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Emmy Stricker: Für die Autoreise (1928)

Emmy Stricker: Für die Autoreise

             Im großen Reiseauto von Stadt zu Stadt, von Land zu Land zu fahren, ist zu einer Alltäglichkeit geworden. Kein Fahrplan behindert einen, man ist an Zeit und Ort nicht gebunden. Der Ausblick in die durchfahrende Landschaft und Oertlichkeit ist nach allen Seiten frei. Der Reisegenuß ist ein intensiver. Wenn einer eine Autoreise tut, so kann er viel mehr erzählen, als von einer Eisenbahnreise. Deshalb werden die Anhänger der Autoreisen immer zahlreicher.

             Ein eigener Industriezweig ist um die Ueberlandautoreise entstanden. Sie verlangt großes Raffinement des Gepäcks. Die modernen, geräumigen Gesellschaftswagen befördern viele Personen, denen während der Fahrt Bewegungsfreiheit gelassen werden soll, so daß es einer nicht kleinen Erfindungsgabe bedarf, um möglichst viel Gepäck unterzubringen, um alle für den modernen Menschen unentbehrlichen Reisekleider und -utensilien in kleinen, leichten und doch festen, rationell eingerichteten Koffern zu verstauen.

             Die Reisekleidung ist Gegenstand des größten Interesses der Reisenden und infolgedessen auch der Modeschöpfer geworden. Konnte und kann man fürs Eisenbahncoupé irgendein schickes, praktisches älteres Kostüm oder Rock, Bluse und Mantel nehmen, so verlangt das Ueberlandauto mit seinem bei schönen Wetter der frischen Luft freigegebenen Wagen eine spezielle, für diese Art Reise erprobte Kleidung.

             Gegen den Wind schützt der neu komponierte leichte Leinenhut, der in ganz moderner Weise vorne aufgeschlagen werden kann und durch ein auf sinnreiche Art andrückbares Sturmband seine Krempen schützend um den Kopf, insbesondere die Ohren, breitet. Ein mit Opossumfell verbrämter Homespunmantel, gut übereinandergeknöpft, hat große, viele Utensilien bergende Taschen, die so gearbeitet sind, daß der Inhalt sie nicht aufbauscht.

             Für größere Städtereisen, wie sie beispielsweise jetzt das Handelsmuseum in Verbindung mit einer Rheinreise geplant, wird die Dame zum Eintritt in eine Ausstellung oder zu Empfängen unter dem Mantel im Auto ein etwas elegantes Kleid tragen, das unzerdrückbar und repräsentabel ist. Beispiele? Ein in zwei Farben gehaltenes Krepellakleidchen, etwa in Hell und Dunkel einer Farbe, mit hochzuschließendem Kragen zu einem in den gleichen Farben gehaltenen Hut mit ausstellbarer Schildkrempe kann als elegantes Besuchskleid gelten und bleibt lange tadellos. Ein Plisseekleid mit gesteppten Faltenplissees aus Crepe de Chine hat für die größte Hitze ein abnehmbares Jumpergilet aus Stoff in einer komplementären Farbe, die dem Kleide den ausgesprochenen hochsommerlichen Charakter nimmt: diese Weste kann auch aus Trikot oder Jersey sein. Neu, elegant und praktisch ist ferner ein sandfarbener Kashamantel (Figur 6), der (ohne die anzuknöpfenden Capeärmel) einen einfachen Reiseregenmantel vorstellt; durch die dazugehörigen Capeärmel wird er zum Schiffsmantel gestempelt, der auch eine stürmische Rhein- oder Bodenseefahrt verträgt. Zu einer größeren Autoreise vergesse man nicht, einen Mantel zu nehmen, der durch einen überknöpfbaren Teil, eine eingesetzte Dütenfalte oder durch eine innen eingefügte breite, versteckbare Leiste über den Knien ganz zu schließen ist und nicht klafft. – So kann durch kluge Ueberlegungen die raumsparende Reisedreß par excellence praktisch, elegant und zu vielen Gelegenheiten geeignet, geschaffen werden. Stramm geknöpfte, hohe Wildledergamaschen über Spangenschuhen leisten den gleichen Dienst wie hohe Schuhe und ersparen ein Paar hohe Schuhe.

In: Neue Freie Presse, 2.9.1928. S. 18.