Oskar Maurus Fontana: Radio-Kulturbeirat und Schriftsteller (1927)

Oskar Maurus Fontana: Radio-Kulturbeirat und Schriftsteller

Daß den Schriftstellern für ihre Arbeit ein Honorar, auch beim Rundfunk, gebührt, darüber besteht kein Zweifel mehr. Auch die Ravag hat nach der Protestversammlung der Schriftsteller sich zu den Verhandlungen bereit erklärt. Damit aber, daß einige Honorare bewilligt werden, kann die Grundforderung der Schriftsteller nicht erledigt werden, denn diese Grundforderung, die aus dem Verantwortungsbewußtsein der Schriftsteller gegenüber dem Geist kommt, sie lautet: Dem bisherigen administrativ-technischen Beirat der Ravag muß ein Radio-Kulturbeirat ehestens angeschlossen werden und in ihm muß der Schriftsteller Sitz und Stimme haben.

Diese Forderung wird nicht zum erstenmal erhoben und auch nicht von den Schriftstellern allein. Daß sie trotzdem noch immer nicht gehört wird, das ist zumindest merkwürdig. Man begreift nicht, wieso eine Zeit, eine Gesellschaft auf ihr bestes Wissen verzichten, warum jede Mitwirkung des schöpferischen Geistes schon im Keim erstickt wird. „Alle unsere Würde besteht im Gedanken. Richtig zu denken, ist das Prinzip der Moral“, hat Pascal gesagt. Und das heißt, daß mit dem Maß des richtigen Denkens auch das Maß der Sittlichkeit erhöht würde. Sollte die höhere Sittlichkeit, die das bessere Denken verbürgt, nicht gewünscht werden? Stören am Ende die besten Köpfe? Freilich, dem Geschäft tut das Dunkel des Nichtwissens, des halben Wissens, gut.

Aber das Radio ist so wenig nur ein Geschäft, wie es bloß eine technische Angelegenheit ist. Es ist ein Mittel des Geistes oder (für Pessimisten gesagt) es könnte eines sein. Ein solches Mittel des Geistes bloß auf die Berufsinteressen einzuschränken und jede Mitarbeit der geistig Schöpferischen auszuschließen, ist eine Unmöglichkeit. Trotzdem geschah sie, geschieht sie.

Als die Verordnung, die den Ausbau eines der wichtigsten geistigen Hilfsmittel unserer Zeit regeln sollte, in Österreich geschaffen wurde, arbeitete ein Bundesministerium mit, die Parteien wurden gehört, die verschiedensten Kammern – zum Schluß hatten sich alle placiert, nur den Geist hatte man vergessen, den hatte man ausgeschlossen.

Dieses Unrecht, das bei der Schaffung des Radiobeirats passierte, muß wieder gutgemacht werden. Man kann den Geist nicht ausschließen, er ist stärker als eine jede Macht, die ohne ihn auszukommen glaubt. Im heutigen Radiobeirat sitzt kein Schriftsteller, kein Musiker, kein Wissenschaftler. Solche Ausschaltung des Geistes ist, falls man aus ihr ein Prinzip zu machen gesonnen ist, beschämend nicht bloß für den Schriftsteller, sondern für die Kultur unseres Landes.

Darum: Ohne jedes weitere Zögern muß der Radio-Kulturbeirat geschaffen werden. Das deutsche Beispiel muß befolgt werden. (Hätte man ihm schon früher gehorcht, solche unerquickliche Streitigkeiten über ein paar schäbige Honorare wären der Öffentlichkeit erspart geblieben!)

Dieser Radio Kulturbeirat soll keine Versammlung von Würdeträgern sein, sondern eine elastische Rückendeckung gegen das Leben, das sich immer ändert. Darum kann der Radio-Kulturbeirat keine Ernennungen auf Lebensdauer kennen, die Mandatsdauer der einzelnen Mitglieder muß begrenzt sein, sein äußeres Bild muß sich so ändern können, wie es dem Ablauf geistiger Bewegungen entspricht. Keine Erstarrung! Denn sie ist geistfeindlich. Kein Beamtentum! Denn das entfernt vom Leben.

Man sieht aus solchen Andeutungen, wie notwendig dem Rundfunk ein solcher Radio-Kulturbeirat sein müßte. Den Rundfunk nur auf die Arbeit seiner Angestellten beschränken, heißt, ihn zur Erstarrung, zur Lebensfremdheit verurteilen. Das Radio braucht die Mitarbeit des Geistes, wie das Ackerland Sonne und Regen.

In: Radiowelt, 1927, Nr. 49, S.8