ungarns im Ersten Weltkrieg, nahm nach jahrelanger Planung am 25. Juli 1914 – dem Tag der Teilmobilmachung – seine Arbeit auf und wurde unter der Leitung von Oberst Maximilian von Hoen direkt dem Armeeoberkommando unterstellt. Bis 1916 befand sich das KPQ, dem Kriegsverlauf entsprechend, an wechselnden Standorten entlang der Front zu Russland, zu Beginn des Jahres 1917 richtete man sich neben dem Hofmannsthal-Schlössl in Rodaun am Rande des Wienerwalds (heute 23. Bezirk) ein.

Je acht der bedeutendsten österreichischen und ungarischen Zeitungen wurde zugestanden, einen Korrespondenten an das KPQ zu entsenden (später wurde die Anzahl erhöht), um die jeweiligen Redaktionen exklusiv mit Berichten zu versorgen; zudem waren insgesamt 15 Plätze für Korrespondenten verbündeter und neutraler Staaten vorgesehen. Zu diesen fixen Kriegsberichterstattern zählten etwa Alexander Roda Roda, Ernst Klein und Ludwig Hirschfeld für die Neue Freie Presse, Paul Busson für das Neue Wiener Tagblattsowie Ferenc Molnár für Az Est(Der Abend).

Kriegsberichterstattung war und blieb eine Männerdomäne: Lediglich den Journalistinnen Margit Vészi und Alice Schalek gelang es im Verlauf des Krieges, eine Akkreditierung beim KPQ zu erhalten. Besonders Schalek war aufgrund ihrer das Kriegsgeschehen verherrlichenden Kommentare wachsender öffentliche Kritik ausgesetzt. Karl Kraus setzte ihr in Die letzten Tage der Menschheit als „kleine Wiener Schmiererin“ ein Negativdenkmal.

Die Mitglieder dieser Kriegsberichterstattergruppe hatten in der Theorie die Aufgabe, direkt von der Front zu berichten; um jedoch unkontrollierte bzw. unerwünschte Informationsflüsse zu vermeiden, wurden sie vom Armeeoberkommando zumeist in einiger räumlicher Distanz zum Kriegsgeschehen untergebracht, wo sie regelmäßig amtlich vorgefertigte Communiqués erhielten, um diese dann „aufzuputzen, zu verzieren, zu verbrämen, auszuwalken, zu kneten, und möglichst schmackhaft zu machen, damit der Anschein erweckt werde, als sei der Kriegsberichterstatter Gott weiß wie gut unterrichtet.“ (Strobl, S. 53). 

Autoren im Offiziersrang wie etwa Robert Musil oder Franz Karl Ginzkey hatten führende Positionen inne und und machten von der Möglichkeit Gebrauch, Kollegen einen Posten im KPQ zu verschaffen, war doch ein solcher bei vielen Schriftstellern sehr begehrt, um so dem Dienst an der Waffe zu entgehen. 

Zusätzlich arbeiteten in der sog. „Literarischen Gruppe“ des Kriegsarchivs, die  außerhalb des Verantwortungsbereichs des KPQ angesiedelt war, Autoren wie Stefan Zweig, Franz Theodor Czokor, Alfred Polgar, Rainer Maria Rilke oder Felix Salten an der propagandistisch gefärbten literarischen Archivierung des Kriegsverlaufs. 

Lag zu Beginn der Fokus noch in der umfassenden Gestaltung und Kontrolle der Presseberichterstattung unter Einbeziehung der literarischen Intelligenz Österreich-Ungarns, weitete das KPQ im Laufe der Zeit sein Wirken auch auf weitere, zunehmend an Bedeutung gewinnende Medien aus: Malerei, Fotografie, Film und Theater, Plakatkunst und die Bildhauerei wurden sukzessive zu integralen Bestandteilen einer bisher ungekannten Kriegsmassenpropaganda, „die im Laufe der Jahre sämtliche Text-, Bild- und Tonmedien der Zeit erfasste, produzierte und auslieferte.“ (Plener, S. 258). Diese Entwicklung war eng verbunden mit der im März 1917 erfolgten Enthebung Hoens und der Ernennung von Oberst Wilhelm Eisner-Bubna zum Leiter des KPQ, unter dessen Führung sowohl das Aufgabengebiet als auch der Personalstand eine deutliche Erweiterung erfuhren.

Die innerhalb des KPQ eingerichtete und rund 150 Mitglieder umfassende Kunstgruppe stand unter der Leitung von Oberst Wilhelm John, dem Direktor des k. u. k. Heeresmuseums. Sie hatte die Aufgabe, „die gewaltigen Ereignisse des Völkerringens im Bilde künstlerisch festzuhalten und so der vaterländischen Geschichtsschreibung dienstbar zu sein.“ (Website 1914-2014). Ihr gehörten bildende Künstler wie etwa Oskar Kokoschka und Albin Egger-Lienz an, die vom Armeeoberkommando zu Kriegsmalern ernannt worden waren und deren Werke neben vielen anderen zwischen 1915 und 1918 im Rahmen zahlreicher Ausstellungen im In- und verbündeten Ausland gezeigt wurden. Aus der Kunstgruppe ging 1917 die Lichtbildstelle hervor, in deren organisatorischen Rahmen Kriegsfotografen das dringend benötigte Illustrationsmaterial für Journalisten, Wissenschaftler und Künstler produzierten. Auch hier wurde sowohl die Herstellung als auch die Distribution des Bildmaterials einer strengen Kontrolle durch das KPQ unterworfen, das so die bildhafte Rezeption des Krieges steuerte und damit dessen Deutungshoheit in der Öffentlichkeit an sich zog.

Der Entwicklung des Films hin zum Massenmedium und damit zu einem Informationsinstrument ersten Ranges entsprechend, waren Kriegs- und Propagandafilme bereits seit 1914 in Kooperation des Militärs mit externen Firmen, u.a. mit der Sascha-Filmfabrik von Alexander Graf Kolowrat-Krakowsky, entstanden. 1917 wurde dem KPQ eine eigene „Filmstelle“ angegliedert, die fortan für die Produktion von Wochenschauen und propagandistischem Filmmaterial für das Kino, das sich seit 1914 als „wertvolle[s] soziale[s]  Ventil und Stabilisator der Massen“ herausgestellt hatte, verantwortlich war.

Ebenfalls vom KPQ organisiert wurde die kulturelle Truppenbetreuung, die mit der unerwartet langen Fortdauer der Kampfeshandlungen zunehmend an Bedeutung gewann. Dazu zählten der Auftritt von Theatergruppen und Tonkünstlern, die Einrichtung von Frontkinos, die Abhaltung von Lesungen und Vorträgen (wie z. B. von Franz Werfel) ebenso wie die entsprechende mediale Aufbereitung für die „Heimatfront“. Darüber hinaus waren auch die Gestaltung und der Einsatz von Plakaten, Flugblättern und Ansichtskarten Teil der Propagandastrategie. 

Mit Beendigung des Krieges wurde das KPQ aufgelöst; aus Teilen seiner Strukturen ging die heutige Austria Presse Agentur (APA) hervor.

Im Österreichischen Staatsarchiv sowie im Bildarchiv der Österreichischen Nationalbibliothek finden sich heute rund 90.000 Bilder und Fotos aus den Beständen des KPQ. 


Literatur

Peter Plener, Der Medienverbund Kriegspressequartier und sein technoromantisches Abenteuer 1914–1918. Eine Auflösung. In: Zagreber germanistische Beiträge: Jahrbuch für Literatur- und Sprachwissenschaft 25 (2016), H. 1., S. 255-270; Generalmajor Max Ritter von Hoen, Das Armeeoberkommando. In: Aus der Werkstatt des Krieges, Wien 1915, S. 14-29; Bernhard Bachinger, Weibliche Kriegsberichterstattung. Alice Schalek im k.u.k. Kriegspressequartier. In: Aibe-Marlene Gerdes, Michael Fischer (Hg.), Der Krieg und die Frauen. Geschlecht und populäre Literatur im Ersten Weltkrieg, Münster, New York 2016, S. 167-188; Peter Broucek, Das Kriegspressequartier und die literarischen Gruppen im Kriegsarchiv 1914-1918. In: Klaus Amann, Hubert Lengauer (Hg.), Österreich und der Große Krieg. Die andere Seite der Geschichte, Wien 1989, S. 132-139; Sema Colpan, Amália Kerekes, Siegfried Mattl, Katalin Teller (Hg.), Kulturmanöver. Das k.u.k. Kriegspressequartier und die Mobilisierung von Wort und Bild (Budapester Studien zur Literaturwissenschaft), Frankfurt/Main 2015; K. Mayer, Die Organisation des Kriegspressequartiers beim k.u.k. AOK im Ersten Weltkrieg 1914-1918, Wien 1963; Karl Hans Strobl, K.P.Q. u. Geschichten und Bilder aus dem österreichischen Kriegspressequartier, Reichenberg 1928; H. Schmölzer, Die Propaganda des Kriegspressequartiers im Ersten Weltkrieg 1914-1918, Wien 1965; Paul Winkler, Kinematografische Propaganda und Zensur in Österreich- Ungarn von 1914-1918 als gescheitertes kybernetisches Modell. In: medienimpulse. Beiträge zur Medienpädagogik 4 (2014) [Online verfügbar]; Die Schriftsteller im k.u.k. Kriegspressequartier [Online verfügbar]; Österreichisches Staatsarchiv: 1914-2014. 100 Jahre Erster Weltkrieg [Online verfügbar]; Mit Pinsel und Kamera an der Front, Dokumentation (ORF, 2014) [Online verfügbar].

Quellen und Dokumente

Roda Roda, Mitteilungen eines Husaren über die Kämpfe bei Lemberg. In: NFP, 31.8.1914, S. 2; Paul Busson, Bei unsern Soldaten. In: Neues Wiener Tagblatt, 28.8.1914, S 28; Roda Roda, Kein Friede ohne unseren Sieg. Telegramm unseres Kriegsberichterstatters. In: NFP, 17.1.1916, S. 4; Roda Roda, Das Herz Bulgariens. In: NFP, 17.6.1918, S. 1f; Karl Lustig Prean, Aus den Geheimnissen des KPQ. In: Neues Wiener Journal, 24.4.1920, S. 4; Alice Schalek, Die Schlacht bei Brzezany. In: NFP, 9.8.1917, S. 1-3; Das Kriegspressequartier auf der Reise nach dem südlichen Kriegsschauplatz. Empfang in Budapest. In: NFP, 11.11.1914, S. 6; Kriegsbilderausstellung in Graz. In: Reichpost, 25.2.1916, S. 17; Kriegsausstellung Wien 1916. Generalmajor von Hoen über die Kunstausstellung des Kriegspressequartiers. In: Reichspost, 21.5.1916, S. 10.

(MK)

Der Kulturbund wurde im Mai 1922 in Wien auf Initiative v. Karl Anton Rohan mit Unterstützung der Schriftsteller Friedrich Schreyvogl (als Leiter des K.-Sekretariats und laut M. Hall eigentlicher Proponent d. K.s), Robert Müller u. Kurt Frieberger, des Bildhauers Victor Frisch, des Anwalts Friedrich Hardtmuth, des Komponisten E.W. Korngold u. des Jesuitenpaters Friedrich Kronseder gegründet. Zweck des Vereins war gemäß der ersten Statuten „1. Das geistige Leben zusammenzufassen, schöpferische und strebende Menschen zur Anregung eines jeden zusammenzuführen. 2. Seinen Mitgliedern ein passender Rahmen zu sein, um zur Öffentlichkeit zu sprechen. 3. Das geistige Zusammenleben zwischen den Völkern zu fördern.“ (zit. bei: Hall)

Das Ringen um die „Vereinigten Staaten von Europa“ und die endgültige Liquidation der „faule[n] alte[n] Welt“ definierte Rohan in seiner 1922 im Wiener Ballhausaal gehaltenen Rede Das geistige Problem des Europa von heute als Agenden des K.s (im Gegensatz zu dem nach Rohans Dafürhalten (rein) angelsächs. Konzeptionierten und damit unwirksamen Völkerbund). Die Dringlichkeit dieser Anliegen wurde durch Hinweis auf (behauptete) globale (Islam, China) und innereurop. Bedrohungen hervorgekehrt: Rohan warnte vor einem heraufziehenden „antikulturelle[n] Zeitalter“ der Industrieführer und Arbeiter, dem er die Rückbesinnung auf den Katholizismus als „Wurzel aller Kultur“ sowie ein Bekenntnis zum ital. Faschismus entgegensetzte: Den Faschismus in seinem Bemühen um den Erhalt der „wenigen noch lebensfähigen Werte“ und Opponent „einer Welt des Rationalismus“ sowie dessen dt. ‚Sonderform‘, die Konservative Revolution, empfahl Rohan als insbs. für die europ. Jugend „gemäße politische Form“ nach dem endgültigen Fallissement des aristokrat. Systems und dem Scheitern „demokratische[r] und sozialistische[r] Versuche“ (zit. bei: Müller).

Müller schätzt Rohans Rede, die 1923 u.d.Titel Europa im Leipziger „Neue Geist“-Verlag publ. Wurde (2. Aufl. 1924), als zentralen „Gründungstext der ‚konservativen Revolution‘ im europäischen und im katholischen Kontext“ ein. Zudem firmiert die Europa-Broschüre als „Manifest“ des Europäischen Kulturbunds, jener über Österreich hinausgreifenden Plattform einer neuen „Geistesaristokratie“, um deren Etablierung Rohan sich ab 1923/24 bemühte. Ein erstes internat. K.-Treffen hatte bereits im August 1923 auf Schloss Albrechtsberg, dem nö. Familiensitz R.s, u.a. unter Beteiligung des franz. Verlegers Charles Hayet, v. Kasimir Edschmid, Frieberger u. Oscar H. Schmitz stattgefunden.

Auch nach der Etablierung d. Europäischen Kulturbunds blieb die österr. K.-Sektion, die 1924 z.B. 376 (228 „ordentliche“ und 148 „arbeitende“) Mitglieder zählte, die rührigste. Für die erste Wiener Vortragssaison im Winter 1923/24 konnten u.a. Graf Hermann Keyserling, Leo Frobenius, Paul Géraldy, Robert Trentini u. Georges Duhamel als Referenten gewonnen werden; in den kommenden Jahren folgten L. Jessner, B. Bartók, H. Mann, Th. Däubler, A. Adler, C.G. Jung, M. Brod, W.v. Molo, P. Valéry, J.R. Bloch u.a.m. dem Ruf nach Wien. Für die offizielle K.-Zeitschrift Der Zeitgeist (1922/23) zeichneten als Hgg. Frieberger, Müller u. Schreyvogl, die gem. mit Frisch, Hardtmuth, Korngold, Kronseder S.J. u. dem Vorstand des Bundesdenkmalamtes Fortunat Schubert-Soldern zudem das erste K.-Präsidium stellten, verantwortlich. Dieser polit., ideolog. pluralistische „Gründerkreis“ erfuhr Unterstützung v. dem Staatsrechtslehrer Joseph Redlich, v. Ignaz Seipel u. H.v. Hofmannsthal, der sich u.a. als Redner auf dem Wiener Kulturbundkongress 1926 bzw. mit dem Eröffnungsbeitrag in der 1925 gegr. ZS Europäische Revue öffentlich für den K. (im Dienste der von Rohan in der Broschüre Europa von 1923 bereits geforderten Konservativen Revolution) exponierte. Auch das österr. Außenministerium und die Presseabteilung des Bundeskanzleramtes unterstützten die K.-Initiative: Das trad. (Selbst-)Verständnis Ö.s als „Mittler“ zwischen den Kulturen sowie das Ringen um eine neue „europäische Aufgabe“, um polit., wirt. u. kult. Anschluss an Westeuropa für den neuen „Rumpfstaat“ (mit Wien neben/statt Genf als einer Art neuen Hauptstadt für die europ. Bewegung) erklären dieses Interesse an dem K. (vgl. Müller; Schulz), der 1931, unter der Präsidentschaft Albert v. Trentinis (1928-33), umbenannt wurde in: „Kulturbund. Österreichische Gruppe des Verbandes für kulturelle Zusammenarbeit“.

Die Rolle des in der 2. Hälfte der 1930er Jahre an kulturpolit. Gewicht gewinnenden K.s bei der „schleichende[n] kulturelle[n] Nazifizierung Österreichs“ (Hall) darf nicht unterschätzt werden: Nicht umsonst war dem dt. Gesandten Franz v. Papen daran gelegen, auf den K. als einer Art „geistigem Mittelpunkt“ in Österreich Einfluss zu nehmen, was 1937 u.a. auch durch die Rekrutierung des Bundeskommissärs für Kulturpropaganda als K.-Präsidenten gelang: Hans August Freiherr v. Hammerstein-Equord sollte „die hier noch vorhandenen jüdischen Tendenzen in Zukunft aus[zu]schalten“ (F.v. Papen, zit. bei: Hall). Im März 1938 demissionierte Hammerstein-Equord; die Agenden des K. wurden bis zu dessen Auflösung noch im selben Jahr v. Pg. Paul Koniger weitergeführt.


Quellen und Dokumente:

Dr. F. [ ]: Wiener Kulturbund. In: Neues Wiener Tagblatt, 22.4.1922, S. 2-3.

Hugo v. Hofmannsthal: Europäische Revue. (Eine Monatsschrift, herausgegeben von Karl Anton Rohan.) In: Neue Freie Presse (25.9.1926), S. 1-3.

J[osefine] W[idmar]: Trentinifeier des Österreichischen Kulturbundes. In: Reichspost (11.10.1928), S. 5.

N.N.: Paul Valéry über die Gegenwartsprobleme. Der Vortrag des Dichters im Kulturbund. In: Neue Freie Presse (21.5.1932), S. 5.

Literatur

Guido Müller: Europäische Gesellschaftsbeziehungen nach dem Ersten Weltkrieg. Das Deutsch-Französische Studienkomitee und der Europäische Kulturbund (= Studien zur Internationalen Geschichte). München: Oldenbourg 2005. – Matthias Schulz: Der Europäische Kulturbund (2010-12-03), i.d.R. EGO | Europäische Geschichte Online, hg. v. Leibniz-Institut für Europäische Geschichte (IEG) in Mainz. (Online verfügbar) (Stand: Okt. 2015). – Armin Wallas: Der Zeitgeist. In: Ders.: Zeitschriften und Anthologien des Expressionismus in Österreich. Analytische Bibliographie und Register. Bd. 1: Analytische Bibliographie. München-New Providence-London-Paris: K.G. Saur 1995, S. 75-77. – Murray Hall: Wiener Literarische Anstalt. (Online verfügbar) (Stand: Nov. 2015).

(RU)

Im Vorfeld der Nationalratswahl 1927, zugleich Wiener Gemeinderatswahl, erschien in der Arbeiter-Zeitung am 20.4.1927 auf der ersten Seite eine als Erklärung ausgewiesene indirekte Wahlempfehlung für die Sozialdemokratische Partei, in der auf die sozialen und kulturellen Leistungen der Wiener Stadtverwaltung hingewiesen wurde sowie auf die Notwendigkeit, die damit im Zusammenhang gesehene Freiheit, die es zu schützen gelte, zu verteidigen. Diese Erklärung, die von der AZ mit dem Titel Eine Kundgebung des geistigen Wien versehen wurde, unterschrieben knapp 40 z.T. sehr prominente Vertreter und Vertreterinnen des künstlerischen, literarischen und wissenschaftlichen Lebens. Dazu zählten Personen, die der SDAPÖ angehörten wie Alfred Adler, Anton Hanak, Oskar Strnad oder Anton Webern, aber auch prominente parteifreie Vertreter wie Siegmund Freud, der Burgtheaterdirektor Albert Heine, Robert Musil oder Hans Kelsen. Die Frauen waren in dieser Erklärung durch Fanina Halle, Alma Maria Mahler und Margarethe Minor vertreten.

Am 21.4. hat sich zu dieser Liste auch noch Alban Berg zugemeldet. Der christlichsoziale Unterrichtsminister Richard Schmitz (ab 1934 Bürgermeister der Stadt Wien und Leiter der Wr. Organisation der Vaterländischen Front) fühlte sich aufgerufen, darauf hinzuweisen, dass in dieser Liste viel mehr sozialdemokratische Parteigänger seien als in den Raum gestellt, dass der Großteil der Wissenschaft fehle und die Stadt Wien von Kultureinrichtungen wie Burgtheater und Oper ungebührlich hohe Steuerabgaben verlange. Polemisch reagierte erwartungsweise die RP in einem Leitartikel-Kommentar, in dem die Unterzeichner z.T. in ihren Leistungen geschmälert wurden (der renommierte Univ. Prof. Karl Bühler wurde z.B. zum Lehrer am Pädagogischen Institut der Stadt Wien ‚degradiert‘) und das Spektrum in unmittelbare Nähe eines Aufrufs der sozialdemokr. Gastwirte platziert erschien.


Quellen und Dokumente

Eine Kundgebung des geistigen Wien. Ein Zeugnis für die große soziale und kulturelle Leistung der Wiener Gemeinde. In: Arbeiter-Zeitung, 20.4.1927, S. 1, Eine „Kundgebung des geistigen Wien“. In: Wiener Morgenzeitung, 21.4.1927, S. 3, Geist, Spiritus und Bubikopf. In: Reichspost, 21.4.1927, S. 1, Zum 24. April. Eine Kundgebung Intellektueller. In: Wiener Zeitung, 22.4.1927, S. 2.

(PHK)

Zwischen 1926 und 1931 von David Josef Bach im Auftrag der Sozialdemokratischen Kunststelle herausgegebene sozialdemokratische Zeitschrift.

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