Geb. 12.1.1878 in Budapest, gest. 1.4.1952 in New York. Dramatiker, Journalist, Schriftsteller, Exilant

Nach Abschluss des Calvinistischen Gymnasiums (1895) Ferenc fing Molnár das Studium der Rechtswissenschaften an der Universität Budapest zu studieren an. Da er in jener Zeit regelmäßiger Gast im „Central Café“ war, wo er mehr Zeit als in den Hörsälen verbrachte, wurde er von seinem Vater nach Genf geschickt, um seine juristischen Studien fortzusetzen. Während der zwei Semester an der Schweizer Universität begann er, Reportagen und Berichte zu schreiben und diese nach Ungarn an verschiedene Zeitungen zu schicken. Dabei entstand auch die kurze Novelle Magdolna. Um sein Französisch zu verbessern und neue Entwicklungen am Theater kennenzulernen, ging Molnár nach Paris. Die modernen Boulevard-Komödien von Bernstein, Bataille, Capus und anderer beeinflussten später auch den Stil seiner Dramen. Nach seiner Rückkehr nach Budapest begann er professionell zu schreiben und änderte seinen deutschen Namen in das ungarische Molnár (deutsch: Müller). Eine mögliche juristische Laufbahn gab er schon 1896 auf und wurde zunächst Journalist.

In dieser Rolle berichtete er für mehrere Zeitungen, zunächst vor allem über Gerichtsprozesse, und insbesondere für den „Budapesti Napló“ unter dem einflussreichen Chefredakteur József Vészi. Dabei wurde er vertraut mit den Sorgen der verschiedenen Klassen und eingängiger Stil erregte bald die Aufmerksamkeit der Leser. Zugleich versuchte er sich literarisch tätig zu werden. Sein erster Roman, Az éhes város (Die hungrige Stadt, 1901), war eine vernichtende Anklageschrift gegen geldhungrige Politiker und soziale Parvenüs. Die schonungslose Zeichnung der dämonischen Wirkung des Geldes aus der Sicht eines jungen, idealistisch gezeichneten Zeitungsjournalisten zog ebenfalls Aufmerksamkeit auf sich und trug Molnár Bekanntheit und Anerkennung ein. Im folgenden Jahr 1902 fing er an, für das Theater zu schreiben – und begann damit eine außergewöhnliche Karriere.

Nicht wenige der frühen Stücke waren Nebenprodukte seiner journalistischen Arbeit, teils impressionistische Skizzen, teils Zufallsszenen oder dialogisierte Chroniken, so z.B. sein erstes Stück, A doctor úr (Der Rechtsanwalt), im Grunde noch eine Art Farce im Stil französischer Komödien. Auch das Lustspiel Józsi (UA 1904), wurde zuvor als Folge von Dialogen veröffentlicht. 1906 wurde Molnár zum Redaktionsmitglied des Budapesti Napló und ging seine erste Ehe mit der damals sechzehnjährigen Margit Vészi ein, die später auch als Schriftstellerin und Künstlerin Aufsehen erregte. Nach der Geburt der Tochter Márta im darauffolgenden Jahr ging diese Ehe bereits in Brüche und wurde getrennt. Doch schon wenige Monate nach der Trennung ging Molnár ein Verhältnis mit Irén Varsányi eingegangen, Ungarns bedeutendster Schauspielerin und Frau eines Fabrikanten, Für sie schrieb er Az ördög („Der Teufel“), ein Stück, in dem eine Schauspielerin aufgefordert wird, ihren langweiligen Ehemann zu verlassen. Das 1907 uraufgeführte Drama brachte ihm internationalen Ruhm und die Mitgliedschaft in der exklusiven „Petöfi Gesellschaft“ ein, aber auch ein Duell mit dem eifersüchtigen Gatten sowie eine zweiwöchige Gefängnisstrafe.

(in Vorbereitung)

Geb. 14.7. 1880 in Sternberg (Mähren, k.k. Österreich-Ungarn, heute: šternberk, Tschech. Republik) – gest. 27.10. 1958 in Murnau am Staffelsee (BRD). Österreichisch-deutscher Schriftsteller, Kritiker.

Materialien und Quellen:

W.v. Molo: Dichterische Konzeption. In: Wiener Allgemeine Zeitung, 30.4.1929, S. 5-6;

(PHK, in preparation)

Geb. 3.8. 1894 in Wien, gest. 5.11.1955 in Mainz. Schauspieler, Regisseur, Schriftsteller, Kritiker

Der Sohn eines aus Korfu gebürtigen Kaufmanns u. einer Wienerin, beide jüdischer Herkunft, die zum Protestantismus konvertierten, besuchte in Wien das Gymnasium und nahm nach der Matura im Jahr 1914 (bis 1917) das Studium der Germanistik, Kunst- und Musikgeschichte an der Univ. Wien auf. Daneben absolvierte er die Akademie für Musik und darstellende Kunst, an der er 1917 die „künstlerische“ Reifeprüfung ablegte. Im selben Jahr trat er mit dem Bd. expressionistischer Gedichte Heilige Stunden hervor. 1917 wechselte er schließlich zum Theater und wurde er Spielleitergehilfe am Stadttheater Teplitz/, 1918-20 am Schlesischen Theater in Kattowitz, wo er auch als Schauspieler wirkte. Von 1920 bis 1923 übernahm er die Leitung des Oldenburgischen Landestheaters, gab dort die Dramaturgischen Blätter des Landestheaters heraus und konnte mit guten Inszenierungen überregionale Resonanz erzielen (so die NFP in einem Bericht). 1922 konvertierte er zum Katholizismus u. heiratete die Wiener Schauspielerin Gertrude Wessely, die in zahlreichen der von ihm insz. Stücken Hauptrollen übernahm. Mordos Erfolge in Oldenburg führten nach dem Bruch mit der dortigen Theaterleitung zur ersten und einzigen Verpflichtung nach Wien auf die Raimundbühne im Jahr 1924. Dort begann er seine Regietätigkeit im Jänner einer Benefizvorstellung von Tollers Hinkemann und setzte sie mit einer Reihe von weiteren Aufführungen bis 1925 fort, beginnend mit der als verstörend empfundenen UA des Stücks Die Wölfe von A. Brust Ende März 1924, des mythisch-modernen Melodrams Pelops‘ Brautwerbung des tschech. Dichters Jaroslav Vrchlicky im April, dem selten gespielten Lustspiel Die Freier von J. v. Eichendorff  im September sowie des Lustspiels Zirkusleute von Franz Schönthan im Deutschen Volkstheater am 1.11.1924; 1925 inszenierte er zunächst die Pantomime Der singende Fisch von Alfred Brust (1891-1934), richtete dann am 7.6. die Gedächtnisfeier für Robert Müller aus und beschloss diese Wiener Phase mit der Inszenierung von Rossinis Der Barbier von Sevilla im Schönbrunner Schloßtheater im Juni 1925. Danach erhielt er Direktions- und Regietätigkeiten in Breslau (1925-26) und Dresden (1926-28), wo er u.a. im Okt. 1927 den Urfaust inszenierte und 1928 die UA von Marieluise Fleißers Pioniere in Ingolstadt verantwortete.

Danach übernahm er eine Regietätigkeit am Darmstädter Landestheater bis 1932 auf, inszenierte aber auch am Neuen Theater in Frankfurt, u.a. Büchners Wozzeck. An einem der Höhepunkte der Theaterkrise in Deutschland lancierte Mordo 1929 im NWJ einen flammenden Appell gegen die Fesselung des Theaters durch Formen bürokratischer Zensur und sprach sich, mit Berufung auf das Publikum, für ein „aktuelles kämpferisches Theater“ aus. Im Mai 1932 wurde Mordo schließlich als Oberregisseur ans Deutsche Theater in Prag berufen, wo er ab 1933 vor allem im Opernfach tätig war, Dumas-Bearbeitungen, einen J. Offenbach- und Shakespeare-Zyklus, F.v. Suppé, aber auch die Revue Allez hopp von F. Holländer inszenierte. Für 1934 war ein exquisites Programm u.a. mit Stücken von Klabund, Gogol und Strawinsky vorgesehen; offenbar als Zugeständnis an das Publikum kamen jedoch mehr Lustspiel- und Operetteninszenierungen zustande, darunter immerhin die dt. UA von Dvoraks Der Jakobiner, ferner Das kleine Café von R. Bernatzky, das Lustspiel Wo war ich heut nacht? der tschech. Schauspielerin und Librettistin Olga Scheinpflug(ova), Gattin von K. Čapek, oder Ball im Savoy von A. Grünwald/F. Löhner-Beda. 1936 verfasste Mordo die in Prag hocherfolgreiche Revue (acht Monate im Repertoire) Salzburg ausverkauft, die danach auch im Wiener Scala-Theater sowie in Marienbad aufgeführt wurde. Neben Leoncavallos Der Bajazzo und Vergas Cavalleria rusticana inszenierte er im selben Jahr u.a. Hofmannsthals Elektra, Shakespeares Die lustigen Weiber von Windsor und Puschkins Boris Godunow in der musikal. Bearbeitung durch Rimsky-Korsakoff. Auch 1937 stand Rimsky-Korsakoff wieder am Programm und zwar mit der Oper Die Zarenbraut, weiters B. Smetanas Volksoper Der Kuß.

In seinen Prager Jahren war er auch in Radio Prag präsent und unterrichtete nebenher an der Deutschen Akademie für Musik und darstellende Kunst. 1938 ereilte ihn ein Ruf nach Athen, dem er knapp vor der Okkupation der Tschechoslowakei nachkam. Dort baute er die Oper auf, erhielt aber nach der deutschen Okkupation ein Arbeitsverbot. Im Zuge der Judenverfolgung und Deportationen 1943-44 wurde er im KZ Chaidari gefangen gehalten. Nach dem Ende des griech. Bürgerkriegs wurde Mordo als Kommunist denunziert und nahm 1947-51 die Leitung der Oper in Ankara an, bevor er an das Stadttheater Mainz wechselte. Im November 1947 gab er nochmals einen Offenbach-Zyklus als Gastintendant in Wien und 1952 hielt er sich mehrere Monate am Habimah-Nationaltheater in Tel Aviv auf.


Weitere Werke (Auswahl)

Pfeffer und Salz (Komödie), Basel. 1941; Kleines Abenteuer (Komödie), Basel 1944;Chaidari (Drama), 1945.

Quellen und Dokumente:

Ch. Krüger: Geschichte der Oper am Landestheater in Oldenburg 1921-1938. Oldenburg. 1984; Mathias Struck: Renato Mordo; in: https://www.deutsche-biographie.de/sfz65375.html

Mordos Wirken in Oldenburg. In: NFP, 2.11.1923, S. 9; E. Felber: Pelops‘ Brautwerbung. In: Wiener Morgenzeitung, 11.4.1924, S.7; O. Rosenfeld: Wer weint um Judenack. In: Wiener Morgenzeitung, 26.9.1924, S.5; O.A[chs]: Der singende Fisch. In: Wiener Morgenzeitung, 26.2.1925,S.6; L. Fantl: Zu M.L. Fleißers Pioniere in Ingolstadt. In: Die Bühne, H.187/1928, S. 8-9; N.N. R. Mordos nächstjährige Arbeiten in Prag. In: Die Stunde, 18.3.1933, S. 6; N.N.: Eine Oper, die dreimal entdeckt wird (Zu Dvoraks Der Jakobiner). In: Pilsner Tagblatt, 14.6.1934, S.5; Zur Wiener Auff. von Salzburg ausverkauft. In: Wiener Salonblatt, 14.6.1936, S.14.

(PHK)

Geb. 1.10. 1886 in Wien als Georg Paul Morgenstern, gest./ermordet 10.12. 1938 KZ Buchenwald. Feuilletonist, Kabarettist, Librettist.

Materialien und Quellen:

Eintrag in: Österreichisches Kabarettarchiv; Eintrag auf: Virtual History (engl.), Eintrag von R. Hippen in: NDB.

P.M.: Was habe ich in Mexiko verloren? (= Vorabdruck aus: Promin-Enten-Teich) In: Mein Film Nr. 419/1934, S. 7-8;

Eva Offenthaler: Vom „Czernowitzbold“ zum Hollywood-Schauspieler: Paul Morgan. In: Institut Österreichisches Biographisches Lexikon.

(PHK, in preparation)

geb. als Salomo Morgenstern am 3.5.1890 in Budzanów bei Tarnopol/Ostgalizien – gest. am 17.4.1976 in New York; Schriftsteller, Kritiker, Journalist

Ps.: Christof Morstyn, Konrad Pfeiffer

Auf Geheiß des dominanten Vaters nach jüdisch-orthodoxer Tradition erzogen, wuchs M. mehrsprachig auf. Er lernte Jiddisch, Polnisch, Ukrainisch, durch Privatunterricht aber auch bereits früh Deutsch, später Griechisch, Latein, Französisch und Englisch. Trotz familiären Widerstands besuchte M. das Gymnasium in Tarnopol und sollte daraufhin auf Wunsch des 1908 verstorbenen Vaters Rechtswissenschaften studieren, obwohl er seit dem Besuch von Stanislaw Wyspianskis Die Richter in Lemberg den Wunsch hegte, Theaterkritiker zu werden. In dieser Phase nahm M.s zwiespältiges Verhältnis zur Religion ihren Ausgang. In Wien traf er wieder auf den 1909 auf einer Zionistenkonferenz in Lemberg kennengelernten Joseph Roth; sie besuchten gemeinsam literaturgeschichtliche Vorlesungen und knüpften eine enge Freundschaft. Nach vorübergehender Rückkehr nach Galizien übersiedelte M. 1914 neuerlich nach Wien, leistete aber zwischen 1915 und 1918 den Kriegsdienst an der Ostfront. Nach dem Studienabschluss 1921 änderte er seinen Vornamen in Soma und verdiente seinen Unterhalt als Privatlehrer. Er verkehrte in verschiedenen Kaffeehäusern und knüpfte u.a. Kontakte zu Béla Balázs, Alban Berg und Alma Mahler, später auch zu Ludwig Hardt, Robert Musil, Walter Tschuppik, Anna Mahler, Hanns Eisler, Anton Webern, Theodor W. Adorno, Ernst Bloch, Otto Klemperer und Josef Frank. M. begann sich zunehmend mit dem Theater zu beschäftigen und schrieb das von Psychoanalyse geprägte Stück ER oder ER (1921/22) und das Künstlerdrama Im Dunstkreis (1924). 1925 wurde er vorübergehend Mitarbeiter bei Max Reinhardt.

1926 folgte er Roth nach Berlin, um als Kritiker sein Auslangen zu finden. Er wirkte als Rezensent u.a. für die von Ernst Heilborn herausgegebene Zs. Die Literatur, das Berliner Tageblatt und die Vossische Zeitung, für die er u.a. die von René Fülöp-Miller aus dem Nachlass herausgegeben Tolstoi-Werke besprach, und erhielt  1927 eine Stelle in der von Benno Reifenberg geleiteten Feuilletonredaktion der Frankfurter Zeitung (FZ), die vom Onkel seiner Frau Heinrich Simon herausgegeben wurde und für die bekanntlich auch Roth, Siegfried Kracauer und Walter Benjamin wirkten. Nach Reiseberichten aus der Tschechoslowakei und der Mitarbeit in Berlin und Frankfurt kehrte M. im Februar 1928 als Korrespondent nach Wien zurück und publizierte gegen den Widerstand Simons anstelle sachlicher Kulturberichterstattung vor allem subjektiv-feuilletonistische Betrachtungen zum urbanen Leben und der Entwicklung der Kulturpolitik der Gemeinde Wien, etwa zum Sängerbundfest und zu den Arbeitersinfoniekonzerten und der Wiener Volkshochschule. M. sparte aber auch nicht mit Kritik an antisemitischer Politik, etwa mit Blick auf Ausschreitungen an der Universität Wien. Vom Weltkongress der Vereinigung orthodoxer Juden Agudas Yisroel 1929 in Wien inspiriert, begann M. die Vorarbeiten zu seiner Romantrilogie Funken im Abgrund und distanzierte sich trotz Arbeiten für die FZ und die Wiener Weltbühne zusehends vom Journalismus. Mit kritischen Feuilletons den Nationalsozialisten bereits vor der Machtübernahme aufgefallen, war M. ab Herbst 1933 durch den „Arierparagraphen“ von der Mitarbeit an der FZ ausgeschlossen. Bereits 1934 folgte M. Roth für ein halbes Jahr nach Paris, wo er nach dem „Anschluss“ 1938 mit Roth als Exilant im Hôtel de la Poste leben sollte. Sein erster Roman Der Sohn des verlorenen Sohnes konnte noch 1935 in Berlin im Verlag Erich Reiss erscheinen.

Nach Roths Tod und dem Kriegsbeginn mehrmals verhaftet, flüchtete M., der in der Pariser Zeitung und in Freies Österreich noch 1939/40 zwei Feuilletons veröffentlichte, über Marseille, Casablanca und Lissabon 1941 mit Hilfe eines Varian Fry-Visums nach New York, wo er wie Walter Mehring, Hermann Kesten, Leonhard Frank und Hertha Pauli im Hotel Plaza seine Unterkunft fand. Unterstützt von einem privaten Mäzen und der Jewish Publication Society of America schloss er seine Trilogie ab und arbeitete seit 1948 an seinem Shoah-Roman Die Blutsäule. M., seit 1946 US-amerikanischer Staatsbürger, starb 1976 in New York.


Werke

In my Father’s Pastures (1947), The Testament of the Lost Son (1950, dt. gekürzt als Der verlorene Sohn, 1963), The Third Pillar (1953, dt. als Die Blutsäule, Zeichen und Wunder am Sereth, 1964); aus dem Nachlass: Joseph Roths Flucht und Ende. Erinnerungen (1994), Alban Berg und seine Idole (1995).

Quellen und Dokumente

Franz Kafka zum Gedächtnis. Vortragsabend Ludwid Hardts in Wien. In: Berliner Tageblatt, 1.7.1924 (Abendausgabe), S. 3, Der Mythos vom Maulhelden Schwejk. In: Das Unterhaltungsblatt der Vossischen Zeitung, 15.7.1927, Der unbekannte Tolstoj. In: Vossische Zeitung, 30.10.1927, Beilage, Isaak Grünberg: Der Sohn des verlorenen Sohnes. Von S. M. Ein jüdisch-europäischer Roman. In: Die Stimme 15.1.1937, S. 4.

Nachlass: Deutsches Exilarchiv 1933-1945 der Deutschen Nationalbibliothek in Frankfurt am Main [Onlineverzeichnis], Leo Baeck Institute

Literatur

Maria Klanska: Die Feuilletons S. M.s. In: Sigurd Paul Scheichl (Hg.): Feuilleton – Essay – Aphorismus. Nicht-fiktionale Prosa in Österreich, 195-206 (2008), Corinna Haeger: „Wandern und nicht verzweifeln“. Raum und Identitätskonstruktionen in Soma Morgensterns Zwischenkriegsprosa (1921-1938). Diss. (2011) [Online verfügbar], Jacques Lajarrige (Hg.): S. M. – von Galizien ins amerikanische Exil – S.M. De la Galicie à l’exil américain. (2015), Cornelia Weidner: Ein Leben mit Freunden. Über S. M.s autobiographische Schriften (2004), Robert G. Weigel (Hg.): S. M.s verlorene Welt. Kritische Beiträge zu seinem Werk (2002).

Ernst Fischer: M., S. In: Neue Deutsche Biographie 18 (1997), S. 114 f. [Onlinefassung], Oliver Bentz: Spuren nach Galizien. In: Wiener Zeitung, 18.12.2012, Raphaela Kitzmantel: Eine Überfülle an Gegenwart. In: Kakanien revisited [online verfügbar]. G. B. Deutsch: Website zu S. M.

(ME)

Geb. 6.8. 1880 in Wien (als Johann Julier), gest. 19.6. 1964 in Wien. Schauspieler

Materialien und Quellen:

(in preparation)

ab 1921 Anitta Müller-Cohen, geb. am 6.6.1890 in Wien – gest. am 29.6.1962 in Tel Aviv; Sozialpolitikerin, Frauenrechtsaktivistin, Journalistin

M. wuchs als Anitta Rosenzweig in einer wohlhabenden assimilierten jüdischen Familie in Wien auf und absolvierte ein Lehramtsstudium. 1909 heiratete sie den Kaufmann Arnold Müller, von dem sie sich für die Ehelichung des Zionisten Samuel Cohen 1921 scheiden ließ. Schon vor 1914 engagierte sie sich, beeinflusst vom befreundeten Sozialpolitiker und Feministen Julius Ofner, wie u.a. Klara Mautner und Therese Schlesinger im Allgemeinen Österreichischen Frauenverein (AÖFV) und gehörte zum Kreis um Auguste Fickert. Zudem war sie Mitglied Robert Strickers Jüdischnationaler Partei. Bekannt wurde M.-C. im Ersten Weltkrieg für die Einrichtung der Sozialen Hilfsgemeineschaft Anitta Müller, die u.a. unterernährte jüdische Kinder in Europa versorgte und rund 12.000 Erholungsreisen ermöglichte. Am 7. März 1918 erhielt sie von Kaiser Karl das Kriegskreuz für Zivilverdienste II. Klasse. Sie gehörte als jüngste Abgeordnete 1918/19 dem prov. Wiener Gemeinderat an. M.-C. gründete 1919 die Jüdische Hilfe für das jüdische Kind und den Jüdischen Frauenbund, hielt international Vorträge zur sozialen Not in Wien nach dem Krieg und war 1923 Mitorganisatorin sowie neben u.a. Regine Ulmann AÖFV-Delegierte beim ersten Weltkongress Jüdischer Frauen in Wien, bei dem auch Marianne Hainisch auftrat. 1920 wurde sie u.a. Vorsitzende der Weltkonferenz der jüdischen Sozialverbände, 1929 Vizepräsidentin der World Federation of Jewish Women. Sie vertrat auch das American Jewish Joint Distribution Comitee in Wien.

Nach dem Krieg betätigte sich M.-C. als Publizistin und schrieb für die zwischen 1919 und 1927 erscheinende jüdischnational-zionistische Wiener Morgenzeitung, in der sie 1919 die Rubrik Frauenrecht und Frauenarbeit leitete, für das Neue Wiener Journal, die Jüdische Rundschau und Menorah. Illustrierte Monatsschrift für die jüdische Familie. Frauenrechte, Sozialarbeit und die Entwicklung der jüdischen Familie stellten ihre maßgeblichen Themen dar. Am 22. Mai 1919 hielt M.-C. gemeinsam mit Bruno Frei unter dem Titel Bilder vom Wiener Elend im Kleinen Saal des Wiener Konzerthauses einen Vortrag, bei dem rund 150 Lichtbilder von Anton und Hans Bock zu Freis in Der Abend veröffentlichten Sozialreportagen präsentiert wurden, die Eingang in die Sammlungen Jüdisches Elend in Wien (1920) und Bilder vom Wiener Elend (1921) fanden. Wohl auf ihre Vermittlung hin wurden Freis Bilder zur internationalen Werbung um humanitäre Hilfe von jüdischen Organisationen wie auch von der Stadt Wien eingesetzt. 1925 unternahm M.-C. eine Reise nach Amerika, wo sie am American Jewish Congress in Chicago teilnahm, und lebte 1926/27 in Palästina. 1929 übersiedelte M.-C. mit ihrer Familie nach Luxemburg, 1932 nach London und 1934/35 nach Palästina, wo sie u.a. als Vorsitzende im Verein der Österreichischen Einwanderer sowie der zionistischen Misrachi-Frauenbewegung fungierte. 1950 trat sie der konservativ-nationalistischen Partei Cherut bei.


Quellen und Dokumente

Beiträge A. M.-C.s: Frauenrecht und Frauenarbeit. In: WMZ, 2.2.1919, S. 7, Interessante Frauenportraits. In: WMZ, 5.5.1923, S. 4,The Return of Yewish Woman to Judaism. In: Menorah 1 (1923), 1, S. 14, Das große Schweigen. In: Menorah 1 (1923), 5, S. 17f., Jüdische Frauenarbeit in den Nachfolgestaaten. In: Menorah 1 (1923), 6, S. 16, Eine Musterschule in Palästina. In: Menorah 2 (1924), 2, S. 16/18, Amerikanische Philantropen. In: WMZ, 14.2.1926, S. 8, Otto Abeles: Besuch in Erez-Israel. In: Jüdische Rundschau, 30.4.1926, S. 3, Die Frauenfrage in Palästina. In: WMZ, 28.8.1927, S. 4f.

Felix Salten: A. M. In: NFP, 15.7.1917, S. 1-3, Soziale Frauenarbeit. Von der Wohltätigkeit zur Fürsorge. In: Mittagsblatt des Neuen Wiener Journals, 14.6.1918, S. 3f., Alpheus (= Carl Colbert): Sozialpolitische Wochenplauderei. Von den Kindern Ahasvers. In: Der Abend, 8.5.1919, S. 3, Frauenrechte und Menschenrechte. A. M.über die politische Zukunft der bürgerlichen Frau. In: Neues Wiener Journal, 12.11.1918, S. 3, Christoph Brant: Gespräch mit A. M. Die Frau im Gemeinderat. In: Neues Wiener Journal, 7.12.1918, S. 4, Josef Grob: Die Schattenseiten unserer Wohlfahrtseinrichtungen. In: Jüdische Korrespondenz, 8.8.1919, S. 4f., Amerikabericht einer Wiener. (Mit Abbildung.). In: Das interessante Blatt, 21.1.1926, S. 3.

Literatur

Meir Marcell Faerber: A. M.-C. (1890-1962). In: Ders.: Österreichische Juden. Historische Streiflichter, 95f (1996), Dieter J. Hecht u.a.: Nischen und Chancen – jüdische Journalistinnen in der österreichischen Tagespresse vor 1938. In: Medien & Zeit 18 (2003) 2, 31-39, Ders.: Zwischen Feminismus und Zionismus. Die Biografie einer Wiener Jüdin. A. M.-C. (1890-1962) (2008), Ders.: Anitta und Sam Cohen. In: Chilufim. Zeitschrift für Jüdische Kulturgeschichte 7 (2009), 189-198, Ders.: A. Müller-Cohen: Sozialarbeit und Zionismus zwischen Wien und Tel Aviv. In: Medaon 14/2014.

Dieter J. Hecht: Eintrag bei Jewish Women’s Archive, Eintrag beim Projekt Ariadne der ÖNB, Eintrag bei wien.gv.at.

Walter Mentzel: Das Flüchtlingshilfwerk Anitta Müller und das Kinderwaisenheim Wien-Baumgarten. Beitrag in der Reihe 1. Weltkrieg & Medizin (2015).

(ME)

GEb. – Gest. (Mode)Journalistin der Zs. Die Stunde (1928- )

Materialien und Quellen:

Weekend in Wolle. In: Die Stunde, 28.4. 1929, S. 10;

(in preparation)

geb. 29.10.1887 in Wien – gest. 28.08.1924 in Wien; Publizist, Verleger, Schriftsteller

Als Sohn eines aus Reichenberg/Liberec stammenden katholischen Kaufmannes am 29.10.1887 in Wien geboren, studierte Müller ab 1907 Klassische Philologie, Altertumskunde und Moderne Philologie, ohne jedoch einen Abschluss zu erlangen. Schon als Student verkehrte er, sich selbst bereits als modernen Intellektuellen großstädtischer Prägung verstehend, regelmäßig in den beliebten Wiener Jazzclubs und Cabarets, die als Treffpunkt für den Kreis um Hermann Bahr und Peter Altenberg fungierten. Eine besondere Faszination empfand er für die Wiener Kaffeehauskultur: Im Café Central begründete er knapp zwanzigjährig das wöchentlich stattfindende sog. “Mokka-Symposion”, an dem u.a. Robert Musil, Albert Paris Gütersloh und Alfred Polgar teilnahmen.

Ende 1909 ging Müller nach New York, wo sein Onkel Friedrich Emmert als Chefredakteur bei New York German Herold arbeitete und ihm eine Anstellung als Lokalreporter verschaffte. Rasch verlor er jedoch das Interesse an der gleichförmigen Reporterroutine, die kaum Raum für Kreativität und intellektuelle Reflexion bot, und schlug sich als Hoteldiener, Matrose und Zeitungsverkäufer durch, ehe er im Herbst 1911 nach Wien zurückkehrte. Geprägt von den Erfahrungen in der amerikanischen Großstadt und tief beeindruckt vom “hybriden Wesen” New Yorks als Melting Pot der Rassen und Kulturen, gliederte sich Müller mühelos in den Literatur- und Kulturbetrieb der Metropole des habsburgischen Vielvölkerreiches ein. Er wirkte als Redakteur für diverse literarische Zeitschriften, so etwa Der Ruf  (für den er auch Mitherausgeber war), Saturn und Daimon und ab 1912 – auf Empfehlung Ludwig Ullmanns – als literarischer Leiter des Akademischen Verbands für Literatur und Musik in Wien. In dieser Funktion organisierte er neben Karl Kraus-Lesungen und einer Peter Altenberg-Matinee Egon Friedells vor allem eine Reihe von Ausstellungen moderner Großstadtkunst: So holte der Verband 1912 die von H. Walden organisierte Berliner Futuristenausstellung nach Wien. Müller entwickelte sich zunehmend zu der “Integrationsfigur des Wiener Aktivismus” (Wallas, S. 109), stets “um die Mobilisierung des Kollektivs für die Belange der avantgardistischen Kunstform” (Köster, S. 28) bemüht. In diesem Sinne fand im März 1912 auf Müllers Initiative in den Wiener Sofiensälen ein Karl May-Abend statt, der bis zu 3000 Besucher – darunter Berta von Suttner – anlockte und in dessen Rahmen nicht nur für den Pazifismus, sondern vor allem für die neue Kunstform geworben werden sollte. Parallel dazu begann Müller, von seinem Freund Arthur Ernst Rutra als “Conquistador des Geistes” (Rutra, S. 311) bezeichnet, mit der theoretischen Auseinandersetzung mit dem Aktivismus, für den er in zahlreichen Essays die theoretische Basis entwarf. Darüber hinaus setzte er sich auf der Suche nach dem “neuen Menschen” in seinen – aufgrund der Verwendung antisemitischer Stereotypen nicht unumstrittenen – Schriften intensiv mit dem “Typus- und Rassebegriff” auseinander.

1914 veröffentlichte er mit Irmelin Rose, die Mythe der großen Stadt sein erstes, stark vom subjektiven Konstruktivismus beeinflusstes Buch. Ebenso erschien in diesem Jahr in der von ihm selbst herausgegebenen, nur in einem Heft erschienenen Zeitschrift Torpedo seine gegen Karl Kraus gerichtetet Streitschrift Karl Kraus oder Dalai Lama der dunkle Priester, Eine Nervenabtötung. Im September meldete er sich freiwillig zum Fronteinsatz; seine Begeisterung für den Krieg hatte er bereits in Essays wie Apologie des Krieges (1913) und Der Futurist (1914) literarisch zum Ausdruck gebracht. Müller erlitt 1915 im Zuge der Kämpfe an der Isonzofront einen Nervenschock und wurde, nunmehr untauglich, zunächst Redakteur bei den Belgrader Nachrichten, dann ins Kriegspressequartier versetzt, wo er im Rang eines Oberstleutnants arbeitete. In dieser Zeit erschien mit Tropen. Der Mythos der Reise, Urkunden eines deutschen Ingenieurs jener Roman, der seinen Ruf als Vertreter des Exotismus (der bei ihm stets ein Anti-Eskapismus ist) manifestierte.

Unter dem Eindruck der eigenen traumatischen Fronterfahrung und den Auswirkungen der Russischen Revolution wurde Müller, den eine enge Freundschaft mit Kurt Hiller verband, zum “aktivistischen Kulturrevolutionär”. Er gründete in den letzten Kriegsmonaten die politische Geheimgesellschaft Katakombe, ein Diskussionsforum für revolutionär und pazifistisch gesinnte Intellektuelle, die sich für eine umfassende Umgestaltung der bürgerlich-liberalen Gesellschaftsordnung im marxistisch-leninistischen Sinne aussprachen, in ihren Auffassungen letztlich aber durchaus divergent waren.  Das Netzwerk, dem zeitweilig auch Robert Musil angehörte, bot gleichzeitig die strukturellen Voraussetzungen für die Distribution von Wiener expressionistischen Zeitschriften wie Der AnbruchDas FlugblattDaimon/Der Neue Daimon u.a. Unstimmigkeiten unter den Mitgliedern führten nach nur einem Monat zur Auflösung der Katakombe; an ihre Stelle trat der ebenfalls von Müller initiierte Bund der geistig Tätigender – in Anlehnung an Nietzsches Lehre vom “Über-Menschen” – programmatisch auf der Konzeption der Autonomie des Subjekts fußte und der Ausarbeitung eines aktivistischen Kulturprogramms dienen sollte. Als Publikationsorgan fungierte die von Müller gemeinsam mit Franz Kobler und Franz Ottmann herausgegebene Zeitschrift Der Strahl.

Auf Vermittlung Robert Musils arbeitete er seit 1921 als Redakteur bei der Prager Presse, hatte aber schon im März 1919 gemeinsam mit seinem Bruder Erwin die Literarische Vertriebs- und Propaganda-Gesellschaft m.b.H., später Literaria genannt, gegründet. Sie konnte sich in der Folge als eine der größten Buchhändlerfirmen in Wien etablieren, von wo aus sie mit diversen Niederlassungen (u.a.  in Prag und Budapest) die Auslieferung des Programms renommierter deutscher Verlage wie Ullstein, Kiepenheuer und Rowohlt auf dem Gebiet der ehemaligen Habsburger Monarchie kontrollierte. Zunehmende wirtschaftliche Probleme der inzwischen in eine AG umgewandelten Literaria zwangen Müller 1923, aus dem Unternehmen auszuscheiden; einzig die  Leitung der Satire-Zeitschrift Die Muskete verblieb in seinen Händen. Als der Versuch scheiterte, mit der Gründung des Atlantischen Verlags wirtschaftlich nochmals Fuß zu fassen, setzte Müller im August 1924 seinem Leben ein Ende.


Werke (Auswahl):

Österreich und der Mensch. Eine Mythik des Donau-Alpenmenschen (1915); Europa. Wege. Im Kampf um den Typus (1917); Die Politiker des Geistes (1917); Der Leutnant (1919); Das Inselmädchen (1919); Bolschewik und Gentleman (1920); Brooklyn Bridge (1920); Manhattan-Girl (1921); Camera obscura (1921); Flibustier. Ein Kulturbild (1922); Rassen, Städte, Physiognomien (1922) [Online verfügbar]; Werkausgabe in Einzelbänden, hg. v. G. Helmes, 11 Bde., 1992-97.

Literatur 

Thomas Köster, Bilderschrift Großstadt. Studien zum Werk Robert Müllers (Literatur- und Medienwissenschaft 35), Paderborn 1995; Stefanie Heckner, Die Tropen als Tropus. Zur Dichtungstheorie Robert Müllers, Wien, Köln 1991; Helmut Kreuzer/Günther Helmes (Hg.), Expressionismus – Aktivismus – Exotismus. Studien zum literarischen Werk Robert Müllers, Paderborn 21989; Robert Musil, Robert Müller. In: Gesammelte Werke, Bd. 8, Reinbek 1978, S. 1131-1137. Bettina Pflaum, Politischer Expressionismus: Aktivismus im fiktionalen Werk Robert Müllers, Hamburg 2008; Ernst Arthur Rutra: Robert Müller. Denkrede, München 1925; Thomas Schwarz, Robert Müllers Tropen. Ein Reiseführer in den imperialen Exotismus, Heidelberg 2006; Armin A. Wallas, „Geist“ und „Tat“. Aktivistische Gruppierungen und Zeitschriften in Österreich 1918/19. In: Literatur, Politik und soziale Prozesse. Studien zur deutschen Literatur von der Aufklärung bis zur Weimarer Republik (Internationales Archiv für Sozialgeschichte der deutschen Literatur, 8. Sonderheft), Tübingen 1997, S. 107-146; N.N., „Müller, Robert“. In: Österreichisches Biografisches Lexikon 1815-1950, Bd. 6, Wien 1975, S. 426 [Online verfügbar]; Armin A. Wallas, „Müller, Robert“. In: Neue Deutsche Biografie, Bd. 18, Berlin 1997, S. 473f. [Online verfügbar]; Eintrag bei Austria-Forum [Online verfügbar]; Auszüge aus der Dissertation von Thomas Schwarz [Online verfügbar].

Quellen und Dokumente

Karl May am Vorlesetisch. In: Neues Wiener Journal, 23.3.1912, S. 3f; Robert Müller, Ein junger Kaiser. In: Sport und Salon, 29.7.1917, S. 107-109; Rezension von “Europäische Wege”. In: Allgemeine Wiener Zeitung, 18.12.1917, S. 3; Das junge literarische Wien in der Neuen Wiener Bühne. In: Neues Wiener Journal, 13.11.1917, S. 8; Matinee Junges Wien. In: Reichspost, 14.11.1917, S. 9; Robert Müller, Die Verfrauung der Welt. In:  Neues Wiener Journal, 1.11.1917, S. 6; Robert Müller, Bolschewismus und Expressionismus. In:Neues Wiener Journal, 6.6.1918, S. 4; Tagebuch von Hermann Bahr (über Robert Müller). In: Neues Wiener Journal, 17.10.1920, S. 4f; Robert Müller, Gladiatoren des Urwaldes. In: Neues Wiener Journal, 27.2.1922, S. 5f; Selbstmord eines Verlagsdirektors. In: Salzburger Volksblatt, 28.10.1924, S. 3; Lucian Frank Erdtracht, Der Verleger. Aus meinem letzten Gespräch mit Robert Müller. In: Neues Wiener Journal, 31.8.1924, S. 7.

(MK)


Pseudonym: Georg Fink

geb. 18.04.1879 in Gleiwitz/Gliwice, gest. 27.04.1944 in Zürich; Schriftsteller, Kritiker

Geboren wurde Kurt Münzer als eines von drei Kindern des angesehenen jüdisch-orthodoxen Kaufmannes Mayer (genannt Moritz) Münzer und dessen Ehefrau Klara, Tochter eines Rabbiners, im oberschlesischen Gleiwitz/Gliwitze. Die Familie zog Mitte der 1880er Jahre nach Berlin, wo Münzer ein Gymnasium absolvierte und bereits während seiner Schulzeit erste literarische Werke verfasste. Zwischen 1897 und 1905 studierte er in Berlin und Zürich Rechtswissenschaften, Philosophie, Kunstgeschichte und Medizin, ohne jedoch einen Abschluss zu erlangen. Ebenfalls 1905 erschienen unter dem Titel Die Kunst des Künstlers seine vielbeachteten kunsttheoretischen, gegen den Rationalismus der vorangegangen Epoche gerichteten Betrachtungen, in denen er dafür eintrat, Objektivität und Realität zugunsten einer neuen Sinnlichkeit und Gefühlsbetontheit zu überwinden. Im selben Jahr war Münzer gemeinsamen mit seinem Lebensgefährten, dem Schauspieler Karl Feigl, in eine Straftat verwickelt: Sie versuchten, die beiden Sexualwissenschaftler Magnus Hirschfeld und Benedict Friedlaender mit Enthüllungen über deren Homosexualität zu erpressen. Feigl wurde daraufhin für unzurechnungsfähig erklärt und musste eine Gefängnisstrafe absitzen, während Münzer straffrei ausging.

In den folgenden Jahren war Münzer quer durch Europa unterwegs, arbeitete u. a. in Wien, Paris sowie in der Schweiz in Krankenhäusern und psychiatrischen Kliniken und schließlich in Norditalien als Verlagslektor. Am Ersten Weltkrieg nahm er aufgrund gesundheitlicher Einschränkungen nicht aktiv teil, betätigte sich stattdessen aber an der Propagandafront: Bereits 1914 erschien mit Taten und Kränze. Lieder zum Kriege eine patriotisches Werk, das von der zeitgenössischen Kritik als „eine neue zeitgemäße Geste der raffinierten Großstadtlyrik“ eingeordnet wurde (Wiener Zeitung, 1.5.1915, S. 26), heute aber als „literarisch bedeutungslose Gedichtsammlung“ gesehen wird, in der der Autor „die fatale Kriegsbegeisterung vieler expressionistischer Literaten“ teilt (Tömmsen, S. 167). Es folgten 1915 die Erzählbände Der jüngste TagKriegsnovellen und Der graue Tod. Novellen aus dem Kriege. Erfolgreich ist auch sein Buch Der Ladenprinz, von dem bis in die 1920er Jahre 30.000 Exemplare gedruckt wurden und der 1928 mit Betty Bird und Paul Henckels verfilmt wurde.

1918 publizierte Münzer den Erzählband Verirrte Bürger: Novellen am Zürichsee, der sich mit dem klassischen bürgerlichen Rollenbild auseinandersetzte. Zurück in Berlin wurde Münzer, in den Augen Kurt Tucholskys „ein sehr mäßiger Teeaufguß von Heinrich Mann; verlogen, ein schlechter Stilist, kein guter Schriftsteller“ (Weltbühne 37, S. 381), zum Vielschreiber, der immer wieder seine persönlichen Lebensthemen in seine literarischen Werke einfließen ließ: dazu zählten die Unvereinbarkeit von Kunst und bürgerlicher Existenz ebenso wie der aus der eigenen Biografie gespeiste Antagonismus „verschlafene Provinz – pulsierende Großstadt“, wobei erstere als Ort der intakten Welt stilisiert wird. In seinem 1928 erschienenen Roman Jude ans Kreuz thematisierte er das Wesen des Judentums vor dem Hintergrund des bedrohlich anwachsenden Antisemitismus in Deutschland und nahm darin „gleichsam visionär die Schrecken des NS-Regimes“ vorweg. Stets ist aber „das Moment des Destruktiven“ (Lubos, S. 67) sowie die „Lust des Autors an der Darstellung des Verfalls sowie an der Untergangs- und Endzeitstimmung“ (Tömmsen, S. 159) in Münzers Schaffen erkennbar, womit er eine Grundposition der Décadence-Literatur teilt.

Seit 1927 war Münzer Herausgeber der Zeitschrift Der Bücherbote.

Zu einem großen Erfolg geriet Ende der 1920er Jahre sein unter dem Pseudonym Georg Fink veröffentlichter Roman Mich hungert, der eine von Armut und Gewalt geprägte Kindheit und Jugend im Berliner Stadtteil Wedding beschreibt und in dem er sich kritisch mit jenem Krieg auseinandersetzte, dem er selbst im August 1914 noch begeistert entgegengesehen hatte.

In Deutschland seit 1933 mit einem Publikationsverbot belegt, wich Münzer auf den österreichischen Markt aus und publizierte vermehrt Beiträge und Rezensionen für die Neue Freie Presse sowie Kurzgeschichten in Zeitschriften, so u. a. in Mocca oder Die Muskete. Seinen Lebensmittelpunkt verlegte er notgedrungen einmal mehr in die Schweiz, wo er zeitweise Verlagsmitarbeiter war und 1938 – wieder unter seinem Pseudonym – den Roman Mutter und Sohn veröffentlichte, dem allerdings kein Erfolg mehr beschieden war. Münzer starb im April 1944 in Zürich.


Werke (Auswahl)

Menschen von gestern (1915); Die Heimkehr des Tobias Hug (1918); Phantom (1919); Esther Berg (1923); Das Geheimnis der Perle (1929).

Literatur

Cornelia Tönnesen: Kurt Münzer. Zwischen Nihilismus und Expressionismus. In: Bernd Witte (Hrsg.): Oberschlesische Literatur 1900–1925. Historischer Umbruch und literarische Reflexion. Peter Lang Verlag, Frankfurt/M. 2000, S. 149–177; Michael Helming, Leichen treppauf. Die Schriftsteller Hanns Heinz Ewers, Kurt Münzer, Alexander Moritz Frey und Hermann Rauschning, Hage 2011; Bernd-Ulrich Hergemöller: Mann für Mann. Biografisches Lexikon, Hamburg 2001; Arno Lubos, Geschichte der Literatur Schlesiens, Bd. II, München 1967.

Quellen und Dokumente

Kurt Münzer, Ballett. In: Neues Wiener Journal, 17.2.1916, S. 3f; Kurt Münzer, Über die Liebe. In: Czernowitzer Allgemeine Zeitung, 24.7.1918, S. 6; Kurt Münzer, Unterwegs. Reiseminiaturen. In: NFP, 6.8.1924, S. 1f; Kurt Münzers fünfzigster Geburtstag. In: NFP, 18.6.1929, S. 5; Der Ladenprinz als Film. In: Das Kino-Journal, 2.3.1929, S. 11; Kurt Münzer, Die Herzogin von Imola. In: Mocca, Oktober 1929, S. 8-10; Kurt Münzer, Arthur Schnitzler. In: NFP, 17.5.1929, S. 1f; Entgegnung Leserbrief. In: NFP, 23.4.1931, S. 11; Entgegnung Leserbrief. In: NFP, 23.6.1932, S. 12; Entgegnung weitere Leserbriefe. In: NFP, 30.6.1932, S. 12; Kurt Münzer, Literarische Kriminalromane. In: NFP, 15.3.1934, S. 24; Kurt Münzer, Iwan Bunin: Im Anbruch der Tage. In: NFP, 29.3.1934, S. 24; Kurt Münzer, Josef Leitgeb: Kinderlegende. In: NFP, 22.3.1934, S. 24; Kurt Münzer, Der unterbrochene Besuch. In: Die Muskete, 18.4.1935, S. 10-12.

(MK)