eigentl.: Paul Stefan Grünfeld/Gruenfeld (bis 1906), geb. am 25.11.1879 in Brünn/Brno – gest. am 2.11.1943 in New York; Musikpublizist, Redakteur, Feuilletonist, Schriftsteller
Der Sohn des Abgeordn. zum mährischen Landtag Arnold Abraham Grünfeld und seiner Gattin Annie, geb. Haas, kam nach dem Besuch der Volksschule und des Gymnasiums mit seinen zum Katholizismus konvertierten ehem. jüd . Eltern 1898 nach Wien. Dort studierte er Philosophie, Rechtswissenschaft, Kunstgeschichte, Musik und schloss 1907 mit der Promotion zum Dr. phil. ab. Privat nahm er seit 1904 Stunden bei A. Schönberg, beruflich war er bis 1910 beim Centralverband der Industriellen Österreichs als Sekretär tätig. Bereits 1900 erschien mit Stimmungen sein erster literarischer, d.h. ein Lyrik-Band. Der Durchbruch als Musikkritiker gelang ihm 1908 mit einem ersten Buch über Gustav Mahler, dem 1910 eine weitere Mahlerstudie folgte, die bereits 1912 in der 4. Auflage nachgedruckt wurde, sowie 1911 eine über den Mahlerdirigenten und Komponisten Oskar Fried. Den Ersten Weltkrieg begann St. als (Reserve)Offizier und beendete ihn im Kriegsarchiv, nicht ohne am Kriegstagebuch Vom Isonzo zum Balkan (1916) gem. mit F. Th. Csokor u. E.A. Rheinhardt mitzuschreiben.
1919 legte Stefan eine Geschichte der Wiener Oper unter dem Titel Das neue Haus vor; ab 1920 veröffentlichte er neben Feuilletons für das Neue Wr. Tagblatt auch Besprechungen für die Zs. Musikblätter des Anbruchs (MdA). Sein erster Beitr. in Nr. 5/1920 galt einem Tanzabend von Ellen Tels, deren vielseitige Ausdruckskunst vor den versch., auch krit. kommentierten zeitgenöss. Strömungen, von St. anerkennend herausgestrichen wurden, insbes. jene, die „wieder Erlebnisse russischer Kunst“ vermittelten, aber auch romant. Stücke wie z.B. von Grieg, Chopin oder Dvořak kongenial interpretierten. 1921 folgte seine Studie Neue Musik und Wien, die ihm zahlr. Vortragseinladungen weit über den deutschsprach. Raum hinaus eintrugen; St. wirkte darüber hinaus an mehreren G. Mahler-Initiativen jenes Jahres mit wie z.B. an dem Internat. Mahler-Tagen oder am Mahler-Sonderheft der Zs. Moderne WeltEine illustrierte Revue (ab 1926 Untertitel: Das Blatt der eleganten Dame, ab 1931 Almanach der Dame) Redakteur: Ludwig .... Nebenher war er auch als Feuilletonist beim Neuen Wr. Tagblatt tätig. 1922 wird er zum österr. Delegierten der IGNM bestimmt u. im Juni 1922 übernimmt Stefan die Leitung der Musikblätter des Anbruch1919-1937, Wien; ab 1929 Titeländerung zu Anbruch. Untertitel: Halbmonatsschrift für moderne Musik (bis 1923), Monatss... (MdA), eine Funktion, die er bis 1937 innehatte und die in den Folgejahren von versch. Schwerpunktheften, wie z.B. zu F. Schreker (1922), A. Schönberg (1924), zum Jazz, zu Russland (1925), zum Tanz, zu Maschine und Musik (1926) geprägt war und somit auch das themat. Profil wie das Mitarbeiterspektrum der Zs. sichtbar modernisierten und öffneten. 1923 erschien seine Max Reinhardt-Biographie u. St. wurde zum Mitglied der Rechtsschutzkommission des Schutzverbandes deutscher Schriftsteller in Österreich gewählt. Seit Einrichtung der Zs. Die Bühne wirkte auch St. an ihr als Musik- u. Theaterkritiker mit, beginnend mit einer Bespr. der UA von Komisches Intermezzo von R. Strauß. Seit 1925, oft in Begleitung durch P. A. Pisk, war St. auch in Radio Wien als Kommentator oder Vortragender zu hören.
Stefan bemühte sich in jener Zeit um Ausweitung des Mitarbeiterkreises der MdA; prominentester Zugang im Jahr 1925 war z.B. Theodor W. Adorno, der in H.7/1925 die UA von Alban Bergs Wozzeck bespricht. Aus dem Schwerpkt.heft über den Tanz entsteht 1926 auch eine separate Publ. Tanz in dieser Zeit; in der Zs. Die BühneGegründet 1924 durch den umstrittenen Zeitungsunternehmer Emmerich Bekessy, erschien die Zs. ab 6.11.1924 als Wochenzei... veröffentl. St. zahlr. Reisefeuilletons, bespr. nebenher auch literar. Neuerscheinungen wie z.B. Schnitzlers Traumnovelle (H.53/1926), widmet R. Rolland einen Beitr., befasst sich mit Selma Lagerlöf (H.210/1928) oder Hofmannsthals Ägyptische Helena (H.187/1928). Im Radio stellt St. Künstler an den Schnittflächen von Literatur u. Musik vor wie z.B. R. Schumann oder E.T. A. Hoffmann u. präsentiert Themen, die zeitgl. auch in den MdA diskutiert werden wie z.B. über Musik und Maschinen im Kontext der Schallplattendebatte oder jener über das sog. Sphärophon. Auch in den sozialdemokr. Volkshochschulprogrammen (Leopoldstadt, Ottakring) war er zu musikal. Anlässen, z.B. zur Verdi-Feier im Jänner 1926, zu Beethoven- und Brahmsveranstaltungen 1927 oder der Hugo Wolf-Gedenkfeier 1928 vertreten. Auch 1927 präsentierte St. in der populären Bühne ungewöhnl. neue Musik bzw. künstler. Ensembles, so z.B. die UA von Ivan Golls Operngroteske Palace Royal in der Vertonung von Kurt Weillgeb. am 2.3.1900 in Dessau – gest. am 3.4.1950 in New York; Komponist, Musikkritiker Weill studierte ab 1918 an der Mu... oder Diaghilews Ballett anlässl. des Wiener Gastspiels (Dez. 1927). 1928 war Stefan in die Schubert-Feiern stark eingebunden u. veröffentl. auch eine Biographie über ihn, äußerte sich aber auch zu Kreneks Jonny u. dessen nachfolgende Kompositionen, insbes. die Kurzopern Der Diktator oder Schwergewicht oder die Ehre der Nationsowie zu F. Schrekers neuer Oper Der singende Teufel (Bühne 216/1928).
Ende der 1920er konnte St. auch auf eine beachtl. Radiopräsenz verweisen, allein 1929-30 mit je 20 Beiträgen, u.a. zu Schönbergs Gurrelieder. Neben der neuen Musik, z.B. dem Trio Krenek-Schönberg-Weill, Milhaud oder Janaček, interess. St. stets auch die Klassiker in der Linie von Mozart über Verdi bis Wagner. 1932 erschien denn auch Die Wiener Oper; 1933, anlässl. des 50. Todestages von Wagner veröffentl. St. die Schrift Die Feindschaft gegen Wagner; kulturpolit. äußert er sich kritisch über die Machtübernahme des Nationalsoz. in Deutschland. 1934 folgten Biographien zu Arturo Toscanini bzw. Bruno Walter. In den Folgejahren bleibt St. zwar noch aktiv, insbes. durch Radiobeitr., seine publizist. Präsenz ist insgesamt freilich rückläufig. Nach dem sog. Anschluss im März 1938 flüchtete Stefan nach Frankreich u. schloss sich in Paris der Liga für das geistige Österreich an; er gehörte auch ihrer Delegation beim Begräbnis von Joseph Roth an. 1940 flüchtet St. in die USA weiter.
Werke (Auswahl)
Anna Bahr-Mildenburg (1922); Hofmannsthal. Eine Ansprache (1924); Arnold Schönberg. Wandlung-Legende-Erscheinung-Bedeutung (1924); 25 Jahre neue Musik. = Jahrbuch der Universal Ed. (1926); Dvořak. Leben und Werk (1935); Toscanini (1935)
Literatur
Eintrag bei musiklexikon.at, Eintrag bei deacademic.com.
(PHK)