Béla Balázs

Béla Balázs (seit 1913) – als Herbert Bauer am 4.8.1884 in Szeged in eine ungarisch-deutsch-jüdische Lehrerfamilie geboren, gestorben am 15.7.1949 in Budapest – ist vor allem als Autor der ersten profunden Filmästhetik von 1924 mit dem Titel „Der sichtbare Mensch“ in Erinnerung geblieben. In diesem durch eine zweite Auflage von 1926 als „Film-Dramaturgie“ und mehrere Übersetzungen schnell international populär gewordenen Buch kondensieren seine Erkenntnisse als Drehbuchautor und als Filmkritiker für die Wiener Tageszeitung „Der Tag“. Mit Blick auf die heutigen Debatten um die „Visual Culture“ kann man Balázs mit Recht als den Erfinder des Konzepts einer „visuellen Kultur“ bezeichnen. Balázs‘ veritable Kulturtheorie stellt die technische Apparatur des Kinematographen gleichberechtigt neben seinen Darstellungsgegenstand, den „sichtbaren Menschen“, um eine epochemachende Gesellschaftsreform durch den Film zu prognostizieren. Balázs‘ vielfältige Aktivitäten als Autor von Märchen, Dramen und Romanen, als Drehbuchschreiber und Librettist etwa für Béla Bartok sowie seine kulturpolitischen Aktivitäten in der kommunistischen Arbeiterbewegung, seine Tätigkeit als Lehrer an Filminstituten in der Sowjetunion und Budapest mit drei weiteren Film-Büchern stehen im Schatten dieses großen theoretischen Wurfs der Frühzeit.

Von Gustav Frank | Juli 2018

Inhaltsverzeichnis

  1. Stationen eines Lebens in Exilen
  2. ‚Volk‘ und ‚Leben‘, Märchen und Marxismus
  3. Der „sichtbare Mensch“ in der „Visuellen Kultur“
    1. Das Gebrauchsbuch als Teil der visuellen Kultur
    2. Schauspieler und Tänzerin
    3. ‚Volk‘ und ‚Seele‘
    4. Dialektik der Apparate

1. Stationen eines Lebens in Exilen

Budapest. Béla Balázs, Sohn eines Szegediner Lehrerehepaars, kommt zum Studium der Philosophie nach Budapest, wo er 1909 mit einer Arbeit über Friedrich Hebbels Pan-Tragismus als Resultat der romantischen Weltanschauung promoviert wird. Doch im Zwiespalt mit der erstarrten Bürgerwelt und dem Ständestaat der k. u. k. Monarchie verlässt er Budapest schon als Student immer wieder: Eine entscheidende Prägung erfährt er durch seine akademischen Lehrer Georg Simmel (ebenso sehr Soziologe wie populärer Kulturpublizist) und Wilhelm Dilthey in Berlin und Henri Bergson in Paris, durch die er mit dem Vitalismus der Jahrhundertwende vertraut wird. Dessen Leitbegriff ist das ‚Leben‘. Es wird emphatisch begrüßt und gefeiert als unversieglicher dynamischer Strom unterhalb der verkrusteten, positivistischen, domestizierten, verwalteten und entfremdeten Zivilisation. Sein Widerpart ist die liberal-bürgerliche, auf „synthetisch-harmonisierenden“ (Kondylis 1991, 15) Denkfiguren des Ausgleichs und der Mitte basierende Kultur des 19. Jahrhunderts. Von der Kritik dieser erstarrten Bürgerwelt sowie der engen Klassen- und Rassenschranken des Kaiserreichs speist sich dann Balázs’ literarisches Werk der 1910er Jahre. Budapest und die ungarische Nation stehen damals ähnlich wie Prag im Schatten der k. u. k. Metropole Wien. Aus der Opposition gegen die erfahrenen Beschränkungen resultiert die Hungarisierung des Namens, die Hinwendung zur ungarischen Volkskultur, zu Märchen und Volksmusik, die er mit Béla Bartók (1881-1945) und Zoltán Kodály (1882-1967) phonographisch aufzeichnet und sammelt, und zu den „stummen Künsten“ (Hofmannsthal 1895) rechnet: Er verfasst Libretti für Pantomime, Ballett und Oper. Bekannt wird seine Zusammenarbeit mit Bartók auch an dessen einziger Oper, in der er eine Art Mysterienspiel von Balázs‘ (A kékszakáll ú herceg vára, 1912) bearbeitet (deutsche Fassung 1922). Balázs knüpft darin an eine symbolistische Dramatisierung des Blaubart-Stoffes des Literaturnobelpreisträgers von 1911, Maurice Maeterlinck, an. Uraufführung von Herzog Blaubarts Burg ist am 24. Mai 1918 im Königlichen Opernhaus in Budapest (dessen anhaltende Präsenz zeigt auch der Theaterzettel des Deutschen Staatstheaters von 1925).

            Aus der frühen Zeit datiert auch Balázs‘ Mitarbeit an der 1908 gegründeten, seither einflussreichen Literatur- und Kulturzeitschrift Nyugat (dt. Westen/Abendland) .

            Die antibürgerliche Grundhaltung im Zusammenklang mit der ekstatischen Erfahrung des Feldes als Soldat im Ersten Weltkrieg bereiten Balázs‘ Eintreten für die radikale Erneuerung durch die Ungarische Räterepublik und seine Annäherung an den Kommunismus vor. Befreundet mit György Lukács (1885-1971), der an der Räterepublik unter Béla Kun (1886–1938) als Volkskommissar für das Unterrichtswesen prominent beteiligt ist, wird Balázs Mitglied des von diesem eingesetzten Schriftstellerdirektoriums, dem die Neuordnung des literarischen Leben obliegen soll. Doch die Räterepublik währt nur vier Monate: von März bis August 1919. Als sie gewaltsam im ungarisch-rumänischen Krieg zerschlagen und schließlich durch das autoritäre Regime unter Miklós Horthy (1868-1957) ersetzt wird, muss Balázs fliehen. Verkleidet und mit falschem Bart und falschen Papieren entkommt er der Verfolgung im Dezember 1919 versteckt in der Kohlenkammer eines Donauschiffes nach Wien.

            Solche Einzelheiten verdanken wir der ersten Biografie von Josef Zsuffa (1987), die sich in Vielem auf Balázs‘ eigene, nicht immer zuverlässige Zeugnisse wie seine Tagebücher (Napló 1903-1914; Napló 1914-1922) und seinen autobiographischen Roman Die Jugend eines Träumers (Wien: Globus 1947, Zürich: Universum 1948, Ost-Berlin: Volk und Welt 1949) stützt. In solchen Dingen ist Zsuffa auch Gewährsmann der ersten deutschsprachigen Werkbiographie von Hanno Loewy 1999.

            Wien ist von 1919 bis 1926 die erste Station eines über 25 Jahre währenden Exils. Balázs, so Robert Musil in Der Neue Merkur. Monatsschrift für geistiges Leben (März 1925), „ist – in Ungarn ein Dichter von Namen, unter uns ein Fremder, da die Beziehungen zwischen der ungarischen und der deutschen Literatur sehr dürftig sind – nach Wien gekommen, als in seinem Vaterland die Reichsverwesung begann, mußte sein Brot als Journalist suchen und wurde so unter anderem Filmkritiker: diesem Umstand verdankt er die große Erfahrung und die einfache, überzeugende Darstellung“ (Musil 1925, 1138). Doch auch in Wien setzt Balázs zunächst seine schriftstellerische Tätigkeit fort. Zuerst werden die Märchen der Budapester Jahre auf Deutsch publiziert: Sieben Märchen (aus d. Ungar. von Elsa Stephani. Einband u. Buchschmuck von Ludwig Kozma. Wien,u.a.: Rikola 1921).

Der Band enthält auch das Tanzmärchen Der hölzerne Prinz, das ebenfalls Bartók schon als Ballett vertont hatte. Doch weil sich daraus kein regelmäßiger Broterwerb im Exil erzielen lässt, muss die literarische mehr und mehr der journalistisch-kritischen Tätigkeit weichen. Balázs gehört zu einem Netzwerk, das ihm erste Publikationsmöglichkeiten in ungarischen Exilblättern wie der Tageszeitung Bécsi Magyar Ujság (=Wiener Ungarische Zeitung, 31.10.1919 – 16.12.1923) verschafft. Wie Bécsi Magyar Ujság wurde die am 25. November 1922 erstmals erscheinende Tageszeitung Der Tag bei Johann Nepomuk Vernay in Wien gedruckt. Der Tag ist eine Neugründung, die sich dem Pressegesetz vom Oktober 1922 verdankt, das die Zensurvorschriften des Kaiserreichs aufhebt. Der Prager Pressekonzern Orbis war am Druckerei- und Verlagsunternehmen Vernay maßgeblich beteiligt. Das neue Gesetz bedeutet einen Aufschwung für die Boulevardblätter und eine neue Blütezeit für die liberale Presse in Wien angesichts eines deutlich verkleinerten Markts nach dem Ende des Kaiserreichs.

An der Gründung des preiswerten, linksliberalen Morgenblatts mit der einprägsamen Titelvignette Der Tag, das zwischen sechs und sieben Mal/Woche erscheint, ist der „Bankier, Inflationsgewinnler, Spekulant Sigmund Bösl“ (Dietrichs 1982, 28) maßgeblich beteiligt. Die Auflage wird für 1924 auf 50-60.000 geschätzt; die traditionelle Vossische Zeitung in Berlin bei Ullstein kommt auf etwa 30.000 Exemplare; eines der auflagenstärksten liberalen Massen-Blätter des Mosse-Konzerns, das Berliner Tageblatt, dürfte auch mit Berlin- und Reichsausgabe die 150.000 nicht überschritten haben (siehe dazu hier). Chefredakteur war Maximilian Schreier, manchmal vertreten durch Hugo Bettauer (1872-1925), der durch seine auch prominent verfilmten Romane Die Stadt ohne Juden (1922) und Die freudlose Gasse (1924; durch G. W. Pabst 1925 mit Asta Nielsen und Greta Garbo) bekannt war. Für die Theaterkritik konnte Alfred Polgar (1873-1955) gewonnen werden, daneben zählten Max Brod (1884-1968), Robert Musil (1880-1942) und Stefan Großmann zu den Beiträgern. Balázs übernahm schon im Dezember die regelmäßige Rubrik „Der Filmreporter“, die seit 11. Mai 1923 eine eigene scherenschnittartige Vignette erhielt, auf der ein Kinematograph den Rubriktitel projiziert, unter dem kleine Filmszenen mit bewegten Figuren buchstäblich laufen (Abb. 3 in Diederichs 1982, 28). Balázs beginnt seinen Dienst als Filmreporter gleich mit einem Meta-Beitrag: „Kinokritik!“. Auch in Wien wird das Kino zu einem wesentlichen Bestandteil der massendemokratischen „Kulturindustrie“ (Horkheimer/Adorno [1947], 1987, 144-196) und für die Profilbildung der neuen Zwischenschicht der Angestellten im (nicht zuletzt durch die neuen Medien Kino, Fotoillustrierte, Radio) wachsenden Dienstleistungssektor unentbehrlich. Auch Balázs zeigt sich vom Mythos der großen Zahl beeindruckt, denn „in Wien allein spielen allabendlich fast 200…Kinos mit durchschnittlich 450 Plätzen…macht, mit dreiviertelvollen Häusern gerechnet, täglich fast 300.000 (dreihunderttausend!) Menschen in einer nicht sehr großen Stadt.“ (SM 10f.) Neben fast 200 tagesaktuellen Filmbesprechungen, die hier erscheinen, verfasst Balázs auch Theaterkritiken zu einer Reihe heute kanonischer Dramen wie Georg Kaisers Kolportage, Franz Werfels Der Spiegelmensch, Robert Musils Vinzenz, Arthur Schnitzlers Komödie der Verführung oder Hugo v. Hofmannsthals Der Schwierige.

Aus: Becsi Magyar Ujsag (Wiener Ungarische
Zeitung), 29.4.1923, S. 6

            Doch Balázs‘ publizistische Aktivitäten sind vielfältig und verzweigt. Zu den charakteristischen Überlebensstrategien des prekär Beschäftigten gehört die Mehrfachverwertung, die hier am Beispiel der Texte über Chaplin gezeigt werden kann, die später im großen Chaplin-Porträt des Sichtbaren Menschen (SM 105-107) zusammenfließen werden: In Bécsi Magyar Ujság erscheint ein erster ausführlicher Feuilletonbeitrag unterm Doppelstrich, der sich mit Chaplin und Balázs‘ zweitem Idol Asta Nielsen beschäftigt, bereits am 28. August 1920: „Látható poézis“ (Nr. 203, S. 3). Der Text ist ein Zeugnis des Übergangs von der Dichtung zum Film und führt erstmals ‚sichtbar‘ im Titel: Látható poézis – sichtbare Poesie. „Charlie Chaplin, a forradalmár“, Chaplin, der Revolutionär, folgt am 29. April 1923 (Nr. 100, S. 6). Der Anfang dieses Beitrags stammt aus einer Kritik im Tag vom 8. Dezember 1922 unter dem Titel „Chaplin oder der amerikanische Schildbürger“ (Schriften I, 395). Nicht erfasst in den Sammelbänden der Schriften zum Film ist der Abdruck einer weiteren Variante auf der ersten Seite der „Film-Beilage“ in der „Alpen-Nummer“ der Muskete vom Juni 1923. Dieser Abdruck ist deshalb von Belang, weil er „Chaplin. Der amerikanische Schildbürger“ direkt neben Robert Musils Artikel „Eindrücke eines Naiven“ stellt und damit die beiden schon früh in einer Deutungskonkurrenz um den Film vorführt. Diesen Text, der mit seiner Passage zu Marx offenbar die Überlegungen zur Verdinglichung und Entfremdung aus Bécsi Magyar Ujság aufgreift, aber den dortigen Revolutionär Chaplin hier zum grotesken und spöttischen Empörer „gegen unsere naturfremde Werkzeugzivilisation“ abschwächt, findet sich in keiner der Text-Sammlungen erwähnt (Schriften II, 377, 395f.):

Vermutlich weil Balázs‘ Rubrik „Der Film-Reporter“ in eine Werbebeilage der Film-Industrie umgewandelt wird, endet seine Karriere beim Tag nach knapp zwei Jahren. Die Summe aus den Erfahrungen der Wiener Zeit zieht Balázs in seinem ersten Buch zum Film: Der sichtbare Mensch.

            Berlin ist von 1926 bis 1931 die zweite Station im Exil. Die große Aufmerksamkeit, die sein Buch erregt hat, dürfte den Grundstein für den Wechsel in die Hauptstadt der europäischen Filmindustrie gelegt haben, nachdem ihm in Wien die Existenzgrundlage eines festen Einkommens entzogen worden war. Balázs wird jetzt auch in Fachkreisen gehört. Seinen ersten vielbeachteten Auftritt in der neuen Stadt hat er auf Einladung des „Klubs der Kameraleute Deutschlands“. Sein Vortrag erscheint unter dem Titel „Filmtradition und Filmzukunft“ auf der Titelseite des einflussreichen Film-Kuriers vom 9. Juni 1926. Da publiziert Balázs bereits im Fachblatt Filmtechnik, das sein Landsmann Andor Kraszna-Krausz (1904-1989) seit 1925 in Halle herausgibt. Kraszna-Krausz hatte 1923 in München den Verleger Wilhelm Knapp kennengelernt, der ihm die Redaktion (bis 1936) der neugegründeten Filmtechnik anbot, die sich unter seinem Einfluss zu einem führenden Blatt entwickelte, wenn es um die Förderung sozial und kulturell bedeutsamer Produktionen und filmtechnische Innovationen ging.

            Auch die Aussicht könnte Balázs nach Berlin gelockt haben, nicht länger rasender Filmreporter, sondern künstlerischer Gestalter von Filmen durch ihre Drehbücher zu sein. Einige Erfahrungen hatte er schon in seiner frühen Wiener Zeit gesammelt. Nach dieser Übersiedlung ist er dann aber auch an Produktionen beteiligt, die in die kanonischen Werke der Filmgeschichte wie Siegfried Kracauers From Caligari to Hitler (1947) Eingang gefunden haben. Mit dem Drehbuch zum heute verschollenen Abenteuern eines Zehnmarkscheins von 1926 wird er zum Erfinder des „Querschnitt-Films“, und man rechnet ihn deshalb unter die Begründer der Neuen Sachlichkeit im deutschen Kino. Stehen die ersten beiden Berliner Jahre im Zeichen rastloser Drehbuchproduktion, allein sechs Spielfilme werden realisiert, zieht Balázs sich bald enttäuscht zurück, weil unabhängige Filmautorschaft, die er sich erhofft und zu erkämpfen versucht hatte, unter den Bedingungen kapitalistischer Verwertungsinteressen offensichtlich nicht möglich ist. Nach dem Rückzug engagiert sich Balázs einerseits in der Theaterszene um Erwin Piscator (1893-1966) und den Komponisten Ernst Krenek (1900-1991), der gerade mit seiner „Jazz-Oper“ Jonny spielt auf Furore gemacht hat, aber auch in der proletarischen Kulturarbeit unter anderem mit Vorträgen und Agitprop-Theater-Aktionen. Diese Erfahrungen gehen 1930 auch in einen Artikel für die Weltbühne unter dem Titel „Arbeitertheater“ ein (Heft 5, S. 166-169).

            Solche publizistische Tätigkeit bildet denn auch sein zweites Standbein. In ihrem Mittelpunkt steht jetzt aber nicht mehr ausschließlich der Film. Seit dem 2. Heft 1928 schreibt Balázs regelmäßig für die von Carl von Ossietzky herausgegebene Weltbühne. Im selben Jahr noch erscheint hier seine Abrechnung mit der Neuen Sachlichkeit: „Sachlichkeit und Sozialismus“ (Heft 51, S. 916-918). Aus seiner Begeisterung für Chaplin wird seine Kritik an den neusachlichen Querschnitt-Filmen verständlich: Was er ihnen vorwirft, ist ihr Einverständnis mit der „Werkzeugzivilisation“, die sie bloß in schönen Bildern abbilden, ohne sie zu subvertieren.

            Am Ende seiner Berliner Jahre ist Balázs noch an zwei Filmprojekten als Drehbuchautor beteiligt, die beide seinem Ruf geschadet und zu seiner zwiespältigen Wahrnehmung in der Filmgeschichte maßgeblich beigetragen haben: G. W. Pabsts heute kanonische Verfilmung der Dreigroschenoper (UA 1931) und der öffentlich ausgetragene heftige Schlagabtausch um Brechts und Weills Urheberrecht sowie Leni Riefenstahls Regiedebüt mit der mystischen Berglegende Das blaue Licht (UA 1932), die maximal weit entfernt von marxistisch informierter Filmkunst zu sein scheint.

            Moskau ist von 1931 bis 1945 die dritte Station im Exil. Wie die Frühzeit des Lyrikers, Dramatikers und Librettisten Balázs im Ungarn vor der Revolution von 1919 sind auch Werk und Schicksal in der sowjetischen Emigration sowie seine letzten Lebensjahre im Nachkriegsungarn bis 1949 aufgrund der ideologischen Gräben und fehlender Übersetzungen ins Deutsche oder Englische allzu wenig bekannt. Balázs folgte 1931 noch während der Dreharbeiten zum Blauen Licht der Einladung der sowjetischen Meschrabpom-Filmgesellschaft, die mit der deutschen Prometheus-Film, für die Balázs in Berlin tätig war, eng zusammenarbeitete, nach Moskau. Dort lehrte er dann seit 1933 an der Filmhochschule (GIK/WGIK). Aus Balázs‘ Arbeit ging die 1937 fertig gestellte, aber erst 1945 veröffentlichte Schrift Iskusstvo Kino (=Die Kunst des Films. Moskau: Goskinoizdat 1945) hervor. Das sowjetische Film-Exil und Balázs‘ Beteiligung an verschollenen Projekten rückt erst jüngst in den Blick der Forschung (vgl. Hesse 2017).

            In Moskau vertieft sich der Graben zwischen dem Praktiker, Essayisten und Literaten Balázs und seinem Jugendfreund, dem Philosophen György Lukács, unüberwindlich. In der „Expressionismus-Debatte“ der Jahre seit 1934 hatte Lukács alle Formexperimente, intermedialen Halbfabrikate wie Libretti und Drehbücher als Verfallserscheinung unter der Vorherrschaft kapitalistischer Produktionsverhältnisse gebrandmarkt. Damit war auch Balázs gemeint, ohne dass er namentlich erwähnt zu werden brauchte. Jetzt, aus marxistischer Perspektive, gelten Lukács nur mehr die Totalitätsprojekte der großen Realisten des 19. Jahrhunderts als Vorbilder für einen sozialistischen Realismus, der sich mit der kommunistischen Gesellschaft im Aufbau ins rechte Verhältnis zu setzen weiß. Balázs hatte mit einem Mozart-Drama und einem daraus entwickelten Film-Szenario mit dem Titel „Der Liebling (Ein Mozartfilm)“, das 1937 in der Emigranten-Zeitschrift Internationale Literatur (Bd. 7, Nr. 5, S. 46-71) in Moskau erschien, noch einmal den gemeinsamen Ausgangspunkt im Budapest um 1910 in Szene gesetzt: die Rebellion der Künstlerpersönlichkeit gegen die Enge der bürgerlichen und feudalen Welt und der Aufbruch zu künstlerischer Freiheit.

Die Auseinandersetzung mit dieser gemeinsamen Budapester Zeit des Aufbruchs hatte Balázs auch schon in seinem Roman Unmögliche Menschen (Frankfurt/Main: Rütten & Loening 1930) kritisch zu verarbeiten versucht. Beide Erinnerungen an frühere Gemeinsamkeiten werden Lukács nicht nur angenehm gewesen sein.

[Abb.4: Balázs eigene Ankündigung in der Weltbühne (Nr. 46 (1929),  734f. > http://ciml.250x.com/archive/literature/german/1929_die_weltbuehne_2.pdf)] macht deutlich, dass es sich wie bei Musils Der Mann ohne Eigenschaften, dessen erster Band im selben Jahr bei Rowohlt erscheint, um eine Abrechnung mit der eigenen Sozialisation unmittelbar vor dem Ersten Weltkrieg handelt.

 Die Zeit in der stalinistischen Sowjet-Union, in der die revolutionären Hoffnungen der Migranten vom Beginn der dreißiger Jahre am Ende des Jahrzehnts in den Schauprozessen und blutigen Säuberungen zunichte werden, ebenso wie die Wirren der Kriegsjahre und die Flucht vor der Front nach Sibirien, prägen Balázs‘ russische Jahre.

            Budapest. Die Rückkehr 1945-1949 in das Nachkriegs-Ungarn ist gekennzeichnet von den Konflikten um die Durchsetzung der KP-Alleinherrschaft. Wieder berichten die Biografen von einer schwierige Lage in Balázs‘ letzten Lebensjahren: Auf zahlreichen Auslandsreisen als internationaler Filmexperte und Lehrer hoch verehrt, wird in Budapest nach wie vor an seiner Linientreue gezweifelt, nicht zuletzt Lukács spielt wohl wieder eine zweifelhafte Rolle, und seine bürgerliche Herkunft gegen ihn gewendet. In Budapest entstand sein letztes Filmbuch Filmkultúra: A film müvészetfilozófiája 1948 (auch als Filmska kultura. Beograd: Filmska Biblioteka 1948; dt. Der Film. Werden und Wesen einer neuen Kunst. Wien: Globus 1949).

Erst 1958 wird der Béla-Balázs-Preis für Verdienste in der Filmkunst nach ihm benannt.

2. ‚Volk‘ und ‚Leben‘, Märchen und Marxismus

Dem Budapester „Sonntagskreis“, mit dem Philosophen György Lukács (Die Theorie des Romans. Ein geschichtsphilosophischer Versuch über die Formen der großen Epik, 1916; Geschichte und Klassenbewußtsein, 1923) als dem intellektuellen Zentrum, gehörten neben sporadischen Gästen wie Bartók und Kodály so illustre Mitglieder wie der spätere Begründer der Wissenssoziologie Károly (Karl) Manheim (Mannheim) (Ideologie und Utopie, 1929) und der Kunsthistoriker Arnold Hauser (Sozialgeschichte der Kunst und Literatur, 1950) an.

Es handelte sich um einen informellen Kreis junger intellektueller Frauen und Männer, der sich während des Ersten Weltkriegs zu einem sonntagnachmittäglichen jour fix im Haus von Balázs vereinigte. Zu den drängenden Fragen der Zeit gehörten die nach der ungeklärten Rolle der ungarischen Nation, der kritischen Intellektuellen und von Kunst und Kultur. Wie drängend diese Fragen waren, zeigt sich an den weiteren Lebensläufen der Beteiligten, die sich zeitlebens um weitere Klärung bemühten. Bedeutsam für seine gesamte Biographie ist dabei Balázs‘ Freund-Feindschaft im Konkurrenzverhältnis mit Lukács, die sich von der gemeinsamen literarischen und politischen Arbeit der frühen Jahre bis zum endgültigen Zerwürfnis in der gemeinsamen Moskauer Emigration bis hin zu Lukács‘ zweideutiger Rolle nach Balázs‘ Remigration nach Budapest erstreckt.

            Im Denken von Lukács und Balázs spielt besonders das Märchen eine zentrale Rolle. Das ist nur auf den ersten Blick erstaunlich. Auf das Märchen stoßen sie bei ihrer kritischen Sichtung bürgerlicher Kultur- und Lebensformen, denn es erlaubt ihnen, die als lebensfeindlich empfundene Realität mit einer positiven Alternative zu konfrontieren. Das Märchen bringt die unterdrückten sozialen und psychischen Wünsche an die Oberfläche, die sich angesichts der restriktiven Verhältnisse nicht anders artikulieren können. Märchen ist den Mitgliedern des Sonntagskreises – mit Ernst Bloch zu sprechen, den Lukács früh im Gesprächskreis um Max Weber in Heidelberg kennengelernt hatte – „Vorschein“ einer besseren und guten Welt, nicht Flucht aus der Realität. Somit ist es keine romantische Reprise, sondern vorwärtsgewandte utopische Konzeptkunst im Zeichen der Lebensideologie. Die Wahl der marginalen Gattung stellt sich gegen die vorherrschenden Formen des unkritisch diese Wirklichkeit abbildenden Romans des 19. Jahrhunderts. Mit dem Märchen ist seit der Frühromantik und den Befreiungskriegen gegen Napoleon zudem ein Konzept des Volkes als kollektive Quelle und Urheber verbunden, das es als selbständige, geschichts- und kulturmächtige Größe statt politische quantité négligeable erscheinen lässt. Doch dieses romantische Konzept des Volkes wird jetzt unter lebensideologischen Vorzeichen aktuell gefasst und als vitaler Quell aller sozialen Veränderung verstanden. Durch seine Verknüpfung mit dem ›Volk‹, den einfachen und grundlegenden Dingen sowie der kollektiven Kraft des ›Lebens‹, genießt das Märchen als die Gattung der Wahl den Vorzug vor der eigentlichen Utopie. Denn deren Träger ist oft eine isolierte Elite und deren Gegenstand ein konkreter wissenschaftlich gestützter Zukunftsentwurf, der ja gerade wieder die zu überwindenden Züge des lebensfeindlichen positivistischen 19. Jahrhunderts aufweisen würde.

            Der Zugang zum Marxismus erfolgt bei Balázs deshalb in logischer Konsequenz über das Märchen, dessen funktionale Stelle er einnehmen kann. Balázs‘ Aneignung des Marxismus beruht auf einer organischen Verbindung von Volk und Leben in der revolutionären Dynamik hin zu einer besseren und guten Welt. Dadurch sind aber die Konfliktlinien mit der kommunistischen Parteidoktrin bereits vorgezeichnet: Balázs‘ Begriff des Volkes ist immer weiter als der von den ausgebeuteten proletarischen Massen der Industriestädte. Und sein Zukunftsentwurf bleibt immer von der Lebensideologie tingiert: Insofern Balázs von der klassenlosen Gesellschaft immer auch die Rehabilitierung des seelischen Anteils im ›ganzen Menschen‹ erwarten wird, ist sein Marxismus nicht nur soziologisch, sondern hat eine psychologische und eine starke vitalistische Komponente. Seit seiner intensiven Auseinandersetzung mit dem Film und der Kinokultur in Wien verschmilzt Film mehr und mehr mit der ursprünglich für das Märchen reservierten Position in Balázs‘ Denken: „Film ist die Volkskunst unseres Jahrhunderts“ (SM 10).

            Auch darin zeigt sich wieder die Verwandtschaft mit Lukács‘ Werdegang. Hatte er mit seiner vielbeachteten Theorie des Romans (1916) eine lebensphilosophisch geprägte Analyse vorgelegt, die im Rekurs auf die Romantik die Romanform als „Ausdruck der transzendentalen Obdachlosigkeit“ (Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft 11 (1916), 234) der bürgerlichen Welt wertete, so fasst Lukács denselben Zusammenhang nach seiner Abwendung von der Metaphysik und der Hinwendung zum Marxismus materialistisch als Problem der Entfremdung.

3. Der „sichtbare Mensch“ in der „Visuellen Kultur“

Die bislang auf die Filmwissenschaft beschränkte Rezeption hat übersehen lassen, dass Der sichtbare Mensch von 1924 vor allem eine Programmschrift der „visuellen Kultur“ ist. Ihre Grundzüge stehen bereits fest, bevor Balázs‘ intensive Beschäftigung mit dem Film überhaupt beginnt. Die konkreten Filmerfahrungen liefern nur neuen Stoff und geben dem Denkgerüst eine neue inhaltliche Füllung, damit einen neuen Reichtum und verleihen den Thesen eine ungeahnte Aktualität. Das Gerüst findet sich etwa auch im ersten Märchenbuch, das Balázs für den deutschen Markt schreibt und das in hochwertiger Ausstattung und limitierter Auflage erscheint.

Aus: Neue Freie Presse, 27.3.1921, S. 31

Die deutsche Übersetzung seiner ungarischen Märchen hat ihm diese Auftragsarbeit eingebracht: Er soll einen zwanzigteiligen Grafikzyklus mit chinesischen Märchen aus seiner Feder ergänzen. Wie Hanno Loewy herausarbeitet, ist das titelgebende erste Märchen der Sammlung bereits eine Blaupause für Balázs‘ Filmtheorie des sichtbaren Menschen (vgl. Loewy 2001, 186f.): Der Mantel der Träume (Chinesische Novellen. Mit 20 Bildern von Mariette Lydis. München: D. & R. Bischoff 1922) – ein mit den Träumen, den Sehnsüchten der Kaiserin bestickter Mantel – fungiert hier gleichsam noch als Platzhalter. Die Beziehung von Traum und Film ist den Zeitgenossen selbstverständlich spätestens seit Hugo von Hofmannsthals zweiter von Drei kleinen Betrachtungen, die in den jeweiligen Osterbeilagen der Neuen Freien Presse in Wien und der linksbürgerlichen, 1921 vom tschechoslowakischen Präsidenten Masaryk selbst gegründeten deutschsprachigen Prager Presse vom 27. März 1921 unter dem Titel Ersatz für die Träume erscheint:

Was „das Leben schuldig“ bleibt, danach sehnen sich Balázs‘ Märchen zufolge aber nicht nur die „Städtebewohner“ (Brecht) in den „kohlengeschwärzten Industrieorten“, wie es erstaunlich gesellschaftskritisch bei Hofmannsthal heißt, sondern jeder Mensch in jeglicher Art formalisierter Zivilisation, so eben auch die Kaiserin von China in Balázs‘ Märchen. Die Stelle des Mantels indessen, den sie ihrem Gatten bestickt, werden bei Balázs später die Filmleinwand und die Projektionen des Kinematographen einnehmen. Gleichsam wie ein Polyphasen-Bild stellen die Stickereien auf dem Mantel die zweidimensionale Visualisierung der Träume seiner Protagonistin dar. In den Träumen kommt die von der Alltagsrealität unberührte, aber unzugängliche, unsichtbare Seele, das eigentliche, das wesentliche Ich an die sichtbare Oberfläche. In den Mantel eingestickt ist mit den Traumbildern zugleich eine Projektion der Seelenlandschaft, auf ihm wird das verborgene Subjektive zum sichtbaren Intersubjektiven. Es wird vergesellschaftet und bleibt dabei doch immaterieller, ungreifbarer Seelenstoff; denn es ist auch bei Balázs Ersatz, Ersatz im strengen Sinne von Ersetzung einer profanen physischen Liebesvereinigung. Im Märchen umhüllt der Mantel den Körper außen mit den Traumbildern aus dem Innern, doch nicht den eigenen, aus der Seele seines Trägers stammenden, sondern mit solchen aus der Seele seiner Frau, die einzig ihn wieder betrachten kann.

            Mit seiner Programmschrift für die heraufziehende „visuellen Kultur“ will Balázs weitaus mehr als nur eine der Dramaturgien des Films geben, wie sie nach dem Ersten Weltkrieg von unterschiedlichster Qualität in Umlauf kommen: Sie ist ein Manifest. Schon die Titelbegriffe sind deshalb mit den Energien der rhetorischen Emphase aufgeladen. Das bindet den Text ein in die Reihe von Manifesten, mit denen sich die künstlerischen Avantgarden seit Marinettis Manifeste du Futurism auf der Titelseite von Le Figaro am 20. Februar 1909 gegen die Konvention stellen. Von daher kommen die Spuren expressionistischen Tonfalls, besonders die Rhetorik der Mündlichkeit etwa in der direkten „Vorrede in drei Ansprachen“ (SM 9). Von daher aber auch die unbescheiden umfassende Programmatik, einer reformbedürftigen Gesellschaft nicht bloß den Film als neue Ausdrucksweise und neues Sensorium zu empfehlen, sondern sie damit zugleich in eine visuelle Kultur (zurück) zu verwandeln.

            Das Plädoyer für eine kulturelle Erneuerung im Zeichen des ›sichtbaren Menschen‹ nimmt Impulse expressionistischer Beschwörungen des ‚ganzen Menschen‘ und gesellschaftlicher Utopien auf (vgl. Benson 2001). Dies erfolgt jedoch in einem Moment, als das expressionistische Programm längst in Kritik zu geraten und der expressive Tonfall dem der Neuen Sachlichkeit zu weichen beginnt, deren Spuren im Text ebenfalls nachweisbar sind. Das Buch trägt also nicht nur in filmgeschichtlicher Hinsicht, sondern auch in denk- und literaturgeschichtlicher die Signatur eines epochalen Übergangs in sich, was es für die Älteren und Jüngeren anschlussfähig wie verdächtig erscheinen lassen musste (vgl. Frank/Palfreyman/Scherer 2005).

            Als das Buch herauskommt, setzt gerade eine neue Etappe der Filmgeschichte ein. Sie ist von einer stärkeren Profilierung des genuin Filmischen gekennzeichnet. Die Möglichkeiten von Kamera und Schnitt werden nun ausgereizt und führen den stummen Film auf einen letzten Höhepunkt, während gerade die technischen Voraussetzungen zur Aufnahme von Ton und Sprache geschaffen werden. Aber auch Sprechweise, Argumentation und Gegenstandswahl des Buches selbst sind bereits von Brüchen durchzogen; denn die programmatische Rhetorik der Selbstausgrenzung avantgardistischer Projekte dient bei Balázs dem ökonomisch längst höchst erfolgreichen Produkt eines bedeutenden Industriezweiges und der populären Kultur, dem Film. Zudem verfolgt es die anti-elitäre Absicht, diesen als Volkskunst der Gegenwart zu deuten. Damit ist der Sichtbare Mensch zwar als zukunftsorientierte Programmschrift charakterisiert, zieht aber zugleich die Summe aus einem vergangenen Entwicklungsabschnitt, den sie selbst abschließt.

            Als Manifest einer visuellen Kultur ist das Buch gekennzeichnet durch den Überschuss an Bedeutung, den es herkömmlichen Auseinandersetzungen mit dem Film voraushat. Es bildet gleichsam einen interdiskursiven Archipel aus. An ihm sammeln sich nicht nur die bisherigen kritischen und theoretisierenden Versuche zum Film, so dass Helmut H. Diederichs hier gar „nichts wesentlich Neues“ (Diederichs 2001, 134, 142) zu entdecken vermag, womit die Einzelbeobachtungen der frühen Filmkritik und der frühen Filmtheorie überboten würden, wenn man dabei an Malwine Rennert, Egon Friedell, Kurt Pinthus und Felix Salten denkt (vgl. Diederichs 1996) oder an Herbert Tannenbaum (Diederichs 1987). Doch bislang schrieben entweder Praktiker wie Urban Gad (1879-1947), der dänische Erfolgsregisseur der 1910er Jahre, Ehemann (1912-18) von Asta Nielsen (1881-1972), ihre Erfahrungen auf: Der Film. Seine Mittel – seine Ziele (aus d. Dänischen von Julia Koppel. Berlin: Schuster & Loeffler 1920, zum Inhalt hier). Oder Nachwuchskräfte wie der 24jährige Walter Julius Bloem, Sohn des erfolgreichen deutschnationalen Romanciers Walter Bloem, versuchten mit einem Bekenntnis zum Film (so der Untertitel von Seele des Lichtspiels. Leipzig, Zürich: Grethlein 1922, zum Inhalt hier) oder mit einem Roman über die Vierecksbeziehung eines genialischen Regisseurs und seiner weiblichen Stars (Tanz ums Licht. Roman. Berlin: Scherl 1925) in der inflationsbedingt aufblühenden Filmindustrie Fuß zu fassen.

Von diesem Spektrum der Filmliteratur unterscheidet sich Balázs‘ Buch durch die Kombination von zwei neuartigen Zugangsweisen: einerseits der des versierten Publizisten, der das Tagesgeschäft der Filmkritik beherrscht und auch über Praxiserfahrung als Drehbuchschreiber verfügt, andererseits des in den zentralen Debatten der Frühen Moderne, die im Budapester Sonntagskreis verhandelt wurden, groß gewordenen Denkers. Was daraus entsteht, ist zum einen ein gut lesbares Pamphlet im Stil der Manifeste der Avantgarden, zum anderen ein umfassender kulturtheoretischer Deutungsversuch, der dem Film zentralen Stellenwert für die nach Weltkrieg und Inflation notwendige Gesellschaftsreform zuweist. So kleinteilig Balázs‘ Versuch im Aufbau und so kurzweilig er im Stil ist, so systematisch und grundsätzlich ist sein Anspruch. Beides sichert ihm sofort die Aufmerksamkeit der Fachwelt wie des interessierten breiteren Publikums.

            Einigkeit besteht darüber, was das Neue bei Balázs ausmacht: „Dieses Buch ist im Weltmaßstab gesehen der erste Versuch, die ästhetischen Probleme des Films zu systematisieren“ (Toeplitz 1972, 492). In „the world’s first systematic and comprehensive theory of film“ (Zsuffa 1984, 114) strömen nicht nur alle die vorgängigen, verstreut in der Presse zirkulierenden Einzelbeobachtungen, seien sie seine eigenen, seien sie die anderer ein. Auch ein Gutteil der seit der Moderne der 1890er Jahre virulenten Problematik von Erkenntnis und Sprache, von Wahrnehmen und Darstellen findet sich wieder. Seit Dada, seit den neuen Medien der 1920er Jahre tritt noch die Frage nach dem Zusammenhang der Künste und der populären Kultur hinzu. Erst das weitet den Entwurf zu einem interdiskursiven Archipel aus, dessen Inseln Balázs gleichsam zu kartographieren und zu verbinden, dessen isolierte semantisch-ideologische Elemente er argumentativ zu verketten unternimmt. So muss Balázs’ Versuch schließlich über eine Legitimation des Films als Kunst weit hinausgehen.

3.1. Das Gebrauchsbuch als Teil der visuellen Kultur

Aber auch die Ausgaben und die Ausstattung des Buches selbst verdienen Beachtung, die man ihnen bislang noch zu wenig geschenkt hat. Denn gerade an der Buchgestaltung zeigt sich die visuelle Kultur, von der im Buch gehandelt wird, auch wenn beide nicht immer dieselbe Version und Vision davon vertreten. Für den Einband der ersten Ausgabe, die noch in Wien erscheint, zeichnet der Gestalter Tibor Gergely (1900–1978) verantwortlich, der wohl 1918 noch zum erweiterten Sonntagskreis gehört hat.

In dritter Ehe heiratet ihn die ebenfalls nach Wien emigrierte Anna Lesznai (1885-1966), Kunsthandwerkerin, Schriftstellerin und Malerin, die zusammen mit der Gruppe der „Nyolcak“ (=Die Acht) ausstellte, wie Balázs Gedichte in der Zeitschrift Nyugat veröffentlichte und zum Kreis um Balázs und Lukács gehörte. Der Einband nimmt makrotypografische Elemente der avancierten zeitgenössischen Praxis sehr moderat auf. Die schwarzen Flächen sind auf den gesamten Hintergrund ausgedehnt, die Schrift mit Akzentsetzung durch Groß- und Kleinschreibung dagegen blau in weißen Balken abgesetzt, allerdings im rechten Winkel zu den Seitenrändern. Einzig die mittige Grafik bringt konstruktivistische Elemente leicht aus dem Winkel ein: geometrische urbane Architekturformen und ein überlebensgroßer, ebenfalls geometrisch stilisierter Mensch. Gergely hat auch Balázs‘ Das richtige Himmelblau. 3 Märchen. Märchenbuch mit 3 Farbtafeln und 30 Zeichnungen (München: Drei Masken 1925) illustriert: [folgt]

Nach seiner Emigration in die USA wurde Gergely vor allem als Coverdesigner für den New Yorker bekannt.

            Die 2. Auflage erscheint 1926 in Halle bei Wilhelm Knapp, zu dessen Zeitschrift Filmtechnik Balázs da bereits Beiträge verfasst.

Noch bevor diese zweite deutsche Auflage erscheint, wird das Buch ins Russische übersetzt. In der Literatur ist von zwei russischen Übersetzungen aus dem Jahr 1925 die Rede. Die Vermutung kann sich auch auf Sergej M. Eisensteins Aussage aus seiner Polemik Béla vergißt die Schere stützen, wonach „man für die Übersetzung und Herausgabe seines Buches gleich zwei Verlagen Geld zur Verfügung stellt.“ (Eisenstein 1926, 258) Betrachtet man die jeweiligen Titel und den Umfang der Übersetzungen, handelt es sich wahrscheinlich doch eher um zwei unterschiedliche Akzente setzende Auszüge. Eine davon erscheint in Moskau 1925 mit der Einbandgestaltung der späteren zweiten deutschen Ausgabe: drei Filmstreifen, die diagonal das gesamte gelb-orange Cover überspannen und sich im rechten Winkel überlagern. Von links oben in die rechte Mitte und im Hintergrund befindet sich gleichsam in jedem Kader der Autorenname (in der auffälligen Schreibung mit doppeltem л): Белла Баллаш. Von rechts oben nach links unten und im Vordergrund in jedem Bild des Streifens wiederholt der Haupttitel des Buches: Der sichtbare Mensch (Видимый человек). Der Untertitel dieser Ausgabe lautet hier Очерки драматургии фильма (Essays über die Dramaturgie des Films). Der Umfang des im Allrussischen Proletkult-Verlag erschienen Bandes wird mit 88 Seiten angegeben, während das deutsche Original etwa doppelt soviele Seiten hat. Von dieser sowjetischen Ausgabe stammen sowohl die Einbandgestaltung als auch der Untertitel der zweiten deutschen Auflage von 1926: Eine Film-Dramaturgie. Zu den Paradoxa dieses Filmbuches gehört es, dass es nicht nur ohne Filmbilder auskommt, sondern dass jetzt zudem der Einband die Bildkader seiner Filmstreifen entgegen der erklärten Programmatik mit Wörtern füllt.

            Noch auffälligere gestalterische Akzente setzt der Einband der anderen russischen Ausgabe vom Staatlichen Verlag in Leningrad von 1925, die 90 Seiten umfasst. Sie trägt deutliche Spuren des Konstruktivismus und der Plakat- und Einbandgestaltung seines Mitbegründers El Lissitzky (1890-1941). Es dominieren einfache geometrische Flächen in rot, schwarz und weiß sowie die Diagonale und die Stilisierung. Diese stellt hier ein technisches Artefakt in den Mittelpunkt, einen Kinematografen mit seinen Spulen und vor allem wiederum dem gelochten Filmstreifen. Auch hier erscheint der Buchtitel auf dem diagonalen Filmstreifen: Kultur des Kinos (Культура кино). Wie der Autorname (diesmal Б. Балаш) ist er diesmal in einer fetten serifenlose Groteskschrift gesetzt, so dass die gesamte Gestaltung mehr an ein Plakat als einen Bucheinband erinnert. Dieser am radikalsten moderne Einband, der auf illusionistische Perspektive und auf den Menschen als Gegenstand verzichtet, verschiebt den Akzent deutlich weg vom sichtbaren Menschen hin zur neuen, von der Maschine geprägten Kultur.

            Erst im Jahr 2010 kommt es dann zu einer mehr als verspäteten englischen Übersetzung. Das erklärt wohl auch das Ausbleiben einer Auseinandersetzung mit den filmischen Ursprüngen der Theorien um die visual culture und überhaupt mit Balázs (Early Film Theory: Visible Man and The Spirit of Film. N.Y./Oxford: Berghahn).

3.2. Dialektik der Apparate

Die Lebensideologie in der Nachfolge Nietzsches ist durchgehend sprachkritisch ausgerichtet. Die Erstarrung der bürgerlichen Zivilisation findet sie in der Konventionalität der Sprache, den Gemeinplätzen, Floskeln und Phrasen, die in aller Munde sind, am deutlichsten ausgeprägt. Insofern erhoffen sich die Sprachkritiker im Zeichen des emphatischen Lebens von allen Künsten, die stumm ausgeübt werden, eine einschneidende Verlebendigung der Kultur und einen Umbruch der Gesellschaft.

            Der stumme Film galt den Theoretikern um 1920 deshalb nicht nur als hochentwickelte eigenständige Kunstform so viel, sondern vor allem, weil er stumm war. Denn das hieß für sie zugleich: nicht- und anti-sprachlich und damit jedem intensiven Erfahren und Erleben zugewandt, das unterhalb der zivilisatorischen Schicht sprachgebundener Rationalität in eine Tiefenschicht des Seelischen vorzudringen erlaubte. Nur vor dieser Folie ist auch das Entsetzen verständlich, als die Filmindustrie aus rein ökonomischem Kalkül den Tonfilm durchzusetzen begann: Die Erweiterung der Aufnahmetechnik auf den Ton konnte für diese Theoretiker niemals einen Fortschritt darstellen, weil sie gleichbedeutend war mit der Wiedereinsetzung der Sprache und damit der Restauration der alten Gesellschaft.

            Balázs steht mit seiner sprachkritischen Filmtheorie somit nicht allein, sondern kann sich auf einen breiten Konsens stützen. Egon Friedell hatte bereits 1913 in seinem Beitrag Prolog vor dem Film für die Blätter des deutschen Theaters angemerkt: „Aber ich glaube, wir werden heutzutage nicht mehr so geneigt sein, dem Wort eine so absolute Hegemonie einzuräumen. Man darf vielleicht eher sagen, daß Worte für uns heutzutage schon etwas Überdeutliches und dabei merkwürdig Undifferenziertes haben. Das Wort verliert allmählich ein wenig an Kredit. Es vollzieht sich so etwas wie eine Art Rückbildung der Lautsprache.“ (Friedell [1913] 1992, 205) Und ganz ähnlich Carlo Mierendorff in Hätte ich das Kino!! im Jahr 1920: „Wenn im Film Bild ganz das Wort überwand, ist die Verwirrung von Babel überwunden. Er hat nicht Dialekt, er ist nicht Idiom. Er ist Jargon aller Welt! In allen Sprachen geschrieben, Brücke zu allen.“ Hier ist auch bereits die alttestamentarische Referenz auf den Turmbau zu Babel und die Sprachverwirrung fest etabliert, die bei Balázs dann zu einem zentralen Element ausbauen wird. Aus der Theorie wechselt dieses Bild dann in die Filmpraxis. Thea von Harbous Roman Metropolis und die filmische Umsetzung durch Fritz Lang (UA 10. Januar 1927) greifen diese zur kulturgeschichtlichen These geronnene Referenz in einer eigenen Binnenerzählung auf, dabei Gemälde aus der Kunstgeschichte ausbeutend.

            Balázs nimmt also die Sprachkritik der Jahrhundertwende auf, die etwa auch für Hofmannsthal seit den 1890er Jahren so wichtig war. Er wendete sie jedoch gegen die gesamte Kulturgeschichte seit der Erfindung des Buchdrucks, gegen die Schriftkultur der gesamten Gutenberg-Galaxis: „Die Erfindung der Buchdruckerkunst hat mit der Zeit das Gesicht des Menschen unleserlich gemacht. Sie haben so viel vom Papier lesen können, daß sie die andere Mitteilungsform vernachlässigen konnten. […] So wurde aus dem sichtbaren Geist ein lesbarer Geist und aus der visuellen Kultur eine begriffliche.“ (SM 16)

Das Wort als Begriff verschließt den Zugang zur Seele. „Denn der Mensch der visuellen Kultur ersetzt mit seinen Gebärden nicht Worte […]. Seine Gebärden bedeuten überhaupt keine Begriffe, sondern unmittelbar sein irrationelles Selbst, und was sich auf seinem Gesicht und in seinen Bewegungen ausdrückt, kommt von einer Schichte der Seele, die Worte niemals ans Licht fördern können. Hier wird der Geist unmittelbar zum Körper, wortelos, sichtbar.“ (SM 16) Balázs spricht von einer „Sehnsucht nach dem verstummten, vergessenen, unsichtbar gewordenen leiblichen Menschen“ (SM 18f.) als Movens der Kulturrevolution, die er prognostiziert und zugleich schon diagnostiziert.

            Folgt man der Akzentsetzung der russischen Ausgabe aus Leningrad, dann lässt sich diese Kulturrevolution konstruktivistisch als dialektische Geschichtsbewegung entlang der Technik und ihrer Apparate rekonstruieren. Dieser Akzent ist in Balázs‘ Schrift selbst durchaus stark. Der verderblichen Druckerpresse voran geht in seiner Kulturgeschichte die mittelalterliche Dombauhütte, deren hochentwickelte Techniken das Zeitalter der Kathedrale ermöglichten. Der Geist der Kathedrale steht bei Balázs für zweierlei Utopien: zunächst für das sinnfällige Gelingen einer Mischung der Künste und Genres. Damit wird sie zum Sinnbild für die Hoffnungen der Mischform Film, keine Chimäre, kein Monstrum im Sinne der klassischen Kunstlehre (Horaz) zu sein. Mit den Mischformen verbunden war in der Auslegung der traditionellen Ästhetik seit Lessings Laokoon-Schrift zudem der Verdacht, an den Kontaktstellen der Künste und Genres die Illusionierung durch den schönen Schein allzu sichtbar werden zu lassen und dadurch zu unterbrechen. Die Stummheit des Films scheint diese Illusionsstörung zu vermeiden.

            Daneben verleiht der Rückgriff auf den Geist der Kathedrale der Hoffnung nach einer Überwindung der ideologischen Ausdifferenzierung, nach Sinnsynthese und Ethikangebot sinnbildlichen Ausdruck. Diese vom Schaffensprozess eines Kollektivs in der Bauhütte geformte Kultur war einheitlich und vom Visuellen dominiert. Das Projekt der visuellen Kultur reagiert damit skeptisch auf die formsprachliche Entmimetisierung der Künste und den ideologischen Zerfall der bürgerlichen Wertordnung in der Moderne, obwohl es sich gerade dem dafür grundlegenden Misstrauen gegen die intersubjektive Sprache verdankt. Der Film als die Kathedrale der neuen visuellen Kultur verheißt Balázs deshalb „die Erlösung von dem babelschen Fluch“ (SM 22) der „tausend Bücher“, „tausend Meinungen“ (SM 16).

            Das Projekt der visuellen Kultur ist damit auch als historischer Rückgriff angelegt. Balázs zieht aus der kurrenten Polemik gegen die Sterilität und Erstarrung der Sprache in Schrift und Buchdruck zu toten und sinnleeren Begriffen die radikale Konsequenz, in einer dialektischen Denkfigur an Traditionen vor dem Gutenberg-Zeitalter anzuknüpfen. Damit wird die Bedeutung der Maschine Kinematograph nicht nur der der Druckerpresse gleichgesetzt, wie das nach Diederichs schon Hanns Heinz Ewers, Egon Friedell, Hermann Häfker oder Heinrich Lautensack längst vor dem Ersten Weltkrieg getan haben (vgl. Diederichs 2001, 132). Die beiden Maschinen werden hier erstmals als die gesamte Kultur prägende Alternativen entworfen. Visuelle Kultur ist damit eine Überwindung der Neuzeit mit ihren eigenen technisch-industriellen Mitteln und erlaubt eine Anknüpfung an die Art öffentlicher Kommunikation und kultureller Produktionsformen, wie sie im Zeitalter der Kathedrale vorherrschend waren. Was die visuelle Kommunikation vor der schriftlichen auszeichnet, ist ihre Homogenität. Diese verbale Kultur feiert ihren Siegeszug, als die Kathedrale durch die Druckerpresse vom Hegemon der Schrift und des Buches verdrängt wird. Die Polyphonie der Stimmen, die der Buchdruck als mittelbare Distanzkommunikation hervorbringt, zerbrach die unmittelbare Anmutung der ‚einen Stimme’, mit der das integrierte Gesamtkunstwerk Kathedrale sprach. Das Gesamtkunstwerk Film mit seinem kinematographischen Apparat im Zentrum restituiert die unmittelbare Kommunikation unter modernen Bedingungen wieder. Und weil der Film Produkt des Kollektivs der Filmarbeiter ist, verhält er sich subversiv zur Abstraktion des Kapitalismus und der Sprache: Ihm gelingt es, die Seele zur Anschauung zu bringen und damit die Seele des Zuschauers zu adressieren. Die Makrogeschichte der visuellen Kulturen in schematischer Darstellung:

3.3. Schauspieler und Tänzerin

Der ‚Mensch‘ in dem emphatischen Sinne, wie Balázs das Wort gebraucht, ist deshalb der wieder in seine ursprünglichen Rechte eingesetzte sichtbare Mensch. Diese Restitution in ihrer vollgültigen Form als kulturgeschichtliche Wende kann erst der Film vollziehen. Doch steht der Film erst am Ende einer Reihe anderer Hoffnungsträger der Moderne seit den 1890er Jahren. Die Hoffnung ruhte zunächst auf dem Schauspieler, genauer seinem Leib. Gefordert wurde eine Verselbständigung der Schauspielkunst vor allem von ihrer sprachlichen, buchstäblichen Bevormundung durch den Dramentext. Dagegen wurde der Vorrang der Gestik und Mimik des einzelnen Akteurs behauptet, ja überhaupt eine Hinwendung zur Pantomime gefordert. Hofmannsthal stellt diese Zusammenhänge bereits 1895 in einem kleinen Beitrag für Die Zeit. Wiener Wochenschrift für Politik, Volkswirtschaft, Wissenschaft und Kunst (Bd. V, Heft 64, 21. 12. 1895, 185-186) über den Burgschauspieler Friedrich Mitterwurzer her (vgl. Hofmannsthal 1956). Die Schriftsteller – das zeigt sich bei Hofmannsthal wie nach ihm bei Balázs – wenden sich den Libretti für Pantomimen und Ballette zu. Der nächste Hoffnungsträger waren deshalb nicht zufällig Varianten des ›Neuen‹ Tanzes wie sie der Varieté- und der Ausdruckstanz darstellten. Indem sie die sprachanalogen konventionellen Bewegungsmuster und strengen Schrittnormen der danse d’ecole überwanden, befreiten sie den Leib vom Mittler einer Botschaft zum unmittelbaren Ausdruck der unbewussten Seele. Nur die Seele aber erlaubt den Anschluss an die zentrale ideologische Größe der Epoche, an das „warm-lebendige Fließen des Lebensstromes“ (SM 85) oder eben des „lebendigen Lebens“ (SM 107), das den Gegenpol zur mechanischen Erstarrung der Kultur bildet.

            Mit seiner Durchsetzung und seiner Reichweite trat schließlich der populäre Film – er gedeiht zunächst in enger Verwandtschaft mit den niederen circensischen ambulanten Körperkünsten und den Nummernrevuen der Varietés – an die Stelle von Schauspieler, Pantomime und Tanz. Und seine Hauptleistung wurde unter diesen Vorzeichen vor allem in seiner Überwindung von totem Begriff und Sprachkonvention erblickt, die vor allem außerhalb der hegemonialen offiziellen Kultur im Bereich der verpönten, als Schmutz und Schund abgetanen Vergnügen der einfachen Leute für möglich erachtet wurde. Die Restitution des sichtbaren Menschen in ihrer vollgültigen Form als kulturgeschichtliche Wende kündigt sich demnach erst mit dem Film an. Zwar ist es kein „Zufall, daß gerade in den letzten Jahrzehnten gleichzeitig mit dem Film auch der künstlerische Tanz zu einem allgemeinen Kulturbedürfnis wurde“ (SM 18), wie Balázs diese seit ebenfalls drei Jahrzehnten andauernde Debatte resümiert. Doch unterscheidet Tanz und Film offenbar ihr Potential für eine Archäologie, die unter die Kultur führt: „die dekorativen Choreographien der Tänzer und Tänzerinnen [werden] diese neue Sprache nicht bringen […]. Der Film ist es, der den unter Begriffen und Worten verschütten Menschen wieder zu unmittelbarer Sichtbarkeit hervorheben wird.“ (SM 19) In Balázs‘ Argumentation repräsentiert Ruth St. Denis denn auch den ‚Neuen Tanz‘ bereits als etwas fast schon Vergangenes (SM 20).

Der Unterschied zum Tanz besteht in zwei Momenten. Film bedeutet eine neuerliche Grenzüberschreitung. Er demokratisiert, was im Tanz elitär und nur wenigen zugänglich geblieben war, und überschreitet damit nicht nur bei den Künstlern sondern auch beim jeweiligen  Publikum eine soziale Grenze: er ist „die Volkskunst unseres Jahrhunderts“ (SM 10). Und Film ist nicht „umrahmte, vom Leben abgesonderte Kunst“ (SM 20). Dass die Tanzbewegung auf nichts anderes verweist als auf sich selbst, wird hier gegen den Tanz ausgespielt. Sie nimmt vom Leben, und damit ist hier neben demjenigen des „irrationellen Selbst“ auch das Alltagsleben, die Lebens- und Arbeitswelt der Massen gemeint, nichts an und belehrt es umgekehrt auch nicht. Anders der Film. Auch diese Mikrogeschichte von Konzepten der visuellen Kultur lässt sich grafisch veranschaulichen:

Balázs zieht hier nicht nur die Summe der Entwicklung des Stummfilms bis an die Grenze des heraufkommenden Tonfilmzeitalters (vgl. Frank 2005), sondern auch seine Vorstellung vom Tanz ist Mitte der 1920er Jahre nichts als retrospektiv. Darauf deutete jedenfalls sein Verweis auf Ruth St. Denis, eine der prime movers der 1890er Jahre, als „größtes Genie des Tanzes“ (SM 20) hin. Umgekehrt zeichnet damit seine Kritik dem Tanz Entwicklungslinien vor, die sich entlang der von ihm benannten Defizite ergeben. Wie sehr der ‚Neue Tanz‘ tatsächlich bereits Volkskunst geworden ist, zeigt sowohl seine Institutionalisierung in einer Vielzahl von Schulen als auch die Präsenz dieser Schulen als vorbildliches Anschauungsmaterial im unendlich breiten Strom von Publikationen zur Körperkultur und im Kulturfilm der Ufa wie Wege zu Kraft und Schönheit (UA 16. März 1925). Bilder vom Ausdruckstanz gehören mithin zum visuellen Gedächtnis der 1920er Jahre. Noch vor Balázs‘ Kritik begannen die Bewegungschöre Rudolf von Labans, die auf Laien zugeschnitten waren, selbst viele hundert Akteure zu beteiligen. Angesichts der sozio-politischen Entwicklungen der Zeit bleibt der Tanz auch hier nicht neutral, sondern setzt sich mit sozialen Problemen auseinander wie etwa Jo Mihalys (1902-1989) Choreographien belegen können. Tänzerische Formen sind nahezu allgegenwärtig; sie konstituieren etwa bei Valeska Gert (1892-1978) sogar eine Art Meta-Tanz, der zeitgenössische Bewegungsrepertoires nicht nur die des Tanzes kritisch zu verhandeln versteht.

            Für die von 1925 bis 1927 in mährischen Opava (Troppau) erscheinende Zeitschrift Wissen Sie schon? nimmt er 1925 zum aktuellen Skandal um die Aktfotografien aus dem Wiener Atelier Trude Fleischmann Stellung, mit denen die bekannte Ausdruckstänzerin und Schauspielerin Claire Bauroff (1895-1984) aktiv public relations betreibt und in den Photoillustrierten 1925 und 1926 international von sich Reden macht. Ein Skandal war bereits ihre Tanzpantomime Das Licht ruft! im Oktober 1924 im Theater in der Josefstadt wegen seiner auch nackten Verkörperungen von sieben Charaktertypen gewesen. Das von ihr selbst choreographierte Tanzstück, zu dem Franz Salmhofer (1900-1975) die Musik komponierte, bringt in seinen sieben Bildern tänzerisch typisiert den Geizhals, den Lügner, das Kind, den Paria, den fetten Kapitalisten, den Narren und den Sehnsüchtigen auf die Bühne (vgl. Holzer/Kreutler 2011, 106 ff). Als Kolumnist des Tag wird Balázs die euphorische Kritik, die Bauroff vom außenpolitischen Leitartikler und Kunstkritiker des Blattes, Max Ermers (i.e. Max Rosenthal, 1881-1950), erfahren hat, wohl gekannt haben, vielleicht auch die Vorstellung selbst. Aber es sind nicht diese pantomimischen Bilder, denen Balázs‘ eigene Libretti für das Musiktheater der Budapester Jahre ja nahestehen. Es sind erst die Photographien aus dem Wiener Fotoatelier Trude Fleischmann (1895-1990), die durch ihre Verbreitung in einer Vielzahl von Revuen gleichsam erst volkstümlich werden, die Balázs ebenfalls euphorisch bespricht. Nicht der Tanz, den er ja als wenigen zugängliche, elitäre Bühnenkunst ablehnt, sondern die Nähe der Photostrecke zum Filmbild wird ihn dazu bewogen haben. Möglich auch, dass Bauroff ihm schon im Film Pan seines Landsmanns Pál Fejös (1897–1963) von 1920 aufgefallen war, an dessen Drehbuch sie auch beteiligt gewesen ist. Das Porträt von Claire Bauroff fehlt in der Sammlung von Balázs‘ Schriften zum Film (1984), obwohl es eine mustergültige und rhetorisch brillante Anwendung zentraler Thesen der Filmtheorie darstellt und zugleich zeigt, wie sehr diese darüber hinaus gehen und eine umfassend kategorisierende Kulturtheorie sein wollen: Ihr Körper „ist vom Scheitel bis zur Sohle Ausdrucksfläche. Ihre Physiognomie ist nicht aufs Gesicht beschränkt. Ihr ganzer Körper ist Gesicht. Ihre Glieder haben den Ausdruck von Augen. Jede Bewegung ist ein Blick. Ihr ganzer Körper sieht dich an: nackte Seele.“ (Balázs 1925, 14f.)

(Trude Fleischmann: Aktstudie Claire Bauroff, 1925, Bromsilber Abzug, getont, 12,00 cm x 21,00 cm, museum moderner kunst stiftung ludwig wien, Inventarnummer: G 703/0 –> https://www.mumok.at/de/aktstudie-claire-bauroff)

3.4. ‚Volk‘ und ‚Seele‘

Balázs‘ Ästhetik des Films grenzt diesen aber nicht nur diachron vom Schauspieler und von der Tänzerin ab, sondern auch synchron von etwaigen Mitbewerbern um die Gestaltung der visuellen Kultur. Dabei fällt am meisten auf, dass er die bildende Kunst gänzlich ausspart. Das ist zwar einerseits verständlich, wenn man wiederum auf die durch Hofmannsthal Allgemeingut gewordene Argumentation aus dem schon erwähnten Mitterwurzer-Artikel von 1895 zurückblickt. Hofmannsthal sind Wortkunst und Malerei gleichermaßen verdächtig, denn er erblickt in der akademischen und der Historienmalerei des 19. Jahrhunderts einen engen Zusammenhang von Begriff und Anschauung. Dieser ist ihm bloß eine, dadurch formal aber auffällige Parenthese zur Bildkunst wert: „(Die Malerei schweigt zwar auch, aber man kann durch eine Hintertüre auch aus ihr einen Augiasstall des begrifflichen Denkens machen, und so hat man sie gleichfalls unmöglich gemacht.)“ (Hofmannsthal 1956, 228) Insofern sie sich dazu hergibt, sprechend darzustellen, hat sich die Bildkunst dazu erniedrigt, nur noch allgemeine Begriffe zur Anschauung zu bringen. Je perfekter die Bildillusion dabei ausfällt, desto mehr muss sie den Sinnenschein als Veranstaltung, als akademische Konvention, wenn nicht gar als literarische Überanstrengung des Bildes denunzieren. Dieser Ausschluss der Malerei und der bildenden Kunst insgesamt ist andererseits gänzlich unverständlich, denn 1924 ist nicht nur der Impressionismus sondern sind ebenso die Avantgarden bereits Teil einer Neuausrichtung der Kunst. Die Buchgestaltung der verschiedenen Ausgaben des Sichtbaren Menschen trägt ja selbst die Spuren dieser Entwicklung. Und Tibor Gergelys Einband der Erstausgabe dürfte ebensowenig ohne Balázs‘ Initiative zustande gekommen sein wie die Gestaltung der zweiten Auflage nach dem Vorbild eines der sowjetischen Bucheinbände. Freilich trifft auch auf die moderne Malerei und Skulptur buchstäblich zu, was Balázs schon am Tanz moniert: Sie ist „umrahmte, vom Leben abgesonderte Kunst“ (SM 20) und keine „Volkskunst“ (SM 10).

Entlang der Unterscheidung von Sichtbarkeiten und Sagbarkeiten entfaltet Balázs’ Buch dann eine Matrix von weiteren Praktiken zwischen den Künsten und der populären Kultur. Erst in der Beweglichkeit und Dynamik einer visuellen Kultur finden die Menschen mimisch-gestisch zu anschaulichem Ausdruck und Anschluss an das „warm-lebendige Fließen des Lebensstromes“ (SM 85). Nur so werden sie einander wirklich sichtbar. Und erst diese einander sichtbaren Menschen vermögen eine lebendige Gemeinschaft zu bilden, während auf dem toten Buchstaben auch nur eine rationalistisch-kapitalistische, abstrakt-materialistische, todgeweihte Gesellschaft aufruhen kann. Balázs stellt „angelernte Sprache“ und „angeborene Physiognomie“ (SM 78), Gesellschaft und Natur/Volk, einander gegenüber und vermag damit den Anspruch auf einen sowohl prä- als auch transkulturellen Charakter der Ausdrucksbewegung zu begründen: „Wir verstehen diese Sprachgebärden, auch wenn sie von chinesischen Worten begleitet sind.“ (SM 34) Damit kann die Gebärdensprache das Versprechen abgelten, „Erlösung von dem babelschen Fluch“ (SM 22) zu gewähren – ein Versprechen, das, ohne jemals von ihm ausdrücklich zu sprechen, den Ersten Weltkrieg als Ergebnis der Sprachverwirrung des Gutenberg-Zeitalters deutet. Das Sichtbare wird als Gegenpol des Sagbaren und durch seine spezifische Aufgabe, die Seele und das Leben am Körper zur Anschauung zu bringen, bestimmt. Überall wo also das Sichtbare dem Sagbaren untergeordnet bleibt, aber ebenso wo es von den Aufgaben, als Ausdruck der Seele zu fungieren und die Bewegung des Lebens zu repräsentieren, entbunden ist, verliert es seine Spezifik. Dies ist beim Sport der Fall. Der ist zwar Teil der propagierten visuellen Kultur, weil er am Körper orientiert ist.

Doch der Sport kann den Körper gesund und schön machen, beredt macht er ihn nicht. Denn es sind doch immer nur die animalischen Qualitäten, die er steigert. Er macht ihn nicht zum empfindlichen Medium der Seele, nicht zum nervösen Spiegel, der jede leiseste Seelenregung zeigt. Es kann jemand auch eine gewaltige und schöne Stimme haben, ohne mit ihr präzise sagen zu können, was er meint. (SM 19)

Ebenfalls zu den Körperbewegungen ohne begleitende Sprache gehört die Pantomime. Doch während beim Sport der Körper sich rein funktional selbst präsentiert und (vermeintlich) überhaupt nicht zeichenhaft repräsentiert, gehen die Körperbewegungen der Pantomime vollständig in Bedeutungsproduktion auf. Dem maximal bedeutungslosen Körper des Sportlers steht der maximal bedeutungshafte Körper des Pantomimen gegenüber. Doch anders als im guten Film müssen beim Pantomimen diese Ausdrucksbewegungen vollständig jegliche andere Ausdrucksweise ersetzen. Dabei werden sie notwendig künstlich. Anders als das Filmschauspiel ist die Pantomime „[k]eine stumme Kunst, sondern eine Kunst der Stummheit“ (SM 35), weil auch ihr vollständiges Schweigen ein artifiziell herbeigeführtes ist: „Wenn im Film eine Pantomime aufgeführt wird, so ist dieser Unterschied klar zu sehen. […] In der Mitte mag die Pantomime in wildester Bewegtheit aufgeführt werden, immer werden die Tänzer vom Leben entrückter und relativ starrer erscheinen als ihre bewegungslosen Zuschauer.“ (SM 35). Kriterium der Unterscheidung ist hier die Distanz zum ‚Leben’, die sich paradox in derselben ‚Erstarrung’ ausdrückt, mit der auch die Sphäre der Begriffe markiert wird. Dagegen lenkt der gute Film die Aufmerksamkeit auf die mimisch-gestische Komponente der kommunizierenden Menschen und hebt damit diejenigen Bedeutungen hervor, die zugleich mit der Verbalsprache hervorgebracht werden, in denen sich aber andere Schichten der Seele ausdrücken als in dieser. Wie der Sport, weil er die Bewegung von der Bedeutung abschneidet, so kann auch die Pantomime, die sie – darauf weist ihre Tendenz zur Starre hin – mit Bedeutungen überfrachtet, keine Wende zur visuellen Kultur erzwingen. Hier wird deutlich, wie Balázs die verschiedenen Körperkünste sichtet und dabei hierarchisiert, deren Aufstieg sein eigenes Projekt der visuellen Kultur überhaupt erst möglich gemacht hat. Wie er den Film von den etablierten Künsten abgrenzt, so auch von den seitdem in den Vordergrund getretenen niederen Körperkünsten. Matrix der Künste:

Darstellung: Gustav Frank

Literaturverzeichnis
  • Das Tagebuch zwischen 1903 und 1922 ist in Ungarn, leicht gekürzt und kommentiert, in zwei Bänden erschienen:
  • Napló 1903-1914. Hg. Anna Fábri. Budapest 1982.
    Napló 1914-1922. Hg. Anna Fábri. Budapest 1982.
  • Balázs‘ Nachlass befindet sich in der Ungarischen Akademie der Wissenschaften, Budapest (Magyar Tudományos Akadémia (MTA); Internet: http://www.mta.hu).
  • Balázs 1925: Balázs, Béla: Claire Bauroff. In: Wußten Sie schon? 5.3 (1925): S. 14f., zitiert nach Holzer, Anton: Rasende Reporter. Eine Kulturgeschichte des Fototjournalismus. Fotografie, Presse und Gesellschaft in Österreich 1890 bis 1945. Darmstadt: WBG 2014, 302.
  • Schriften I: Balázs, Béla: Schriften zum Film. Band 1. Der sichtbare Mensch. Kritiken und Aufsätze 1922-1926. Hg. Helmut H. Diederichs, Wolfgang Gersch und Magda Nagy. Gemeinschaftsausgabe des Henschelverlages Kunst und Gesellschaft, Berlin (DDR), des Carl Hanser Verlages, München und des Akadémiai Kiadó, Budapest 1982.
  • Schriften II: Balázs, Béla: Schriften zum Film. Band 2. Der Geist des Films. Artikel und Aufsätze 1926-1931. Hg. Helmut H. Diederichs und Wolfgang Gersch, Gemeinschaftsausgabe des Henschelverlages Kunst und Gesellschaft, Berlin (DDR), des Carl Hanser Verlages, München und des Akadémiai Kiadó, Budapest 1984.
  • SM: Balázs, Béla: Der sichtbare Mensch oder die Kultur des Films. Frankfurt a. M. 2001.
  • Benjamin 1929: Benjamin, Walter: Notiz über ein Gespräch mit Ballazs (Ende 1929). In: Gesammelte Schriften. Hg. Rolf Tiedemann/Hermann Schweppenhäuser unter Mitw. v. Theodor W. Adorno und Gershom Scholem. Frankfurt/M.: Suhrkamp 1972ff, Bd. VI, S. 418.
  • Benjamin 1931: Benjamin, Walter: Kleine Geschichte der Photographie [1931]. In: Gesammelte Schriften. Hg. Rolf Tiedemann/Hermann Schweppenhäuser unter Mitw. v. Theodor W. Adorno und Gershom Scholem. Frankfurt/M.: Suhrkamp 1972ff., Bd. II.1, S. 368-385.
  • Benjamin 1989: Benjamin, Walter: Verzeichnis der gelesenen Schriften. In: Gesammelte Schriften. Hg. Rolf Tiedemann/Hermann Schweppenhäuser unter Mitw. v. Theodor W. Adorno und Gershom Scholem. Frankfurt/M.: Suhrkamp 1972ff., Bd. VII.1, S. 437-476.
  • Benson 2001: Benson, Timothy O. (Hg.): Expressionist Utopias. Paradise, Metropolis, Architectural Fantasy. Berkeley u.a.2001.
  • Corino 2003: Corino, Karl: Robert Musil. Eine Biographie. Reinbek 2003.
  • Diederichs 1982: Diederichs, Helmut H.: Die Wiener Zeit: Tageskritik und Der sichtbare Mensch. In: Schriften I, S. 21-41.
  • Diederichs 1986: Diederichs, Helmut H.: Béla Balázs und die Schauspieltheorie des Stummfilms: „Der sichtbare Mensch“ und seine Vorläufer. In: Wechsel Wirkungen. Ungarische Avantgarde in der Weimarer Republik. Hg. Hubertus Gaßner. Marburg 1986, S. 554-559.
  • Diederichs 1987: Diederichs, Helmut H. (Hg.): Der Filmtheoretiker Herbert Tannenbaum. Frankfurt a. M. 1987.
  • Diederichs 1996: Diederichs, Helmut H.: Frühgeschichte deutscher Filmtheorie. Ihre Entstehung und Entwicklung bis zum Ersten Weltkrieg. Habil.-Schrift Frankfurt a. M. 1996 (zuletzt eingesehen am 12.12.2004, URL: http://fhdo.opus.hbz-nrw.de/volltexte/2002/6/pdf/fruefilm.pdf )
  • Diederichs 2001: Diederichs, Helmut H.: „Ihr müßt erst etwas von guter Filmkunst verstehen“. Béla Balázs als Filmtheoretiker und Medienpädagoge. In: SM, S. 115-147.
  • Eisenstein 1926: Eisenstein, Sergei: Béla vergißt die Schere (1926). In: Geschichte der Filmtheorie. Kunsttheoretische Texte von Méliès bis Arnheim. Hg. Helmut H. Diederichs. Frankfurt a. M. 2004, S. 257-264.
  • Eisenstein 1929: Eisenstein, Sergei: Der Kinematograph der Begriffe (1929) In: Geschichte der Filmtheorie. Kunsttheoretische Texte von Méliès bis Arnheim. Hg. Helmut H. Diederichs. Frankfurt a. M. 2004, S. 275-278.
  • Frank 2003: Frank, Gustav: Assoziationen/Dissoziationen. Zwischen ‚stummen Künsten‘ (Hofmannsthal) und ‚sichtbarem Menschen‘ (Balázs): Zur Triangulation des ‚Neuen Tanzes‘ durch Literatur und Film. Kodikas/Code. Ars Semeiotica 26.3-4 (2003), pp. 225-241.
  • Frank 2005a: Frank, Gustav: Musil contra Balázs. Ansichten einer ‚visuellen Kultur’ um 1925. Musil-Forum 28 (2003/2004) 2005, S. 105-152.
  • Frank 2005b: Frank, Gustav: „Weekend und vox. Beobachtungen zum entstehenden Tonfilm“. „Modern times“? German Literature and Arts Beyond Political Chronologies / Kontinuitäten der Kultur: 1925-1955 Hg. G. F./Rachel Palfreyman/Stefan Scherer. Bielefeld 2005, S. 353-383.
  • Frank/Palfreyman/Scherer 2005: Frank, Gustav/Rachel Palfreyman/Stefan Scherer: Modern Times? Eine Epochenkonstruktion der Kultur im mittleren 20. Jahrhundert – Skizze eines Forschungsprogramms. In: diess. (Hg.): Modern times? German Literature and Arts Beyond Political Chronologies. Kontinuitäten der Kultur 1925-1955. Bielefeld 2005, S. 387-431.
  • Friedell 1913: Friedell, Egon: Prolog vor dem Film, in: Blätter des Deutschen Theaters 2 (1913), Nr. 32, S. 508-512, zit.n. Jörg Schweinitz (Hg.): Prolog vor dem Film. Nachdenken über ein neues Medium 1909-1914, Leipzig: Reclam 1992, S. 201-208.
  • Gersch 1984: Gersch, Wolfgang: Versuche auf breiter Front: Balázs in Berlin. In: Schriften II, S. 9-48.
  • Gunning 1986: Gunning, Tom: The Cinema of Attraction. Early Film, Its Spectator and the Avant-Garde. Wide Angle Vol. 8/3 u. 4 (1986), S. 63-70.
  • Hall/Kadrnoska/Kornauth/Schmidt-Dengler: 1983: Hall, Murray G./Kadrnoska, Franz/Kornauth, Friedrich/Schmidt-Dengler, Wendelin: Die Muskete: Kultur- und Sozialgeschichte im Spiegel einer satirisch-humoristischen Zeitschrift 1905-1941. Wien 1983.
  • Hesse 2017: Hesse, Christoph: Filmexil Sowjetunion. Deutsche Emigranten in der sowjetischen Filmproduktion der 1930er und 1940er Jahre. München 2017.
  • Hofmannsthal 1895: Hofmannsthal, Hugo von: „Eine Monographie. ‚Friedrich Mitterwurzer‘ von Eugen Guglia“ [1895]. Gesammelte Werke in Einzelausgaben. Prosa I. Hg. Herbert Steiner. Frankfurt a. M. 1956, S. 228-232.
  • Horkheimer/Adorno 1944/47: Horkheimer, Max/Adorno, Theodor W.: Die Dialektik der Aufklärung (1944/47). In: Max Horkheimer: Gesammelte Schriften. Bd.  5. Frankfurt a. M. 1987, S. 144-196.
  • Kinkel 2002: Kinkel, Lutz: Die Scheinwerferin. Leni Riefenstahl und das „Dritte Reich“. Hamburg und Wien: Europa-Verlag 2002.
  • Kondylis 1991: Kondylis, Panajotis: Der Niedergang der bürgerlichen Denk- und Lebensform. Die liberale Moderne und die massendemokratische Postmoderne. Weinheim 1991
  • Loewy 1999: Loewy, Hanno, Béla Balázs: Märchen, Ästhetik, Kino. Phil. diss. Universität Konstanz 1999. Internetquelle: https://d-nb.info/958461252/34
  • Loewy 2001: Loewy, Hanno: Die Geister des Films. Balázs‘ Berliner Aufbrüche im Kontext. In: Balázs, Béla: Der Geist des Film. Frankfurt a. M. 2001, S. 171-230.
  • Melischek/Seethaler 1992: Gabriele Melischek/Josef Seethaler (Hg.): Die Wiener Tageszeitungen. Eine Dokumentation. Band 3: 1918-1938. Frankfurt/Main u. a. 1992.
  • Mierendorff 1920: Mierendorff, Carlo: Hätte ich das Kino!! Berlin: Reiß 1920 (Tribüne der Kunst und Zeit; 15), S. 43, zitiert nach: Hätte ich das Kino! Die Schriftsteller und der Stummfilm. Hg. Bernhard Zeller. München 1976 (Marbacher Katalog 27), S. 405.
  • Müller 1994: Müller, Corinna: Frühe deutsche Kinematographie. Formale, wirtschaftliche und kulturelle Entwicklungen. 1907-1912. Stuttgart 1994.
  • Müller/Segeberg 1998: Müller, Corinna/Harro Segeberg (Hg.): Die Modellierung des Kinofilms. Zur Geschichte des Kinoprogramms zwischen Kurzfilm und Langfilm 1905/06-1918. München 1998.
  • Musil 1925: Musil, Robert: Ansätze zu neuer Ästhetik. Bemerkungen über eine Dramaturgie des Films. In: Der Neue Merkur. Monatsschrift für geistiges Leben (März 1925), zitiert nach: ders.: Gesammelte Werke. Bd. 2: Essays und Reden. Kritik. Reinbek b. Hamburg 1983, S. 1137-1154.
  • Musil 1926: Musil, Robert: Triëdere! In: R. M.: Gesammelte Werke Bd. 1: Prosa und Stücke. Kleine Prosa, Aphorismen. Autobiographisches. Reinbek: Rowohlt 1983, S. 578-581.
  • Segeberg 2003: Harro Segeberg: Literatur im Medienzeitalter. Literatur, Technik und Medien seit 1914. Darmstadt 2003.
  • Toeplitz 1972: Toeplitz, Jerzy: Geschichte des Film., Band I: 1895-1928. Berlin-Ost 1972.
  • Zsuffa 1987: Zsuffa, Joseph: Béla Balázs. The Man and the Artist. Berkeley, Los Angeles, London 1987.