Schreier, Maximilian

geb. am 23.5.1877 in Brünn – gest. am 15.6.1942 in Wien; Journalist, Herausgeber

Als Sohn eines jüdischen Angestellten absolvierte S. vier Jahre Gymnasium und engagierte sich als Mitglied des Arbeiterbildungsvereins Gumpendorf. Erste Beiträge veröffentlichte er im Satireblatt Kikeriki, gab 20-jährig die Freie Volksbühne heraus und war 1898 bis 1901 Mitarbeiter der von Rudolf Lothar begründeten Wochenschrift Die Wage, die zur Jahrhundertwende als Kaderschmiede des modernen österreichischen Journalismus galt. Parallel zur Tätigkeit als politischer Redakteur der Oesterreichischen Volks-Zeitung schloss sich S. bald dem Presseclub Concordia an, dessen Schriftführer und stellvertretender Präsident er später werden sollte. S. bemühte sich sukzessive um die soziale Absicherung von Journalisten, 1917 um die Schaffung einer eigenen Gewerkschaft sowie um die 1919 erreichte Aufnahme von Frauen.

Gemeinsam mit Carl Colbert, um 1900 ebenfalls für die Wage tätig, gründete S. mit Unterstützung des früheren Ministerpräsidenten Max W. Freiherr von Beck das Montagsblatt Der Morgen, das im Jänner 1910 erstmals erschien und sich zum bedeutenden Montagsblatt der Ersten Republik entwickeln sollte. In der Folge versuchte sich S., ab 1911 Mitglied der Freimaurer-Loge Zukunft, wiederholt als Herausgeber und Verleger. 1917 übernahm er die angeschlagene Tageszeitung Die Zeit und benannte sie in Der Morgen, 1922 gründete S. mit der Unterstützung Siegmund Bosels die Tageszeitung Der Tag, die in den ersten Jahren u.a. Hugo Bettauer, Fred Heller, Arnold Höllriegel, Robert Musil, Alfred Polgar und Arthur Rundt im Feuilleton eine Heimat gab. 1922/23 führte S. gemeinsam mit Gustav Davis die kurzlebige Tageszeitung Die Zukunft, 1923/24 war er zudem Herausgeber der Satirezeitschrift Der Götz von Berlichingen.

Als umtriebiger Journalist, der 1918 die Schauspielerin Ida von Belitzky (Ida Norden) heiratete, war S. wiederholt in mediale Debatten verstrickt. Beispielsweise endete ein öffentlicher Konflikt S.s. mit Karl Wallner, auch von Polgar kritisierter Direktor des Deutschen Volkstheaters, mit seiner Verurteilung im Mai 1917. Kikeriki schaltete daraufhin am 13.5.1917 ein satirisches Inserat in Anspielung auf ein Stück Else Feldmanns zu einem Gastspiel S.s am Volkstheater mit Der Schrei, den niemand hört!. 1921 sprach er sich – im Gegensatz zu den Theaterkritikern seines Blattes – gegen die Aufführung von Arthur Schnitzlers Reigen aus, „schon deshalb, damit nicht die publizistischen Vertreter des angestammten Muckertums eine geeignete Gelegenheit erhalten, gegen die freie Geistesrichtung im kulturellen Leben aufzutreten“ (Der Morgen, 7.2.1921, S. 5), u.a. führte er auch publizistische Debatten mit Friedrich Austerlitz und Robert Stricker und positionierte sich deutlich in Bezug auf den zionistischen Weltkongress des Jahres 1925 in Wien (siehe Quellen).

War S. 1918/19 Mitglied des Provisorischen Gemeinderats und kandidierte Anfang 1919 für die von Julius Ofner geführte Demokratische Partei, wandte sich nach der Schaffung der „Einheitsfront“ mit der Christlich-Sozialen Partei 1927 jedoch ab (siehe dazu S.s Beitrag am 28.3.1927). Er leitete neben seiner Unterstützung des 10 Groschen-Blatts am Montag ab 1931 die der Sozialdemokratie nahestehende Wiener Allgemeine Zeitung und positionierte sich deutlich gegen die Politik Engelbert Dollfuß‘ und des aufkommenden Ständestaats. Ab 1934 politisch verfolgt, war er zur Aufgabe seiner journalistischen Laufbahn gezwungen. Nach dem „Anschluss“ u.a. bei der Ausstellung Der ewige Jude verhöhnt und in der gleichgeschalteten Wiener Bühne im August 1938 als „berüchtigtster Greueljournalist Europas“ bezeichnet, wurde S. bereits am 13. März 1938 von den Nationalsozialisten verhaftet und zeitweise im KZ Buchenwald interniert. 1940 in einem politischen Prozess verurteilt, entging S. der Deportation 1942 durch Selbstmord. Nach 1945 wurde er als „einer der tapfersten Vorkämpfer des demokratischen Freiheitsgedankens“ (Neues Österreich, 23.5.1947, S. 2) gewürdigt.


Dokumente und Quellen

Beiträge von M. S.: Der Kampf um die Ehre der Zeitung. In: Der Morgen, 21.10.1918, S. 5, Für Freiheit gegen Zügellosigkeit. In: Der Morgen, 4.11.1918, S. 5, Das Verbrechen an Wien. In: Der Morgen, 20.1.1919, S. 5, Die Gefahr für Wien. In: Der Morgen, 21.4.1919, S. 5, „und so weiter“. Am zehnten Geburtstag des „Morgen“. In: Der Morgen, 26.1.1920, S. 5, Der ganz leidenschaftslose Herr der Arbeiter-Zeitung. In: Der Morgen, 31.5.1920, S. 5, War der „Reigen“ aufzuführen? In: Der Morgen, 7.2.1921, S. 5, Das Bürgertum am Scheideweg. In: Der Morgen, 10.9.1923, S. 5, Die Sprache des Prälaten. In: Der Morgen, 21.1.1924, S. 1, Dreißig Jahre Kulturarbeit. In: Der Morgen, 29.12.1924, S. 5, Zionismus. In: Der Morgen, 17.8.1925, S. 1f., Wer ist schuld daran? – dar Jud! In: Der Morgen, 17.1.1927, S. 5f., Warum wurde Karl Schönherr nicht ausgezeichnet? In: Der Morgen, 28.2.1927, S. 3.

N.N.: Direktor Wallner als Kläger. In: Fremden-Blatt, 2.5.1917, S. 5f., N.N.: Der Prozeß des Direktors Wallner. In: Neues Wiener Journal, 5.5.1917, S. 9, Robert Stricker: In eigener Sache. In: Wiener Morgenzeitung, 7.5.1924, S. 1f., N.N.: Vor dem Kongreß. In: Reichspost, 17.8.1925, S. 1, N.N.: Der Großmeister der Wiener Zeitungskorruption. Der tschechische „Tag“ – Ein Pakt Schreier-Wienzeile. In: Freiheit!, 25.6.1928, S. 1f., N.N.: The Ordeal of the Jews in Austria. In: London Information of the Austrian Socialists in Great Britain (1942), H. 17, S. 4, p.d.: M. S. In: Neues Österreich, 23.5.1947, S. 2,

Literatur

Alexander Emanuely: Demokratie des Denkens. Über M. S.. In: Zwischenwelt 36 (2019), Nr. 1-2, S. 51–54.

Eintrag im Österreichischen Biographischen Lexikon, Eintrag bei wien.gv.at, Eintrag bei Austria-Forum.org.

(ME)